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RIESENZELLARTERIITIS
Mavrilimumab und Tocilizumab im Blickpunkt
Bei der Riesenzellarteriitis (RZA) werden zur Sterodeinsparung Tocilizumab oder Methotrexat (MTX) empfohlen, auch Sarilumab, an Interleukin (IL)-12/23 oder IL-17 ansetzende Antikörper oder Januskinase (JAK)-1-Inhibitioren könnten künftig eine Option sein. Obgleich bereits auf dem ACR-Kongress vorgestellt, sei hier nochmals auf eine Phase-II-Studie zum Anti-Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF)-Rezeptor α-Antikörper Mavrilimumab eingegangen, die durchaus gute Ergebnisse lieferte. Die Frage, ob Tocilizumab Glukokortikoide (GK) nicht ganz oder weitgehend ersetzen kann, wurde in der Pilotstudie GUSTO adressiert. Überdies wurden weitergehende Real-life-Daten zu Tocilizumab aus Spanien präsentiert.
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Zunächst zu Mavrilimumab: Präklinische Studien hatten gezeigt, dass GM-CSF, ein Upstream-Mediator von sowohl Th1- als auch Th17-Zellen, bei RZA ein pathogener Faktor ist. Dies war die Basis für die internationale, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-II-Studie zur Effektivität und Sicherheit von Mavrilimumab in der Remissionserhaltung, deren Ergebnisse Maria C. Cid, Barcelona (Spanien), vorstellte.
Gute Phase-II-Ergebnisse zu Mavrilimumab
In der Studie wurden 70 Patienten mit aktiver (klinische Symptomatik, ESR ≥30 mm/h und/oder CRP ≥1 mg/dl) de-novo oder rezidivierender RZA (je n=35; bestätigt durch eine Temporalarterienbiopsie oder vaskuläre Bildgebung; 71 % Frauen, im Mittel 70 Jahre) im Verhältnis 3:2 (n=42 vs. n=28) auf s.c. Mavrilimumab 150 mg oder Placebo alle 2 Wochen zusätzlich zu einem Protokoll-gemäßen 26-wöchigen Prednison-Tapering (ausgehend von 20-60 mg/Tag) randomisiert. Zu Baseline musste verpflichtend eine GK-induzierte Krankheitsremission (Resolution der RZA-Symptomatik und CRP <1 mg/dl oder ESR <20 mm/h) erreicht sein. Primärer Wirksamkeits-Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Schub zu Woche 26 in allen Patienten (modifizierte Intention-to-treat-Population). Ein Schub, bestätigt durch ein unabhängiges Komitee, war definiert als ESR ≥30 mm/h und/oder CRP ≥1 mg/dl und neuerliche RZA-Symptome oder eine neue/sich verschlechternde Vaskulitis in der Bildgebung. Sekundärer Endpunkt war eine anhaltende Remission bis Woche 26.
Zu einem Krankheitsschub bis Woche 26 kam es unter Mavrilimumab und Placebo bei 19,0 bzw. 46,4 % der Patienten (Δ27,4 %). Die mediane Zeit bis zu einem Schub bis Woche 26 konnte für Mavrilimumab aufgrund zu weniger Ereignisse nicht berechnet werden und betrug 25,1 Wochen im Placeboarm (Hazard ratio, HR 0,38, 95% KI 0,15-0,92; p=0,0263) (Abb.). Eine bis Woche 26 anhaltende Remission erreichten unter Mavrilimumab und Placebo 83,2 gegenüber 49,9 % der Studienteilnehmer (Δ33,4 %; p=0,0038). Die Ergebnisse waren konsistent in den beiden Subgruppen (HR für Schub bei denovo-Patienten 0,29, 95% KI 0,06-1,31; nominal p=0,0873; HR für Schub bei rezidivierenden/refraktären Patienten 0,43, 95% KI 0,14-1,30; nominal p=0,1231). Unerwünschte Ereignisse (UE), meistens mild bis mäßig ausgeprägt, waren vergleichbar in beiden Studienarmen. Es kam bei 4,8 vs. 10,7 % der Patienten zu schweren UE, die aber nicht der Therapie zugerechnet