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STILL-SYNDROM: SYSTEMISCHE JIA UND AOSD
Worauf man in der Praxis achten sollte
Zur Diagnose, Klinik, prognostischen Markern, Behandlungszielen und Therapien beim Still-Syndrom äußert sich Oberarzt Dr. med. Altan Güloglu, Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie an der Donauklinik Neu-Ulm.
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Was sind die Herausforderungen bei der Diagnose?
Die Ersterkrankung, die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA), tritt bei Kindern auf, häufig vor dem 5. Lebensjahr. Bei Erstauftreten der Erkrankung bei Jugendlichen und Erwachsenen spricht man vom Adult-onset StillSyndrom (AOSD). Beide Verlaufsformen gehören zur selben Erkrankung.
Die Diagnose des Still-Syndroms nimmt in den meisten Fällen einige Zeit in Anspruch, weil es sich um eine Ausschlussdiagnose handelt. Der Weg der Patienten zum Rheumatologen ist deshalb häufig lang und führt über andere Fachärzte, wie Kardiologen, Hämato-Onkologen, Infektiologen oder HNO-Ärzte. Typische Symptome sind insbesondere remittierendes Fieber und lachsfarbenes Exanthem, zudem Arthritis, Hepatomegalie, Serositis und Lymphadenopathie.
Welche Marker gibt es zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose und für die Prognose?
Als Hilfestellung für die Diagnose können die Klassifikationskriterien von Yamaguchi herangezogen werden. Laut diesen sind die Majorkriterien Arthritiden oder Arthralgien seit mehr als zwei Wochen, intermittierendes Fieber seit mehr als einer Woche sowie Exanthem und Leukozytose ≥10,000/μL (mit ≥80 % Neutrophilen). Minorkriterien sind Halsschmerzen, Lymphadenopathie und/ oder Splenomegalie sowie Leberwerterhöhungen. Häufig sind die ANA-Werte und Rheumafaktoren negativ bzw. niedrig-titrig erhöht. Als möglicher Marker für die Prognose des Still-Syndroms wird aktuell Interleukin (IL)-18 diskutiert. Derzeit sind aber keine validierten Marker für die Prognose bekannt.
Dr. med. Altan Güloglu
Warum sind eine frühzeitige Diagnose und spezifische Therapie wichtig?
Eine rechtzeitige Diagnose und frühe spezifische Therapie sind beim StillSyndrom wichtig, um Organschäden und destruktive Gelenkläsionen zu vermeiden. Außerdem geht es darum, lebensgefährliche Risiken wie ein Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) oder eine Amyloidose und somit Nierenschäden zu reduzieren.
Was sind die Behandlungsziele und welche Therapieoptionen gibt es?
Das Therapieziel ist eine inaktive Erkrankung, also eine langfristige Remission sowie die Reduktion von Organ- und destruktiven Gelenkschäden. Zur Behandlung werden als Basistherapie NSAR, Steroide oder DMARDS eingesetzt. Bei Nicht-Ansprechen können Biologika wie Anakinra, Canakinumab, Tocilizumab und TNFα-Inhibitoren zur Anwendung kommen.
Stichwort „Treat-to-target“ – geht das beim Still-Syndrom?
Treat-to-target (T2T) ist eine Behandlungsstrategie, bei der ein Arzt durch eine frühzeitig intensivere Therapie spezifizierte und sequenziell gemessene Behandlungsziele verfolgt, wie z. B. die Remission einer Krankheit oder eine Verringerung der Krankheitsaktivität. Vor allem mit Hilfe der Biologika könnte eine T2T-Strategie zu besseren klinischen Ergebnissen führen. Dies müsste anhand von Studien weiter untersucht und gefestigt werden, jedoch gehen klinische Studien bei seltenen Erkrankungen mit besonderen Herausforderungen einher.
Kann eine Remission dauerhaft erhalten werden?
Angestrebt wird eine serologische und klinische Remission. Das bedeutet, dass keine oder nur gering erhöhte Entzündungsmarker (CRP, BSG, IL-6) und keine Leukozytose auftreten, dass die Leberwerte zurückgehen, dass ein Absetzen des Steroids oder dessen Reduktion bis auf <7,5 mg/Tag möglich ist und dass keine klinischen Befunde, wie Fieber, Arthritiden, Lymphadenopathie und Serositis vorliegen. Bei lang andauernder Remission kann versucht werden, die Erhaltungstherapie zu deeskalieren. Ein gänzliches Absetzen führt meist zu einem Rezidiv. Bei schweren Verläufen ist die Remissionsinduktion eigentlich nur mit Biologika möglich. m
ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren meistens kein Problem
Die in der Onkologie immer häufiger eingesetzten Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) sind nicht selten auch mit immun-assoziierten unerwünschten Ereignissen (irAEs), oft rheumatischen Nebenwirkungen, die vielmals bekannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) ähneln, assoziiert. Umgekehrt besteht die Befürchtung einer Verschlechterung von vorexistierenden Autoimmunerkrankungen (AID) unter ICI. Diese sind nach den aktuellen Ergebnissen einer Kohortenstudie niederländischer Onkologen um Ellen Kapiteijn, Leiden, aber wohl weitgehend unbegründet.
