ARMIN SCHIRMAIER
REPORTAGE | Christoph Niemann
von Dagmar Wienke
Christoph Niemann, 42, international tätiger Illustrator, der elf Jahre in New York City gelebt und gearbeitet hat, kam 2011 auf die Idee, den Marathon in Big Apple zu laufen und währenddessen eine zeichnerische Live-Reportage anzufertigen sowie dabei zu twittern. Schlecht geschlafen und Albträume vor dem großen Tag? Nur noch an Bananen denken? Niemann erging es nicht anders. Zu sehen und lesen ist der Blog auf http://niemann.blogs.nytimes.com/ 2011/11/07/new-york-city-marathon. Wie er auf diese Idee kam, wie es ist, gleichzeitig körperlich und geistig einen Marathon zu absolvieren, und was kreatives Arbeiten mit Ausdauersport gemeinsam hat, erzählte der preisgekrönte Grafiker RUNNING – Das Laufmagazin in seinem Atelier in Berlin. Dagmar Wienke/RUNNING: Du hast schnell gelaufen. So richtig Spaß früher Basketball gespielt, kommst also gemacht hat es eigentlich nicht. Ich nicht vom Laufen. wusste aber Bist Du erst durch immer, ich dieses Projekt „New will irgend„Berlin ist auch toll, aber York Marathon – wann einen New York ist noch mal eine 26.2 Miles, 46 SketMarathon laukomplett andere Welt. Um ches“ zum Läufer fen. Für den geworden? Marathon da mitmachen zu können, Christoph Niehabe ich dann war das Laufen eher das mann: Früher bin mein Pensum notwendige Übel ...“ ich nicht genug und von ein- bis vor allem viel zu zweimal die
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NACHGEFRAGT Deine Lieblingslaufstrecke in Berlin? Von Mitte aus am Spandauer Schifffahrtskanal zum Plötzensee, und dann durch den Volkspark Rehberge. Wenn ich meine Beine ärgern will, renne ich im Humboldthain den Flakturm hoch und runter. Bist Du strukturiert oder chaotisch? Eigentlich relativ strukturiert. Da ich die Zeit zum Laufen immer zwischen Arbeit und Familie planen muss, weiß ich immer recht genau wie lange ich laufen kann und plane die Strecken diesbezüglich. Dein Lieblingsautor? Ich lese gerade John Jeremiah Sullivan und bin sehr begeistert. Hast Du einen Illustrator-Kollegen, den Du besonders gerne magst? Ich bin zur Zeit ganz vernarrt in einen leider längst gestorbenen Kollegen: Walter Trier, der unter anderem die grandiosen Kästner-Cover in den späten 20er-Jahren gezeichnet hatte.
RUNNING | 3/2013
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Woche fünf Kilometer laufen auf Marathonvorbereitung gesteigert. Seit dem Projekt versuche ich dreimal bis viermal die Woche zu laufen. RUNNING: Des Laufens wegen kann die Idee zu dem Projekt ja dann nicht entsprungen sein? Niemann: Das war eher die Begeisterung für den New York Marathon und weniger die Begeisterung für das Laufen. Jedes Jahr stand ich mit meiner Frau und den Kindern am Straßenrand. Das war unglaublich emotional. Berlin ist auch toll, aber New York ist noch mal eine komplett andere Welt. Um da mitmachen zu können, war das Laufen eher das notwendige Übel.
„Beim Rennen habe ich nachgedacht und sobald ich eine Idee hatte, habe ich meinen Rucksack mit den Zeichensachen umgedreht. Auf dem Rücken war dann ein Schild zu sehen: „Slow artist at work“.
