Achim achilles 164

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COOL DOWN | Das hat noch gefehlt

DA S H AT N O C H G E F E H LT

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BEIDES GEHT NICHT von Achim Achilles

s klingelt. 19.59 Uhr. Verdammt. Kommen die Gäste etwa schon? Der typische Berliner DinnerSchnorrer betrachtet eine Einladung für 20.00 Uhr ja eher als einen groben Vorschlag. Läufer dagegen kommen pünktlicher als zum Startschuss. Wahrscheinlich alle ausgehungert von den vielen Trainingskilometern des Wochenendes.

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Mona hat sich aus dem Staub gemacht, die Gattin gibt sich Sushi und Cocktails. Klingt wie ein netter Abend. Ich habe den Nachmittag damit zugebracht, einen basisch-veganen Fitness-Cocktail auf Ingwer-Wodka-Grundlage zu kreieren, den ich in Pappbechern kredenze, damit gleich eine heimelige Marathon-Atmo entsteht.

bund presst, und trägt dazu Zehenschuhe – ein sicherer Weg der Empfängnisverhütung. Renate schiebt meinen Begrüßungs-Cocktail zur Seite und bittet um ein Glas Wasser. Thorsten, der Schwächling, solidarisiert sich und will auch Wasser. Kuddel greift zum Alkohol, nachdem Babette das Schirmchengetränk genommen hat. In der Küche genehmige ich mir die drei verbliebenen Drinks. Wäre doch Sünde, das teure Zeug wegzukippen. Mein Menü ist auf jede Art von Ernährungsfimmel hin optimiert: Salat, Spargel, Fisch, Obst, dazu pipettenweise Riesling und Butter. Dummerweise hat Babette eine Essigallergie, womit das dressinggebadete Grünzeug ausfällt, Ines isst keinen Fisch, weil sie teilzeitvegan ist, und Kuddel mag keinen Spargel. Konsensuell werden Kartoffeln abgelehnt wegen der Kohlenhydrate. Schön, dass wir so ausgelassen und lebensfroh sind.

Ich stehe mit dem Tablett in der Tür, als Renate die vier Absätze emporgehüpft kommt. Klar, gut 40 Stufen laden zu einer Sondereinheit Treppentraining ein. Renates Mann Thorsten ist nur zu hören. Erbärmliches Stöhnen. Er hat mit Kuddel heute Morgen den ersten langen Lauf der Saison absolviert, angeblich 26 Kilometer. Jetzt stemmen sich die beiden gemeinsam in den zweiten Stock empor, wobei Kuddel so tun muss, als nähme er die Stufen nur deswegen so langsam, weil er die Wade penibel stretcht.

Wer Läufer zum Essen einlädt, muss eigentlich nur ein Glas Wasser pro Person auftischen, ohne Kohlensäure. Seit Jahren die gleichen drei Themen: Immobilienpreise, Verletzungen, Wettkampfplanung für dieses Jahr. Toll, wenn man jeden Dialog schon mitsprechen kann.

Neben ihm seine neue Flamme Babette, die erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird. Die Gute hat in den vergangenen Jahren den ganzen Lauftreff durchgetestet, inklusive Trainer. Kuddel ist der Letzte, beziehungstechnisch also Kilometer 42. Ob Babette sich das Beste für den Schluss aufgespart hat? Kuddel, der alte Draufgänger, ist heute Abend in ein viel zu kurzes Kompressionshemd gesprungen, das eine respektable Restbauchfalte über den Jeans-

Um kurz vor zehn ist das heitere Abendessen vorbei, das weder heiter noch ein Abendessen war. Kuddel ist auf dem Sofa eingenickt, Thorsten hat seinen blauen Zeh herumgezeigt, aber zum Glück wieder eingepackt. Babette und Renate gucken ihre Männer scharf an. Signal zum Abmarsch. Ich mache mich in der Küche über Kartoffeln mit Butter, Erdbeeren mit Eis und den Riesling her. Wettkampfgewicht oder Lebensfreude? Beides geht nicht.

Achim Achilles, Jahrgang 1964, ist Deutschlands bekanntester Hobby-Läufer – nie erfolgreich, aber immer gut gelaunt. Er lebt verheiratet mit einer verständnisvollen Frau in Berlin, läuft aber überall, wo es wehtut. Motto des Wunderathleten und Spiegel-Online-Kolumnisten: „Qualität kommt von Qual.“ Mehr von ihm gibt es auf seiner Website www.achim-achilles.de oder in seinen Bestsellern „Achilles’ Verse“, „Achilles’ Laufberater“ und „Der Lauf-Gourmet“.

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RUNNING | 6/2014

FOTO: BEATRICE BEHRENS

Das ist Achim Achilles


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