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RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Filgotinib: Phase-III-Studie FINCH-3 publiziert
Mit Filgotinib wurde kürzlich der vierte Januskinase (JAK)-Inhibitor zugelassen, der ähnlich wie Upadacitinib präferenziell JAK-1 hemmt. Die Zulassung basierte primär auf den beiden Phase-III-Studien FINCH-1 und -2 zu Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die zuvor auf csDMARDs, meist Methotrexat (MTX), bzw. auf bDMARDs versagt hatten. Kürzlich wurde nun auch die randomisierte, doppelblinde, aktiv-kontrollierte Phase-III-Studie FINCH-3 von René Westhovens, Leuven (Belgien), und Kollegen online publiziert. Auch wenn Filgotinib hier außerhalb der Zulassung bei in Bezug auf MTX therapienaiven Patienten mit früher RA geprüft wurde, ist die Studie durchaus von Interesse.
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In der zuvor auf dem EULAR-Kongress 2019 erstpräsentierten Phase-III-Studie wurden 1.252 Patienten mit früher, mäßig bis schwer aktiver RA (im Mittel 53 Jahre, 77 % Frauen, Krankheitsdauer im Mittel 2,2 Jahre, SJC/TJC 16 bzw. 26, DAS28-CRP 5,7, 36 % orale Steroide zu Baseline), die entweder noch MTX-naiv waren oder nur eine limitierte MTX-Exposition (<3 Dosen ≤25 mg) hatten, im Verhältnis 2:1:1:2 auf Filgotinib 1x 200 oder 1x 100 mg/Tag in Kombination mit MTX (bis zu 20 mg/Woche) oder Filgotinib 200 mg oder MTX (jeweils als Monotherapie) für bis zu 52 Wochen randomisiert. Primärer Endpunkt war das ACR20-Ansprechen in Woche 24 unter Filgotinib 200 mg plus MTX versus MTX-Monotherapie, in Woche 24 hierarchisch getestete wichtige sekundäre Endpunkte waren unter anderem das ACR20-Ansprechen (Filgotinib 100 mg plus MTX versus MTX-Monotherapie), der ΔHAQ-DI und eine DAS28-CRP-Remission ≤2,6.
Hohe Ansprechraten in Woche 24
In Woche 24 erreichten signifikant mehr Patienten unter Filgotinib 200 mg plus MTX (81,0 %; p<0,001) und Filgotinib 100 mg plus MTX (80,2 %; p=0,017) ein ACR20-Ansprechen im Vergleich zur MTX-Monotherapie (71,4 %), Filgotinib 200 mg alleine (78,1 %; p=0,058) war allerdings nur im Trend besser als die MTX-Monotherapie (Abb.), weshalb für die FilgotinibMonotherapie die weitere hierarchische Testung gestoppt wurde. In Anbetracht der raschen Wirksamkeit von Filgotinib ab Woche 2 (bis Woche 20 war auch die Monotherapie im ACR20 noch signifikant besser) könnte dieser Befund einem späteren Wirkeintritt von MTX oder dem hohen MTX-Ansprechen geschuldet sein. Die beobachteten Effekte für den primären und die anderen Endpunkte wurden bis Woche 52 aufrechterhalten.
Klarer waren die Unterschiede im ACR50/70-Ansprechen in Woche 24 (61,5, 57,0 und 58,1 vs. 45,7 % bzw. 43,8, 40,1 und 40,0 vs. 26,0 %). Deutlich und durchweg signifikant waren in Woche 24 die Differenzen im ΔHAQ-DI (-0,94, -0,90 und -0,89 vs. -0,79) und vor allem beim Erreichen einer DAS28-CRP-Remission (54,1, 42,5 und 42,4 vs. 29,1 %). Ein ähnliches Bild zeigte sich auch für verschiedene Patient-reported Outcomes (SF-36 PCS, FACIT-F). Ein klares Plus für Filgotinib war zudem für die röntgenologische Progression gemäß dem modifizierten Total Sharp/van der Heijde-Score (mTSS) in Woche 52 erkennbar (0,21, 0,27, 0,23 vs. 0,74). Im Hinblick auf das Sicherheitsprofil gab es keine großen Überraschungen, schwere therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse traten in allen vier Behandlungsarmen vergleichbar häufig auf (6-8 %), gleiches galt bis Woche 52 für alle (36-38 %) und schwere Infektionen (1-2 %).
