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Donnerstag, 10. Dezember 2015

Ausgabe für Luxemburg Diese Beilage erscheint exklusiv im Die monatlichen Beilagen erscheinen in verschiedenen Sprachen in führenden internationalen Tageszeitungen: The Daily Telegraph, Le Figaro, The New York Times, La Repubblica and El Pais.

F Ü R D E N I N H A LT I S T AU S S C H L I E S S L I C H D I E R E DA K T I O N VO N R U S S I A B E YO N D T H E H E A D L I N E S ( R U S S L A N D) V E R A N T WO R T L I C H .

WEIHNACHTSGESCHÄFT IN KRISENZEITEN

AP

In Russland wird zwar nicht Weihnachten, sondern etwas später Neujahr gefeiert, aber auch dieses Fest ist überschattet von der schwierigen Wirtschaftslage des Landes. Sie zwingt viele Russen zu einem Umdenken beim Einkauf ihrer Geschenke. Welche Sparpläne haben sie? SEITEN 4 UND 5

WAS PASSIERT MIT RUSSLANDS WIRTSCHAFT IM NÄCHSTEN JAHR? 2015 erlebte Russlands Wirtschaft einen beispiellosen Absturz. Dennoch ist das Land entgegen aller Erwartungen weit entfernt von einem Kollaps. Wird es so bleiben oder warten 2016 neue Überraschungen auf die russische SEITE 6 Wirtschaft?

MAJA PLISSEZKAJA: EIN LEBEN FÜR DIE KUNST Ende November wäre die Primaballerina 90 Jahre alt geworden. Eiserner Vorhang und Kalter Krieg konnten sie nicht davon abhalten, die Bühnen der ganzen Welt SEITE 7 zu erobern.

REUTERS

Außenpolitik 2016: Ein Jahr der Entscheidungen Russland scheint in diesem Jahr seinen Status als wichtiger Globalplayer wiedererlangt zu haben, doch musste es dafür einen hohen Preis zahlen. Das wird sich auch im kommenden Jahr nicht ändern. PAWEL KOSCHKIN RBTH

Mit dem Ausbruch der Ukraine-Krise rückte die russische Außenpolitik in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit. Russlands undurchsichtige Strategie sorgt für zahlreiche Spekulationen. Einig sind sich die Beobachter darüber, dass der Kreml bei seinen Entscheidungen großzügig improvisiert. Doch bei aller Spontaneität weist Moskaus Außenpolitik eine Konstante auf: Konsequent bereitet sie dem Westen Überraschungen. Erst das aktive Engagement im OstUkraine-Konflikt und die Krim-Eingliederung in Jahr 2014. Dann im Jahr darauf die Intervention im Nahen Osten gegen die syrische Opposition

und den Islamischen Staat. Musste Russland 2014 noch Rückschläge hinnehmen – Wirtschafts- und Finanzsanktionen, Ausgrenzung durch Europa und die USA – kam das Land 2015 auf die globale Arena zurück. Russland ist wieder eine feste Größe, an seiner Position führt kein Weg vorbei. Das Streben des Kremls nach dem Wiedererlangen des Status eines entscheidenden geopolitischen Players blieb nicht ohne Rückwirkung. Und kam dem Land teuer zu stehen. Die Verlängerung der Sanktionen, nicht nachlassende Kritik aus dem Westen und nun die Terrorgefahr: Kurz nach Moskaus Startschuss für die Militäroperation in Syrien stürzte ein russischer Airbus infolge einer Bombenexplosion über Ägypten ab. Jetzt der Bruch mit der Türkei, auf die Russland sich einst – bei seinem angespannten Verhältnis mit dem Westen – verlassen konnte. Dass die russisch-türkischen Spannungen für Russland auch im kommenden Jahr

zu einer Bewährungsprobe werden, gilt angesichts der von Moskau unverzüglich verhängten Sanktionen gegen Ankara als wahrscheinlich. „Russland begibt sich weiter auf sehr dünnes Eis, wenn es die Fäden zur Türkei abreißt. Seine macht- und statuspolitischen Überlegungen unterminieren die wirtschaftliche Beziehungsbasis mit der Außenwelt“, gibt Michail Troizkij, Experte für internationale Beziehungen, zu Bedenken. „Wegen des Importverbots auf türkische Waren droht dem russischen Einzelhandel erneut ein spürbarer Preisanstieg. Geht diese Maßnahme zu weit, könnten Russlands Wirtschaft und der Wohlstand seiner Bürger irreversible Schäden erleiden“, sagt er.

Negative Prognosen Moskaus Verhältnis mit dem Westen ist weit abseits des Ideals. Wird es neue Partner finden können, wenn es mit der Türkei endgültig aus ist? Welche Allianzen könnte Russland auf

den Beziehungstrümmern im kommenden Jahr schmieden? Aurel Braun, Politikwissenschaftler und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Toronto, schätzt, dass Russland seine Kooperation mit dem Regime des syrischen Präsidenten Baschar Assad und dem Iran weiter ausbauen wird. Doch diese Strategie sei auf lange Sicht problematisch: „Das Assad-Regime ist nicht tragfähig und die langfristigen Interessen des Irans am Islamismus und dem Status einer Nuklearmacht sind mit den ureigenen Interessen Russlands inkompatibel.“ Ironischerweise treibe die Konfrontation die Nato und die EU enger an den türkischen Präsidenten – trotz der heftigen europäischen Kritik an seinem Regime wegen grober Menschenrechtsverletzungen, so Braun weiter. Zugleich würde sich als Konsequenz Russlands Beziehung zum Westen weiter verschlechtern. LESEN SIE WEITER AUF SEITE 2

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POLITIK

«2016 könnte für die Welt zum Entscheidungsjahr werden»

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AUSSENPOLITISCHE EREIGNISSE

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MINSK-2 Wegen der Syrienkrise rückte die Situation im Donbass in diesem Jahr in den Hintergrund, wird aber auch 2016 von großer Bedeutung bleiben. Der Schlichtungsprozess in der Ukraine verlief unter dem Motto „Das Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 muss unbedingt eingehalten werden!“. Damals einigten sich die Staatschefs Russlands, Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine über eine schrittweise Feuereinstellung und die Aufnahme des Friedensprozesses in der Südostukraine. Trotz Minsk-2 hielten die Kampfhandlungen, wenn auch mit geringerer Intensität, bis zum Ende des Sommers an.

REUTERS

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BRICS-GIPFEL Im russischen Ufa fand im Juli der BRICSGipfel statt. Als Hauptergebnis sehen Experten die faktische Einführung solcher Finanzmechanismen wie der BRICS-Entwicklungsbank und eines Valutareservenpools. Erste Projekte wird die BRICS-Entwicklungsbank, die über 100 Mrd. USD verfügt, bereits Anfang 2016 finanzieren.

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Kreml über Assad zu einigen, sondern auch, um die Türkei und Saudi-Arabien zu disziplinieren. Ansätze einer solchen Intervention sind aber nirgends zu sehen.“ Ob und wie die internationalen Regeln 2016 neu gestaltet werden würden, hänge sehr stark von der Entwicklung der Lage in Syrien ab, so Zygankows Ansicht. „2016 könnte für die Welt zum Entscheidungsjahr werden: entweder die Zukunft durch neue weltweit akzeptierte Regeln gestalten oder zu einer noch größeren Instabilität voranschreiten“, warnt er. Für Russland würden auch 2016 der Mittlere Osten, die Ukraine, Zentralasien, Afghanistan, der Ölpreis und die Wirtschaftslage die Agenda bestimmen.

FORTSETZUNG DER ERSTEN SEITE

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MILITÄREINSATZ IN SYRIEN Den Einsatz der russischen Luftstreitkräfte gegen radikale Islamisten in Syrien Ende September haben die meisten Beobachter mit Erstaunen aufgenommen. Sie sind sich bis heute nicht darüber einig, was zu dieser Entscheidung geführt haben möge. Experten führen mehrere Faktoren auf, die Moskau motiviert haben könnten: den ausbleibenden Erfolg der von den USA angeführten Koalition; den Versuch, den politischen Dialog zu Syrien anzuregen; die Befürchtung, dass bei anhaltender Passivität Russlands der Westen über Syrien eine Flugverbotszone nach libyschem Vorbild einrichten werde.

Positive Aussichten?

Für Russlands Außenpolitik werden im Jahr 2016 die Entspannung der Konflikte im ostukrainischen Donbass (oben) und in Syrien die Agenda bestimmen.

