38 minute read
GROßGEFÄßVASKULITIDEN
Erstmals im Rahmen des ACR Convergence 2021 wurde das gemeinsam von ACR und EULAR getragene 2022-Update der Klassifikationskriterien für Großgefäßvaskulitiden vorgestellt – insbesondere Fortschritte in der diagnostischen Bildgebung hatten eine Überarbeitung unumgänglich gemacht. Jetzt publizierten Peter A. Merkel, Philadelphia (USA), und Kollegen der multinationalen Diagnostic and Classification Criteria for Vasculitis (DCVAS)-Studiengruppe die neuen Klassifikationskriterien für Riesenzell- (RZA) und Takayasu-Arteriitis (TA).
Advertisement
Ganz beträchtlich – die letzten ACR-Klassifikationskriterien wurden 1990 publiziert – war angesichts moderner Bildgebungsverfahren (Ultraschall, Angiografie, PET) der Bedarf für eine Aktualisierung bei der RZA.
Die neuen Klassifikationskriterien wurden auf Basis der internationalen DCVAS-Kohorte entwickelt, wobei die Studie in sechs Phasen ablief: 1. die Identifizierung möglicher Kandidaten-Kriterien, 2. deren prospektive Erfassung zum Zeitpunkt der Diagnose, 3. einem Review der Fälle durch ein Expertenpanel, 4. datengetriebene Reduktion der Kandidaten-Kriterien, 5. Ableitung eines punktebasierten Risiko-Klassifikations-Scores in einem Entwicklungsdatensatz und 6. dessen Validierung in einem unabhängigen Datensatz. Der Entwicklungsdatensatz enthielt 518 RZA- und 536 Vergleichsfälle, der Validierungsdatensatz zusätzlich 238 RZA- und 213 Vergleichsfälle.
Klassifikationskriterien für Riesenzellarteriitis
Das absolut erforderliche Schlüsselkriterium für RZA ist ein Alter ≥50 Jahre zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Zusätzliche klinische Kriterien werden mit einem Punktesystem gewichtet, dazu zählen eine positive Temporalarterien (TA)-Biopsie oder TA Halo-Zeichen im Ultraschall (+5), eine ErythrozytenSedimentationsrate (ESR) ≥50 mm/h oder C-reaktives Protein (CRP) ≥10mg/l (+3), plötzlicher Visusverlust (+3), Morgensteifigkeit (Schultern oder Nacken), Claudicatio (Kiefer oder Zunge), neu auftretende temporale Kopfschmerzen, schmerzempfindliche Kopfhaut, TA-Abnormitäten in der Gefäßuntersuchung, bilaterale Beteiligung der Arteria axillaris in der Bildgebung und FDG-PET-Aktivität in Aorta (jeweils +2). Ausgehend von diesen 10 Kriterien wurde ein kumulativer Punktwert ≥6 für die Klassifikation als RZA festgelegt. Bei der Testung dieser Kriterien im Validierungsdatensatz ergab sich eine Fläche unter der Kurve (AUC) von 0,91 (95% KI 0,88-0,94) mit einer Sensitivität von 87,0 % (95% KI 82,0-91,0 %) und Spezifität von 94,8 % (95% KI 91,0-97,4 %). (1)
Explizit handelt es sich um Klassifikations- und nicht Diagnosekriterien – letztere sollte deren Anwendung (primär in der klinischen Forschung) vorausgehen.
Klassifikationskriterien für Takayasu-Arteriitis
Identisch war der Ablauf bei den Klassifikationskriterien für TA, die ebenfalls auf Basis der DCVAS-Kohorte entwickelt wurden. Hier umfasste der Entwicklungsdatensatz 316 TA- und 313 Vergleichsfälle, der Validierungsdatensatz zusätzlich 146 TA- und 127 Vergleichsfälle.
Für die TA wurden als absolut erforderliche Kriterien für die Klassifikation ein Alter von ≤60 Jahren und bildgebender Nachweis einer Großgefäßvaskulitis definiert. Die finalen Kriterien und deren Gewichtung wurden wie folgt festgelegt: weibliches Geschlecht (+1), Angina (+2), Claudicatio (Arme oder Beine) (+2), Gefäßgeräusche (+2), reduzierter Puls in den oberen Extremitäten (+2), reduzierter Puls oder Schmerzempfindlichkeit (in) einer Karotis-Arterie (+2), Blutdruck-Differenz zwischen Armen von ≥20mm Hg (+1), Anzahl der betroffenen arteriellen Bereiche (+1 bis +3), paarweise arterielle Beteiligung (+1) und abdominale Aorten- plus renale oder mesenteriale Beteiligung (+3).
In diesem Fall reicht bei den wiederum 10 einzelnen Kriterien ein kumulativer Punktwert ≥5 für die Klassifizierung als TA aus. Bei der Testung dieser Kriterien im Validierungsdatensatz ergab sich eine AUC von 0,97 (95% KI 0,94-0,99) mit einer Sensitivität von 93,8 % (95% KI 88,6-97,1 %) und Spezifität von 99,2 % (95% KI 96,7-100,0 %). (2)
Auch bei der Takayasu-Arteriitis gilt, dass die Klassifikationskriterien erst nach erfolgter Diagnose zur Anwendung in der Forschung kommen sollten. m
Quellen:
1 Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-223480 2 Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-223482
ACR-JAHRESTAGUNG 2022 First look: Rückblick auf Philadelphia
Vom 10.-14. November wurde der ACR Convergence 2022 im Pennsylvania Convention Center in Philadelphia (USA) erstmals wieder als Präsenzveranstaltung abgehalten – über 9.000 Teilnehmer waren vor Ort, 4.300 schalteten sich virtuell dazu. Trotz des vielfältigen Programms konnte die Veranstaltung nicht ganz mit dem EULAR mithalten, die „großen“ Phase-III-Studien waren bereits dort vorgestellt worden. Nicht mehr das ganz große Thema war (zum Glück) COVID-19.
#ACR22
Zur rheumatoiden Arthritis (RA) wurden im Gefolge von ORAL Surveillance weiter viele Registerdaten zu Januskinase (JAK)-Inhibitoren vorgestellt, zudem standen einige neue Therapieprinzipien in der frühen Entwicklungsphase auf dem Prüfstand. Relativ wenig Neues gab es zur axialen Spondyloarthritis (axSpA), hier stach die SURPASS-Studie zum Vergleich der radiologischen Progression unter Secukinumab und Adalimumab hervor, und zwar mit einem klaren Unentschieden. Ebenso wie zur PsoriasisArthritis (PsA) wurden als Late-breaker positive 52-Wochen-Daten aus den Phase-III-Studien zu dem dualen Interleukin (IL)-17A/F-Inhibitor Bimekizumab präsentiert. Potenziell neue Erkenntnisse gibt es zur Osteoporose: So könnte bei Rheumapatienten bereits bei niedrigen Prednison-Dosen <5 mg/Tag eine antiosteoporotische Therapie sinnvoll sein. Ferner gibt es erste Evidenz für Romosozumab bei Glukokortikoid-induzierter Osteoporose.
Interessant waren vor allem zwei positive Phase-II-Studien beim Sjögren-Syndrom, eine zum Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK)-Inhibitor Remibrutinib, die andere zu dem gegen BLyS und APRIL gerichteten humanen rekombinanten TACI-Fc Fusionsprotein Telitacicept. Letzteres wurde auch recht erfolgreich in einer chinesischen Phase-III-Studie beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) geprüft. m
COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE Neue Varianten: Ist die Präexpositionsprophylaxe gefährdet?
Mit dem Einzug der Omikron-Varianten, mehr geimpften und exponierten Patienten hat das Thema COVID-19 auch in der Rheumatologie ein wenig seinen Schrecken verloren. Jenseits einer mit Paxlovid zugelassenen Notfalloption hat dazu auch die Verfügbarkeit der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Tixagevimab/Cilgavimab beigetragen. Diese wurde jetzt von Christopher Podgorski und Deborah Parks, St. Louis (USA), in einer Real-life-Querschnittstudie bei Rheumapatienten überprüft.
In die Studie eingeschlossen wurden 157 mit Tixagevimab/Cilgavimab im Zeitraum von Mitte Januar bis Ende August 2022 behandelte Rheumapatienten (häufig solche auf einer Anti-B-Zell-Therapie) mit einem mittleren Follow-up von 154 Tagen; die Evaluation erfolgte zum Zeitpunkt der geplanten zweiten Administration nach 6 Monaten. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet, jedoch kam es in 24 Fällen (15,3 %) nach im Mittel 99,5 Tagen nach der letzten Dosis zu einer COVID19-Durchbruchinfektion. Dies betraf primär Frauen (87,5 %), das mittlere Alter der Betroffenen betrug 60,5 Jahre. Alle Patienten waren vollständig gegen COVID-19 geimpft, 4 hatten bereits eine vorhergehende COVID-19-Infektion. 66,6 % erhielten nach der Exposition eine orale antivirale Therapie, von zwei Ausnahmen, die eine Hospitalisierung erforderten, waren die COVID-19-Symptome meist mild bis mäßig. 37,6 % der Patienten waren auf Rituximab, von diesen kam es bei 29 % zu einer Durchbruchinfektion –diese Subgruppe machte 70,8 % aller Durchbruchinfektionen aus.