In der Gesamtschau bestätigte Filgotinib die in den beiden anderen Phase-III-Studien dokumentierte gute Wirksamkeit jetzt auch in einem weitgehend therapienaiven Patientenkollektiv mit früher RA. Vorteile zeigten sich insbesondere in Kombination mit MTX. Für Filgotinib 200 mg alleine wurde der Nachweis einer signifikanten Überlegenheit gegenüber der MTXMonotherapie im ACR20 knapp verpasst, bei ambitionierteren Endpunkten (ACR50/70, Remission) waren die Unterschiede deutlicher, ebenso in der Röntgenprogression. Dennoch waren die Effekte von MTX beachtlich, sodass kein Anlass besteht, die Therapieempfehlungen in der EULAR- und DGRh-Leitlinie zugunsten eines Therapiestarts mit MTX zu ändern. m
100
ACR20-Ansprechen (%) 80
60
40
20
0 *p<0,05 vs. MTX-Monotherapie **p<0,001 vs. MTX-Monotherapie 81,0** 80,2* 78,1 71,4
42 Filgotinib 200 mg + MTX (n=416) Filgotinib 100 mg + MTX (n=207) Filgotinib 200 mg (n=210) MTX (n=416)
8 12 Studienwoche 16 20 24
Abb.: FINCH-3-Studie: ACR20-Ansprechen bis Woche 24 auf Filgotinib 100 oder 200 mg + MTX sowie Filgotinib 200 mg oder MTX als Monotherapie
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Rituximab vs. Tocilizumab: Ergebnisse der R4RA-Studie
Trotz zielgerichteter bMARD-Therapien zeigen weiterhin etwa 40 % aller Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ein schlechtes klinisches Ansprechen. Da über 50 % der Patienten wenige oder keine CD20 B-Zellen in der Synovialflüssigkeit aufweisen, könnte nach Anti-TNF-Versagen der Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitor effektiver als Rituximab sein. Getestet wurde diese Hypothese von Costantino Pitzalis, London (Großbritannien), und Kollegen der europäischen R4RA-Studiengruppe.
In die 48-wöchige, Biopsie-geleitete, open-label, randomisiert-kontrollierte Phase-IV-Studie R4RA wurden in 19 Zentren in fünf Ländern 164, die ACR/EULARKlassifikationskriterien 2010 erfüllende RA-Patienten ≥18 Jahre nach Anti-TNFVersagen eingeschlossen. Nach einer Synovia-Biopsie histologisch bzw. nach RNA-Sequenzierung des Biopsats als B-Zell-reich oder -arm stratifiziert wurden sie im Verhältnis 1:1 auf zwei 1.000 mg Rituximab-Infusionen (2-WochenIntervall) oder i.v. 8 mg/kg Tocilizumab alle 4 Wochen randomisiert. Ziel war der Nachweis einer Überlegenheit von Tocilizumab in der B-Zell-armen Population in Woche 16, primärer Endpunkt war eine Verbesserung im Clinical Disease Activity Index um 50 % (CDAI50 %) ab Baseline.