Entscheidungsjahr 2016 Der Westen werde weiterhin auf das mangelnde Vertrauen zu Russland als das größte Kooperationshindernis verweisen. Russland seinerseits werde den Westen für das existierende Misstrauen verantwortlich machen. Zugleich werde die NATO im kommenden Jahr ihre Militärinfrastruktur in Osteuro-

IM FOKUS

pa als Reaktion auf Russlands Vorgehen wie angekündigt verstärken. Andrej Zygankow, Politikwissenschaftler und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität San Francisco, prognostiziert Russland für 2016 eine voranschreitende innere Stagnation, gepaart mit zunehmenden Schwierigkeiten in der Ukraine und steigender Radikalisierung Zentralasiens nach der Destabilisierung des Mittleren Ostens. „Die Chancen, dass die Ukraine sich dem Druck aus Europa beugt, sind eher gering. Kiew ist offensichtlich nicht in der Lage, seine Wirtschaft zu reformieren, und ist weiterhin auf den starken Anti-Russland-Nationalismus angewiesen, um das Überleben des eigenen Regimes zu sichern“, erklärt er. „Um den Stellvertreterkrieg der USA und Russlands in Syrien zu verhindern und einen Prozess hin zur massiven Koalition gegen den IS in Gang zu setzen, braucht es eine entschiedene Intervention vonseiten des Weißen Hauses. Nicht nur um sich mit dem

Eine günstige Entwicklung erfordert eine gehörige Portion politischen Willen.

Hinsichtlich der russischen Außenpolitik 2016 sind die meisten Beobachter pessimistisch. Ein günstiger Entwicklungskurs erfordert eine gehörige Portion politischen Willen bei den Globalplayern. Ihre divergierenden Interessen lassen diesen Ausgang aber nahezu unrealistisch erscheinen. Doch es gibt auch Licht am Ende des Tunnels. „Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen könnten sich angesichts der Bedrohung durch den Terrorismus und einer eventuellen Entspannung des Ukraine-Konflikts verbessern“, meint Zygankow. „Sollte es bei gemeinsamen Anti-Terror-Maßnahmen Russlands und des Westens in Syrien Fortschritte geben, kämen dann keine spürbaren Eskalationen in der Ukraine hinzu, würde ein moderates Wirtschaftswachstum einsetzen und blieben andere Faktoren, insbesondere in Ost-Asien, konstant, könnte Russlands Vision einer neuen Weltordnung ihre Anhänger finden“, versucht sich der Experte an einem positiven Szenario für 2016. „Eine Vision, die auf gegenseitiger Achtung von Souveränität und Interessen gründet und auf Multilateralismus aufbaut.“

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ABSCHUSS DER SU-24 Die Türkei hat bei der Regelung des Syrien-Problems den Vorfall mit dem russischen Bomber Su-24, der am 24. November von der türkischen Luftwaffe an der syrisch-türkischen Grenze abgeschossen wurde, in den Vordergrund gerückt. Das hat das Verhältnis zwischen den beiden Ländern aufs Äußerste erschüttert.

© ALEKSANDR WILF / RIA NOVOSTI

REUTERS

„Natürlich hat Russlands Wut auf die Türkei – möge sie auch gerechtfertigt sein – einen vernichtenden Effekt auf die wirtschaftlichen Beziehungen mit Ankara. Langfristig wichtiger aber ist, dass in der gegenwärtigen Situation die Europäer und die Amerikaner geradezu in die Arme der Türkei getrieben werden“, sagt Braun. Ein positives Zeichen sei dies nicht, liege doch Russlands Interesse stärker in Europa und im Westen als bei den skrupellosen Machthabern Syriens, des Iran oder bei Recep Erdogan, erklärt der Experte. Russlands Top-Priorität 2016 müsse es sein, die Beziehung zum Westen zu normalisieren. „Doch dafür ist eine Umorientierung der russischen Politik nötig. Zudem müsste Russland seine Kompromissbereitschaft in einer Reihe von Fragen, von der Ukraine bis zum Mittleren Osten, demonstrieren“, so Braun. Hinsichtlich eines Konsens Russlands und des Westens ist Troizkij skeptisch. „Russlands Kooperation mit anderen Mächten wird sich auch 2016 als schwierig erweisen. Nahezu jede dieser Nationen hat Vorbedingungen für eine Kooperation gestellt“, erklärt er. „Die schmerzhaften Sanktionen gegen Russland bleiben bestehen, bis Kiew die volle Kontrolle über den Donbass wiedererlangt hat. Und eine ernstzunehmende Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat nimmt erst Gestalt an, wenn es eine Vereinbarung über die politische Nachkriegsordnung in Syrien gibt.“

IRAN-ABKOMMEN Das Abkommen Mitte Juli zum iranischen Atomprogramm hat niemanden überrascht. Viele prinzipielle Abmachungen zwischen der Sechsergruppe und dem Iran waren bereits im April ausgehandelt worden. Im Juli gelang es dann, einen endgültigen Kompromiss zu erzielen. Das Abkommen sieht den stufenweisen Abbau der Anti-Iran-Sanktionen im Gegenzug zu einer drastischen Einschränkung des iranischen Atomprogramms vor.

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Donnerstag, 10. Dezember 2015

WIRTSCHAFT

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RUSSLAND UND DIE TÜRKEI Die Eiszeit zwischen beiden Ländern gefährdet Geschäfte in Milliardenhöhe

Verboten, verschärft, vertagt von 358 Millionen Euro wurden Nüsse und Früchte eingeführt. Das russische Landwirtschaftsministerium plant, die Ausfälle durch Importe aus Nordafrika und dem Nahen Osten zu ersetzen. Bei Bedarf – so heißt es von der Regierung – könne die Sanktionsliste ausgeweitet werden, entsprechende Einschränkungen für türkische Lieferungen seien bereits in Vorbereitung. Insgesamt beträgt das Handelsvolumen 5,45 Milliarden Euro. Fahrzeuge, Ausrüstung, Baustoffe, Textilien – für die Türkei ist Russland der sechstgrößte Exportmarkt.

Der Bau der Turkish-Stream-Pipeline durch Gazprom mit zehn Milliarden Euro ist eines der größten Projekte unter russischer Beteiligung.

Türkische Unternehmen

REUTERS

Auch die Aktivitäten türkischer Unternehmen werden mit Sanktionen belegt, vorrangig im Bausektor. Türkische Firmen erwirtschaften in Russland einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden Euro – überwiegend mit dem Bau von Gewerbeimmobilien. Die marktgrößten sind Enka, Renaissance Construction und Ant Yapi mit einigen Towern der Moscow City im Portfolio. In türkischer Hand sind zudem Bekleidungsketten, Baustoff- und Verpackungsfabriken. Anadolu Efes, größter Bierbrauer der Türkei, betreibt in Russland sechs Brauereien und nimmt 13 Prozent des Marktes ein. Die russischen Tochterfirmen dieser Unternehmen werden ihre Tätigkeit in Russland zwar fortsetzen, müssen aber mit Restriktionen rechnen: Baufirmen werden neue Projekte abstimmen müssen, die Quoten ihrer türkischen Mitarbeiter werden reduziert. 56 000 erhielten eine Arbeitsgenehmigung im vergangenen Jahr.

Der Bruch zwischen Russland und der Türkei zieht horrende wirtschaftliche Kosten nach sich. Experten schätzen den gemeinsamen Schaden auf etwa 18 Milliarden Euro. KSENIA ILJINSKAJA FÜR RBTH

Tourismus Gleich nach dem Abschuss des Kampfjets sprach das russische Außenministerium eine Reisewarnung für die Türkei aus, wenig später verhängte das Kabinett ein Verbot auf Charterflüge und auf den Verkauf von Urlaubsreisen in das Land. Zudem setzte Russland das Visafreiheitsabkommen aus. Linienflüge werden zwar nicht gestoppt, hinsichtlich der Sicherheit aber verstärkt überwacht. Bleiben die Sanktionen zudem in der Hauptsaison 2016 in Kraft, werden die Einschnitte sowohl für die türkische Riviera als auch für die russischen Reiseveranstalter schmerzhaft sein. Neben Ägypten ist die Türkei das wichtigste Ziel russischer Urlauber: 3,3 Millionen Russen erholten sich dort 2014, um ein Viertel weniger waren es in diesem Jahr. Das entspricht rund einem Viertel des gesamten Absatzes russischer Reiseveranstalter. Zudem sind türkische Unternehmensgruppen direkt an großen russischen Reiseanbietern beteiligt – die OTI Holding etwa an Coral Travel, die Anex-Gruppe an der

Gemeinsames Investment

Moskauer Anex Tour. Auf rund 5,5 Milliarden Euro werden die Verluste auf türkischer Seite veranschlagt – die Anzahl der russischen Urlauber wurde nur noch von deutschen Türkeireisenden getoppt.

