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RHEUMATOLOGIE
ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN
EMA meldet Sicherheitsbedenken nunmehr bei allen JAK-Inhibitoren an
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Nach einer aktuellen Risikobewertung des Pharmakovigilanz-Ausschusses (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist davon auszugehen, dass die bereits für den Einsatz von Tofacitinib auf Basis der Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie bestehenden Einschränkungen bei chronisch-entzündlichen bzw. rheumatischen Erkrankungen nun auch auf andere Januskinase (JAK)-Inhibitoren wie Filgotinib, Baricitinib und Upadacitinib übertragen werden.
Zu den Einsatzgebieten der JAK-Inhibitoren gehören neben der rheumatoiden Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis, axialen Spondyloarthritis und juvenilen idiopathischen Arthritis auch die Colitis ulcerosa, atopische Dermatitis und Alopecia areata. Einige andere JAK-Inhibitoren wie Ruxolitinib und Fedratinib, die zur Therapie von myeloproliferativen Neoplasien eingesetzt werden, wurden nicht einbezogen und sind deshalb nicht von den Empfehlungen betroffen, selbiges gilt für Baricitinib im Rahmen der (kurzzeitigen) Behandlung von COVID-19.
Analoge Entwicklung wie in den USA durch den FDA-Entscheid
Anlass der Überprüfung waren die Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie, die dem Hersteller von Tofacitinib von der USArzneimittelbehörde FDA auferlegt wurde, nachdem in ersten klinischen Studien ein Anstieg der Serumlipide und vermehrte Inzidenz von Tumoren aufgefallen war. An 323 Zentren in 30 Ländern waren 4.362 RA-Patienten mit mindestens einem kardiovaskulären (CV) Risikofaktor auf Tofacitinib 2x 5 oder 10 mg/ Tag oder einen TNFα-Inhibitor (Adalimumab oder Etanercept) randomisiert worden. Im Ergebnis war es unter Tofacitinib häufiger zu CV-Ereignissen gekommen und auch bestimmte Tumorentitäten, insbesondere Lungenkrebs und Lymphome, traten im Beobachtungszeitraum häufiger auf.
Nach dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse im Februar 2021 hatte die FDA noch vor der Vollpublikation der Studie einen Warnhinweis für Tofacitinib veranlasst, der trotz damals im Grunde noch fehlender Evidenz im September 2021 auch auf die JAK-Inhibitoren Baricitinib und Upadacitinib ausgeweitet wurde (Filgotinib ist in den USA nicht zugelassen). In Deutschland wurde im Juli 2021 mit einem Rote-Hand-Brief zu Tofacitinib reagiert, wonach dieses bei Patienten ≥65 Jahre, aktuellen oder früheren Rauchern, solchen mit zusätzlichen CV-Risikofaktoren (z. B. für Myokardinfarkt, Schlaganfall) und zusätzlichen Risikofaktoren für Malignitäten nur eingesetzt werden sollte, wenn keine geeigneten Alternativen verfügbar sind. Diese Einschränkungen werden jetzt voraussichtlich in ähnlicher Form auf alle bei chronisch-entzündlichen und/oder rheumatischen Erkrankungen eingesetzten JAK-Inhibitoren einschließlich Abrocitinib, Filgotinib, Baricitinib und Upadacitinib übertragen. Überdies sollen laut PRAC JAK-Inhibitoren auch bei anderen Patienten mit Risikofaktoren für venöse Thromboembolien (VTE) mit Vorsicht angewendet bzw. bei Patienten, bei denen ein Risiko für VTE, Malignitäten oder schwere CV-Ereignisse besteht, deren Dosis reduziert werden.