Insgesamt ist damit die Rate der COVID19-Infektionen bei Rheumapatienten zur Zeit der Omikron-Welle höher als zuvor berichtet (in Studien waren es ca. 4-5 %). Ob man sich, wie von den Autoren vorgeschlagen, über kürzere Dosierungsintervalle der PrEP bei Risikopatienten unter Rituximab Gedanken machen sollte, erscheint fraglich. Angesichts der neuen, Omikron-Varianten (v. a. BQ.1.1) stellt sich ohnehin die Frage, wie wirksam die PrEP noch sein wird. Womöglich wird dann der weniger gegen neue Varianten anfälligen antiviralen Therapie mit Paxlovid in der Frühphase der Infektion eine noch größere Bedeutung zukommen. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Potenziellen Therapiekandidaten auf der Spur
Zur rheumatoiden Arthritis (RA) wurden im Gefolge der ORAL Surveillance-Studie zahlreiche Analysen zur Sicherheit von Januskinase (JAK)-Inhibitoren vorgelegt, die zumeist – vor allem in puncto kardiovaskulärer Ereignisse – vorsichtig optimistisch stimmen, weitere Daten hierzu bleiben abzuwarten. Auf diese sei hier ebenso wenig eingegangen wie auf die STOP RA-Studie, in der es nicht gelang, mit Hydroxychloroquin bei ACPA-positiven Teilnehmern ohne klinische Arthritis die Entwicklung zur RA zu unterbinden. Stattdessen soll der Fokus auf drei mögliche neue Therapieprinzipien bei RA gerichtet werden mit den wohl besten Daten für den Immunglobulin (Ig)G1-Antikörper Peresolimab.
Peresolimab, ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der das programmierte Zelltod-Protein 1 (PD-1), einen Checkpoint-Inhibitor-Rezeptor stimuliert, wurde in einer von Paul Emery, Leeds (Großbritannien), und Kollegen als Late breaking-Abstract präsentierten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-IIa-Studie untersucht. Im Verhältnis 2:1:1 wurden 98 erwachsene Patienten mit aktiver RA und Versagen auf entweder csDMARDs, bDMARDs oder tsDMARDs auf i.v. Peresolimab 700 mg, 300 mg oder Placebo alle 4 Wochen (Q4W) randomisiert (84 % Frauen, im Mittel 52 Jahre, Krankheitsdauer 10 Jahre, DAS28-CRP-Score 5,9). Der primäre Endpunkt einer signifikanten Verbesserung im DAS28-CRPScore von Baseline bis Woche 12 wurde sowohl mit Peresolimab 700 mg (-2,09; p<0,001) als auch 300 mg (-1,88; p=0,017) versus Placebo (-0,99) erreicht. Eine signifikante Verbesserung fand sich auch im CDAI (700 mg: -25,51, p<0,001; 300 mg: -24,06, p=0,008; vs. -13,75). Das ACR20/50/70-Ansprechen unter der höheren Dosierung betrug 71,4 (p<0,05), 38,8 und 20,4 %. Bei Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität (CDAI) in Woche 12 blieb die Wirksamkeit bis Woche 24 erhalten. Das an PD-1 ansetzende neue Therapieprinzip scheint als solches zu funktionieren, auch die Verträglichkeit war bislang gut. (1) Eine weitere Evaluation von Peresolimab in einer Phase-IIbStudie (RESOLUTION-1) ist bereits angelaufen.
Dazodalibep, ein biologischer Antagonist (kein Antikörper) von CD40-Ligand, wurde nach ermutigenden Ergebnissen aus Phase-Ib nunmehr von Alan Kivitz, Duncansville (USA), und Kollegen in vier Dosierungen in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie geprüft. In der Studie wurden 78 erwachsene, seropositive (RF- und/oder ACPA) Patienten mit aktiver RA (DAS28-CRP >3,2, SJC und TJC ≥4) (80 % Frauen, im Mittel 56 Jahre) und Versagen auf Methotrexat (MTX), csDMARDs und/oder bDMARDs (außer Rituximab) ein und wurden 1:1:1:1:1 auf 4 i.v.-Infusionen von Dazodalibep 1.500 mg an Tag 1, 15, 29 und 57, 1.500 mg an Tag 1 und 57, 3.000 mg an Tag 1 und 57, 3.000 mg an Tag 1 oder Placebo (Tag 1, 15, 29 und 57) randomisiert. Primärer Endpunkt war die Veränderung im DAS28-CRP von Baseline bis Tag 113 (Followup bis Tag 309). Signifikante Reduktionen im DAS-CRP zeigten sich an Tag 113 mit allen Dosierungen (-1,83 bis -1,90; p<0,05) versus Placebo (-1,06), eine DAS28-CRP-Remission war allerdings in allen Gruppen selten. Die RF-Spiegel sanken mit allen Dosierungen (von Tag 57-113) signifikant versus Placebo ab (p≤0,0035), im Trend galt dies auch für die ACPA-Spiegel. Die Sicherheit war akzeptabel, genaue Aussagen sind derzeit noch nicht möglich – lange Dosierungsintervalle von Dazodalibep wären theoretisch denkbar. (2)
AP1189, ein antientzündlich wirksamer Melanocortin (MC) Typ1 und -3-Rezeptoragonist, wurde von Thomas Jonassen, Holte (Dänemark), und Kollegen in der 4-wöchigen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-IIa-Studie BEGIN bei 105 Patienten mit neu diagnostizierter, MTX-naiver RA und hoher Krankheitsaktivität (CDAI ≥22) getestet. Diese erhielten zusätzlich zu MTX 1x/Tag AP1189 50 oder 100 mg oder Placebo als orale Suspension. Primärer Endpunkt war die Reduktion des CDAI von Baseline bis Woche 4 bzw. der Anteil Patienten, die einen CDAI <22 erreichten (zu Baseline 36-39). Die Verträglichkeit war gut, Nebenwirkungen waren mild bis moderat ausgeprägt. Die Reduktion im CDAI bis Woche 4 war unter der 100 mg-Dosis gegenüber Placebo signifikant höher (-15,5 vs. -9,3), gleiches galt auch für das ACR20-Ansprechen in Woche 4 (60,6 vs. 33,3 %). Beim Erreichen einer niedrigen bis moderaten Krankheitsaktivität im CDAI war zumindest ein positiver Trend erkennbar. Starke Effekte wurden im DAS28-CRP- und FACIT-Fatigue-Score dokumentiert. (3) Noch ist eine Einschätzung dieser oralen Substanz schwierig, über 4 Wochen hinausgehende Daten werden hier dringend benötigt – ein gewisses Potenzial scheint aber durchaus gegeben. m
Quellen:
1 ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract L03 2 Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl9): Abstract 2008 3 Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl9): Abstract 1985
AXIALE SPONDYLOARTHRITIS
Update zu Bimekizumab und Ergebnisse der SURPASS-Studie
Im Vergleich zu der Vielzahl von auf dem EULAR vorgestellten Phase-III-Ergebnissen zu Bimekizumab und Upadacitinib konnte die ACR-Jahrestagung 2022 in Philadelphia in puncto axiale Spondyloarthritis (axSpA) nicht ganz mithalten. Nachdem der duale Interleukin (IL)-17A/F-Inhibitor Bimekizumab im nächsten Jahr zur Zulassung sowohl bei axSpA (im gesamten Spektrum) als auch Psoriasis-Arthritis ansteht, lohnt jedoch ein Blick auf die 52-Wochen-Daten der beiden Phase-III-Studien BE-MOBILE 1 (nicht-radiografische, nr-axSpA) und BE MOBILE 2 (radiografische, r-axSpA). Der zweite wichtige Programmpunkt – ebenfalls als Late breaking-Abstract präsentiert – waren die Ergebnisse der Phase-IIIb-Studie SURPASS zum Vergleich der radiografischen Progression unter dem IL-17A-Inhibitor Secukinumab und Adalimumab.
Zunächst zu den von Xenofon Baraliakos, Herne/Bochum, und Kollegen vorgestellten 52-Wochen-Daten der beiden randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Parallelstudien BE MOBILE 1 und 2, die bei Patienten mit nr- bzw. r-axSpA in Woche 16 (placebokontrollierte Phase; s.c. Bimekizumab 160 mg alle 4 Wochen [Q4W] vs. Placebo) den primären und alle sekundären Endpunkte erreicht hatten; danach folgte eine 36-wöchige Erhaltungsphase, in der alle Patienten Bimekizumab (weiterhin oder nach Umstellung von Placebo) erhielten. Die Effektivitäts-Endpunkte und therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse (TEAE) wurden bis Woche 52 erfasst. Insgesamt 86,6 % der 254 nr-axSpA- (BE MOBILE 1) und 89,8 % der 332 r-axSpA-Patienten (BE MOBILE 2) blieben bis Woche 52 in der jeweiligen Studie.