Quelle: Föderale Zolldienst, Zeitung Wedomosti und Zeitung Kommersant

Türkische Importe

GAIA RUSSO

Ebenso gehörte ein Importverbot für Lebensmittel zu den ersten Reaktionen Russlands. Betroffen sind überwiegend Zitrusfrüchte und Tomaten. Bislang war die Türkei bei diesen Waren Russlands wichtigster Lieferant. Am gesamten russischen Lebensmittelimport hatte das Land einen Anteil von vier Prozent, rund 910 Millionen Euro. Zwei Drittel davon stellten mit rund 320 Millionen Euro Tomaten, das entspricht 43 Prozent des russischen Tomatenimports. Im Wert

Auf Eis liegen vorerst große gemeinsame Investitionsprojekte: Russland setzte das Investitionsschutzabkommen aus, Verhandlungen über Handelserleichterungen sind abgebrochen. Nach Angaben der russischen Zentralbank betrugen russische Direktinvestitionen in die Türkei 2014 rund 4,8 Milliarden Euro. Die Türkei investierte in Russland 690 Millionen Euro. Die größten Projekte mit russischer Beteiligung: der Bau des AKWs Akkuyu mit 20 Milliarden Euro, dessen Schicksal unklar bleibt, und die bereits gestoppte Turkish-Stream-Pipeline durch Gazprom mit zehn Milliarden Euro, die Übernahme der Denizbank durch die Sberbank für rund 3,2 Milliarden, die Übernahme des Mobilfunknetzbetreibers Turkcell durch die Alpha Group und die Çukurova Holding für 3,2 Milliarden Euro. Für Russland war die Türkei mit 27,4 Kubikmetern Gas im Jahr 2014 der zweitgrößte Absatzmarkt nach Deutschland.

Atomwirtschaft sucht Lieferanten Auf dem Forum Atomex Europe Anfang Dezember in Budapest präsentierte sich der russische Atomenergiekonzern Rosatom als Partner internationaler Projekte. ANDREJ RETINGER FÜR RBTH

Mehr als dreihundert Chefs europäischer Unternehmen und Experten aus insgesamt 14 Ländern diskutierten auf dem Atomex-Europe-Forum gemeinsam mit Vertretern des russischen Atomenergieunternehmens Rosatom über mögliche Kooperationen. „Die Entwicklung der internationalen Lieferantenkette ist eine der Prioritäten der globalen Rosatom-Strategie“, erklärte Kyrill Komorow, der für die Entwicklung und das internationale Geschäft zuständige Stellvertreter des RosatomGeneraldirektors auf der Eröffnungsveranstaltung. „Unsere Projekte sind für europäische Lieferanten eine hervorragende Möglichkeit, ihre Technologien einzusetzen“, fügte er hinzu. Durch die Zusammenarbeit trügen die

europäischen Unternehmen zur Entwicklung einer ökologischen Stromerzeugung und zur Verbesserung des Klimaschutzes auf der Erde bei, sagte Komorow weiter. Am Rande des Forums wurden sowohl europäische Projekte wie das AKW Ostrowezkij in Belarus und das AKW Hanhikivi in Finnland als auch Kernkraftwerke im Iran, in Indien, China und Ägypten diskutiert. Die Rede war zudem vom Ausbau des ungarischen AKWs Paks. Die Gerätetechnik des Reaktors soll in Russland mit russischer Technologie gefertigt werden. Die sonstige Ausrüstung und die Bauarbeiten werden international ausgeschrieben. Das Unternehmen Siemens hat bereits erklärt, Turbinen im Wert von einer Milliarde Euro zu liefern. An der Ausschreibung für den Turbinenblock will sich auch der französische Konzern Alstom beteiligen. Rosatom rechnet damit, mit ausländischen Firmen in den kommenden fünf Jahren Ausrüstungsverträge über 30 bis 40 neue Energieblöcke zu unterzeichnen. Anfang 2015 hatte der russi-

Seit diesem Jahr können ausländische Lieferanten sich frei am elektronischen Handel von Rosatom beteiligen.

sche Konzern ausländische Verträge für die nächsten zehn Jahre im Wert von 101,4 Milliarden US-Dollar im Portfolio. Dieses Volumen umfasst auch Verträge im Zusammenhang mit dem nuklearen Brennstoffkreislauf, dem Service und der Modernisierung der AKWs sowie die Lieferung von Gerätetechnik für andere Bereiche. Semjon Dragulskij, Direktor des russischen Verbands für Energieeffizienz, betonte, dass ausländische Unternehmen sich weltweit an russischen AKWProjekten beteiligen können. Zurzeit sind 43 Energieblöcke unterschiedlicher Realisierungsstufen projektiert, neun Blöcke in Russland und 34 in Europa, im Nahen Osten und in Ostasien. Seit diesem Jahr können ausländische Lieferanten sich frei am elektronischen Handel von Rosatom beteiligen. „Inzwischen erfolgen die meisten Einkaufsprozeduren bei uns im freien Wettbewerb über unser elektronisches Handelssystem. Zu unseren Lieferanten gehören mehr als 24 000 russische und ausländische Unternehmen“, erklärte Kyrill Komorow.

Vielfältige Kooperationen Die russische Seite hat bereits über das gesamte Spektrum Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit europäischen Partnern gesammelt – angefangen bei der Lieferung von Uran und Kernbrennstoffen bis hin zur Stilllegung von Kernkraftwerken. In Kooperation mit dem

BRUGER BARNA

ATOMBRANCHE Auslandsgeschäfte von Rosatom bringen über 100 Milliarden US-Dollar

Auf dem Forum in Budapest wurde über mögliche Kooperationsprojekte in Russland und weltweit diskutiert.

französischen Unternehmen Areva fertigt der Konzern Brennstoffbündel für Atomreaktoren westlicher Bauart, mit denen Atomkraftwerke in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien beliefert werden. Der Betreiber aller russischen Kernkraftwerke, der Konzern Rosenergoatom, führt im Konsortium mit dem französischen Betreiber EDF die Arbeiten zur Betriebszeitverlängerung der Blöcke 5 und 6 des bulgarischen AKWs Kosloduj aus. Zusammen mit der französischen Schneider Electric baut der Konzern eine Produktionskooperation im Bereich der elektronischen Gerätetechnik auf.


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DAS THEMA

FERIENSAISON IN KRISENZEITEN DIE RUSSEN FEIERN UND SCHENKEN GERN ÜBERSCHWÄNGLICH. DOCH DIESES JAHR WERDEN VIELE IHRE AUSGABEN TROTZ DER FESTSTIMMUNG BESSER IM AUGE BEHALTEN MÜSSEN.

UND EIN SPARSAMES NEUES JAHR Das Neujahrsgeschäft steht dieses Jahr in Russland ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise. An vielen Stellen wird gespart. Ein Vergleich mit dem Vorjahr ist allerdings schwierig. SIMON SCHÜTT FÜR RBTH

Weihnachten ist das Fest der Strümpfe. In den USA werden sie an den Kamin gehängt, und der Weihnachtsmann legt etwas hinein. In einigen europäischen Ländern liegen Socken ebenfalls oft unter dem Baum – wenn auch selten gewollt. In Russland wird zwar nicht Weihnachten, sondern etwas später Neujahr gefeiert, aber auch dieses Fest steht – zumindest in diesem Jahr – im Zeichen besonderer Strickwaren: der Sparstrümpfe. Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen zwingen viele Russen zu einem Umdenken bei den diesjährigen Ausgaben. Die Reallöhne sind 2015 um rund 13 Prozent gesunken, und die kriselnde Wirtschaft des Landes macht den Menschen zu schaffen. Rund zwei Drittel der russischen Bürger planen daher, dieses Jahr weniger für das Neujahrsfest auszugeben. Dieses Ergebnis förderte jedenfalls eine Studie der Marktforschungsagentur IRG zutage. Das durchschnittliche Budget einer russischen Familie für Neujahr liegt demnach bei 16 900 Rubel (rund 240 Euro). Das Ergebnis stimmt weitgehend mit einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte überein. Die kam zu dem Ergebnis, dass die Russen durchschnittlich 217 Euro für die Neujahrsfeierlichkeiten auszugeben bereit sind. Das sind sieben Prozent weniger als im Vorjahr und liegt deutlich unter dem europäischen Schnitt von 513 Euro, den das Unternehmen errechnet hat. Im europäischen Vergleich wollen nur die krisengeschüttelten Griechen ihre Weihnachtsausgaben noch stärker reduzieren als die Russen (um 8,6 Prozent). In Deutschland wird hingegen

REUTERS

men ihr Geld vorzugsweise für billigere Elektronik aus. So rechnen die Logistiker in Russland auch nicht mit veränderten Warenmengen zur Neujahrszeit. Das vierte Quartal ist die wichtigste Zeit für die Transportunternehmen. „Wir erwarten keine Differenz zum Vorjahr“, sagt beispielsweise der Russlandchef eines großen europäischen Logistikunternehmens hinsichtlich des diesjährigen Neujahrsgeschäfts. Auch in einem anderen Punkt dürfte sich das Neujahrsfest nicht von denen vergangener Jahre unterscheiden: der gemeinsamen Zeit mit Freunden und Familie.