Rationale hierfür sind neben ORAL Surveillance auch vorläufige Ergebnisse einer ähnlichen Beobachtungsstudie mit Baricitinib, in der gemäß der EMA-Verlautbarung offenbar ebenfalls ein Sicherheitssignal gesehen wurde und den PRAC somit zu der Einschätzung bewog, dass die potenziellen Risiken nicht nur Tofacitinib, sondern wohl alle JAK-Inhibitoren betreffen (auch wenn Registerdaten bislang weder für Tofacitinib noch andere JAK-Inhibitoren ein einheitliches Bild zeichnen). Die PRAC-Empfehlungen werden jetzt zunächst noch vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bewertet, die finale Entscheidung zur Änderung der jeweiligen Fachinformationen obliegt dann der Europäischen Kommission. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Kardiovaskuläres Risiko unter JAK-Inhibitoren im Fokus
Noch immer treiben Rheumatologen die Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie um, zumal Real-World-Register das hierin für Tofacitinib belegte erhöhte kardiovaskuläre (CV) Risiko gegenüber TNFα-Inhibitoren auch in CV-Risikopopulationen zumindest teilweise nicht bestätigen konnten. Einen neuen Anlauf nahmen auf Basis nationaler Registerdaten jetzt französische Experten um Lea Hoisnard, Paris, die das Risiko für schwere CV-Ereignisse (MACE) und venöse Thromboembolien (VTE) bei neu auf Januskinase (JAK)-Inhibitoren (Tofacitinib und Baricitinib) oder Adalimumab eingestellten Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) miteinander verglichen.
In die populationsbasierte Kohortenstudie des französischen Gesundheitsdatensystems wurden alle RA-Patienten mit der Erstverordnung eines JAK-Inhibitors oder Adalimumab zwischen 2017 und 2021 eingeschlossen. Primäre Endpunkte waren das Auftreten von MACE oder VTE. Gewichtete Hazard ratios (HRw) wurden mit der Inverse Probability of Treatment Weighting (IPTW)-Methode geschätzt, um Einflussfaktoren mit der begleitenden Gabe von Methotrexat (MTX) als über die Zeit variierende Variable zu berücksichtigen. Die Kohorte umfasste 15.835 RA-Patienten, von denen 8,481 neu auf einen JAK-Inhibitor und 7.354 auf Adalimumab eingestellt wurden (mittleres Alter 59,3 bzw. 55,3 Jahre, Anteil von Frauen 78,3 bzw. 71,2 %).
Während des Follow-up-Zeitraums kam es zu 54 bzw. 35 MACE und 75 bzw. 32 VTE unter JAK-Inhibitoren und Adalimumab. Das Risiko für MACE war dennoch unter den JAK-Inhibitoren nicht signifikant erhöht (HRw 1,0, 95% KI 0,7-1,5; p=0,99), selbiges galt – etwas überraschend – auch für VTE (HRw 1,1, 95% KI 0,7-1,6; p=0,63). Die Ergebnisse wurden auch in einer Subgruppe von RA-Patienten ≥65 Jahre und ≥1 CV-Risikofaktor bestätigt, bei allerdings fehlender statistischer Aussagekraft. Alles in Allem sind die Daten durchaus beruhigend, da für die JAK-Inhibitoren zumindest nach Gewichtung von Ko-Faktoren kein gegenüber Adalimumab signifikant erhöhtes Risiko für MACE und VTE ersichtlich war. Jedoch bedarf es angesichts der relativ geringen Zahl von Ereignissen größerer Datensätze, um zu verlässlicheren Aussagen zu gelangen. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-222824
Sowohl Metaanalysen zu den mit JAK-Inhibitoren durchgeführten Phase-III-Studien als auch die ORAL Surveillance-Studie zum Vergleich der Sicherheit von Tofacitinib gegenüber TNFα-Inhibitoren lassen auf ein unter dieser Substanzklasse erhöhtes Risiko für VTE schließen. Anhand von Daten aus dem nationalen ARTIS-Register verglichen nun schwedische Rheumatologen um Viktor Molander, Stockholm, das VTE-Risiko unter JAK-Inhibitoren und bDMARDs – dies auch im Kontext zu Daten der Allgemeinbevölkerung und RA-Patienten generell.
