Kinderkram 209

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Natur tut gut!

Vom Kieler Modellprojekt ins Reich der Mitte 20 Jahre NaturSpielpädagogik an der Fachhochschule Kiel

In unserer Kultur muss sich etwas ändern! Das war uns vor 20 Jahren ein inneres Bedürfnis. Wir wollen einen neuen Weg in der Umweltbildung gehen, weg von einer Pädagogik, die Kinder den von Erwachsenen produzierten Müll sammeln läßt und weg von einer schwarz gemalten Zukunft durch eine Katastrophenpädagogik, die Ängste hervorruft. Beides scheint uns nicht geeignet, Kinder natur- und umweltbewusst und damit nachhaltig zu bilden. Gerade das in der Entwicklungsphase des BeGreifens und des magischen Denkens erfahrene Gefühl für Naturzusammenhänge bildet die Basis für aktives, eigenverantwortliches und mutiges Handeln in der Zukunft. Aus diesem Wissen her­ aus entwickelten wir das Konzept der zweijährigen Weiterbildung NaturSpielpädagogik für den pädagogischen Alltag in Kitas, Schulen und Umweltbildungsstätten. 1999 begann es als Modellprojekt des Landes Schleswig-Holstein. Das Konzept ging auf. Heute arbeiten hunderte von NaturSpielpädagogen/innen erfolgreich nach diesem Konzept und das nicht nur in Deutschland. Seit 2016 ist die NaturSpielpädagogik auch in China angekommen. Mitten im Pekinger Botanischen Garten hat ein Workshop mit 250 Pädagogen_innen stattgefunden. Dieser war so erfolgreich, dass wir gebeten wurden, ein Konzept für China zu entwickeln. NaturSpielpädagogik orientiert sich in erster Linie an der sinnlich wahrnehmbaren Natur, das heißt, an den Prozessen in der Natur, dem Klima,

den Elementen, Tieren, Pflanzen und der Kultur. All das ist in China etwas anders. Gleichwohl ist es uns innerhalb eines Jahres gelungen, vier Seminarwochen für China und eine Seminarwoche in Deutschland mit der Zertifikatsübergabe durch den Präsidenten der Fachhochschule Kiel zu entwickeln. Die erste Weiterbildung in NaturSpielpädagogik in China wurde im Juli 2018 erfolgreich abgeschlossen. Im Juli 2019 geht es in die zweite Runde. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Trotz aller Erfolge gibt es nicht ausreichend Bildungs- und Betreuungseinrichtungen der erforderlichen Qualität im Elementarbereich. Auch heute noch sind es Großeltern, die das Kind betreuen. Eltern, die es sich leisten können, wünschen sich eine andere Betreuung für ihr Kind: den „Kindergarten“, der in China eher eine Vorschule ist. Hier wird auf hohe Konzentration ausgerichtete Leistungsschulung betrieben. Die Kindergärten in den Städten sind von Hochhäusern umgeben, mit hohen Zäunen und Wachpersonal. Es gibt keine Altersmischung, die Kinder sind nach Jahrgängen in Gruppen zusammengefaßt. 20 Gruppen mit 35 Kindern in einem Kindergarten sind keine Seltenheit. Die Kinder verbringen die meiste Zeit in Räumen. Sie sitzen oft wie in der Schule an Tischen, bekommen alle das gleiche Material und die gleichen Aufgaben. Individualisierung ist nicht vorgesehen. Seit einigen Jahren blicken engagierte Kita-Leitungen und Investoren nach Deutschland, dorthin,

wo der Kindergarten entstanden ist. Sie möchten von uns lernen, um der Unzufriedenheit im eigenen Land entgegen zu wirken. Doch neue Konzepte bedeuten auch eine andere Sicht auf das Kind, die Umgebung, das Handeln. Das ist nicht immer einfach zu vermitteln. Wir haben während der einjährigen Weiterbildung in China eine große Offenheit, eine hohe Motivation an neuen Methoden und eine zuverlässige, kreative Umsetzung der Lehrinhalte in die Praxis erlebt. Die Natur ist auch in China ein hohes Gut, das es zu schützen gilt, es entstehen immer mehr kleine Einrichtungen in den Grüngürteln der Städte. Wir haben erlebt, wie innerhalb von sechs Monaten ein Naturkindergarten mit acht einzelnen Gruppenhäusern errichtet worden ist. Das Lernen und Erleben der Kinder in den neu gegründeten Chinesischen Naturkindergärten ist den deutschen Kindergärten ähnlich. Die Kinder spielen mit dem, was sie draußen vorfinden: Erde, Wasser, Stöcke, Steine, Pflanzen. Sie entdecken Phänomene, das können Spinnen sein oder Blütenblätter, die wie Schnee von den Bäumen rieseln. Daraus entstehen dann Projekte, spielerisch, gestaltend, dokumentiert. Die Spinne genau betrachten, wie sieht ihr Netz aus? Wir bauen es nach und erfinden Spinnenspiele. Ute Schulte Ostermann Sylva Jürgensen www.fh-kiel.de/naturspielpaedagogik www.bvnw.de

Kinderkram Nr. 209 · Mai 2019


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