Der Vergleich mit einem leichten Anstieg um 0,9 Pro- zurück. Insbesondere die Flüge nach Deutschland (minus 68 Prozent) und zum Vorjahr zent auf 423 Euro gerechnet. Österreich (minus 60 Prozent) seien ist schwierig, Wo gespart wird sehr viel weniger gefragt. Dass nun die Menschen Aber die Russen sind auch Meister mit Ägypten und der Türkei zwei weiim Stopfen von Strümpfen. So gaben tere beliebte Destinationen für die rushaben sich 20 Prozent der 1200 Befragten gegen- sische Touristen wegen der Sanktioüber IRG an, dass sie vorhätten, am nen und der Terrorgefahr ausfallen, inzwischen Feiertag des Jahres ganz mache den Urlaub in der Heimat umso der Situation beliebtesten ohne Delikatessen auszukommen. populärer. und den Ein Drittel plant, für das Festessen und die Geschenke zumindest weni- Mit Preisnachlässen werben Preisen ger Geld auszugeben. 21 Prozent wol- Viele russische und europäische Einangepasst. len laut der Deloitte-Studie in güns- zelhandelsketten wollen sich nicht zum tigeren Geschäften einkaufen – 2014 hatten das nur acht Prozent vor – und einige sogar komplett auf Geschenke verzichten. Ihr Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr von vier auf sieben Prozent gestiegen. Solche Pläne hat Sergej nicht. Der 25-jährige Lehrer aus Moskau sagt: „Ich spare ungern bei den Geschenken. Ich schenke gern! Und mich wird auch dieses Jahr nichts davon abhalten, mein Geld für Freunde und Familie auszugeben – wie immer.“ Mit einem Lächeln wischt er die Wirtschaftskrise beiseite: „Nicht einmal die schwierige ökonomische Lage wird mich aufhalten.“ Dafür achtet er an anderer Stelle stärker aufs Geld, etwa beim Reisen. War er vor zwei Jahren über die Neujahrsfeiertage noch in Prag, verbrachte er 2014 die beliebte Urlaubszeit in Russland. Mit Freunden war er im nordrussischen Murmansk und fotografierte dort die Polarlichter. Ursprünglich wollte er nach Island, erzählt er, aber Russland sei eine gute und günstigere Alternative gewesen. Und man spreche dort Russisch, fügt er hinzu. „In diesem Jahr werde ich wohl entweder in Moskau bleiben oder – etwas weniger sparsam – nach Karelien an die finnische Grenze fahren.“ Mit seinen Sparplänen ist Sergej nicht allein. Angaben des Reiseveranstalters One-Two-Trip zufolge gingen die Buchungen für Flüge ins Ausland im Vergleich zum Vorjahr zwischen dem 1. und 10. Januar um rund 30 Prozent

laufenden Neujahrsgeschäft äußern oder Prognosen abgeben. Ihre Umsatzzahlen werden aber wohl deutlich unter denen des Vorjahres liegen. Denn vor einem Jahr, Mitte Dezember 2014, stürzte der Rubel drastisch ab. Das führte zu vorgezogenen Panikkäufen, weil die Kunden das Geld vor der Entwertung schützen und Preiserhöhungen zuvorkommen wollten. Der große russische Elektronikhändler M.video verzeichnete deswegen im Dezember 2014 ein sattes Plus von 73 Prozent. Der Vergleich zum Neujahrsgeschäft im Vorjahr ist also schwierig. Ähnliches wird sich dieses Jahr wohl kaum wiederholen. Die Menschen haben sich inzwischen der Situation und den Preisen angepasst. Der Rubel hat sich auf einem hohen Niveau von derzeit rund 70 Rubel pro Euro eingependelt. Dafür sprechen zudem die Aussagen russischer Unternehmen zum sogenannten Black Friday Ende November, an dem auch in Russland mit deutlichen Preisnachlässen geworben wurde. Der Tag war nach Angaben vieler Händler ein voller Erfolg. Allerdings sanken die durchschnittlichen Rechnungsbeträge bei vielen Anbietern. So auch beim bekannten Elektrohändler Swjasnoj. Dies sei der Tatsache geschuldet, dass die Kunden im vergangenen Jahr unter dem Einfluss der Rubelabwertung teure Geräte kauften, heißt es seitens des Unternehmens. Heute hingegen gäben die Menschen wegen der gesunkenen Realeinkom-

Simon Schütt ist Chefredakteur von Ostexperte.de, einem Blog für das Russlandgeschäft.

715 Euro in Luxemburg

647 Euro

518

in der Schweiz

Euro in Frankreich

266 Euro in Holland

308 Euro in Russland

Wie groß ist das Weihnachtsbudget von Europäern und Russen? Nach Angabe der Unternehmensberatung Deloitte wird in diesem Jahr das Weihnachtsbudget in Russland und in der Schweiz steigen (um jeweils 6 und 2,1 Prozent). Obwohl die Ausgaben in Luxemburg den Prognosen zufolge um 5,9 Prozent sinken, ist das durchschnittliche Weihnachtsbudget das zweitgrößte in Europa nach Großbritannien mit 764 Euro.


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DAS THEMA

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WEIHNACHTSMÄRKTE Tradition in Europa, Trend in Russland

Italienischkurse und Charity statt Glühwein und Wurst Seit einigen Jahren erobern Weihnachtsmärkte nach europäischem Vorbild Russlands Innenstädte. Viele Märkte erinnern dabei nur entfernt an das Original. PEGGY LOHSE ALYONA REPKINA

Da Russen nicht zu Weihnachten, sondern zu Neujahr schenken, planen 72 Prozent den festlichen Einkauf für die zweite Dezemberhälfte. Die Europäer sind da früher dran: 65 Prozent haben schon alle Geschenke vor dem 15. Dezember besorgt. Immer mehr Russen shoppen online: Im letzten Jahr ist die Zahl der Internetkäufe auf 32 Prozent gestiegen. Damit hat Russland Europa mit seinen 36 Prozent fast eingeholt.

In der russischen Hauptstadt weihnachtet es sehr. Obwohl die Jahresendfeiertage in Russland eine Woche später beginnen als in Europa, ist die Weihnachtsmarktsaison in Moskau schon in vollem Gange. Beliebt sind thematische, oft von mitteleuropäischen Traditionen inspirierte Märkte, die jeweils ein Wochenende lang stattfinden. Das Fest wird nach dem christlichorthodoxen Kirchenkalender zwar eigentlich erst eine Woche nach Neujahr gefeiert, dennoch halten europäische Traditionen in der vorweihnachtlichen Zeit zunehmend Einzug. Wer in die noch junge Moskauer Weihnachtsmarktkultur eintaucht, der kann vier Typen erleben.

Der Klassische

REUTERS

Wer kennt dieses Bild nicht? Das GUMKaufhaus am Roten Platz mit Lichterketten geschmückt, innen und außen Weihnachtsbäume, Eislaufbahn und Stände mit süßen und würzigen Leckereien, heißen Getränken und Geschenken. Hier werden vor allem russisch-traditionelles Handwerk, Speisen und ein abwechslungsreiches Kulturprogramm präsentiert. Besonders für Touristen und Expats in der russischen Hauptstadt ist der im Lichtermeer bunt und liebevoll inszenierte russische Kitsch vor historisch bedeutender Kulisse ein Erlebnis. Einige Moskauer wie Viktor Timofeev, sehen das aber eher nüchtern: „Was wir in Russland machen, ist sicher hübsch, aber nicht authentisch. Es sieht aus wie eine nicht so richtig gelungene Kopie des Westens.“ Viktor arbeitet im internationalen Jugendaustausch und würde eher den deutschen Weihnachtsmarkt empfehlen.