Bei den histologisch als B-Zell-arm klassifizierten Patienten zeigte sich keine signifikante Differenz im CDAI50 % zwischen der Rituximab- und TocilizumabGruppe (45 vs. 56 %; p=0,31), sehr wohl aber bei den nach RNA-Sequenzierung klassifizierten Patienten (36 vs. 63 %; p=0,035). Bezüglich aller und schwerer unerwünschter Ereignisse (70 vs. 80 % bzw. 7 vs. 10 %) gab es keine relevanten Unterschiede. Somit zeigte die auf RNASequenzierung basierende Stratifizierung eine stärkere Assoziation mit dem klinischen Ansprechen. Bei Patienten mit keiner oder geringer B-Zell-Expression in der Synovia war Tocilizumab überdies signifikant wirksamer als Rituximab. Die interessanten Ergebnisse müssen noch unabhängig bestätigt werden – bis sie für den Praxisalltag wirklich relevant werden, dürfte also noch einige Zeit ins Land ziehen. m
Quelle: Lancet 2021; 397(10271): 305-317
Erfolgreicher Wechsel von JAK- auf TNFα-Inhibitor
Die randomisierte, doppelblinde, aktiv- und placebokontrollierte Phase-III-Studie SELECT-COMPARE zum Vergleich des präferenziellen Januskinase (JAK)-1-Inhibitors Upadacitinib mit Adalimumab bei auf Methotrexat (MTX) versagenden RA-Patienten stellte eine internationale Studiengruppe um Roy Fleischmann, Dallas (USA), vor. Erfasst wurde in der Analyse bei Patienten mit keinem oder unzureichendem Ansprechen auf das ts- bzw. bDMARD die Effektivität und Sicherheit eines Wechsels von Upadacitinib auf Adalimumab oder umgekehrt.
Während die Umstellung von bDMARDs auf tsDMARDs viel praktiziert wird, fehlte es zuvor noch an Daten zum umgekehrten Vorgehen. In SELECT-COMPARE waren Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf MTX auf Upadacitinib 1x 15 mg/Tag (n=651), Placebo (n=651) oder s.c. Adalimumab 40 mg alle 2 Wochen (n=327) randomisiert worden. Im Rahmen eines Treat-to-target-Studiendesigns erfolgte ohne vorheriges Washout eine verblindete Rescue-Therapie bei einer Verbesserung im SJC und TJC ≤20 % nach 14, 18 oder 22 Wochen (Non-Responder) oder in Woche 26 im Falle eines Clinical Disease Activity Index (CDAI) >10 (Incomplete-Responder). Insgesamt 39 % (252/651) und 49 % (159/327) der initial auf Upadacitinib respektive Adalimumab randomisierten Patienten wechselten („Rescue“) auf die jeweils andere Therapie (19 vs. 24 % vor und 19 vs. 25 % in Woche 26) – recht gut die Hauptergebnisse der SELECT-COMPARE-Studie mit fast durchweg höheren Ansprech- bzw. Remissionsraten unter Upadacitinib in Woche 12 und 26 widerspiegelnd.
In beiden Switch-Gruppen (von Adalimumab auf Upadacitinib und vice versa), und zwar sowohl in Non-Respondern als auch inkompletten Respondern, wurden Verbesserungen der Krankheitsaktivität 3 und 6 Monate nach dem Rescue dokumentiert. Eine niedrige Krankheitsaktivität (LDA) im CDAI ≤10 erreichten 6 Monate nach erfolgtem Rescue 36 vs. 47 % der Non-Responder bzw. 45 vs. 58 % der inkompletten Responder, die zu den jeweiligen Zeitpunkten auf Adalimumab respektive Upadacitinib wechselten. Eine CDAI-Remission ≤2,8 nach 6 Monaten erreichten 5 vs. 14 % bzw. 5 vs. 16 %, eine DAS28-Remission 19 vs. 31 % bzw. 23 vs. 36 %. Ein fast identisches Bild ergibt sich für das Ansprechen gemäß ACR20 (59 vs. 75 % bzw. 77 vs. 87 %), ACR50 (26 vs. 49 % bzw. 47 vs. 63 %) und ACR70 (12 vs. 24 % bzw. 19 vs. 39 %). Der Switch war also in beide Richtungen erfolgreich und ohne vorherigem Wash-out möglich, mit allerdings höheren Ansprechraten beim Wechsel auf den JAK-1-Inhibitor. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Zwei Strategien der Therapiedeeskalation im Vergleich
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die unter Etanercept und Methotrexat (MTX) eine Remission erreicht haben, stellt sich die Frage nach einer Deeskalation hin zu einer Monotherapie. In der internationalen, randomisierten, doppelblinden, kontrollierten SEAM-RA-Studie wurde bei RA-Patienten in anhaltender, stringenter Remission von Jeffrey R. Curtis, Birmingham (USA), und Kollegen untersucht, ob sich diese bei Weglassen von Etanercept oder MTX aufrechterhalten lässt.