In die registerbasierte Studie gingen schwedische Daten der Jahre 2010 bis 2021 ein. Das Swedish Rheumatology Quality Register wurde mit dem nationalen Gesundheitsregister verlinkt, um Therapiekohorten von Initiatoren eines JAK-Inhibitors (JAKi), TNFα-Inhibitors (TNFi) oder Nicht-TNFi bDMARDs zu identifizieren (n=32.737 Neutherapien). Zusätzlich wurde eine im Verhältnis 1:5 gematchte Kohorte aus der Allgemeinbevölkerung gebildet (n=92.108) sowie eine allgemeine RA-Vergleichskohorte (n=85.722). Endpunkte waren die Zeit bis zu einem ersten VTE-Ereignis während des Follow-up, sowohl insgesamt, als auch separat für tiefe Beinvenenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (PE). Berechnet wurden die Inzidenzraten (IRs) sowie multivariabel adjustierte Hazard ratios (HRs) per Cox-Regression.
Basierend auf 559 inzidenten VTE-Ereignissen betrug die auf Alter und Geschlecht (auf TNFi) standardisierte IR für VTE 5,15 pro 1.000 Personenjahre (PJ; 95% KI 4,58-5,78) für mit TNFi behandelte Patienten und 11,33 pro 1.000 PJ (95% KI 8,54-15,04) für jene unter JAKi – die IR für Nicht-TNFi-bDMARDs war generell etwas höher als für TNFi. Zum Vergleich: Die IR für VTE betrug 5,86 pro 1.000 PJ (95% KI 5,69-6,04) in der Gesamt-RAKohorte gegenüber 3,28 pro 1.000 PJ (95% KI 3,14-3,43) in der Allgemeinbevölkerung. Das voll adjustierte HR für VTE unter JAKi gegenüber TNFi betrug 1,73 (95% KI 1,24-2,42), die korrespondierenden HRs für PE 3,21 (95% KI 2,11-4,88) und TVT 0,83 (95% KI 0,47-1,45).
In der klinischen Praxis wird damit das höhere VTE-Risiko unter JAKi (vor allem) versus TNFi (aber auch anderen bDMARDs) bestätigt, wobei der Anstieg numerisch auf PE begrenzt war. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Neue Erkenntnisse aus der ORAL Surveillance-Studie
Die ORAL Surveillance-Studie, in der die Sicherheit des Januskinase (JAK)-Inhibitors Tofacitinib mit TNFα-Inhibitoren (Adalimumab, Etanercept) bei Patienten über 50 Jahre und mindestens einem kardiovaskulären (CV) Risikofaktor verglichen wurde, hat für Diskussionen gesorgt und auch die neue EULAR-Leitlinie 2022 zur rheumatoiden Arthritis (RA) beeinflusst. In einer neuen Post-hoc-Analyse analysierten Christina Charles-Schoeman, Los Angeles (USA), und Kollegen nun das Risiko für MACE (schwere CV-Ereignisse) bei Patienten mit oder ohne atherosklerotische CV-Erkrankung (ASCVD) in der Anamnese.
In der Post-Marketing-Sicherheitsstudie hatten RA-Patienten ≥50 Jahre mit ≥1 zusätzlichem CV-Risikofaktor Tofacitinib 5 mg (n=1.455) oder 10 mg (n=1.456) 2x/ Tag oder einen TNFα-Inhibitor (n=1.451) erhalten. Die Primäranalyse hatte ein unter Tofacitinib erhöhtes Risiko für MACE und venöse Thromboembolien (VTE) ergeben. In der aktuellen Post-hoc-Analyse wurden nun die Hazard ratios (HRs) sowohl für die Gesamtpopulation als auch separat für Patienten mit ASCVD in der Vorgeschichte evaluiert.