Der Europäische REUTERS

So einfach geht es: Kochrezept „Olivier“

„Russischer Salat“ mit Kultstatus

Besondere Momente bietet ferner auch ein italienischer Weihnachts- und Neujahrsmarkt im Rahmen der Italienischen Woche vom 11. bis 13. Dezember in der Moskauer Design-Fabrik Flacon. Außer kulinarischen und dekorativen Kleinigkeiten für die Feiertage stehen die „Nacht mit dem Chef“,

PAWEL SMERTIN / TASS

FÜR RBTH

ein großes italienisches Abendessen mit einem Star-Chefkoch, weihnachtliche Italienischkurse und eine professionelle Weinverkostung auf dem Programm. Auch die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft haben sich für die Vorweihnachtszeit etwas Besonderes ausgedacht. Am 21. November begrüßten Thüringer Blechbläser die zahlreichen – wohl um die 2500 – Gäste auf dem Botschaftsgelände an der Mosfilmowskaja uliza mit Weihnachtsliedern und typischen Basteleien und Süßigkeiten: Stollen, Adventskalendern, Holzschnitzereien. Ein schönes Geschenk sind die von Botschaftsangehörigen gebackenen Lebkuchenhäuser.

Der Straßburger Markt auf dem Manegeplatz war einer der beliebtesten der letzten Jahre. Zu Straßenmusik und Schattentheater werden an den Ständen Holzspielzeug, Lebkuchen, Honig und Weihnachtsengel verkauft.

Der Wohltätige Da Weihnachten auch in Russland ein Fest der Nächstenliebe ist, dienen einige Märkte wohltätigen Zwecken. Das Projekt „Seasons“ veranstaltete kürzlich im Eremitage-Garten zum siebten Mal einen Benefiz-Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr unter dem Motto „Russische Motive“ stand. Besucher konnten traditionelle Schaltücher, Walenki – die berühmten Filzstiefel –, Leder- oder Pelzmäntel sowie Wollfäustlinge erstehen. Der Erlös ging an den Wohltätigkeitsfonds Nuschna pomosch („Es wird Hilfe gebraucht“), um die Publikation eines Magazins für seh- und hörbe-

hinderte Menschen auch künftig zu ermöglichen. Neben dem Verkauf von Designer-Souvenirs im Mamin Sad wurden Weihnachtslieder vom Chor der „Seasons“-Schule vorgetragen. Und eine Theatergruppe ließ einen „antiken Zirkus“ auf dem Marktgelände aufleben.

Der Kleinteilige Apropos antik: Bei der Suche nach Geschenken mit Geschichte ist der weihnachtliche Flohmarkt Na Tischinke auf dem Ausstellungsgelände T-Modul eine feste Adresse. Dort laden Sammler aus aller Welt zum Stöbern zwischen Schmuck, Postkarten, Fotografien, Schallplatten, Büchern, Porzellan und anderen Accessoires ein. „Kurz: entzückende Einzelstücke mit eigener Historie“, beschreibt Soja Glasatschowa den von ihr bevorzugten Weihnachtsmarkt. Zu Sowjetzeiten habe es wenige solcher schönen Dinge gegeben, „darum haben wir zum Beispiel nicht von deutschem Porzellan gegessen, sondern es in die Schrankwand gestellt und uns vor ihm verneigt“, sagt die Journalistin und PR-Frau mit einem Augenzwinkern. Der Flohmarkt findet mittlerweile auch außerhalb der Weihnachtszeit statt, insgesamt viermal im Jahr immer am selben Ort. Und hält stets neue Stücke aus allen Ecken der Welt für seine Besucher bereit.

WEIHNACHTEN UND NEUJAHR Dann ist das ganze Land permanent in Feststimmung

Warum Russland doppelt feiert PRESS PHOTO

Der Salat mit dem französisch klingenden Namen wurde von dem Koch Lucien Olivier in den 1860ern im zaristischen Russland kreiert, als dieser in Moskau ein französisches Spezialitätenrestaurant betrieb. Später wurde der Salat in Russland unter dem Namen seines Erfinders und in europäischen Ländern schlichtweg als „Russischer Salat“ bekannt. Auf dem Neujahrstisch ist er ein Muss und darf auch bei anderen Familienereignissen nicht fehlen. Zubereitung: Kartoffeln und Karotten mit Schale kochen, abkühlen lassen und schälen. Eier hart kochen und Fleisch garen. Kartoffeln, Karotten, Eier, Fleisch und Gurken in kleine Würfel schneiden. Vertrauen Sie Ihrem Geschmack – die Menge der einzelnen Zutaten sollte gut aufeinander abgestimmt sein. Rühren Sie Mayonnaise nur unter die Portion des Salats, die gleich verzehrt wird, und stellen Sie das Ganze eine Weile kühl. Guten Appetit! Prijatnogo appetita!

Festlichkeiten zum neuen Jahr sind in aller Herren Länder Tradition. In Russland wird mindestens acht Tage lang gefeiert, doch es können auch schon mal 20 werden. DMITRIJ ROMENDIK

lender wechselte. Mit diesem Schritt verschob sich das Datum des Neujahrsfestes abermals. Das führte dazu, dass Neujahr heutzutage in Russland zweimal gefeiert wird: zuerst nach dem „neuen“ Kalender und dann 13 Tage später nach dem alten.

RBTH

Das Neujahr in Russland wanderte in der Vergangenheit oft quer durch den Kalender. Nach der Christianisierung der Rus 988 begann man, das neue Jahr nach dem julianischen Kalender auszurichten. Es fiel auf den 1. März. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts – über den genauen Zeitpunkt streiten sich die Geister – verlegte die RussischOrthodoxe Kirche die Neujahrsfeierlichkeiten vom März auf den September. Und erst im Jahr 1699 verfügte Zar Peter I., terminlich mit Europa gleichzuziehen. Doch während Peter sein Neujahr nach europäischem Zeitplan einrichtete, ging der Kontinent vom julianischen zum gregorianischen Kalender über, womit Russland wieder gut zwei Wochen hinterherhinkte. Seinem Schicksal ergab sich das Land erst 1919, als es ebenfalls zum gregorianischen Ka-

Auch in Russland leuchtet der Weihnachtsbaum Ungewiss bleibt jedoch, wie die Tradition des geschmückten Tannenbaums nach Russland kam. Eine Erklärung ist, dass Charlotte von Preußen, Frau des Kaisers Nikolai I., den Brauch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Zarenreich mitbrachte. Einer anderen Version zufolge stammt er von deutschen Siedlern. Während des Ersten Weltkriegs verbot die Orthodoxe Kirche das Aufstellen der Tannenbäume „nach deutschem Brauch“. Als die Bolschewiken an die Macht kamen, predigten sie den Atheismus und legten sich in allen wesentlichen Fragen mit der Kirche an – außer beim Tannenbaumverbot. Während die Kirche die Tanne als Brauch des Kriegsgegners verbot, ging es den Bolschewiken um das Weihnachtsfest als solches.

Man feiert Neujahr einmal nach dem gregorianischen und 13 Tage später nach dem julianischen Kalender.

1928 wurde die Tanne wieder erlaubt. Bereits ein Jahr später hatte sich auch die Planwirtschaft auf den Weihnachtsbaum eingelassen: Glühlampenwerke produzierten massenweise Schmuckkugeln, die Moskauer Kabelfabrik drehte Sterne für die Baumspitzen. Denn auch auf sowjetischen Tannen leuchtete ein Stern – allerdings nicht der von Bethlehem, sondern der fünfzackige Sowjetstern. Ihre häufige Umdatierung in der Vergangenheit ermöglicht es, die Feierlichkeiten auf zwei Wochen oder darüber hinaus auszudehnen: Man kann am 24. Dezember mit dem europäischen Weihnachten beginnen, danach kommt am 1. Januar das Neujahrsfest, am 7. Januar das orthodoxe Weihnachten und schließlich am 14. Januar das alte Neujahr. Um diesen Marathon zu überleben, braucht man massenhaft Verpflegung. Besonders eignen sich dafür der Kultsalat „Olivier“ und „Sowjetskoje Schampanskoje“. Die Tradition, Neujahr gleich zweimal zu feiern, kommt mittlerweile allerdings immer mehr aus der Mode, es sind ja schließlich fast 100 Jahre seit der Abschaffung des julianischen Jahreswechsels vergangen.


Donnerstag, 10. Dezember 2015

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

MEINUNG

RUSSLANDS WIRTSCHAFT 2016: DER KOLLAPS BLEIBT AUS

ANDREJ MOVTSCHAN ÖKONOM Der Autor ist Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik am Carnegie-Center in Moskau.