In beiden Studien wurde die Wirksamkeit bis Woche 52 aufrechterhalten bzw. steigerte sich noch ab Woche 16, die von Placebo umgestellten Patienten holten rasch auf. Das ASAS40Ansprechen, der primäre Endpunkt beider Studien in Woche 16, stieg bei Patienten mit nr-axSpA von Woche 16 (47,7 %) noch weiter auf 60,9 % an (Non-Responder Imputation, NRI), die von 21,4 % in Woche 16 startenden Placebo-Patienten erreichten nach Umstellung auf Bimekizumab ein ähnliches Level (50,8 %) (Abb. li.). Der Unterschied im ASAS40 zwischen TNF-Inhibitor(i)-naiven (53-62 %) und TNFi-erfahrenen nraxSpA-Patienten (35-50 %) war in Woche 52 gering. Einen ASDAS <2,1 (niedrige Krankheitsaktivität) erreichten in Woche 52 61,6 % der durchgehend mit Bimekizumab und 54,5 % der in Woche 16 darauf umgestellten Teilnehmer, einen ASDAS <1,3 (inaktive Erkrankung) 25,2 bzw. 28,0 %. Auch in anderen sekundären Endpunkten (ASAS20, BASDAI, ASAS PR, BASFI, nächtlicher Rückenschmerz, ASQoL, SF-36, BASMI, Resolution von Enthesitis) zeigte sich von Woche 16 bis 52 ein noch zunehmender Wirkeffekt des IL-17A/F-Inhibitors.
Auch bei den Patienten mit r-axSpA stieg das ASAS40-Ansprechen (NRI) von 44,8 % in Woche 16 noch weiter auf 58,4 % in Woche 52 an, die ursprünglichen Placebo-Patienten (Woche 16: 22,5 %) profitierten sogar noch etwas stärker (Woche 52: 68,5 %; Abb. re.). Die Differenz zwischen TNFi-naiven und erfahrenen r-axSpA-Patienten (59-71 % bzw. 53-57 %) war wiederum gering. Ein ASDAS <2,1 wurde von 57,1 (durchgehend Bimekizumab) bzw. 66,4 % (Bimekizumab ab Woche 16) der Patienten erreicht, ein ASDAS <1,3 von 23,4 bzw. 37,1 %. Auch in dieser Studie wurde in sekundären Endpunkten noch eine Zunahme der Wirksamkeit bis Woche 52 beobachtet. Sowohl in BE MOBILE 1 als auch 2 blieb die Reduktion der objektiven Entzündungszeichen (SPARCC MRT-Score, hsCRP) von Woche 16 bis 52 bestehen.
Bis Woche 52 wurde bei 75,0 % (nr-axSpA) und 75,5 % (raxSpA) der Bimekizumab-Patienten ≥1 TEAE registriert, am häufigsten waren Nasopharyngitis (nr-axSpA: 12,3 %; r-axSpA: 9,1 %), Infekte der oberen Atemwege (nr-axSpA: 9,4 %; r-axSpA: 6,4 %) und orale Candidosen (nr-axSpA: 7,4 %; r-axSpA: 6,1 %). Die Inzidenz von schweren TEAE (pro 100 Patientenjahre) war niedrig (nr-axSpA: 4,4; r-axSpA: 7,1) und es traten
Patienten (%) 80
70
60
50
40
30
20
10
0 47,7 Placebo (bis Woche 16) Placebo/Bimekizumab 160 mg Q4W Bimekizumab 160 mg Q4W
60,9
50,8
44,8 68,5
58,4
21,4 22,5
Woche 16 Woche 52 Woche 16 Woche 52 nr-axSpA r-axSpA
Abb.: BE-MOBILE 1 (nr-axSpA) und BE-MOBILE 2 (raxSpA): ASAS40-Ansprechen (NRI) auf Bimekizumab versus Placebo in Woche 16 und auf Bimekizumab in Woche 52 (kontinuierlich oder ab Woche 16) (1)
keine schweren kardiovaskulären Ereignisse, aktive Tb-Fälle, schwere COVID-19-Infektionen oder Todesfälle auf. Die häufigste Mykose (nr-axSpA: 19,6; r-axSpA: 14,9; keine schwer oder systemisch) war Candida (nr-axSpA: 12,8; r-axSpA: 8,3), meist mild bis moderat ausgeprägt, nur je zwei Patienten brachen die Studie aufgrund von Candida-Infektionen ab. Die Inzidenz von CED (jeweils 1,0) und Uveitis (nr-axSpA: 1,5; r-axSpA: 2,4) war jeweils niedrig. Somit zeigte sich bis Woche 52 eine noch zunehmende Wirksamkeit von Bimekizumab bei gutem Sicherheitsprofil. (1)
Radiografische Progression: Die SURPASS-Studie im Fokus
Die 2-Jahres-Daten der MEASURE 1-Studie hatten für Secukinumab eine nur sehr geringe radiografische Progression bei r-axSpA-Patienten ausgewiesen, ein Vergleich mit TNFi (mit länger zurückliegenden Phase-III-Daten) war daher nicht möglich. Daher wurde seinerzeit mit SURPASS eine randomisierte Phase-IIIb-Head-to-head-Studie zwischen Secukinumab und Adalimumab (Biosimilar) aufgelegt, über die für die Studiengruppe wiederum Xenofon Baraliakos berichtete. Hierin wurden 859 Biologika-naive Patienten mit aktiver r-axSpA (BASDAI ≥4, Wirbelsäulen-Schmerz ≥4, Gesamt-Rückenschmerz ≥40 mm und hsCRP ≥5 mg/l oder ≥1 Syndesmophyten) sowie hohem Progressionsrisiko im Verhältnis 1:1:1 auf Secukinumab 150 oder 300 mg (Dosis-verblindet) oder Adalimumab (40 mg open-label) randomisiert (78,5 % Männer, im Mittel 42,1 Jahre, mSASSS 16,6, BASDAI 7,1, hsCRP 20,4 mg/l, 73 % mit ≥1 Syndesmophyten). Die Röntgenaufnahmen und MRT-Scans wurden verblindet von drei zentralen Readern ausgewertet. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten ohne radiografische Progression (Veränderung ab Baseline [CFB) im mSASS-Score [mSASSS] ≤0,5 in Woche 104.
Den primären Endpunkt erreichten 66,1, 66,9 und 65,6 % der Patienten unter Secukinumab 150, 300 mg und Adalimumab (jeweils p=n.s.), der mittlere CFB-mSASSS betrug 0,54, 0,55 und 0,72 (jeweils p=n.s.). 56,9, 53,8 und 53,3 % der Patienten mit ≥1 Syndesmophyten zu Baseline entwickelten bis Woche 104 keine neuen Syndesmophyten. Keine Unterschiede gab es auch bezüglich der Sicherheit (alle bzw. schwere unerwünschte Ereignisse:79,7, 81,8 und 84,2 % bzw. 14,0, 10,2 und 11,2 %). Somit war die radiografische Progression unter beiden Wirkprinzipien sehr gering, ob ein längeres Follow-up Differenzen aufzeigen könnte, bleibt spekulativ. (2) m
Quellen:
1 ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract (Poster L14) 2 ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract (Poster L15)
EROSIVE HANDARTHROSEN Denosumab mit langfristig positiven Effekten
Bei einer erosiven Arthrose der Hand- und Fingergelenke sind die Therapieoptionen limitiert. Belgische Rheumatologen um Ruth Wittoek, Ghent, untersuchten nun den RANKL-Inhibitor Denosumab, der bekanntlich sowohl die Knochenresorption als auch die Osteoklastenaktivität beeinflusst, in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten über 48 Wochen bei Patienten mit erosiver Handarthrose, die tatsächlich klinisch relevante strukturmodifizierende Effekte aufzuzeigen scheint.
In der als Late-breaking Abstract vorgestellten monozentrischen Studie waren 100 Patienten mit erosiver Handarthrose im Verhältnis 1:1 für 48 Wochen auf s.c. Denosumab 60 mg alle 3 Monate oder Placebo randomisiert worden, gefolgt von einer Open-label-Extension bis Woche 96. Primärer radiologischer Endpunkt war die Veränderung im semiquantitativen Ghent University Scoring System (GUSS™; 0-300) in Woche 24, das bereits kurzfristig eine erosive Progression (Abnahme) oder Zeichen einer Reparatur (Zunahme) detektieren kann. Sekundärer Endpunkt war der Prozentsatz neuer erosiver Gelenke in Woche 48, zusätzlich wurden radiologische und klinische Veränderungen (z. B. Schmerzen, SJC/TJC, Griffstärke und verschiedene Handarthrose-Indizes) nach 48 und/oder 96 Wochen erfasst.