Eingeschlossen wurden 371 RA-Patienten, die unter Etanercept 50 mg/Woche plus MTX 10-25 mg/Woche die ACR/ EULAR-Remissionskriterien (SDAI ≤3,3) nach einer 24-wöchigen Open-labelPhase erreicht hatten. Nach 24 Wochen wurden die 253 (68,2 %) in Remission gebliebenen Patienten (im Mittel 55,6 Jahre, Krankheitsdauer 10,3 Jahre, MTXDosis 16,3 mg, SDAI 1,3) für 48 Wochen doppelblind im Verhältnis 2:2:1 auf den Entzug von Etanercept (MTX-Mono) oder MTX (Etanercept-Mono) oder Fortführung der Kombination randomisiert. Patienten mit Krankheitsverschlechterung, definiert als SDAI >11 zu jeder Zeit oder SDAI >3,3 und ≤11 bei 2 konsekutiven Visiten in ≥2-wöchigem Abstand oder bei ≥3 separaten Visiten, erhielten die Kombination als Rescue-Therapie und wurden als Non-Responder gewertet. Primärer bzw. sekundärer Endpunkt in Woche 48 war der Anteil von Patienten in Remission ohne Verschlechterung im Etanercept- vs. MTX-Monotherapie-Arm bzw. im Kombinations- vs. MTX-Monotherapie-Arm.
In Woche 48 blieb die SDAI-Remission signifikant häufiger unter der Etanercept- vs. MTX-Monotherapie erhalten (49,5 vs. 28,7 %; p=0,004) und auch häufiger unter fortgeführter Kombinationstherapie vs. MTX-Monotherapie (52,9 vs. 28,7 %; p=0,006). Die Zeit bis zu einer Verschlechterung war kürzer unter der MTX-Monotherapie im Vergleich zu sowohl der Etanercept-Monotherapie als auch der fortgeführten Etanercept/MTXKombination (je p<0,001). Bei Patienten mit erforderlicher Rescue-Therapie erreichten 71, 75 und 80 % unter der MTX- oder Etanercept-Monotherapie oder im Kombinationsarm wieder eine SDAI-Remission bis Woche 48. Im Ergebnis bot nach anhaltender SDAI-Remission die Etanercept- gegenüber der MTX-Monotherapie ein geringeres Risiko für einen Remissionsverlust und war fast gleichauf mit der Kombination. Da sich nach Wiederaufnahme letzterer in 75-80 % der Fälle wieder eine Remission einstellte, scheint insbesondere das Absetzen von MTX vertretbar zu sein. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2020; doi: 10.1002/art.41589
First-line-Biologika in der Praxis: Kaum Unterschiede
Anhand prospektiver, die Praxisrealität widerspiegelnder Daten des CORRONA-Registers untersuchten Dimitrios A. Pappas, New York (USA), und Kollegen den Einsatz verschiedener bDMARDs (und tsDMARDs) als First-line-Therapien nach dem Versagen konventioneller csDMARDs wie Methotrexat sowie potenzielle Faktoren, die das jeweilige Ansprechen beeinflussen.