wurden. Es gab keine Todesfälle, auch kam es zu keinem Visusverlust. Unter dem monoklonalen Anti-GM-CSF-Antikörper (der auch bei rheumatoider Arthritis und jetzt COVID-19 geprüft wurde bzw. wird) wurden keine neuen Sicherheitssignale berichtet. Im Ergebnis zeigte sich Mavrilimumab im Remissionerhalt somit im Vergleich zu Placebo signifikant überlegen mit einer bis Woche 26 nur geringen Schubrate. Angesichts der recht guten Verträglichkeit erscheint eine Weiterentwicklung von Mavrilimumab bei RZA durchaus sinnvoll. (1)
Wahrscheinlichkeit für anhaltende Remission (%) 100
80
60
40
20 Mavrilimumab Placebo
Hazard ratio 0,38; p=0,0263
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Zeit seit Randomisierung (Wochen)
Tocilizumab: Update der GUSTO-Studie
Die Fragestellung, ob der in der GiACTA-Studie erfolgreich erprobte IL-6-Rezeptorinhibitor Tocilizumab Steroide nicht ganz oder weitgehend ersetzen kann, untersuchten Lisa Christ, Bern (Schweiz), und Kollegen. In der einarmigen Open-label Proofof-concept-Studie GUSTO erhielten 18 RZA-Patienten (2/3 Frauen, im Mittel 72 Jahre, 83 % kraniale RZA) mit Diagnosestellung vor <4 Wochen, einem CRP-Wert >25 mg/l und GKExposition (max. 60 mg/Tag) für max. 10 Tage nur an Tag 0, 1 und 2 je 500 mg i.v. Methylprednisolon. Danach wurde die Steroidtherapie sofort gestoppt und ab Tag 3 kam i.v. Tocilizumab 8 mg/kg KG zum Einsatz mit dem ab Tag 10 in GiACTA erprob-
ten Therapieregime mit wöchentlich s.c. 162 mg bis Woche 52. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten, die binnen 31 Tagen eine Remission (keine Symptome; partielle Remission = milde Symptome, definiert als nicht-ischämisch, auf NRS <5/10) erreichten und zu Woche 24 kein Rezidiv erlitten.
In einer Interimsanalyse erreichten drei von 12 Patienten (25 %) eine Remission nach 31 Tagen und blieben ohne Rezidiv bis Woche 24 (p=0,92). 14 von 18 Patienten erreichten eine Remission binnen 24 Wochen (für im Mittel 11,1 Wochen) und 13 blieben ohne Rezidiv bis Woche 52 (72 %). Nur 3 Patienten waren Non-Responder und erhielten eine Rescue-GK-Therapie (2/3 mit persistierenden kranialen Symptomen inklusive einer de-novo anterioren ischämischen Optikusneuropathie, 1/3 mit persistierenden PMR-Symptomen), 2 brachen die Studie infolge unerwünschter Ereignisse (Hepatopathie, Divertikulitis) vorzeitig ab. Nach einer 3-tägigen Methylprednisolon-Puls- mit folgender Tocilizumab-Monotherapie wurde bei 72 % der Teilnehmer eine Remission induziert und bis Woche 24 erhalten. Diese Strategie erscheint somit vielversprechend und sollte in größeren Studie weiter evaluiert werden. (2, 3)
Kurz erwähnt seien noch zwei Auswertungen einer Kohorte von 312 spanischen RZA-Patienten, die mit Tocilizumab behandelt wurden. Die erste Analyse von Lara Sanchez-Bilbao, Santander, und Kollegen befasste sich mit der Effektivität von Tocilizumab bei refraktärer kranialer und extrakranialer RZA. Während in Monat 6 häufiger eine Remission bei Patienten mit kranialer RZA erreicht wurde (66 vs. 50 %), waren im Hinblick auf eine anhaltende klinische Remission nach 18 und 24 Monaten kaum noch Unterschiede zwischen den Phänotypen erkennbar. Jedoch zeigte sich bei extrakranialer und gemischter RZA in der Bildgebung seltener eine vollständige Verbesserung. (4) Die zweite Analyse beschäftige sich mit der Prävention einer neuen okularen Beteiligung und der Verbesserung bestehender Visuseinschränkungen. Im Ergebnis scheint Tocilizumab neuen okularen Manifestationen vorzubeugen, es trat kein einziger Fall auf. Waren diese bereits eingetreten, kam es bei Patienten mit unilateralem kompletten Visusverlust zu keinem neuen Ereignis, bei 8 von 18 mit partiellem Visusverlust kam es zu einer teilweisen Verbesserung unter Tocilizumab. (5) m
