COOL DOWN | Das hat noch gefehlt
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ARMALARM von Achim Achilles
ausend Quellen erklären dem Freizeitläufer, wie er seine Beine zu bewegen hat. Aber was ist mit den Armen? Viele schlenkern, andere trommeln, manche boxen. Schön ist das meist nicht. Achim Achilles wagt die schonungslose Stilkritik einer in unserem Sport unterbewerteten Extremität.
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Wir leben in einer Ratgeber-Welt. Jedes Zucken des Lebens muss optimiert werden. Wie atmet man richtig? Wie schläft man korrekt? 99 Tipps für das erfolgreiche Händewaschen. Läufer, die jemals ein Wochenendseminar zum optimalen Beineinsatz besuchten, werden am nächsten Tag nicht mal mehr richtig gehen können: mit dem Vorfuß aufsetzen, aber etwas Mittelfuß darf auch dabei sein. Fußaufsatz unterm Körper. Das Bein nicht zu weit nach hinten, aber mit Druck. Knie hoch. Hüfte offen. Mund zu. Viel zu viel Information. Wer soll sich das alles merken? Und wie sieht das nur aus? Wie ein Dressurgaul auf dem Weg zum Abdecker.
Grünanlage beweist: Kaum einer von uns kümmert sich um seine oberen Extremitäten. Sie sind halt da und baumeln vorwiegend in der Gegend herum. Höchste Zeit für eine Kritik der stilistisch Armen. Der Duracell-Hase Meistens handelt es sich um Damen im Trippelschritt, die ihre Mäusefäustchen so fest ballen, dass die Knöchel blau hervortreten und dann tapfer trommeln. Die Armtechnik wirkt wie ein Hilferuf. Wie mögen das Leben, der garstige Gatte, die kalten Kinderherzen ihr mitgespielt haben. Psychologen sprechen vom Restless-Arm-Syndrom. Meister Yoda Dieser Typus ist ein Koordinationswunder, denn eigentlich müsste er längst gestürzt sein. Er bewegt seine Arme ohne erkennbares System, rein zufällig, aber dafür dynamisch. Es sieht aus, als kämpfe er mit verbundenen Augen und einem unsichtbaren Lichtschwert gegen Darth Vader. Nicht schnell, nicht schön, aber wenigstens originell.
Deswegen landet der Geplagte spätestens 48 Stunden nach dem Seminar garantiert wieder im alten Trab. Warum? Weil es seit Jahrzehnten funktioniert. Was aber ist mit den Armen? Das Zauberwort lautet Kreuzkoordination. Manche Hobbyläufer haben bis heute nicht gemerkt, dass der Arm sich nach hinten bewegt, wenn sich das dazugehörige Knie hebt. Die Evolution hat sich was dabei gedacht, Stabilität zum Beispiel. Beim Abdruck wiederum schwingt der Arm idealerweise nach vorn und verleiht dem müden Körper etwas Schwung. Die Theorie sagt: Ein schneller Armeinsatz führt automatisch zu einer höheren Schrittfrequenz. Das soll gerade am Berg gut funktionieren. Wenn man noch die Kraft für derlei Scherze hat.
Der DJ Neigt auch ohne Kopfhörer dazu, die Hände wie der frühe Hans Klok ausgebreitet und parallel zum Boden in sanften Kreisen zu führen, magisch irgendwie. Wäre er gern ein DJ geworden? Möchte er eine Freundschaft schließen mit Mutter Erde? Oder ist es gar Fritz Kalkbrenner, der da joggt? Alles nicht. Sondern einfach nur ein Mensch, der nie sein Spiegelbild sah, da er stets eine Sonnenbrille trug, wenn er an einer Schaufensterscheibe vorbeitrabte. Sonst hätte er festgestellt, wie spackig die rotierenden Plattentellerhände aussehen.
Was jeder hinbekommen könnte: Den Ellbogen um 90 Grad anwinkeln, die Hand zur lockeren Faust ballen und maximal auf Schulterhöhe heben, möglichst dicht am Körper und parallel dazu. Ganz einfach – nur hält sich keiner dran. Fakt ist: Der Arm ist der Parlamentarische Geschäftsführer des laufenden Menschen, er rackert unermüdlich, aber weitgehend unbemerkt. Der Blick in eine beliebige deutsche
Das Tier Drischt wild wie der Schlagzeuger aus der Muppet Show Löcher in die Luft, gern auch in Richtung Himmel. Vielleicht hat er eine Fliegenallergie. Oder zu Hause läuft nicht alles rund. Gerade langsamere Zeitgenossen erzeugen widersprüchliche Botschaften: Eine hohe Dynamik bei mäßigem Vortrieb – ökonomisch ist das nicht. Aber vielleicht entspannend.
Achim Achilles, Jahrgang 1964, ist Deutschlands bekanntester Hobby-Läufer – nie erfolgreich, aber immer gut gelaunt. Er lebt verheiratet mit einer verständnisvollen Frau in Berlin, läuft aber überall, wo es wehtut. Motto des Wunderathleten und Spiegel-Online-Kolumnisten: „Qualität kommt von Qual.“ Mehr von ihm gibt es auf seiner Website www.achim-achilles.de oder in seinen Bestsellern „Achilles’ Verse“, „Achilles’ Laufberater“ und „Keine Gnade für die Wade“.
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RUNNING | 4/2015
FOTO: FRANK JOHANNES
Das ist Achim Achilles