Die mittlere Gesamtveränderung im GUSS™ war in Woche 24 unter Denosumab signifikant höher im Vergleich zu Placebo (Δ8,9, 95% KI 1,0-16,9; p=0,024), noch größer war die Differenz in Woche 48 (Δ14,3, 95% KI 4,6-24,0; p=0,003). Auch entwickelten sich bis Woche 48 unter Denosumab gegenüber Placebo signifikant weniger neue erosive Gelenke (1,8 vs. 7,0 %, Odds ratio, OR 0,23, 95% KI 0,10-0,50; p<0,001). Nach einer Open-label-Therapie mit Denosumab bis Woche 96 zeigte sich in beiden Gruppen ein fortgesetztes Remodeling, sowohl Schmerz als auch Funktion verbesserten sich gegenüber den Ausgangswerten, ohne dass es zu vermehrten unerwünschten Ereignissen kam.
Daraus ergeben sich deutliche Hinweise auf eine strukturmodifizierende Wirksamkeit von Denosumab mit einer geringeren Progression von Erosionen und anhaltenden symptomatischen Verbesserungen. Größere Studien wären wünschenswert, um diese Effekte des RANKL-Inhibitors zu bestätigen. m
PSORIASIS-ARTHRITIS
Positive 1-Jahres-Daten zu IL-17A/F-Inhibitor
Zur Psoriasis-Arthritis (PsA) wurden in diesem Jahr nur wenige wirklich neue Studien vorgestellt, meist handelte es sich um Langzeitergebnisse zu etablierten oder potenziell neuen Therapiekandidaten (wie dem TYK-2-Inhibitor Deucravacitinib). Angesichts der anstehenden Zulassung waren die 52-Wochen-Daten zu dem dualen Interleukin (IL)-17A/F-Inhibitor aus der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie BE OPTIMAL (Adalimumab als Referenz) mit bDMARD-naiven PsA-Patienten, die Christopher Ritchlin, Rochester (USA), und Kollegen als Late breaking-Abstract vorstellten, am interessantesten.
Die BE OPTIMAL-Studie umfasste eine 16-wöchige doppelblinde, placebokontrollierte Phase, gefolgt von einer weiteren über 36 Wochen, die auf die Therapie verblindet war. In der Studie wurden bDMARD-naive Patienten mit aktiver PsA (die CASPAR-Kriterien für ≥6 Monate erfüllend, SJC/TJC je ≥3 und ≥1 aktive psoriatische Läsion und/oder Psoriasis in Anamnese) im Verhältnis 3:2:1 auf s.c. Bimekizumab 160 mg alle 4 Wochen (Q4W), Placebo oder Adalimumab (40 mg Q2W) als Referenz randomisiert (im Mittel 48,7 Jahre, BMI 29,2 kg/m2 , Zeit seit Diagnose 5,9 Jahre, 46,8 % Männer, 49,9 % mit Psoriasis ≥3 % Körperoberfläche, KOF). Ab Woche 16 erhielten auch die Patienten der Placebo-Gruppe Bimekizumab 160 mg Q4W. Insgesamt schlossen 96,4 bzw. 89,3 % der 852 PsA-Patienten Woche 16 bzw. 52 ab.
Auf Augenhöhe mit Adalimumab, Vorteile im PASI
Durchgehend zeigte sich unter Bimekizumab (und auch Adalimumab) von Woche 16 bis 52 eine weitere Zunahme des Ansprechens, die auf Bimekizumab gewechselten PlaceboPatienten holten rasch auf. Ausgehend von einem ACR50Ansprechen (primärer Endpunkt) auf Bimekizumab von 43,9 % (p<0,001 vs. Placebo; 10,0 %) und Adalimumab von 45,7 % in Woche 16, verbesserte sich dieses bis Woche 52 noch auf 54,5 %, 53,0 % (ab Woche 16 auf Bimekizumab umgestellte Patienten) und 50,0 % (Adalimumab) (Abb. li.). Die Patienten mit Psoriasis (≥3 % KOF) erreichten in Woche 52 eine völlige Resolution der Haut (PASI 100) zu 60,8 % (Bimekizumab), 65,0 % (Placebo-Bimekizumab) und 48,5 % (Adalimumab). Bereits in Woche 16 war Bimekizumab Placebo im PASI 100 signifikant überlegen (47,5 vs. 2,1 %; nominal p<0,001) und schnitt auch besser als Adalimumab ab (20,6 %) (Abb. re.).
Überdies hatten in Woche 16 je 45,0 % der Patienten unter Bimekizumab (p<0,001 vs. Placebo; 13,2 %) und Adalimumab eine minimale Krankheitsaktivität (MDA) erreicht, in Woche 52 stieg dieser Anteil noch leicht auf 55,0 bzw. 52,9 % an, die vormaligen Placebo-Patienten gelangten zu 53,7 % in den Status einer MDA. Auch bei allen anderen sekundären Endpunkten zeigte sich in Woche 52 ein noch steigendes Ansprechen unter Bimekizumab, Placebo-Bimekizumab und Adalimumab. In puncto radiografischer Progression, die aber insgesamt nur minimal war, fanden sich nach 52 Wochen geringe Vorteile von Adalimumab (keine Progression [ΔvdH-mTSS ≤0,5] bei 87-89 vs. 94 %), bei Enthesitis (völlige Resolution bei je ca. 60 %) gab es keinen Unterschied, bei der Resolution der Daktylitis (80-88 vs. 73 %) schnitt Bimkekizumab etwas besser ab. Insgesamt war die Differenz zu Adalimumab (die Haut ausgeklammert) aber recht gering.
Bezüglich therapieassoziierten unerwünschten Ereignissen (TEAE, ≥1) bestanden bis Woche 52 keine Unterschiede zwischen Bimekizumab und Adalimumab (79,1 bzw. 80,7 %), zum Abbruch der Studie kam es bei 3,0 bzw. 5,0 %. Die häufigsten TEAE unter dem IL-17A/F-Inhibitor waren Nasopharyngitis (12,0 % bzw. 8,6 % unter Adalimumab), Infekte der oberen Atemwege (7,1 bzw. 5,7 %) und Harnwegsinfektionen (6,1 bzw. 3,6 %). Candida-Infektionen wurden bei 7,7 bzw. 0,7 % der Patienten berichtet, waren aber nur mild bis moderat, nicht systemisch und führten nur in einem Fall zum Abbruch. Unter Bimekizumab kam es zu drei Malignitäten, vier schweren kardiovaskulären Ereignissen und zwei CED-Fällen, aber keiner Uveitis. Bei insgesamt gutem Sicherheitsprofil führte Bimekizumab nach 52 Wochen somit zu einer umfassenden Verbesserung der PsA-Symptome. m
Placebo/Bimekizumab 160 mg Q4W (n=281) Bimekizumab 160 mg Q4W (n=431) Adalimumab 40 mg Q2W (n=140)
100
ACR50-Ansprechen (%) 80
60
40
20
Doppelblinde Phase Aktive Behandlungsphase
p<0,001
45,7
43,9 54,5 53,0 50,0
10,0
0
0 16 Zeit (Wochen) 52 100
PASI 100-Ansprechen (%) 80
60
40
20
Doppelblinde Phase Aktive Behandlungsphase
p<0,001
47,5 65,0 60,8
48,5
20,6
0
2,1
0 16 Zeit (Wochen) 52
Abb.: BE-OPTIMAL: ACR50-Ansprechen (li.) und PASI 100-Ansprechen (re.) (jeweils NRI) auf Bimekizumab, Adalimumab und Placebo in Woche 16 und auf Bimekizumab (kontinuierlich oder ab Woche 16) und Adalimumab in Woche 52 Quelle: ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract L02
SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES Telitacicept: Neues Wirkprinzip weckt Hoffnungen
In Bezug auf den systemischen Lupus erytematodes (SLE) stach eine erfolgreiche randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, 52-wöchige Phase-III-Studie zu dem gegen BLyS und APRIL gerichteten humanen rekombinanten TACI-Fc Fusionsprotein Telitacicept heraus, die positive Daten einer Phase-IIb-Studie aus 2019 bestätigte. Die in China durchgeführte Studie präsentierten Dan Ross, San Diego (USA), und Kollegen auf einer Postersession als Late breaking-Abstract.
In der Phase-III-Studie wurden 335 ANA- und/oder anti-dsDNA-positive SLE-Patienten im Alter von 18-65 Jahren und einem SELENA-SLEDAI-Score ≥8 im Verhältnis 1:1 für 52 Wochen zusätzlich zu einer Standardtherapie auf 1x/Woche s.c. Telitacicept 160 mg oder Placebo randomisiert. 70,4 % der Patienten blieben bis Woche 52 in der Studie. Primärer Endpunkt war das SLE Responder Index (SRI)-4-Ansprechen in Woche 52.Dieser wurde unter Telitacicept in Woche 52 signifikant gegenüber Placebo erreicht (82,6 vs. 38,1 %; p<0,001), dies auch nach Non-Responder-Imputation (67,1 vs. 32,7 %; p<0,001). Bereits ab Woche 4 wurde die Differenz zugunsten von Telitacicept signifikant und blieb es bis Woche 52 (p<0,01 für alle Messzeitpunkte) (Abb.).
Therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse (UE) waren häufiger unter Telitacicept (91,6 vs. 84,5 %), nicht aber schwere UE (7,2 vs. 14,3 %). Es gab keine Todesfälle, Infektionen waren ähnlich verteilt. Häufigste UE (≥10 %) unter Telitacicept waren Infekte der oberen Atemwege, erniedrigte IgG- und IgMSpiegel im Blut, Reaktionen an der Einstichstelle und Harnweginfektionen. Die Wirksamkeit von Telitacicept war wie bereits in Phase-II sehr gut, die Verträglichkeit relativ gut. Detaillierte Daten blieben abzuwarten, eine Phase-III-Studie in den USA ist bereits gestartet und dürfte bessere Einblicke in dessen Potenzial gestatten. m
Quelle: ACR Convergence 2022; Late breaking-Abstract (Poster) L07
100
SRI-4-Ansprechen (%) 80
60
40
20 Telitacicept Placebo
0
0 4 8 12 16 20 24 28
32 Zeit (Wochen) 36 40 44 48 52
Abb.: Phase-III-Studie: SRI-4-Ansprechen auf Telitacicept und Placebo bis Woche 52
In der von David D’Cruz, London (Großbritannien), und Kollegen vorgestellten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-IIb-Dosisfindungsstudie CARE wurde der selektive, oral verfügbare Sphingosin-1-Phoshat-1 (S1P1)-Rezeptormodulator Cenerimod geprüft – die Daten sind eher enttäuschend, dennoch ist offenbar eine Phase-III-Studie geplant.
Cenerimod hemmt die Ausschleusung von Lymphozyten aus den Lymphorganen und reduziert die Gewebsverfügbarkeit zirkulierender B- und T-Lymphozyten. In der CARE-Studie waren 427 Patienten mit aktivem (modifizierter [m] SLEDAI-2K ≥6), seropositivem SLE zusätzlich zu einer Standardtherapie auf 1x täglich Cenerimod (0,5, 1, 2 oder 4 mg) oder Placebo randomisiert worden (nur 339 schlossen sie ab). Die Studiendauer betrug 18 Monate, mit zwei Therapiephasen über je 6 Monate. Primärer Endpunkt war die Veränderung im mSLEDAI-2K von Baseline bis Monat 6.
Der primäre Endpunkt wurde verfehlt. Erst in einer explorativen Analyse fand sich ein nominal signifikanter Vorteil von Cenerimod 4 mg/Tag im mSLEDAI-2K versus Placebo (Δ-1,19; p=0,0291). Etwas besser waren die Ergebnisse für die 4 mg-Dosierung bei Patienten mit höherer Krankheitsaktivität (BILAG B in ≥2 und/ oder BILAG A in ≥1 Organsystem[en]) (Δ-1,39) und hoher Interferon (IFN)-Gensignatur (Δ-2,79) zu Baseline. In Monat 6 und 12 war das SRI-4-Ansprechen bei den für 6 Monate mit Cenerimod 4 mg behandelten Patienten numerisch höher. Auch wenn die Verträglichkeit von Cenerimod insgesamt gut war und die Ergebnisse aus Subgruppen eine gewisse Effektivität andeuten, erscheint es doch erstaunlich, dass dieses Wirkprinzip in Phase-III weiterentwickelt werden soll. m
PRIMÄRES SJÖGREN-SYNDROM
Remibrutinib und Telitacicept mit erfreulichen Phase-II-Ergebnissen
Gleich zwei interessante Phase-II-Studien wurden zum primären Sjögren-Syndrom (pSS) präsentiert. So stellten Thomas Dörner, Berlin, und Kollegen eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Proof-of-Concept-Studie zu dem oralen, kovalenten und hochspezifischen Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK)-Inhibitor Remibrutinib vor – ein Wirkprinzip, dass in der Rheumatologie eigentlich schon auf dem Abstellgleis stand. Ebenfalls erfolgreich verlief eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-IIa-Studie zu dem gegen BLyS und APRIL gerichteten humanen rekombinanten TACI-Fc Fusionsprotein Telitacicept, über deren Ergebnisse Dong Xu, Beijing (China), und Kollegen berichteten – dieses Medikament wird parallel auch bei SLE geprüft.
In der Phase-II-Studie LOUiSSe zu Remibrutinib wurden 73 Patienten (nur 2 Männer, im Mittel 51,8 Jahre) mit moderate bis schwerem SS (zu Baseline mit EULAR Sjögren’s Syndrome Disease Activity Index [ESSDAI]- und EULAR Sjögren’s Syndrome Patient Reported Index [ESSPRI]-Scores von je ≥5, anti-Ro/ SSA-Antikörper-Positivität ≤3 Monate vor dem Screening und unstimuliertem Speichelfluss von >0 ml/min.) eingeschlossen und im Verhältnis 1:1:1 für 24 Wochen auf Remibrutinib 100 mg BID (n=24), 100 mg QD (n=25) oder Placebo (n=24) randomisiert. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse (UE) war in den Gruppen vergleichbar (überwiegend Infektionen: gepoolt 40,8 vs. 41,7 % unter Placebo), schwere UE wurden nicht berichtet, auch keine relevanten Leberwerterhöhungen.
Im Ergebnis führte Remibrutinib gegenüber Placebo zu einer signifikanten Verbesserung im ESSDAI-Score in Woche 24 (Δ−2,86, p=0,003 [beide Dosierungen kombiniert]) mit einer numerischen Verbesserung zu jedem Zeitpunkt (Abb.). Im Trend war auch eine Verbesserung des unstimulierten Speichelflusses unter Remibrutinib versus Placebo erkennbar. Die Gesamt-Serum IgG- und IgM-, nicht aber IgA-Spiegel, sanken, blieben aber im Normbereich. Anti-SSA and -SSB-Autoantikörper folgten dem Trend im Gesamt-IgG. PROs (ESSPRI, FACITFatigue und EuroQol-5 Dimension) waren vergleichbar in den beiden Remibrutinib-Armen und der Placebogruppe.
Remibrutinib hat ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil und wurde gut vertragen. ESSDAI, Speichelfluss and pathologisch erhöhte Immunoglobuline als Aktivitätsmarker verbesserten sich. Diese Daten deuten darauf hin, dass die BTK-Inhibition mit Remibrutinib die erste effektive orale DMARD-Therapie bei SS sein könnte. PROs, auch der ESSPRI, könnten längere Zeiträume brauchen, um positive Effekte nachzuweisen. (1) Weitere Studien zu Remibrutinib als Anti-B-Zell-Therapie bei SS sind definitiv wünschenswert.
0 Remibrutinib Placebo
Veränderung des ESSDAI-Scores ab Baseline (LSM) -1
-2
-3
-4
-5
-6
0 2 4 8 12 16 20 24 Zeit (Wochen)
Neues Wirkprinzip ist offenbar auch bei pSS effektiv
In der Phase-II-Studie zu Telitacicept wurden 42 pSS-Patienten mit anti-SSA-Antikörper-Positivität und einem ESSDAI-Score ≥5 im 1:1:1-Design für 24 Wochen auf s.c. Telitacicept 240 mg, 160 mg oder Placebo randomisiert (je n=14, Full Analysis Set). Im Per-Protokoll-Set wurden 30 Patienten ausgewertet (Telitacicept, n=8 bzw. n=12 und Placebo, n=10).
Primärer Endpunkt war die Veränderung im ESSDAI-Score von Baseline bis Woche 24. Telitacicept 160 mg führte versus Placebo zu einer signifikanten Verbesserung im ESSDAI in Woche 12 und 24 (FAS, PPS; Δ vs. Placebo >3 Punkte), die höhere Dosierung nur in Woche 12 (FAS) und 24 (PPS) (p<0,05). Auch kam es zu einer signifikanten Verbesserung von Fatigue (Multidimensional Fatigue Inventory, MFI-20; p<0,05) und signifikanten Reduktion des Serum-IgG-Spiegels bis Woche 24. (2) Schwere UE blieben aus, eine weitere Exploration in Phase-IIb bzw. –III wäre sicherlich sinnvoll. m
Quellen:
1 Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9): Abstr. 1113 2 Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9): Abstr. 2031
INTERSTITIELLE LUNGENERKRANKUNGEN BEI KOLLAGENOSEN RECITAL-Studie: Rituximab versus Cyclophosphamid
Bei Kollagenosen stellt die Entwicklung von interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) ein großes Problem dar. In der von Toby Maher, Los Angeles (USA), und britischen Kollegen vorgestellten randomisierten, kontrollierten RECITAL-Studie wurden Rituximab und Cyclophosphamid (CYC) als First-line-Therapie bei Patienten mit ideopathischer entzündlicher Myositis (IIM), systemischer Sklerose (SSc) oder Mischkollagenosen (MCTD) und schwerer oder progressiver ILD untersucht. In Woche 24 war die Verbesserung der Lungenfunktion vergleichbar, jetzt wurden die Effekte in Subgruppen analysiert.