Quellen:
1 Ann Rheum Dis 2021; 80(Suppl1): 31-32 (OP0059) 2 Ann Rheum Dis 2021; 80(Suppl1): 33 (OP0061) 3 Lancet Rheumatol 2021; doi: 10.1016/S2665-9913(21)00152-1 4 Ann Rheum Dis 2021; 80(Suppl1): 34-35 (OP0064) 5 Ann Rheum Dis 2021; 80(Suppl1): 35-36 (OP0065)
ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN Algorithmus für Re-Therapie mit Rituximab vorgschlagen
Bei den Kleingefäßvaskulitiden interessant und potenziell praxisrelevant war eine Beobachtungsstudie von Jack Arnold, Leeds (Großbritannien), und Kollegen, in der bei Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV) nach einer Induktion mit Rituximab klinische und B-Zell-Prädiktoren für ein Rezidiv untersucht und ein Re-Therapie-Algorithmus entwickelt wurde.
Die Zeitspanne bis zu einem Rezidiv nach vorheriger Rituximab-Induktion ist variabel und die optimale Strategie für eine Re-Therapie unklar. Ausgehend von dem früheren Befund, dass die Rekonstitution naiver B-Zellen ein anhaltendes Ansprechen prädiziert, wurde versucht, einen entsprechenden Algorithmus für die Re-Therapie zu entwickeln. Eingeschlossen in die Studie mit 10-jährigem Follow-up wurden 60 mit Rituximab behandelte AAV-Patienten. Ein komplettes Ansprechen (CR) war definiert als Birmingham Vasculitis Activity Score v3.0 (BVAS) = 0. Eine Re-Therapie wurde eingeleitet bei einem klinischen Rezidiv. Periphere B-Zell-Subgruppen wurden mittels hochsensitiver Flusszytometrie bestimmt. Prädiktive Faktoren wurden mittels multivariater Cox-Regression getestet.
Die medianen Zeiten bis zur Re-Therapie betrugen für die Rituximab-Zyklen 1-5 87, 71, 65, 59 und 86 Wochen. Über 417 Patientenjahre (PJ) hinweg kam es zu 137 Rezidiven in 50 Patienten; 16 (in 14 Patienten) waren schwerwiegend (renal=7, neurologisch=4, HNO=3 und respiratorisch=2). Die Rate schwerer Rezidive betrug 3,8/100 PJ. In multivariaten Analysen waren begleitende Immunsuppressiva (Hazard ratio, HR 0,48), das Erreichen einer CR (HR 0,24) und eine Rekonstitution naiver BZellen in Monat 6 (HR 0,43) mit einer längeren Zeit bis zu einem Rezidiv assoziiert. Vice versa waren mehr Gedächtnis-B-Zellen zu Baseline mit einer kürzeren Zeit bis zum Rezidiv assoziiert (HR 1,01). Die AUROC für die Prädiktion der Zeit bis zum Rezidiv war größer, wenn die Re-Therapie von der Rekonstitution naiver B-Zellen gegenüber der ANCA- und/oder CD19+-Rückkehr in Monat 6 geleitet wurde (0,82 bzw. 0,52). Der Algorithmus der Experten sieht daher bei Rituximab-Induktion generell begleitende orale Immunsuppressiva vor. Patienten mit unvollständigem Ansprechen oder fehlenden naiven B-Zellen sollten ab Monat 6 re-therapiert werden. Jene mit komplettem Ansprechen und Rekonstitution naiver B-Zellen in Monat 6 sollten von einer fixen Re-Therapie ausgenommen werden, auch um das Risiko einer Hypogammaglobulinämie durch eine unnötige ReTherapie mit Rituximab zu reduzieren. m