DMITRIJ DIWIN

A

us einer tiefen, zweijährigen Krise heraus blickt Russland ins Jahr 2016. 2015 erlebte seine Wirtschaft einen beispiellosen Absturz aller Indikatoren. Und zwar in einem Ausmaß, das keine andere Industrienation überstanden hätte: Die Nachfrage nach Investitionsgütern fiel um das Doppelte, der Import ging um 35 Prozent zurück, Auslandsinvestitionen fielen 2014 schon auf Null und erholten sich nicht. Der für das gesamte Jahr 2015 erwartete reale BIP-Rückgang von fünf Prozent geht mit einer Inflation von mindestens 16 Prozent einher. Dennoch ist Russland – entgegen allen Erwartungen westlicher Ökonomen – von einem wirtschaftlichen Kollaps weit entfernt. Das Land verfügt über Reserven, die seine Stabilität selbst bei einer jahrelangen Rezession gewährleisten können. Um die Entwicklung für das nächste Jahr vorauszusagen, lohnt sich ein Blick zurück. Schon vor dem Jahr 2000 wies Russlands Wirtschaft Merkmale einer Rentenökonomie auf. Vor 2008 floss dabei ein recht hoher Anteil der Petrodollars in Investitionen. Dieser fiel jedoch zu Beginn 2009 abrupt. 2012 erreichten die Kapitalflucht – angesichts enttäuschter Demokratisierungshoffnungen – ein größeres Volumen als der Überschuss der Handelsbilanz. Eine zunehmende Monopolisierung der Wirtschaft verursachte eine stabil hohe Inflation. Die Regierung löste das Problem auf einfache Weise: durch Lohnsteigerungen im aufgeblähten Staatssektor (über 38 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung) und ineffektive Ausgaben. 2013 verzeichneten die Löhne bei nahezu stagnierendem BIP zweistellige Zuwächse. Dieses Ungleichgewicht führte zu verstärktem Import und zunehmendem Handelsanteil am BIP – der mit 30 Prozent fast doppelt so hoch war wie in den USA. Der Ölpreissturz 2014 war ein Schock, der mit der laufenden Stagnation zusammenfiel. Auf den Schock reagierte der aufgeblasene Konsum. Der Einbruch des BIP geht größtenteils auf die Korrektur des Imports sowie der Haushalts-

und Unternehmensausgaben zurück. Eben dies ermöglichte Russland einen sanften Übergang zur Stagnation. Die vernünftige Zentralbankpolitik erhielt dabei die Währungsreserven des Landes, ließ eine 50-prozentige RubelAbwertung zu und kurierte damit in weniger als einem Jahr Russlands andauernde Holländische Krankheit. Anfang 2016 hat das Land die Folgen des Ölschocks überwunden. Die Währungsreserven entsprechen dem Import von zwei Jahren, mit stabiler Landeswährung und langsam weichender Inflation. Doch die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik der letzten fünf Jahre sind geblieben: Russland ist weiterhin eine Rentenökonomie, in der zwei Prozent der Erwerbstätigen 45 Prozent des BIP generieren. Das Land steckte den „Öl-Schlag“ weg und setzte seinen Kurs langjähriger Stagnation fort – auf einem niedrigeren Niveau. Hinzukommt, dass Russlands Außenpolitik die wenigen potenziellen Investoren verschreckt.

In dieser Lage wählt Moskau das einfachste Programm: keine Veränderungen. Der Haushalt für 2016 ist bereits vielfach diskutiert worden. Als „Stagnationshaushalt“, als „letztes Budget“ bezeichnen böse Zungen die russischen Staatsfinanzen. Die Einnahmen bewegen sich auf dem Niveau von 2006/2007, die Ausgaben auf dem Niveau von 2008. Der Haushaltsentwurf lässt keine Wachstumsimpulse erkennen. Der Rebound samt einer sprunghaften Inflation steht Russland noch bevor – und eine Finanzkrise aufgrund zunehmender Schwäche der Schuldner. Im Bausektor erwartet das Land einen Einbruch nach der Fertigstellung alter Projekte genauso wie Pleiten in der Reisebranche, in der Logistik und im Einzelhandel. Doch lässt man das außen vor, ist es denkbar, dass Russlands BIP ohne Reformen den Stagnationskurs von 2012 bis 2014 fortsetzen und um 2,5 Prozent oder mehr zurückgehen wird. Die Besteuerungsbasis

« Russland steckte den Öl-Schlag weg und setzt den Kurs langjähriger Stagnation auf einem niedrigeren Niveau fort.»

RUSSLAND–TÜRKEI: BEZIEHUNGEN AUF DEM PRÜFSTAND

D SERGEJ MARKEDONOW POLITOLOGE Der Autor ist Dozent am Lehrstuhl für ausländische Regionalwissenschaft und Außenpolitik der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität.

er Abschuss eines russischen Kampfjets am 24. November durch die türkische Luftwaffe wird zu einer schwierige Prüfung für die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara. Politiker und Fachleute hielten dasVerhältnis bis vor Kurzem noch für ein erfolgreiches Modell, wie aus historischen Feinden Freunde werden könnten. Es wäre zu kurz gegriffen, die aktuellen Probleme als spontanes und grundloses, plötzlich aufgetretenes Ereignis zu betrachten. Bülent Araz, führender Türkeiexperte, charakterisierte die russisch-türkischen Beziehungen einmal als Wettkampfpartnerschaft. Und in der Tat, in wesentlichen politischen Fragen unterscheiden sich die Meinungen von Moskau und Ankara. Ein Beispiel hierfür sind die Konflikte in Bergkarabach und Georgien. Die Türkei hat sich stets zur territorialen Integrität Georgiens bekannt. Zum Statuswechsel der Krim hat sich Ankara nicht öffentlich geäußert, doch kann von einer gewissen vorsichtigen Skepsis in dieser Frage ausgegangen werden.

All die Widersprüche wurden lange Zeit aber durch die positive und für beide Seiten vorteilhafte Entwicklung der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen beiseitegeschoben. Nun könnte man annehmen, dass der Pragmatismus auch weiterhin politische Differenzen in den Hintergrund treten lässt. Die Beziehungen Recep Tayyip Erdogans, des führenden türkischen Politikers des letzten Jahrzehnts, zu den USA und der Europäischen Union waren nie die besten. Ankara zeigte sich wenig begeistert von der Verbindung Washingtons zu den kurdischen Bewegungen im Nahen Osten. Und die türkischen Bestrebungen zur EU-Integration lösten in Brüssel nicht gerade Hochgefühle aus. Die „kurdische Karte“ innerhalb der Türkei provozierte Diskussionen in der EU über die Zweckmäßigkeit einer Aufnahme der Türkei. Auch eine Einigung in der Zypernfrage konnte nicht erreicht werden. Die Türkei ist das einzige Nato-Mitglied, das zugleich den Status eines Dialogpartners der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) hat. Russland und die Türkei akzep-

tierten ihre vielen Unstimmigkeiten, ohne jemals die rote Linie zu überschreiten. Dass die wirtschaftliche Kooperation weiter ausgebaut werden sollte, war Konsens. Einen Beweis dafür liefert das Pipeline-Projekt „Turkish Stream“, durch das Russland seine Abhängigkeit von Europa als Hauptabnehmer verringern wollte. Doch die „Akzeptanz der Uneinigkeiten“ bröckelt nicht erst seit diesem Jahr. Den Anfang muss man in den Ereignissen 2011 suchen mit Beginn des Arabischen Frühlings im Nahen Osten. Während diese Bewegungen von Moskau als eine gefährliche Herausforderung wahrgenommen wurden, stellten sie für die Türkei eine Chance dar, in der Region nach vielen Jahren wieder Fuß zu fassen. Vor diesem Hintergrund ist die türkische Unterstützung von Mohammed Mursi, Anführer der ägyptischen Muslimbrüder, zu verstehen sowie die zunehmend israelkritische Haltung, die politische Palästinophilie und der Kampf gegen das Regime von Baschar al-Assad. Ankara „bewarb sich“ auf diese Weise beim Nahen Osten ebenso wie im nahen Ausland.