In der Studie wurden 101 Patienten mit ILD im Kontext mit SSc (38,1 %), IIM (45,4 %) oder MCTD (16,5 %) in einem Double-Dummy-Design im Verhältnis 1:1 auf CYC 600 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) alle 4 Wochen (6 Dosen) oder Rituximab 1 g zu Baseline und erneut nach 2 Wochen randomisiert. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der forcierten Vitalkapazität (FVC) nach 24 Wochen, als sekundäre Endpunkte wurden die Sicherheit und Verträglichkeit, Veränderung der FVC nach 48 Wochen, Lebensqualität (PROs) und bei den SScPatienten der modifizierte Rodnan Skin Score (mRSS) erfasst. Patienten mit MCTD (FVC 66 % und DLco 37 %) und SSc (FVC 69 % and DLco 34 %) hatten eine größere Beeinträchtigung der Lungenfunktion als solche mit IIM (FVC 71 % und DLco 34 %). In Woche 24 resultierten sowohl Rituximab als auch CYC in einer Verbesserung der FVC (241 ml und 345,7 ml) in der IIM-Subgruppe. Die 24 Wochen-Veränderung ab Baseline für MCTD betrug 208,0 ml und 164,8 ml für Rituximab und CYC, bei SSc waren es -26,0 ml und -3,3 ml.Bei den SSc-Patienten gab es eine leichte Verschlechterung im mRSS nach 24 Wochen unter CYC (+1,6), aber Verbesserung unter Rituximab (-3,4), entsprechend einer Therapiedifferenz in einem adjustierten Modell von -4,47 (95% KI -7,99 bis -0,95; p=0,013) in Woche 24 zugunsten von Rituximab.
Den größten Nutzen aus Rituximab und CYC zogen somit Patienten mit IIM- und MCTD-assoziierter ILD, bei SSc-ILD kam es zu einer Stabilisierung der Lungenfunktion. Bei SSc führte nur Rituximab, nicht CYC, zu einer leichten Verbesserung der Hautfibrose nach 24 Wochen. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9): Abstr. 0003
DERMATOMYOSITIS Lenabasum scheitert erneut in Phase-III-Studie
Nachdem sich bereits bei systemischer Sklerose die Hoffnungen für den Cannabinoid Rezeptor (CB)2-Agonisten Lenabasum zerschlagen hatten, sehen auch die Daten der von Victoria Werth, Philadelphia (USA), und Kollegen vorgestellten randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie DeterMine zu Patienten mit aktiver Dermatomyositis (DM) nicht besser aus.
Bei DM fehlt es weiter an sicheren und effektiven Therapien, daher war mit Lenabasum, das in Phase-II bei Patienten mit aktiver Hauterkrankung diese und auch die Entzündung deutlich verbessert hatte, viel Hoffnung verbunden. In die Phase-III-Studie wurden nun im Verhältnis 2:1:2 175 Patienten erwachsene DM-Patienten mit aktiver Haut mit/ ohne Muskelbeteiligung für 52 Wochen on top eine stabilen immunsuppressiven Therapie auf Lenabasum 20 mg 2x täglich (BID), Lenabasum 5 mg BID oder Placebo BID randomisiert. Die Studie wurde aber, nachdem alle Teilnehmer (n=167) Woche 28 absolviert hatten, vorzeitig gestoppt (103 liefen bis Woche 52). Primärer Endpunkt war der Total Improvement Score (TIS) in Woche 28 für Lenabasum 20 mg BID vs. Placebo – dieser wurde mit im Mittel 28,3 vs. 27,2 klar verfehlt (p=0,3311). Auch in Woche 52 war die Differenz im TIS nur gering (40,6 vs. 34,8; p=0,2290). Bei Patienten mit Muskelschwäche zu Baseline (MMT8 <142), waren die TIS-Scores und Therapiedifferenzen größer und nominal signifkant in Woche 40 (p=0,0172). Die mittlere Verbesserung der Haut im CDASI-Score war unter Lenebasum 20 mg numerisch größer im Woche 28 (-7,1 vs.-5,8 Punkte; p=0,2775) und Woche 52 (-10,0 vs. -6,2 Punkte, p=0,0932]. Bei den Patienten ohne Muskelschwäche (MMT8 =150) war unter Lenabasum die Verbesserung im CDASI größer in Woche 28 (p=0,0461) und Woche 52 (p=0,0059).
Auch wenn sich therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse (TEAE) die Waage hielten und Lenabsaum gut vertragen wurde, bleibt es eine Negativstudie – daran ändert auch nichts, dass bestimmte Patienten doch zu profitieren scheinen und die Rate von DM-Flares niedriger war (27,5 vs. 40,8 %). Somit dürfte dieses Therapieprinzip keine Zukunft mehr in der Rheumatologie haben. m
IDIOPATHISCHE ENTZÜNDLICHE MYOPATHIEN
Idiopathische inflammatorische Myopathien (IIM) mit Beginn im Erwachsenenalter sind in den ersten drei Jahren vor oder nach der Diagnose mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert. Eine multidisziplinäre Expertengruppe der International Myositis Assessment and Clinical Studies Group (IMACS) um Alexander Oldroyd, Manchester (Großbritannien), hat nun evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen zum Krebsscreening bei IIM-Patienten entwickelt und auf dem ACR-Kongress vorgestellt, deren Eckpunkte an dieser Stelle kurz erörtert werden.
Das Ergebnis der Abstimmung zwischen der IMACS-SteeringGruppe und 79 Experten für IIM und Krebsscreening aus 22 Ländern waren 18 Empfehlungen. Abgesehen von juveniler IIM und Einschlusskörper-Myositis (jeweils kein routinemäßiges Screening empfohlen) wird abgestuft nach dem Risiko (niedrig, mittel, hoch gemäß dem IIM-Subtyp, Autoantikörper-Status und klinischen Eigenschaften) zu einem Basis- oder erweiterten Screening geraten.
Ein niedriges Risiko anzeigende Faktoren sind demnach ein Anti-Synthethase-Syndrom, Overlap IIM/Kollagenose-assoziierte Myositis, eine Anti-SRP-Positivität, Anti-Jo1-Positivität, Non-Jo1 ASS-Antikörper-Positivität, Myositis-assoziierte Antikörper-Positivität (PM-Scl, Ku, RNP, Ro/La [SSA/B]) sowie Raynaud-Phänomen, entzündliche Arthropathie und interstitielle Lungenerkrankung. Ein mittleres Risiko für Krebs anzeigende Faktoren sind eine klinisch amyopathische Dermatomyositis (DM), Polymyositis (PM), immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (IMNM), eine Anti-SAE1-Positivität, Anti-HMGCRPositivität, Anti-Mi2-Positivität, Anti-MDA5-Positivität sowie männliches Geschlecht. Ein hohes Risiko anzeigende Faktoren sind schließlich eine DM, eine Anti-TIF1-gamma-Positivität, Anti-NXP2-Positivität sowie ein Alter >40 Jahre bei Krankheitsbeginn, eine persistierend hohe Krankheitsaktivität trotz immunsuppressiver Therapie (inklusive Rezidiven bei vorheriger Krankheitskontrolle), eine mäßige bis schwere Dysphagie und kutane Nekrosen.
Zwei oder mehr Hochrisiko-Faktoren bedeuten eine Klassifizierung als hohes Risiko für IIM-assoziierten Krebs, zwei oder mehr mittlere Risikofaktoren oder auch nur ein hoher gelten als mittleres Risiko für IIM-assoziierte Tumoren; Patienten, die keines dieser beiden Kriterien erfüllen, werden als solche mit einem geringen Risiko für IIM-assoziierten Krebs eingestuft. Auf dieser Basis wird ein abgestuftes Vorgehen mit Basis- oder erweitertem Krebsscreening einschließlich Empfehlungen zu Timing und Häufigkeit des Screenings vorgeschlagen (Abb.).