In die Analyse mit Propensity ScoreMatching gingen 4.816 erwachsene RA ein mit einem CDAI-Score >2,8 zu Baseline, validen Follow-up-Daten in Monat 12 und keinem vorherigen Gebrauch von bDMARDs und tsDMARDs. Die Endpunkte wurden ein Jahr nach Therapiebeginn mit einem TNFa-Inhibitor (Adalimumab, Etanercept, Certolizumab pegol, Golimumab oder Infliximab) im Vergleich zu Nicht-TNF-Biologika bzw. einem JAK-Inhibitor (Abatacept, Tocilizumab, Rituximab oder Tofacitinib) erfasst und schlossen den CDAI, DAS28, PROs wie den HAQ-DI, EQ-5D-Score, Schlaf, Ängstlichkeit, Morgensteifigkeit und Fatigue sowie die Raten einer Anämie ein. Zu beachten ist, dass deutlich mehr Patienten neu auf eine Anti-TNF-Therapie (vor allem Adalimumab und Etanercept) und relativ weniger auf Tocilizumab, Rituximab oder auch Tofacitinib eingestellt wurden.
Im Ergebnis zeigten sich für keinen der genannten Endpunkte signifikante Unterschiede zwischen TNFa-Inhibitoren und Nicht-Anti-TNF-Therapien als Erststrategie mit Ausnahme einer etwas niedrigeren Inzidenzrate für Anämien in der Anti-TNF-Gruppe (19,04 vs. 24,01 pro 100 Patientenjahre; p=0,03). Die Aussagekraft dieses Befundes dürfte eher limitiert und auch der geringen Patientenzahl auf Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitoren geschuldet sein. Auch wurden keine Baseline-Charakteristika identifiziert, die mit einem signifikant besseren Ansprechen auf die eine oder andere First-line-Biologika-Strategie verbunden waren. Angesichts des großen Aufwands stellt sich die Frage, ob der breit angelegte Real-World-Vergleich (TNF- vs. Nicht-TNF) viel Sinn gemacht hat. Letztlich bleibt es sinnvollerweise weiterhin bei einer individuellen Entscheidung gemäß der ärztlichen Einschätzung und Patientenpräferenz. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Auch niedrig dosierte Glukokortikoide mit Risiko verbunden
Primär zu Therapiebeginn und im Schub eingesetzte Glukokortikoide (GK) werden bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) im Praxisalltag häufig in niedriger Dosierung weitergeführt – auch Gewöhnungseffekte spielen hier eine Rolle. Die neue ACRLeitlinie zur RA empfiehlt aufgrund der damit verbundenen Langzeitrisiken sogar, beim Therapiestart möglichst ganz auf GK zu verzichten (und schießt dabei weit über das Ziel hinaus). Auf dem ACR Convergence 2020 berief man sich dabei auch auf eine in diesem Rahmen von französischen Rheumatologen um Bernard Combe, Montpellier, vorgestellte 10-Jahres-Analyse der prospektiven ESPOIR-Früharthritis-Kohorte, die kurz darauf online publiziert wurde.