RUNNING: Wie kam es zu dem Vorsatz, dabei auch noch zu zeichnen? Niemann: Letztendlich kam die Realisation dieses Projektes aus einer ganz anderen Richtung. Ich saß an meiner Kolumne „Abstract Sunday“ für die New York Times und suhlte mich im Selbstmitleid, weil ich keine redaktionellen Vorgaben für diese Kolumne habe, sondern freie Hand. Da kam mir die Idee, ich bringe mich in eine Situation, wo ein Projekt in einer begrenzten Zeit funktionieren muss. Ich war dann in Venedig bei der Kunst-Biennale und habe drei Tage lang, so circa alle drei Stunden eine Zeichnung angefertigt, diese fotografiert und dann auf Twitter gestellt. Das hat Spaß gemacht. Also wollte ich das noch mal machen. Aber extremer. So kam ich auf die Idee, zum Zeitdruck auch noch körperliche Erschöpfung hinzuzunehmen.
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RUNNING: Und ab da hast Du sozusagen zielorientiert mit dem Laufen begonnen? Niemann: Ab da wusste ich, ich muss den Marathon schaffen. Dann bin ich das erste Mal zehn Kilometer gelaufen und war furchtbar stolz. In dem Winter bin ich auch zum ersten Mal langsam gelaufen. Ich habe mir dann einen pulsbasierten Plan aufstellen lassen, mit viermal wöchentlichem Training. RUNNING: Hast Du das Zeichnen während des Laufens vorher auch trainiert? Niemann: Ich habe zweimal einen 90Minuten-Lauf mit Zeichenblock gemacht, um zu sehen, wie sich das mit meinem Laufrhythmus verträgt, also der Wechsel von Laufen und Gehen. Ich hatte Bedenken, dass mein Körper total übersäuert, wenn ich zum Zeichnen zwischendurch stehenbleibe. Sobald Du aber in Bewegung bleibst, ist das kein Problem. Und dann habe ich in New York bei einem Lauf mit einem Redakteur den technischen Ablauf, also das Twittern, geprobt.
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RUNNING: Und zum Zeichnen bist Du nicht stehengeblieben? Niemann: Das war das Wichtige. Das war das Konzept, dass alles in der Bewegung passiert. Beim Rennen habe ich nachgedacht und sobald ich eine Idee hatte, habe ich meinen Rucksack mit den Zeichensachen umgedreht. Auf dem Rücken war dann ein Schild zu sehen: „Slow artist at work“. Das vordere Fach des Rucksacks hatte ich mit einer Pappe verstärkt und konnte diese dann runterklappen. RUNNING: Dann hast Du ungefähr jeden Kilometer eine Zeichnung geliefert. So am Fließband hast Du vorher noch nicht gearbeitet? Niemann: Sonst habe ich die Möglichkeit auch noch mal was zu überdenken, hier nicht. RUNNING: Fünf Wochen zuvor absolviertest Du in Berlin den Marathon ohne Zeichenbrett. War das die sportliche Generalprobe? Niemann: Ich bin in Berlin (4:10:18 Stunden, Anmerkung der Redaktion) gelaufen, weil ich sicher gehen wollte, dass ich in New York keinen läuferischen Ehrgeiz entwickle, sondern mich
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REPORTAGE | Christoph Niemann
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aufs Zeichnen konzentrieren kann (Zielzeit New York: 6:16:36 Stunden, Anmerkung der Redaktion). RUNNING: Beim Marathon kommt man ja irgendwann ins Rollen, Du auch? Niemann: Komischerweise war es bei mir nicht so. Ich bin ein mathematisch konzeptioneller Mensch. In New York ging es eher ums Projekt. Und beim Berlin-Marathon wusste ich haargenau, wo ich liege mit der und der Zeit und wo ich auf der Strecke bin. Deswegen war ich nie in so einem Lala-Land. Das war dann nicht so das emotionale Erlebnis, wie ich es mir eigentlich gedacht hatte. RUNNING: Bist Du in New York beim Marathon, was das Zeichnen betrifft, ins Rollen gekommen? Niemann: Automatisch nicht. Es war am Anfang anstrengend, weil ich keine Ahnung hatte, was ich machen sollte. Als die Sache mit dem Stiftdeckel kam (circa bei Kilometer 15,5, Anmerkung der Redaktion), war das der Punkt, wo ich dachte: Ok, jetzt hast Du eine Geschichte. Da kam so eine gewisse Selbstsicherheit auf. Ab da hat es dann Spaß gemacht. Am Schluss aber war es brutal, sich noch zu konzentrieren. Körperlich war ich ok, aber mein Kopf