Zum Basis-Screening zählen eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung, großes Blutbild, Leberfunktionstests, Serum-ESR und -CRP, Serumprotein-Elektrophorese, Urinanalyse und Röntgen-Thorax, das erweiterte Screening umfasst zusätzlich ein CT (Kopf/Hals, Thorax, Abdomen, Hüfte), zervikales Screening (i. e. Schmiertest), Mammografie, Bestimmung von PSA und CA-125, Ultraschall (abdominal/transvaginal) und Okkultbluttest. Weitere Empfehlungen werden zum Einsatz von gastrointestinaler Endoskopie, Rhinoskopie und 18F-FDG PET/CT-Scans bei Patienten mit hohem Risiko ausgesprochen (wenn ein zugrundeliegender Krebs zum Zeitpunkt der IIM-Diagnose nicht aufgespürt wurde), für die PET/ CT auch bei Anti-TIF-positiven DM-Patienten >40 Jahre mit ≥1 zusätzlichen Risikofaktor. Die Evidenz der Empfehlungen ist gering, was sie an tatsächlichem Nutzen bringen, wird sich in der Praxis zeigen. m
IIM-Beginn im Erwachsenenalter
Hohes Risiko
≥2 HochrisikoFaktoren Mittleres Risiko
≥2 mittlere Risiko-Faktoren oder 1 Hochrisiko-Faktor Niedriges Risiko
Nicht die Kriterien für hohes oder mittleres Risiko erfüllend
BasisScreening Bei IIMDiagnose 1, 2 und 3 Jahre nach IIM-Beginn
Erweitertes Screening Bei IIMDiagnose
BasisScreening Bei IIMDiagnose
Erweitertes Screening Bei IIMDiagnose
BasisScreening Bei IIMDiagnose
POLYMYALGIA RHEUMATICA Könnte die JAK-Inhibition eine Therapiealternative sein?
Bei der Polymyalgia rheumatica (PMR) wurden zuletzt zwei eher positive Phase-III-Studien zur Steroideinsparung mit Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitoren vorgestellt, SAPHYR mit Sarilumab und SEMAPHORE zu Tocilizumab, die auch auf dem ACR erörtert wurden. Hier sei aber auf eine von Weiqian Chen, Hangzhou (China), und Kollegen präsentierte prospektive Studie namens EAST PMR zum Einsatz des Januskinase (JAK)-Inhibitors Tofacitinib bei PMR eingegangen.
Jenseits der Effektivität und Sicherheit von Tofacitinib wurden in der Studie zudem auch pathogenetische Merkmale der PMR anhand von Genexpressionsprofilen in peripheren mononukleären Blutzellen (PBMCs) bei 11 der Teilnehmer untersucht und mit gesunden Kontrollen verglichen. Insgesamt wurden 27 Patienten mit neu diagnostizierter PMR auf Tofacitinib 2x 5 mg/Tag randomisiert, 25 auf eine eher niedrig dosierte Glukokortikoid (GK)-Therapie (Prednison 15 mg/ Tag, graduelles Tapering). Der PMR-Aktivitätsscore (PMR-AS) zu Baseline war mit 19,0 und 21,4 vergleichbar. Primärer Endpunkt war ein PMR-AS ≤10 in den Wochen 12 und 24, sekundäre Endpunkte der PMR-AS, CRP und ESR.
Es zeigte sich in der Genanalyse, dass zahlreiche mit dem JAK-Signalweg assoziierte inflammatorische Gene bei PMRPatienten hochreguliert waren, was auf eine potenziell relevante Rolle dieses Therapieprinzips bei PMR hindeutet. In Woche 24 hatten alle Patienten unter Tofacitinib und GK einen PMR-AS ≤10 erreicht, auch kam es zu einer signifikanten Abnahme im PMR AS (auf jeweils 2 bzw. nahe 0 in Woche 12 und 24 in beiden Therapiearmen) sowie CRP bzw. ESR. Nur ein Patient hatte bis Woche 12 nicht gut auf Tofacitinib angesprochen, ebenso einer auf GK bis Woche 16. Es gab außer einer milden Harnwegsinfektion keine relevanten Sicherheitssignale unter Tofacitinib. Eine weitere Exploration von JAK-Inhibitoren bei PMR-Patienten dürfte interessant sein, jedoch könnten dem Sicherheitsbedenken (ältere Patienten, oft erhöhtes kardiovaskuläres Risiko) im Wege stehen. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9): Abstr. 1107
ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN Neuer Kandidat zum Ersetzen der Steroidtherapie
Bei schweren ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV; Granulomatose mit Polyangiitis, GPA, und mikroskopische Polyangiitis, MPA) besteht weiter der Wunsch, möglichst auf Glukokortikoide (GK) als Kombinationspartner von Rituximab (RTX) oder auch Cyclophosphamid (CYC) zu verzichten, oder die GK-Dosis stark zu reduzieren. Ein Anfang wurde bereits mit Avacopan gemacht. Jetzt stellten Peter A. Merkel, Philadelphia (USA), und überwiegend deutsche Kollegen die randomisierte, doppelblinde, aktivkontrollierte, 2-teilige Phase-II-Studie IXCHANGE zu dem monoklonalen Anti-C5a-Antikörper Vilobelimab vor, der spezifisch am löslichen Komplementfaktor C5a-Fragment bindet.
In Teil 1 der Studie mit 57 GPA/MPAPatienten (51 schlossen sie ab) erfolgte ein Vergleich von Vilobelimab plus reduzierter GK-Dosis (RDGC) mit der GK-Standarddosis (SDGC) als Add-on zu RTX oder CYC, in Teil 2 wurde Vilobelimab alleine mit der SDGC verglichen (jeweils plus RTX/CYC). Nach Initialdosen an Tag 1, 4 und 8 erhielten die Patienten für 16 Wochen Vilobelimab 800 mg alle 2 Wochen für 16 Wochen, gefolgt von einer 8-wöchigen Beobachtungsphase. Primäre Endpunkte waren ein klinisches Ansprechen (BVAS-Reduktion ≥50 % vs. Baseline, keine Verschlechterung in einem Organsystem) und klinische Remission (BVAS=0), sekundäre Endpunkte die Sicherheit, eGFR und der GK-Toxizitätsindex (GTI).
Die mittlere kumulative GK-Dosis ab Tag 1 bis Studienende betrug 541,9 mg für Vilobelimab allein, 3.751,3 mg für die SDGC und 1.485,8 mg für Vilobelimab plus RDGC. Die Raten für klinisches Ansprechen und Remission waren jeweils vergleichbar mit 89 vs. 96 vs. 77 % bzw. 78 vs. 87 vs. 77 %. Der mittlere GTI in Woche 16 war mit 0,8 unter Vilobelimab alleine substanziell niedriger im Vergleich zur SDGC (44,9) und Vilobelimab plus RDGC (26,1). Es gab jeweils keine relevanten Veränderungen der eGFR. Unter Vilobelimab alleine gab es die wenigsten therapieassoziierten unterwünschten Ereignisse (UE), schwere UE (n=14) waren ähnlich verteilt. Obwohl die Studie nicht auf den Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit gepowert war, lässt sich in der Remissionsinduktion mit RTX oder CYC das Potenzial von Vilobelimab mit einer Reduktion der GK-Dosis und -toxizität erahnen. Eine Weiterentwicklung von Vilobelimab in dieser Indikation ist bereits in Planung. m
EOSINOPHILE GRANULOMATOSE MIT POLYANGIITIS Dupilumab bei selektierten Patienten mögliche Alternative
Nach der Zulassung des Interleukin (IL)-5-Inhibitors Mepolizumab rückt die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) wieder verstärkt in den Fokus. Mepolizumab zeigt eine gute Wirksamkeit bei Glukokortikoid (GK)-abhängigem Asthma und/oder persistierenden schweren HNO-Symptomen – aber eben nicht immer. Der IL-4/13-Rezeptorinhibitor Dupilumab, bereits bei eosinophilem Asthma und chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen zugelassen, könnte eine Alternative bei Anti-IL-5-Versagen sein. Eine europäische Expertengruppe um Berengere Molina, Paris (Frankreich), untersuchte nun off-label die Sicherheit und Effektivität von Dupilumab bei rezidivierender und/oder refraktärer EGPA.
In die europäische, multizentrische, retrospektive Studie wurden 34 die ACR/ EULAR-Klassifikationskrierien für EGPA erfüllende Patienten (im Mittel 52,5 Jahre, 68 % Frauen) eingeschlossen, die aufgrund schwerer HNO-Symptomatik (82 %), schlecht kontrolliertem Asthma (62 %) und/oder GK-Abhängigkeit (68 %) mit Dupilumab behandelt wurden. Als komplettes Ansprechen war ein Birmingham Vasculitis Activity Score (BVAS) =0 und eine Prednison-Dosis ≤4 mg/Tag definiert, als partielles Ansprechen ein BVAS=0 und eine PrednisonDosis >4 mg/Tag. Das mediane Followup erstreckte sich über 7,7 Monate. Bei 56 % der Patienten kam es zu meist milden bis moderaten unerwünschten Ereignissen (UE), etwa Kopfschmerzen, Reaktionen an der Einstichstelle und Myalgien (je n=2); 3 UE waren schwerwiegend und führten zum Abbruch der Therapie (2x anaphylaktischer Schock, 1x Kopfschmerzen). Drei weitere Patienten brachen die Therapie aufgrund symptomatischer Hypereosinophilie oder Verschlechterung einer Psoriasis ab. Zu einer Dupilumab-induzierten Eosinophilie kam es bei 50 %, mit einem mittleren Höchstwert von 1.500/mm3 nach im Schnitt 13 Wochen – meistens war diese transient und asymptomatisch. Ein komplettes bzw. partielles Ansprechen erreichten je 47 % der Patienten. Der mediane BVAS sank von 3 auf 0 nach 6 Monaten Dupilumab, die Steroiddosis von 10 auf 5 mg/Tag. 18 % der Patienten hatten einen EGPA-Flare, der zum Absetzen führte. Insgesamt zeigten sich in der Mehrzahl der Patienten mit schweren HNO-Symptomen und unkontrolliertem Asthma positive Effekte von Dupilumab, das somit eine off-label-Alternative zu Mepolizumab sein könnte. m
Quelle: Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9): Abstr. 1074
ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN Rituximab: Intensiviertes Impfregime könnte Schule machen
Bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) wurde die Stellung von Rituximab in der neuen EULAR-Leitlinie nochmal deutlich aufgewertet. Nicht nur die bei COVID-19 mit dem Anti-CD20-Antikörper assoziierten Probleme, sondern auch andere Aspekte im Kontext von Infektionen sind dabei zu beachten. Auf dem ACR-Kongress stellten Benjamin Terrier, Paris (Frankreich), und Kollegen die PNEUMOVAS-Studie zum Vergleich eines intensivierten Pneumokokken-Impfschemas mit der Standardstrategie vor.