Sowohl die Risiken für MACE, Myokardinfarkte als auch plötzlichen Herztod waren in ORAL Surveillance unter Tofacitinib gegenüber TNFα-Inhibitoren höher. Bei Patienten mit ASCVD in der Anamnese (14,7 %; 640/4.362), war die MACE-Inzidenz höher unter Tofacitinib 2x 5 mg (8,3 %; 17/204) und 10 mg (7,7 %; 17/222) im Vergleich zu TNFαInhibitoren (4,2 %; 9/214). Die HR für die kombinierten Tofacitinib-Gruppen versus TNFα-Inhibitoren betrug 1,98 (95% KI 0,95-4,14; p für Interaktion 0,196 (für HR) bzw. 0,059 (für Differenz der Inzidenzraten). Bei den Patienten ohne ASCVD in der Vorgeschichte betrugen die HRs für MACE für Tofacitinib 2x 5 mg (2,4 %; 30/1251) und 10mg (2,8 %; 34/1.234) versus TNFα-Inhibitoren (2,3 %; 28/1.237) 1,03 (95% KI 0,62-1,73) bzw. 1,25 (95% KI 0,76-2,07). Fazit: Während bei RA-Patienten mit ASCVD in der Anamnese ein unter Tofacitinib gegenüber TNFα-Inhibitoren höheres MACE-Risiko bestätigt wurde, schien die in der Rheumatologie gebräuchliche niedrigere 5 mg-Dosis das Risiko bei Patienten ohne vorbestehende ASCVD nicht gegenüber TNFα-Inhibitoren zu erhöhen – oder wenn, dann nur bei minimaler absoluter Risikosteigerung. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-222259
ILD: Gemischte Studienergebnisse zu Pirfenidon
Bei der RA ist die interstitielle Lungenerkrankung (ILD) keine seltene Komplikation. Insbesondere Abatacept und Rituximab sind in dieser Situation gut erprobte Biologika und bei progressiv-fibrosierendem Verlauf ist mit Nintedanib eine antifibrotische Therapie verfügbar. Eine internationale Gruppe um Ivan O. Rosas, Houston (USA), prüfte jetzt Pirfenidon – wie Nintedanib bei idiopathischer Lungenfibrose zugelassen – bei RA-ILD in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie TRAIL1.
In die Studie eingeschlossen wurden zwischen 2017 und 2020 insgesamt 123 erwachsene RA-ILD-Patienten (im Mittel 68 Jahre, 60 % Männer), die die 2010er ACR/EULAR-Kriterien für RA erfüllten und eine im HRCT und/oder mittels Lungenbiopsie bestätigte ILD aufwiesen (mittlere FVC 70 %) – aufgrund langsamer Rekrutierung und der COVID19-Pandemie wurde die Studie vorzeitig gestoppt. Im Verhältnis 1:1 wurden die Patienten auf oral 2.403 mg/Tag (=3x 801 mg) Pirfenidon (n=63, 51 %) oder Placebo (n=60, 49 %) randomisiert. Primärer kombinierter Endpunkt war eine Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC%) um ≥10 % oder Tod über 52 Wochen in der ITT-Population, sekundär erfasst wurden die absolute und FVC%Veränderung, der Anteil von Patienten mit FVC%-Abnahme um ≥10 % und die Häufigkeit einer Progression gemäß OMERACT-Definition.
Im primären kombinierten Endpunkt zeigte sich kein signifikanter Vorteil von Pirfenidon (11 vs. 15 %, Odds ratio, OR 0,67; 95% KI 0,22-2,03; p=0,48). Gegenüber Placebo zeigte sich aber ein geringerer jährlicher absoluter FVC-Verlust (-66 vs. –146 ml; p=0,0082) und der FVC% (-1,02 vs. -3,21; p=0,0028). Keine signifikanten Unterschiede waren bezüglich eines FVC%-Verlusts um ≥10 % (8 vs. 12 %, OR 0,52; p=0,32), der Häufigkeit einer Progression (25 vs. 32 %, OR 0,68; p=0,35) und therapieassoziierter schwerer unerwünschter Ereignisse erkennbar.