«

Bülent Araz, führender Türkeiexperte, charakterisierte die russischtürkischen Beziehungen als Wettkampfpartnerschaft.»

der Unternehmen fällt dabei um die seit 2012 standardmäßigen zehn bis 15 Prozent. Allerdings berücksichtigt dieses Szenario die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft nicht und ist daher eher ein Worst Case. Ein weiterer Aspekt ist die illusorische Verringerung der Ölabhängigkeit für den Haushalt 2016. In Brent-Barrel gemessen betrugen die Staatseinnahmen 2011 4,07 Milliarden Barrel, 2014 waren es 4,05 Milliarden, für 2015 werden 4,16 Milliarden erwartet, für 2016 sind – vom aktuellen Ölpreis und Dollarkurs ausgehend – 4,3 Milliarden Barrel veranschlagt. Selbst diese optimistischen Prognosen ergeben eine Differenz von lediglich sieben Prozent zwischen dem geplanten Haushalt und den Budgets der letzten Jahre. Die Korrelation zwischen den föderalen Finanzen und dem Ölpreis ist leicht zu erklären: Am Öl hängen nicht nur die direkten Steuereinnahmen, sondern auch das Importvolumen, die Einkommenssteuern der Mitarbeiter und die Gewinne der Ölproduzenten. Zweifellos wird Russlands Wirtschaft 2016 weiter schrumpfen. Und zusätzlich einige unangenehme Überraschungen wie Bankenpleiten erleben. So steht die Führung zusehends vor einem Dilemma: entweder die Steuern für die restlichen Unternehmen und Privatpersonen erhöhen oder rigoros im Sozialbereich kürzen. Letzteres kann in eine Welle von Unzufriedenheit umschlagen. Unter diesen Umständen wird es für die Regierung zusehends schwerer, an den eigenen Prinzipien des freien Kapitalverkehrs und Wechselkurses sowie der rigiden Geldpolitik festzuhalten. Für 2016 reichen die Reserven jedenfalls noch. Unweigerlich wird es im Dunstkreis des Kremls zu Machtkämpfen kommen. Es gibt Einflussgruppen, die an geschlossenen Märkten und unkontrollierter Liquidität verdienen können. Andere brauchen die Globalisierung und Auslandsinvestitionen. Zweifelsohne werden wir erfahren, wer daraus als Sieger hervorgehen wird. Nur nicht im kommenden Jahr.

Russland und die Türkei betrachten die gegenwärtigen Entwicklungen etwa in Syrien komplett unterschiedlich. Moskau sieht als größte Bedrohung für Syrien den IS und ein Ende des Säkularstaates. Ankara befürchtet dagegen eine Stärkung von Kurden und Alawiten und die Niederlage von Gruppierungen, die an einem größeren türkischen Einfluss in der Region ein Interesse haben. Der aktuelle Vorfall – der Abschuss des Kampfjets – bedeutet eine Gefahr für die Beziehung der euroasiatischen Giganten. Auf beiden Seiten geht es um das Ansehen des eigenen Landes und um die zukünftige Verständigung. Noch kochen die Emotionen hoch. Das wird sich wieder ändern. Denn erstens haben sowohl Russland als auch die Türkei eine gewisse Erfahrung bei der Lösung schwieriger Probleme und der Suche nach einem Weg aus scheinbar aussichtslosen Situationen. Zweitens hätte es keinen Sinn, sich gegenseitig zu schwächen. Drittens versteht Ankara trotz seiner Vorbehalte gegen Assad, dass eine Destabilisierung in einem Nachbarland auch auf die türkische Gesellschaft übergreifen könnte. Und auch in der Türkei gibt es radikale islamistische Strömungen, die sich ohne Weiteres gegen Erdogan richten würden. Sie interessiert dessen Verhältnis zu Russland nicht. Es gibt Grund zu leiser Hoffnung, dass beide Seiten unter den neuen komplizierten Bedingungen einen Weg des weiteren Umgangs miteinander finden werden.

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

Donnerstag, 10. Dezember 2015

PORTRÄT

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BALLETT Am 20. November wäre die im Mai verstorbene legendäre Tänzerin 90 Jahre alt geworden

Maja Plissezkaja: Ein Leben für die Kunst ANNA GALAJDA FÜR RBTH

Am 20. November wäre Primaballerina Maja Plissezkaja 90 Jahre alt geworden. Die Künstlerin konnten auch der Eiserne Vorhang und der Kalte Krieg nicht davon abhalten, die Bühnen der ganzen Welt zu erobern. Sie setzte Maßstäbe, die noch heute im klassischen russischen Ballett gelten. Tänzerinnen eifern ihr nach und streben danach, in Aufführungen wie „Schwanensee“ oder „Don Quijote“ die Klasse der Plissezkaja zu erreichen, die ihrer Zeit oft weit voraus schien. Sie war eine beeindruckende Persönlichkeit; viele Menschen, auch Berühmtheiten, suchten ihre Gesellschaft. Die Plissezkaja war fast zu groß für die Bühne, selbst für eine so bedeutende wie die des Bolschoi-Theaters. Am 2. Mai dieses Jahres starb die Tänzerin in München.

© ALEKSANDR MAKAROV / RIA NOVOSTI

Die Primaballerina hat das russische Ballett wie kaum eine andere Tänzerin geprägt. Und sie war Muse zahlreicher Künstler – inspirierte Literaten, Musiker und Modedesigner.

Oben: Maja Plissezkaja und ihr Mann, der berühmte sowjetische Komponist Rodion Schtschedrin. Rechts: Maja Plissezkaja und Yves Saint Laurent.

Plissezkaja und die bildende Kunst Plissezkaja war wie keine andere Künstlerin ein gefragtes Modell von Malern und Bildhauern. Ihren Ausdruck, den zarten Hals und ihre langen Arme findet man in den Werken großer Meister wieder. Auch Marc Chagall fertigte Skizzen der Ballerina an. Sie tanzte barfuß vor ihm und improvisierte zur Musik von Mendelssohn. Eines der beliebtesten Motive war Maja Plissezkajas sterbender Schwan. Er findet sich zum Beispiel in einem Werk des brasi-

CORBIS/EAST NEWS

Plissezkajas schauspielerisches Talent zeigte sich schon in ihrer Kindheit. Sie erzählte einmal, wie sie noch im Vorschulalter vom Hof gelaufen war, weil sie draußen den Walzer aus Léo Delibes Ballett „Coppélia“ gehört hatte. Selbstvergessen tanzte sie dazu auf der Straße und begeisterte schon damals die Menschen. Ihre Mutter, eine Stummfilmschauspielerin aus einer der größten Theaterdynastien Moskaus, fand das Mädchen umringt von einer Menschenmenge, die die Darbietung der kleinen Maja begeistert verfolgte. Kurzerhand gab ihre Tante Sulamith Messerer, ein Star am Bolschoi-Theater, der Nichte Ballettstunden und inszenierte für sie den ersten „sterbenden Schwan“. Früh zeigte sich ihr außerordentliches Talent. Maja war sehr gelenkig und ihr durchdringender Blick aus den großen dunklen Augen verliehen ihr eine enorme Ausstrahlung. Später kam einmal nach einer Aufführung von „Schwanensee“ der italienische Schauspieler Marcello Mastroianni hinter die Bühne und zeigte sich überwältigt von Plissezkajas Auftritt. „Schauspieler sind so arm: Wir haben nur Mimik und Gestik. Und Sie, Maja, Sie reden mit dem ganzen Körper“, soll er gesagt haben.

CORBIS/EAST NEWS

Plissezkaja und das Kino

lianischen Graffitikünstlers Eduardo Kobra, dessen Arbeit ein Haus in der Nähe des Bolschoi-Theaters in einer Straße schmückt, die vor Kurzem nach Plissezkaja benannt wurde.