Mit Rituximab und Glukokortikoiden (GK) behandelte AAV-Patienten haben ein erhöhtes Infektionsrisiko, speziell für Pneumokokken-Infektionen, zugleich ist das Impfansprechen unter Rituximab stark eingeschränkt. In der multizentrischen, randomisierten Open-label-Phase-II-Studie wurde bei 95 de-novo oder rezidivierenden, aktiven AAV-Patienten ≥18 Jahre (BVAS ≥3) mit geplanter Rituximab-Induktionstherapie im Verhältnis 1:1:1 das Standardschema (PCV13 an Tag 0 gefolgt von 1 Dosis PPV23 in Monat 5; Arm 1) mit zwei intensivierten Peumokokken-Impfstrategien (Arm 2: doppelte Dosis PCV13 an Tag 0 und 7 gefolgt von 1 Dosis PPV23 in Monat oder Arm 3: 4 Dosen PCV13 an Tag 0 gefolgt von 1 Dosis PPV23 in Monat 5) verglichen. Der primäre Endpunkt war die Immunantwort in Monat 6 gegen 12 PneumokokkenSerotypen (ELISA).
In Monat 6 zeigte sich eine Immunantwort gegen 0-3, 4-6, 7-9 oder 10-12 Serotypen in 83,3, 13,3, 3,3 und 0 % in Arm 1, 56,3, 28,1, 15,6 und 0 % in Arm 2 sowie 60,6, 33,3, 6,1 und 0 % in Arm 3. Patienten in Arm 2 hatten gegenüber Arm 1 nach Adjustierung eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit dafür, eine höhere Ansprechkategorie zu erreichen (Odds ratio, OR4,1; p=0,018), für Arm 3 gab es nur einen positiven Trend (OR 3,1; p=0,062). Nachdem unerwünschte Ereignisse zwar etwas häufiger auftraten, aber kein Nachteil in Bezug auf Vaskulitis-Schübe erkennbar war, könnte das intensivierte Impfschema (doppelte Dosis PCV13 an Tag 0 und 7, dann PPV23 in Monat 5) unter Rituximab durchaus eine sinnvolle Option sein. m
GLUKOKORTIKOID-INDUZIERTE OSTEOPOROSE
Neue Erkenntnisse zu Therapiemodalitäten
Gleich zwei interessante Studien wurden zur Glukokortikoid-induzierten Osteoporose (GIOP) vorgestellt. So kommt eine Querschnittstudie italienischer Rheumatologen um Giovanni Adami, Verona, zur Schlussfolgerung, dass entgegen der aktuellen Leitlinien bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) wohl schon bei eher niedrigen Glukokortikoid (GK)-Dosen eine antiosteoporotische Therapie ratsam wäre, um Frakturen zu verhüten. Eine randomisierte, kontrollierte Studie von Chi Chiu Mok, Honkong (China), und Kollegen, ergab bei Hochrisikopatienten mit GIOP Vorteile des Sclerostin-Inhibitors Romosozumab gegenüber Denosumab.
In die italienische Kohortenstudie wurden 884 Frauen mit ERE (überwiegend mit rheumatoider Arthritis, aber auch Kollagenosen und Vaskulitiden) eingeschlossen und 1.766 auf Alter, TScore und 10-Jahres-Frakturrisiko (%) gematchten Kontrollen gegenübergestellt und über bis zu 6 Jahre nachverfolgt; die mittlere GK-Dosierung wurde eingeteilt in Abstufungen von 0-2,5, 2,5-5 und ≥5 mg/Tag. Die Knochenmineraldichte (BMD) und Frakturen wurden prospektiv erfasst und die Effekte sowohl der GK-Dosierung als auch von eingesetzten Osteoporose-Therapien im Vergleich zur Kontrollgruppe bewertet.
Im Ergebnis nahmen die BMD-Spiegel bei allen GK-Anwenderinnen ohne antiosteoporotische Therapie signifikant ab, und zwar um -4,26 % (p=0,0011), -4,23 % (p=0,0422) bzw. -2,66 % (p=0,0006) bei Dosierungen von ≥5, 2,5-5 mg und 0-2,5 mg/ Tag. Eine antiosteoporotische Therapie erhöhte den BMD stärker bei ERE-Patientinnen, die ≤5 mg/Tag Prednison erhielten. Insgesamt kam es zu 21, 12 und 29 Frakturen bei Patientinnen auf ≥5, 2,5-5 und 0-2,5 mg/Tag Prednison, was Frakturraten von 4,8, 2,8 und 2,5 pro 100 Patientenjahre (PJ) entsprach. Im Vergleich wurden 103 Frakturen in der Propensity-Score gematchten Kohorte dokumentiert, entsprechend einer Frakturrate von 2,2 pro 100 PJ. Die Inzidenz von Frakturen war somit bei den ERE-Patientinnen höher im Vergleich zur Kontrollkohorte (dies selbst bei sehr niedriger GK-Dosierung). Eine GKEinnahme ≥5 mg/Tag war mit einem mehr als doppelt so hohen Risiko für Frakturen aller Art verglichen mit allen anderen Dosierungen und den Kontrollen assoziiert (adjustierte Hazard ratio, HR 2,37, 95% KI 1,33-4,23). Die Kaplan-Meier-Kurven zur kumulativen Inzidenz von Fragilitätsfrakturen verdeutlichen das gerade bei hohen, aber eben doch auch niedrigen GKDosierungen erhöhte Risiko (Abb.). Womöglich müssten hier die Osteoporose-Leitlinien angepasst und eine Empfehlung bei bereits niedrigen GK-Dosierungen ausgesprochen werden. (1)
Romosozumab in Zukunft auch bei GIOP erwägen
In die chinesische Studie zum Vergleich von Romosozumab (hierfür noch nicht zugelassen) und Denosumab wurden 70 erwachsene Hochrisikopatienten (≥5 mg/Tag Prednison für ≥12 Monate, moderates/hohes Risiko für osteoporotische Frakturen [frühere Fragilitätsfrakturen, T-Score ≤-2,5 ≥40 Jahre oder Z-Score ≤-3,0 <40 Jahre oder hohes 10-Jahres-Frakturrisiko gemäß FRAX]) mit GIOP eingeschlossen (im Mittel 63 Jahre, 96 % Frauen, Prednison-Dosis 6,6 mg/Tag, 50 % mit schwerer Osteoporose/früheren Frakturen, 47 % mit BisphosphonatVortherapie) und zusätzlich zu Calcium/Vitamin D 1:1 auf s.c. Romosozumab 210 mg 1x/Monat oder Denosumab 60 mg alle 6 Monate für 12 Monate randomisiert.
Primärer Endpunkt war die Veränderung der BMD an der Lendenwirbelsäule (LWS) bis Monat 12. Zwar zeigte sich dieses Kriterium nach 12 Monaten sowohl unter Romosozumab (+7,3 %; p<0,001) als auch Denosumab (+2,3 %; p<0,001) verbessert, adjustiert auf die Baseline-BMD, Alter, Geschlecht, Risikofaktoren und kumulative Prednison-Dosis war Romosozumab aber signifikant überlegen (p<0,001). Bei jeweils guter Verträglichkeit beider Therapien sollte der Sclerostin-Inhibitor in einem solchen Kollektiv künftig als Option erwogen und in größeren randomisierten, kontrollierten Studien mit dem Ziel einer Zulassung geprüft werden. (2) m
Quellen:
1 ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract L01 2 ACR Convergence 2022, Late breaking-Abstract (Poster L11)
Kumulative Inzidenz (%) 50
40
30
20
10 ≥5 mg/Tag 2,5 bis 5 mg/Tag 0 bis 2,5 mg/Tag gesunde PSM-Kohorte
0
0 1 2 3 4 5 6 Jahre