Klare Aussagen sind schwierig – die Studie war eindeutig „underpowered“. Trotz des verfehlten primären Endpunkts waren Vorteile von Pirfenidon gegeben, vor allem in einer Subgruppe mit UIP-Muster. Ob es in der Rheumatologie weiterentwickelt wird erscheint aber fraglich – auch Daten zur mit systemischer Sklerose-assoziierten ILD waren nicht konklusiv. m
JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS Sollten Biologika immer mit Methotrexat kombiniert werden?
Bei Patienten mit polyartikulärer juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) stellt sich die Frage, wie groß bei erforderlicher BiologikaTherapie der Einfluss einer Kombination mit Methotrexat (MTX) im Hinblick auf Effektivität, Sicherheit und Drug-Survival ist. Antworten liefert einer Auswertung des deutschen BIKER-Registers durch Franz Thiele, Sankt Augustin, und Kollegen.
Für die Analyse wurden JIA-Patienten aus dem BIKER-Register mit entweder einer Monotherapie mit einem ersten bDMARD oder einer Kombination aus Biologikum und MTX identifiziert. Auf der bDMARD-Seite flossen dabei die drei TNFα-Inhibitoren (TNFi) Adalimumab, Etanercept und Golimumab sowie der Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitor Tocilizumab ein. Angesichts des nicht randomisierten Studiendesigns erfolgte eine Adjustierung der verschiedenen Kohorten mittels Propensity Score-Matching, um die Vergleichbarkeit zu verbessern.
Insgesamt gingen 2.148 Patienten in die Auswertung ein, davon erhielten 684 eine biologische Monotherapie und 1.464 eine Kombination aus bDMARD und MTX. Im Ergebnis sank die Krankheitsaktivität unter der Kombinationstherapie signifikant stärker als unter einer bDMARD-Monotherapie. Der Vergleich der adjustierten Kohorten ergab, dass die mit einem TNFi behandelten Patienten stärker als jene auf Tocilizumab vom zusätzlich verordneten MTX profitierten. Die mediane Überlebenszeit einer Therapie mit Biologika war signifikant länger unter der Kombination mit MTX (3,1 Jahre) als bei einer Monotherapie (2,7 Jahre), wie aus einer Kaplan-Meier-Analyse hervorging (Log-Rank-Test: p=0,002). Etwas schlechter war aber das Sicherheitsprofil der Kombination durch die mit zusätzlichem MTX verbundenen häufigeren unerwünschten gastrointestinalen und hepatischen Ereignisse. Schwere Nebenwirkungen waren allerdings mit einer Rate von je 3,6 Ereignissen pro 100 Patientenjahre in beiden Kohorten gleich verteilt.
Als Fazit lässt sich damit ziehen, dass MTX die Wirksamkeit der bDMARD-Therapie bei polyartikulärer JIA erhöht ohne zugleich relevant die Sicherheit zu gefährden. Vor allem unter TNFi verbessert MTX die Therapieeffektivität, während keine maßgebliche Verbesserung unter Tocilizumab erkennbar war – ein Bild, dass man so auch von der rheumatoiden Arthritis kennt. m
Quelle: Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac587
Kann man Biologika nach erreichter Remission absetzen?
Wird bei JIA-Patienten unter einer Therapie mit Biologika eine Remission erreicht, kommt die Frage auf, ob man bei Sorge um die Langzeitsicherheit der bDMARD-Therapie diese reduzieren oder gar beenden kann – trotz Unsicherheiten bezüglich der Erhaltung einer medikamentenfreien Remission. Britische Rheumatologen um Kimme L. Hyrich, Manchester, analysierten jetzt anhand von Daten des UK JIA Biologics-Register, wie viele JIA-Patienten in Remission Biologika stoppen, wie viele wann erneut bDMARDs benötigen und fahndeten nach mit einer Re-Therapie assoziierte Faktoren.
