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Väterkram: Das Ende der Phantasie

Das Ende der Phantasie

Monatlich eine Kolumne über Kinder, Familie und alles drum herum schreiben, ist ein großes Privileg. Es ist nicht nur ein Baustein in meinem mittlerweile recht erfolgreichen Versuch, als Autor und Journalist (über)leben zu können, sondern auch eine Art öffentliches Tagebuch, das ich vor über 12 Jahren begonnen habe. Und zwar weil mir das Führen eines richtigen Elterntagebuchs einfach zu anstrengend war. Zwar war ich ganz bezaubert von meiner damals sehr kleinen ältesten Tochter (Das bin ich immer noch: Auch wenn der Lack inzwischen ein bisschen ab ist, funkelt sie darunter wie Sternenstaub), hätte mich aber niemals dazu aufraffen können, abends noch meine Gedanken zum zurückliegenden Tag notieren zu können. Dafür war ich durchgehend viel zu erschöpft. Ein Zustand, der sich mit Kind Nummer 2, 3 und 4 nicht wirklich verbessert hat. Was aber immer funktioniert hat, war dieses Schreiben als Teil meiner Arbeit zu betrachten. Als Aufgabe, die ich zu bewältigen habe. Das schaffe ich zur Not auch um halb drei Uhr nachts oder mit dem Daumen auf mein Handy tippend, während ich gleichzeitig versuche, mein jüngstes Kind zu beruhigen. Ich bin der bezahlte Chronist meiner Familie und das fühlt sich gut an. Wenn ich mit meinem Zwölfjährigen in einer Arztpraxis warten muss, witzeln wir über die „Gesamtausgabe“ meiner Werke, weil in einem Zeitschriftenhalter an der Wand die letzten fünf Ausgaben der Kinderkram liegen. Und meine Vierzehnjährige hat vor einer Weile damit begonnen, mir manchmal abends auf dem Sofa meine Texte vorzulesen. Aber manchmal sehen mich die beiden auch misstrauisch an, wenn ich mal wieder länger vor dem Laptop sitze, und fragen mich, ob mir für den nächsten Text denn überhaupt noch etwas einfällt. Bislang konnte ich die Frage mit einer Handbewegung abwinken und mit einem leichtherzigen „da mach dir mal keine Sorgen“ zerstreuen. Ans Ende der Phantasie bin ich noch nicht gelangt. An den Punkt also, an dem man das Gefühl hat, alles wäre irgendwann sowieso schon einmal besser gedacht, gesagt und geschrieben worden. Wo man verzweifelt sein Gehirn auswringt, aber nicht einmal die Spur einer Idee heraustropft. Nicht, dass ich vor Schreibkrisen grundsätzlich gefeiter als andere wäre. Nur muss mir für Kolumnen über Kinder, Familie und alles drum gar nicht besonders viel einfallen. Ich brauche einfach nur zu beobachten, zuzuhören und irgendwann später zu notieren. Es ist ja nicht so, dass in einer sechsköpfigen Familie nicht genug passieren würde: Essensschlachten, Läusekatastrophen, Haifischattacken in Badewannen. Lange Sommerabende, Ausflüge und diese unnachahmliche Mischung aus Stolz, Erleichterung und Glück in den Augen von kleinen Kindern, die sich zum ersten Mal etwas trauen und dann auch schaffen. Darüber, dass meine Jüngste „Spätzchenzeit“ statt „Bettchenzeit“ sagt und niemand sie korrigieren will, weil es so wundervoll klingt, könnte ich eine Kurzgeschichte schreiben. Über die verschmitzte Liebenswürdigkeit mit der mein Vierjähriger Sachen von sich gibt wie „Papa, ich hab dich so lieb, du musst gleich noch mal reinkommen und mir gute Nacht sagen.“ einen ganzen Roman. Die Geschichten erzählen sich von selbst. Sie berichten von Unfällen, Erfolgserlebnissen, vollgekotzten Kinderzimmern und ausnahmsweise für die Eltern vorbereitete Samstagsfrühstücke. Von Streit und Versöhnung, neben-, mit- und aneinander leben und vor allem von Liebe. Immer wieder Liebe. Auch wenn es mal richtig ätzend läuft, nichts klappen will und sich alle nur ankotzen. Auch

wenn man mit dem anderen über 20 Jahre zusammen ist und sich fragt, wohin die Jahre eigentlich verschwunden sind. Gerade dann. Familie, das sind aufeinander gestapelte, ineinander verwobene Geschichten. Manche sind langweilig, weil sie nur von organisatorischem Kram und vermeidbaren Konflikten handeln. Andere sind nett und normal. Wieder andere so spannend, dass man unwillkürlich den Atem anhält. Und zusammen sind sie ziemlich wunderbar.

Mo-Fr 9-18 Uhr Sa 10-14 Uhr

Trikot Prim 22,- €

von Roch Valley Bekleidung nach prüfungsordnung TanzShop

Balsies

Nils Pickert ist vierfacher Vater, Journalist und Feminist. Jeden Monat lässt er uns an seiner Gedankenwelt teilhaben.

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