Die Frage, ob und inwieweit Patienten mit vorexistierender AID ein größeres Risiko für irAE unter einer ICI-Monotherapie oder -Kombination aufgrund eines fortgeschrittenen Melanoms aufweisen, sollte anhand von Daten aus dem Dutch Melanoma Treatment Registry (DMTR) geklärt werden. In dieses wurden in den Jahren 2013 bis 2018 insgesamt 4.367 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom eingeschlossen, von denen 415 (9,5 %) eine AID, zumeist eine rheumatologische (n=227), gefolgt von einer endokrinen AID (n=143) und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) (n=55). Über die Hälfte dieser Patienten (55 %) erhielten eine ICI-Therapie (87 mit einem Anti–CTLA-4-Antikörper; 187 mit einem Anti–PD-1-Antikörper und 34 mit deren Kombination).
Die Inzidenz schwerer iAEs (Grad ≥3) war bei Patienten mit und ohne eine vorexistierende AID sowohl unter Anti–CTLA-4-Antikörpern (je 30 %), Anti–PD1-Antikörpern (17 vs. 13 %) oder einer Kombination (44 vs. 48 %) vergleichbar. Gleiches gilt im Wesentlichen auch für das Therapieansprechen in den drei vordefinierten Gruppen (10 vs. 16 %, 40 vs. 45 % und 39 vs. 43 %). Auch im Überleben gab es keine Unterschiede (median 13 vs. 14 Monate). Unter PD-1-Inhibitoren kam es bei AID-Patienten häufiger zu einem Abbruch aufgrund von Therapietoxizität (17 vs. 9 %). Auffällig war, dass CED-Patienten anfälliger für eine AntiPD-1-assoziierte Colitis waren (19 % bei CED vs. 3 % bei AID und 2 % ohne AID). Eine ICI-Therapie stellt somit bei AID- bzw. ERE-Patienten kein substanzielles Risiko dar, während bei CED-Patienten eine strenge Therapieüberwachung besonders wichtig erscheint. m
Quelle: Ann Intern Med 2021; doi: 10.7326/M20-3419
ENTZÜNDLICHE MYOPATHIEN Bei wem ein Krebsscreening besonders dringlich ist
Bei Patienten mit idiopathischen inflammatorischen Myopathien (IIM) ist mit einem deutlich erhöhten Krebsrisiko zu rechnen, an verbindlichen Leitlinienempfehlungen zu geeigneten Screeningmaßnahmen fehlt es jedoch. Britische und US-amerikanische Experten um Rohit Aggarwal, Pittsburgh, führten dazu jetzt ein systematisches Review und eine Metaanalyse durch.
Für die systematische Literaturrecherche wurden die Datenbanken Medline, Embase und Scopus herangezogen. Das Krebsrisiko innerhalb der IIM-Population (also nicht im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung) wurde ausgedrückt als Risk Ratio (RR) für binäre Variable und als gewichtete mittlere Differenz (GMD) für kontinuierliche Variable. Die Evidenz in Bezug auf Krebsscreenings wurde in Form eines narrativen Reviews zusammengefasst.
Insgesamt 69 Studien gingen in die Metaanalyse ein. Als mit einem signifikant erhöhten Krebsrisiko assoziierte Faktoren wurden eine Dermatomyositis (RR 2,21), höheres Alter (GMD 11,19), männliches Geschlecht (RR 1,53), Dysphagie (RR 2,09), kutane Ulzerationen (RR 2,73) und Anti-TIF 1g-Positivität (RR 4,66) identifiziert. Hingegen waren Polymyositis (RR 0,49), eine klinisch amyopathische Dermatomyositis (RR 0,44), RaynaudPhänomen (RR 0,61), interstitielle Lungenerkrankung (RR 0,49), sehr hohe Serum-Kreatinkinase- (GMD -1.189,96) oder Lactatdehydrogenase-Spiegel (GMD -336,52) sowie Anti-Jo1- (RR 0,45) oder Anti-EJ-Positivität (RR 0,17) als mit einem signifikant geringeren Malignitätsrisiko assoziierte Faktoren identifiziert. In Bezug auf IIM-spezifische Krebsscreenings wurden neun Studien ausgewertet. Im Ergebnis scheinen CT-Scans von Thorax, Abdomen und Becken effektiv bei der Identifizierung zugrundliegender asymptomatischer Malignitäten zu sein.