Die Analyse umfasste 608 Patienten mit früher RA (79 % Frauen, mittleres Alter 47,5 Jahre) der bekannten ESPOIR-Kohorte, bei denen über 10 Jahre hinweg das Sicherheitsprofil von GK erfasst wurde. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen mit und ohne mindestens eine GK-Therapie während des Follow-up stratifiziert. Primäres Outcome war ein Komposit aus Tod, kardiovaskulären (CV) Erkrankungen, schweren Infektionen und Frakturen, das mit einem gewichteten, zeitabhängigen Cox-Analysemodell mit Propensity Scoring berechnet wurde. 65 % der Patienten erhielten Low-Dose GK (median 1,9 mg/Tag), die gemittelte kumulative Prednison-Dosis betrug 8.468 mg über im Mittel 44,6 Monate. Insgesamt wurden 95 Ereignisse verzeichnet, darunter 10 Todesfälle, 18 CVErkrankungen, 35 schwere Infektionen und 32 Frakturen. Bei Patienten mit GKTherapie kam es häufiger zu diesen Ereignissen als bei solchen ohne GK (n=71 vs. 24; p=0,035). Die höchste kumulative GK-Exposition (≥8,4 g) war signifikant mit dem höchsten Risiko für das Auftreten des primären Komposit-Outcomes (24,3 %; p=0,007), CV-Erkrankungen (7,9 %; p=0,001) und schweren Infektionen (9,9 %; p=0,024) assoziiert. Das Risiko für Ereignisse über die Zeit war signifikant assoziiert mit GK, Alter, Hypertonie und ESR. Das mit der GK-Einnahme verbundene Risiko steigerte sich deutlich von der ersten Follow-up-Visite nach 12 Monaten (Hazard ratio, HR 0,46; 95% KI 0,23-0,90) bis zur letzten nach 10 Jahren (HR6,83; 95% KI 2,29–20,35).
Die 10-Jahres-Analyse ergab somit langfristig ein Dosis- und zeitabhängig auch mit Low-Dose GK assoziiertes Risiko für schwere unerwünschte Ereignisse. Daraus wie der ACR eine möglichst komplette Vermeidung von GK zu Therapiebeginn abzuleiten, erscheint dennoch fragwürdig – die Forderung nach einem möglichst raschen und konsequenten Ausschleichen wird durch diese Daten aber sehr wohl gestützt. m
Quelle: Rheumatology 2020; doi: 10.1093/rheumatology/keaa850
Orale Glukokortikoide und PPI: eine riskante Kombination
Viele RA-Patienten nehmen neben oralen GK auch Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) ein, die gleichfalls mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen assoziiert sind. Niederländische Experten um Frank de Vries, Utrecht, untersuchten in einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie jetzt das sich durch gleichzeitige Einnahme von GK und PPI ergebende Risiko für osteoporotische Frakturen bei RA-Patienten.
In die Studie eingeschlossen wurden 12.351 RA-Patienten ≥50 Jahre (im Mittel 68 Jahre, 69 % Frauen) aus dem „Clinical Practice Research Datalink“ zwischen 1997 und 2017. Dabei wurde die Exposition auf orale GK und PPI stratifiziert nach gegenwärtiger (<6 Monate), rezenter (7–12 Monate) oder früherer Einnahme (>1 Jahr), der durchschnittlichen sowie kumulativen Dosis und der Einnahmedauer. Das Risiko für osteoporotische Frakturen (Hüfte, Lendenwirbel, Humerus, Vorderarm, Becken und Rippen) wurde mit zeitabhängigen, Cox-proportionalen Regressionsmodellen abgeschätzt, die auf Lebensstilfaktoren, Komorbiditäten und Komedikationen adjustiert wurden.
Es traten 1.411 Osteoporose-bedingte Frakturen auf. Die Einnahme von GK plus PPI war gegenüber deren Nichtgebrauch mit einem höheren Risiko verbunden (adj. Hazard ratio, HR 1,60, 95% KI 1,35-1,89). Dies unterschied sich signifikant vom durch GK oder PPI alleine verursachten Risiko für Osteoporose-assoziierte Frakturen (adj. HR je 1,2). Für individuelle Lokalisationen dieser Frakturen fand sich fast stets eine signifikante Assoziation für GK plus PPI. Bei den Patienten, die sowohl GK als auch PPI einnahmen, zeigte sich jedoch kein weiterer Anstieg des Frakturrisikos bei höherer Tagesdosis oder Einnahmedauer des PPIs. Als Ergebnis bleibt somit bei paralleler Einnahme eine Interaktion mit erhöhtem Risiko von osteoporotischen Frakturen.
Bei RA-Patienten, bei denen eine Verordnung von GK und PPI erforderlich ist, bedarf es daher einer besonders strikten Erfassung des Frakturrisikos. m