Eingeschlossen in die Auswertung wurden Patienten, die im britischen JIA Biologika-Register zwischen Januar 2010 und September 2021 auf ein Biologikum eingestellt wurden. Aus dieser Gruppe wurden dann jene Kinder und Jugendlichen identifiziert, die ein bDMARD aufgrund einer ärztlich bestätigten Remission absetzten und jene, die erneut eine bDMARD-Therapie aufnahmen. Zusätzlich wurden Faktoren für die Re-Therapie mit einem bDMARD evaluiert. Fehlende Daten wurden mittels multipler Imputation ausgeglichen. Von 1.451 Patienten mit einem medianen Follow-up von 2,7Jahren (IQR 1,4-4,0) stoppten 269 (19 %) ein Biologikum aufgrund erreichter Remission nach median 2,2 Jahren (IQR 1,7-3,0). Von den 220 Patienten mit Follow-upDaten nahmen 118 (54 %) später erneut eine bDMARD-Therapie nach median 4,7 Monaten auf, zu 84 % mit dem vorherigen Biologikum.
Unabhängig von der Therapielinie nahmen Patienten auf Tocilizumab (vor dem Absetzen) mit geringerer Wahrscheinlichkeit erneut eine bDMARD-Therapie auf (vs. Etanercept: Odds ratio, OR 0,3; 95% KI 0,2-0,7), während dies bei Patienten mit längerer Krankheitsdauer vor der bDMARD-Therapie (OR 1,1 pro zusätzlichem Jahr; 95% KI 1,0-1,2) oder mit vorheriger Uveitis häufiger der Fall war (OR 2,5; 95% KI 1,3-4,9).
Fazit: Ein Fünftel der JIA-Patienten konnte das bDMARD absetzen, über die Hälfte benötigten es aber später erneut. Wichtige Faktoren für ein erfolgreiches Absetzen scheinen das Fehlen von Uveitis, eine Vortherapie mit Tocilizumab und bDMARD-Initiierung früh im Krankheitsverlauf zu sein. m
GICHTARTHRITIS Revival für Pegloticase durch Kombination mit Methotrexat
Bei therapierefraktärer Gicht hatte Pegloticase, eine pegylierte Uricase, zwar gute Ergebnisse geliefert, jedoch stand dessen Einsatz eine recht hohe Immunogenität entgegen, weshalb – anders als in den USA – in Europa die Zulassung wieder zurück genommen wurde. Daher versuchten US-amerikanische Experten um Michael E. Weinblatt, Boston, das Präparat durch eine Kombination mit Methotrexat (MTX) „zu retten”. Eine deutliche Wirksteigerung gelang nun tatsächlich in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten MIRROR-Studie.
In die Studie eingeschlossen wurden Erwachsene mit unkontrollierter Gicht (Serum-Harnsäure ≥7 mg/dl, Versagen auf bzw. Unverträglichkeit harnsäuresenkende Therapie [ULT] und ≥1 Tophus, ≥2 Schübe in den vergangenen 12 Monaten oder Gichtarthritis), Ausschlusskriterien waren eine MTX-Kontraindikation, immunsuppressive Therapie, G6PD-Mangel und eGFR <40 ml/min/1,73m2. Insgesamt 152 Patienten wurden im Verhältnis 2:1 für 52 Wochen zusätzlich zu Pegloticase (8 mg 2-wöchentlich) auf orales MTX (15 mg/Woche) oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war der Anteil von Respondern in Monat 6 (Serum-Harnsäurewert <6 mg/dl während ≥80 % der Zeit in den Wochen 20-24).