Als Fazit kann gezogen werden, dass Risikofaktoren für Malignitäten bei IIMPatienten bei der Risikostratifizierung unbedingt zu berücksichtigen sind und trotz limitierter Evidenz ein CT-Screening sicherlich sinnvoll ist. Prospektive Studien und die Entwicklung von Leitlinien zum Krebsscreening bei IIM-Patienten sollten noch stärker forciert werden. m
SYSTEMISCHE SKLEROSE Tocilizumab vermindert ILD-Progression in Frühstadium
Bei mit systemischer Sklerose assoziierter interstitieller Lungenerkrankung (SSc-ILD) gibt es mit dem oralen Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib inzwischen eine wirksame und zugelassene antifibrotische Therapie. Interessant scheint in dieser Indikation aber auch der Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitor Tocilizumab zu sein, der in zwei randomisierten, placebokontrollierten Studien der Phase-II und -III bei Patienten mit früher SSc zwar den primären Endpunkt einer Verbesserung der Hautfibrose verfehlte, dafür jedoch einen guten Erhalt der Lungenfunktion bot – ein Effekt, der im Hinblick auf die quantitative radiologische Lungenbeteiligung noch untersucht werden musste, was Dinesh Khanna, Ann Arbor (USA), und Kollegen in einer Post-hoc-Analyse über eine entsprechende Stratifizierung in Angriff nahmen.
In der randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie focuSSced war Tocilizumab bei Patienten mit früher SSc und progressiver Hautfibrose geprüft worden. Die Teilnehmer hatten sowohl zu Baseline als auch seriell im Verlauf eine Spirometrie in Verbindung mit einer HRCT zu Studienbeginn und in Woche 48.Eine quantitative Bestimmung der ILD und Fibrose erfolgte mittels Computersoftware, wobei je nach ILD-Schweregrad drei Kategorien gebildet wurden: leicht (5-10 %), mäßig (>10-20 %) und schwer (>20 %).
Bei 136 der 210 Studienteilnehmer (65 %) wurde eine ILD festgestellt. In den meisten Fällen handelte es sich bei einer Lungenbeteiligung >10 % um eine mäßige bis schwere SSc-ILD (77 %).
Im Tocilizumab-Arm wurde eine Erhaltung der forcierten Vitalkapazität (FVC) über den Verlauf bis Woche 48 demonstriert (mittlere Veränderung der FVC in % vom Sollwert = ‐0,1) gegenüber einer Abnahme in der Placebogruppe (‐6,3 %).
Für die definierten Gruppen mit einer leichten, mäßigen und schweren quantitativen ILD wurde nach 48 Wochen eine mittlere Abnahme der FVC in % vom Sollwert von ‐4,1, 0,7 und 2,1 unter Tocilizumab und um ‐10,0, ‐5,7 und ‐6,7 unter Placebo dokumentiert. Ähnliche therapieassoziierte Befunde wurden bezüglich des Schweregrads der Fibrose festgestellt.
Im Ergebnis zeigte sich somit bei Patienten mit früher SSc-assoziierter ILD mit progressiver Hauterkrankung unter dem IL-6-Rezeptorinhibitor eine Stabilisierung der FVC über ein Jahr, das weitgehend unabhängig vom Ausmaß der quantitativen ILD in der HRCT und dem Schweregrad der Fibrose war. In den USA wurde Tocilizumab inzwischen von der FDA für die Indikation SSc-ILD zugelassen, in Europa wäre dies auch wünschenswert. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2021; doi: 10.1002/art.41668
SSc-ILD: Update zu Nintedanib aus der SENSCIS-Studie
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie SENSCIS reduzierte der Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib bei Patienten mit SSc-ILD die Rate der Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) als Maß der Lungenfunktion um 44 % über 52 Wochen. Genauere Erkenntnisse zu den Effekten von Nintedanib auf die ILD-Progression nach Kategorien des FVCVerlusts lieferte nun eine Post-hoc-Analyse von Toby M. Maher, Los Angeles (USA), und Kollegen.
Jeweils 288 Studienteilnehmer hatten in der SENSCIS-Studie Nintedanib oder Placebo erhalten. In Woche 52 war bei 55,7 bzw. 66,3 % der mit Nintedanib oder Placebo behandelten Patienten eine Abnahme der FVC in % vom Sollwert dokumentiert worden. 13,6 bzw. 20,1 % der Patienten zeigten eine Abnahme der FVC von >5 % bis ≤10 % und 3,5 bzw. 5,2 % von >10 % bis zu ≤15 % des Sollwerts.
Insgesamt 34,5 bzw. 43,8 % der SSc-ILDPatienten unter Nintedanib oder Placebo wiesen eine Abnahme der FVC um ≥3,3 % des Sollwerts auf, entsprechend der vorgeschlagenen minimal klinisch bedeutsamen Differenz (MCID) für eine Verschlechterung der FVC, während bei 23,0 bzw. 14,9 % ein Anstieg der FVC um ≥3,0 % des Normwerts, der vorgeschlagenen MCID für eine Verbesserung der FVC, verzeichnet wurde.
Über 52 Wochen betrug die Hazard ratio (HR) für eine absolute Abnahme der FVC um ≥5 % vom Sollwert oder Tod für Nintedanib gegenüber Placebo 0,83 (95% KI 0,66-1,06; p=0,14). Die HR für eine absolute Abnahme der FVC um ≥10 % vom Sollwert betrug 0,64 (95% KI 0,43-0,95; p=0,029).
Die Ergebnisse dieser Post-hoc-Analyse untermauern aufs Neue einen klinisch relevanten therapeutischen Vorteil von Nintedanib auf die Reduktion der Progression einer SSc‐ILD. m