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RUNNING: Wie kann man bei Kilometer 40 noch kreativ sein? Niemann: Das war das verdammt Schwere. Da kam mir meine Erfahrung zugute. Im Redaktionsalltag hast Du ähnliche Momente: jetzt dies und noch dies und dies und das auf einem Bein … Ich musste an alle Reserven und Tricks, die ich so drauf habe. Für einen Marathon reicht es, ein halbes Jahr zu trainieren, aber für das Zeichnen musste ich wirklich 15 Jahre trainieren. RUNNING: War das für Dich eine einmalige Erfahrung, sodass Du dachtest, ich bin froh, dass ich wieder zwei Tage über einer Idee brüten kann, noch mal mache ich das nicht? Niemann: Ich möchte das schon weiter machen. Es ist nur die Frage, wie. Wenn ich solche Sachen mache, muss das Ergebnis am Schluss dementsprechend sein. Nur um der Sache willen so was zu realisieren, das reicht nicht. RUNNING: Du hast den Blog „Abstract Sunday“ für die New York Times erst angefangen, nachdem Du nach Berlin gezogen bist. Brauchtest Du den Abstand? Niemann: Davor habe ich klassische Magazin- und Zeitungsillustrationen und ein bisschen Werbung gemacht. Ich wusste, dass ich mal andere Sachen ausprobieren will. Die örtliche Veränderung war ein guter Anlass, auch arbeitsmäßig was zu verändern. Jetzt arbeite ich drei Tage die Woche frei, ohne zu wissen, was dabei rauskommt. Das ist furchtbar. RUNNING: Warum furchtbar? Niemann: Ich vergleiche das mal mit dem Marathon. Ich hatte mir überlegt: Was war der härteste Moment beim Marathon. Das war nicht bei Kilometer 38, sondern – ich kann mich noch genau daran erinnern –, der 18-Kilometer-Mittwochs-Lauf. Es war im Juli, 9.30 Uhr morgens, viel zu warm und ich hatte eigentlich zu arbeiten. 14 Kilometer musste ich noch laufen auf der Strecke, die ich schon 30 Mal gelaufen war und die mich so langweilt. Das Rennen war noch weit weg. Es ging nur darum, einen Haken in die Liste zu machen. Im Nachhinein aber
„Da kam so eine gewisse Selbstsicherheit auf. Ab da hat es dann Spaß gemacht. Am Schluss aber war es brutal, sich noch zu konzentrieren. Körperlich war ich ok, aber mein Kopf war komplett durch. Das war schon absurd anstrengend.“ war das genau der Punkt, der am Schluss den Daumen hoch gemacht hat. Das ist wie am Schreibtisch sitzen und kreativ arbeiten. Am Schluss sieht es so einfach aus. Aber tatsächlich ist es dieses Rumschrauben, dieses absolut unästhetische Rumschieben, was das Endergebnis ausmacht. Wenn es richtig wehtut und langweilig ist, das sind die entscheidenden Momente. Dafür sollte man sich selber ein bisschen mehr Respekt zollen und nicht nur für den Zieleinlauf, wenn der Scheinwerfer an ist.
DAGMAR WIENKE
war komplett durch. Das war schon absurd anstrengend.
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Zur Person Christoph Niemann, geboren 1970 in Waiblingen in der Nähe von Stuttgart, ist Illustrator, Graphik-Designer und Autor. 1997 ging er nach dem Studium nach New York City. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem The New Yorker, Time, Wired, The New York Times, das Zeitmagazin, die Deutsche Post. Er hat schon zahlreiche Preise für seine Arbeiten erhalten, darunter von AIGA (the professional association for design), the Art Directors Club and The Lead Awards. 2010 wurde er in die Hall of Fame des Art Directors Club aufgenommen. Mit seiner Frau Lisa Zeitz und seinen drei Söhnen zog er 2008 nach Berlin.
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