In der Intention-to-treat-Analyse zeigte sich unter der Kombination mit MTX ein signifikant höheres Therapieansprechen bis Monat 6 im Vergleich zu Placebo (71,0 vs. 38,5 %, Δ32,3 % [95% KI 16,348,3 %]; p<0,0001). Während der ersten sechs Therapiemonate kam es bei 81,3 % der zusätzlich mit MTX und 95,9 % der mit Placebo behandelten Patienten zu ≥1 unerwünschten Ereignis (UE), am häufigsten zu Gichtschüben (66,7 vs. 69,4 %). UEs waren zwischen den Gruppen vergleichbar, jedoch kam es unter der MTXKo-Therapie zu deutlich weniger Infusionsreaktionen (4,2 vs. 30,6 %; p<0,001) und Anti-Drug-Antikörpern. Schwere UE waren in beiden Gruppen ähnlich verteilt. Somit steigerte MTX ganz erheblich die Effektivität von Pegloticase, ohne dass neue Sicherheitssignale auftraten. Ob Pegloticase hierzulande wieder auf den Markt kommt, bleibt noch abzuwarten. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2022; doi: 10.1002/art.42335
Ein genauerer Blick auf das kardiovaskuläre Risikoprofil
Ob für das mit Gicht verbundene kardiovaskuläre (CV) Risiko primär die Gicht selbst über die Bildung von Harnsäurekristallen und der entzündlichen Antwort darauf oder Komorbiditäten die Hauptrolle spielen, ist unklar. Schwedische Rheumatologen um Panagiota Drivelegka, Göteborg, näherten sich dieser Frage nun in einer prospektiven Kohortenstudie, in der Patienten mit inzidenter Gicht der Allgemeinbevölkerung in Bezug auf das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom (ACS) gegenüber gestellt wurden.
In die Studie eingeschlossen wurde basierend auf Registerdaten der Jahre 20072017 eine Kohorte von 20.146 Patienten mit inzidenter Gicht aus der Primär- und Sekundärversorgung (im Mittel 65,6 Jahre, 67,4 % Männer; Frauen waren mit 70 vs. 63 Jahren im Schnitt älter), die mit 83.517 gematchten Kontrollen, jeweils ohne koronare Herzkrankheit (KHK) in der Anamnese, im Hinblick auf das Risiko für ein erstes ACS verglichen wurden.
Das CV-Risiko erhöhende Komorbiditäten wie Hypertonie (53,6 vs. 30,7 %), Hyperlipidämie (28,7 vs. 18,1 %), Adipositas (11,8 vs. 4,5 %), Nierenerkrankungen (10,0 vs. 3,8 %), Alkoholismus (4,0 vs. 2,2 %) und Herzinsuffizienz (11,1 vs. 3,2 %) waren bei den Gichtpatienten stärker verbreitet –mit Ausnahme des Alkoholismus lagen diese häufiger bei Frauen vor. Kalkuliert wurden die Inzidenzraten (IRs) und Hazard ratios (HRs), adjustiert auf Komorbiditäten und Medikation. In einer Sensitivitätsanalyse wurden gesondert 6.075 Gichtfälle und 44.091 Kontrollen ohne zuvor diagnostizierte Komorbidität ausgewertet.
Im Ergebnis war die IR für ein erstmaliges ACS in der Gicht- gegenüber der Kontrollkohorte signifikant höher (9,1 vs. 6,3/1.000 Personenjahre). Eine nicht adjustierte Cox-Regression ergab, dass Gichtpatienten ein höheres Risiko für ein erstes ACS im Vergleich zu Kontrollen aufwiesen (HR 1,44; 95% KI 1,33-1,56), wobei Frauen (HR 1,64; 95% KI 1,41-1,90) ein noch höheres Risiko trugen als Männer (HR 1,36; 95% KI 1,24-1,50). In einer multivariaten Analyse schwächte sich diese Risikoerhöhung ab, blieb aber signifikant (HR 1,15; 95% KI 1,06-1,25). Das Risiko war vergleichbar in der Sensitivitätsanalyse (HR 1,20; 95% KI 1,01-1,44) und wiederum höher für Frauen (HR 1,34; 95% KI 0,86-2,08) als Männer (HR 1,18; 95% KI 0,97-1,44). Für das erhöhte CV-Risiko von Gichtpatienten, von dem Frauen stärker betroffen waren, scheinen vor allem die Komorbiditäten entscheidend, ein kleinerer Teil könnte aber auch auf die Gicht selbst zurückzuführen sein. m