REPORTAGE | Bogotás Laufbote
Bogotás mit olympischen Träumen
Laufbote
von Edith Zuschmann
Seinen Lebensunterhalt verdient Andres Felipe Penagos Florez als Laufbote in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Bis zu 50 Kilometer legt er dabei täglich zurück. Seinen beschwerlichen Job nutzt er nicht nur zum Überleben – er ist Teil seines Trainings, um seinem großen Traum näher zu kommen: beim olympischen Marathon 2016 am Start zu stehen.
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aufboten haben in Südamerika Tradition: Vor gut 700 Jahren legte eine „Nachricht“ bis zu 400 Kilometer pro Tag zurück, dank der schnellen Inka-Beine und einem höchst effizienten Staffelsystem. Was seine Vorfahren von Kolumbien bis nach Chile brachten, liefert Andres Felipe Penagos Florez heute in gewissenhafter Manier im Alleinlauf innerhalb der Sieben-Millionen-EinwohnerMetropole Bogotá. „Bogotá ist eine vom Verkehrschaos geplagte Stadt. Selbst die öffentlichen Verkehrsmittel kommen nur langsam voran. Da ich schon seit meiner Kindheit laufe, kam mir die Idee als Laufbote zu arbeiten.“ Den Verantwortlichen des Radiosenders Colmundo Radio gefiel Andres’ Idee und er bekam von ihnen einen Job. „Ich verlasse mein Zuhause morgens um 6.30 Uhr. Für die gut 20 Kilometer bis zum Radiosender benötige ich laufend etwa 75 Minuten. Dort angekommen nehme ich in den einzelnen Abteilungen die Post entgegen, die ich anschließend in ganz Bogotá zustelle. Je nach Lage der Empfangsadresse komme ich täglich alleine durch die Zustel-
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lungen auf 20 bis 50 Laufkilometer“, renzfähiger Nachwuchs ist noch nicht berichtet Andres über seinen Arbeits- in Sicht. „Der Straßenlaufsport hat alltag. Zu den Distanzen gesellt sich sich in den letzten Jahren – dank des eine weitere Herausforderung: Bogotá Internets – entwickelt. Es gibt mehr liegt auf 2.640 Metern Höhe. Die Stra- Bewerbe und auch internationale Toppazen gehen an ihm nicht spurlos vor- Läufer kommen nach Kolumbien. Das bei: „An schweren Tagen fahre ich mit motiviert und lässt uns nach oben stredem Fahrrad nach Hause, um die Beine ben – auch wenn wir noch nicht mit zu schonen.“ Die Botenarbeit alleine den schnellen Afrikanern mithalten macht aus Andres noch keinen Mara- können“, meint Andres. Um voranzuthonläufer. Das weiß er. Zusätzlich zu kommen, stellt sich für ihn vor allem seinem Arbeitspensum trainiert er uner- die Frage der finanziellen Möglichkeimüdlich wettkampfspezifische Einhei- ten: „Um gezielter trainieren zu könten. Die Inhalte stellt ihm sein Coach nen, benötige ich einen Sponsor. Dann zusammen. Alleine spult er sie ohne wäre ein Vollprofidasein möglich. Aber Partner herunter. „Wann immer es in meiner jetzigen Lage muss ich arbeigeht, mache ich meine schnellen Inter- ten, um mein Leben bestreiten zu könvalle, das ist mir nen. Ich habe das wichtig.“ Eine Glück, ein Semi„Bis zu 50 Kilometer legt er Tartanbahn profi sein zu dabei täglich zurück. Seinen können, eines betritt er kaum, beschwerlichen Job nutzt er Tages wird es seine Zeit und die Infrastruktur klappen.“ Andres nicht nur zum Überleben – lassen es nicht er ist Teil seines Trainings …“ stammt aus ärmzu. lichen und sozial schwachen VerDiese Situation spiegelt sich in der hältnissen. Wie die meisten seiner kolumbianischen Langstreckenszene Landsmänner spielte er als Kind Fußwider. Die nationalen Rekorde über ball. Doch die aggressive Gangart auf die Halb- und Marathondistanz stam- dem Spielfeld behagte ihm nicht. men von 1996, international konkur- Der 04.08.1996 veränderte sein Leben.
RUNNING | 3/2013