Plissezkaja und die Literatur Der sterbende Schwan so wie später auch die Carmen wurden die Markenzeichen der Plissezkaja. Das von der Ballerina erschaffene Bild eines starken und mutigen Vogels, unglaublich stolz, einsam und unbeugsam, inspirierte auch die Literaten. Plissezkaja selbst war eine wortgewandte Person. Sie ist Autorin von den zwei Büchern, „Ich, Maja“ und „13 Jahre später“, die beide zu Bestsellern wurden – was nicht am großen Namen der Künstlerin lag, sondern am geschliffenen Schreibstil. „Ich galoppiere durch mein Leben. Durch das ganze poltrige Leben. Mir wird immer klarer, dass man nicht über das Erlebte erzählen kann. Lediglich Kleinabschnitte. Verschwommene Konturen. Schatten ... Ist das wirklich passiert? Ja, ist es ... Premieren, Blumen, Kampf, Hetze, Erfolglosigkeit, Triebe, Treffen, Koffer packen, Kampf mit dem Alltag ...“, schrieb sie in ihrer Autobiografie und fragte dann auf unerhörte Weise: „Was willst du über mich erfahren, Leser?“

Plissezkaja und die Musik Plissezkaja verkehrte schon in frühen

Jahren in den Kreisen der Intelligenzija. „Heute war ich bei Lili Brik. Sie bekam Besuch von Gérard Philipe, seiner Frau und Georges Sadoul. Alle waren sehr nett und wohlwollend. Das Paar bedauerte es, mich nicht auf der Bühne gesehen zu haben, aber ich ‚tröstete‘ sie, indem ich ihnen meine Fotos, die leider nicht von bester Qualität waren, schenkte. Dann waren keine Gäste mehr da außer dem Komponisten Schtschedrin“, erzählte Plissezkaja im Jahr 1955. Schtschedrin erinnerte sich: „Ich hörte, wie Plissezkaja die Musik von Prokofjew aus dem Ballett ‚Aschenputtel‘ sang ... Die Ballerina hatte das absolute Gehör. Alle Melodien und Echos gab sie originalgetreu wieder. Die Musik von Prokofjew war damals relativ schwer aufzufassen.“ Drei Jahre nach diesem ersten Treffen wurden Plissezkaja und Schtschedrin ein Paar. Für seine Kompositionen entwickelte Plissezkaja die Choreografien. Gemeinsame Werke waren „Anna Karenina“, „Die Möwe“ oder „Dame mit dem Hündchen“.

Plissezkaja und die Mode Zu einer Zeit, als sich sowjetische Frauen uniform und einfach kleideten, fiel Plissezkaja mit ihrer Extravaganz auf. Sie war die erste sowjetische Balletttänzerin, die aus dem Ausland elastische Badeanzüge für ihr Training besorgte. In Paris gehörte sie zum Freundeskreis

Latest report CO N V E R T I N G M O N O LO G U E S I N TO D I A LO G U E

An analytical publication that focuses exclusively on the complex challenges and opportunities shaping the U.S.-Russia relationship

“Global Warming: Russia Comes in from the Cold” This report examines the changes happening in Russia ever since the issue of global warming was introduced on the global agenda. For Russia, which is preoccupied with its foreign policy and economic problems, climate change issues are coming to the forefront, as warming in the country occurs at a considerably higher rate than globally on average.

Zitat

«

Ich hörte, wie Plissezkaja die Musik von Prokofjew aus „Aschenputtel“ sang. Die Ballerina hatte ein absolutes Gehör.»

RODION SCHTSCHEDRIN KOMPONIST UND PIANIST

der Schriftstellerin Elsa Triolet, Ehefrau von Louis Aragon und Schwester von Lili Brik. Coco Chanel lud sie in ihr Atelier ein, wo sich Plissezkaja etwas aus der Kollektion aussuchen durfte. Ihre Kostüme wurden von Yves Saint Laurent und Jean-Paul Gaultier entworfen. Auf dem Festival d’Avignon im Jahr 1971 stellte Nadja Léger Plissezkaja Pierre Cardin vor. Die Ballerina wurde für Jahrzehnte zu seiner Muse. Er entwarf für sie mehr als 30 Kleider, ohne mehr dafür einzufordern als Freundschaft. Und sie blieb ihm als Designer für immer treu, was ihr nicht schwerfiel: „Er ist genial, nicht ich treu. Cardin entwarf meine Kostüme für Filme und Theater. Das sind königliche Geschenke!“ Die schönsten Kostüme befinden sich im Bachruschin-Theatermuseum in Moskau. Im Jahr 1998 eröffneten Plissezkaja und Cardin im Kreml die gemeinsame Ausstellung „Mode und Tanz“. Unter den sowjetischen Modeschöpfern arbeitete Plissezkaja mit Wjatscheslaw Saizew zusammen, der die Kostüme für ihr Ballett „Anna Karenina“ entwarf. Später sagte er: „Es wurden mehr als 200 Skizzen gemacht. Viele von ihnen gefielen Maja, nicht jedoch Schtschedrin. Diese Frage ging bis an die Kulturministerin Furzewa, die einen Kompromiss von mir forderte. Ich ging darauf nicht ein, und so setzte Pierre Cardin die Arbeit fort.“

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Donnerstag, 10. Dezember 2015

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

REISEN

SIBIRIEN Das alles haben nordsibirische Orte zu bieten: Polarlichter, Walrösser – und den längsten Eiskuss der Welt

Eiskalt und unvergesslich Temperaturen von minus 30 Grad Celsius? In einigen russischen Orten ist das im Winter geradezu mildes Wetter. Ziehen Sie sich ganz warm an und begleiten Sie uns in drei der kältesten Städte des Landes.

Zahlen

– 77,8 Grad Celsius ist der Rekord des Dorfes Oimjakon, das daraufhin zum kältesten Ort Russlands ernannt wurde.

ANNA GRUSDEWA FÜR RBTH

Das Leben im Norden Sibiriens gleicht einem ewigen Winter. Unter den Füßen knirscht der Schnee, die Polarnächte sind lang und dunkel. Am Tag schweift der Blick über die zugefrorenen Buchten Walenki und Unty. Warme Stiefel aus Filz und Pelz sind unverzichtbare Begleiter in dieser Gegend.

462 Menschen leben in Oimjakon. Ihr jakutischer Name bedeutet so viel wie „heiße Quelle“.

DENIS KOZHEVNIKOV / TASS

© ANATOLIJ FALAMOW / RIA NOVOSTI

Dikson ist die nördlichste Ortschaft Russlands. Sie liegt in der Region Krasnojarsk – etwa 2729 Kilometer von Moskau entfernt. Schon in der Sowjetunion wurde der Ort die „Hauptstadt der Arktis“ genannt. Damals befand sich hier der größte Hafen Russlands. Wer sich Dikson anschauen möchte, sollte das am besten im Sommer tun. Denn dann lässt sich die Stadt bequem mit dem Boot über den Fluss Jenissei erreichen. Die Polarnächte in Dikson sind pechschwarz und die permanenten Minusgrade beginnen schon im September. Wer darauf wartet, dass der Schnee schmilzt, muss sich meist bis Juni gedulden, Skisportaktivitäten finden hier noch bis in den Mai hinein statt. Ein weltweit einzigartiges Klimaphänomen sind die „schwarzen Schneestürme“ mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 40 Metern pro Sekunde. Oft arten die Stürme auch in Orkane aus. Dann, so sagen die Bewohner Diksons, fliegen hier sogar Haushunde und Fässer, von denen es an der Küste mehr als genug gibt, durch die Lüfte. Trotz des rauen Klimas kann man in dieser Stadt die Arktis in ihrer vollendeten Pracht erleben: An manchen Tagen erscheinen Polarlichter am Himmel und Walrösser tummeln sich am Ufer.

LORI/LEGION MEDIA

Dikson: die Hauptstadt der Arktis

Oben: In Dickson

Werchojansk: der kälteste Ort der kann man die ArkMenschheit tis in ihrer vollen In der kleinen Ortschaft Werchojansk, die 4675 Kilometer von Moskau entfernt liegt, leben etwas mehr als 1000 Menschen. Werchojansk ist zudem dafür bekannt, dass sich Meteorologen immer noch darüber streiten, welcher Ort der wahre Kältepol aller bewohnten Gebiete der Erde ist: Werchojansk oder Oimjakon. Den Bewohnern der beiden abgelegenen Städte ist dieser Streit ziemlich egal, denn zwei Grad hin oder her ändern nichts an der

Pracht erleben. Unten: Der Rekord von Werchojansk liegt bei minus 69,8 Grad Celsius.

Tatsache, dass die Winter einfach hart sind – der Rekord von Werchojansk liegt bei minus 69,8 Grad Celsius. Deswegen ist es auch nicht erstaunlich, dass man in diese Region im 19. Jahrhundert Revolutionäre und Aufständische verbannte. In den beiden Ortschaften lebte beispielsweise Wacław Sieroszewski zwölf Jahre lang im Zwangsexil, ein polnisch-russischer Ethnograf, Sibirienforscher und Schriftsteller. Doch unterkriegen ließ sich Sieroszewski nicht. Er lernte eine Jakutin kennen, heiratete sie, nahm ethnografische Forschungen auf und

schrieb sein Werk „Die Jakuten. Der Versuch einer ethnografischen Untersuchung“. Was sollte er auch sonst anderes in den langen kalten Polarnächten anfangen?

Jakutsk: Mammuts, Pfahlbauten und Diamanten

Die tiefste in Jakutsk je gemessene Temperatur betrug minus 64 Grad Celsius. Da heißt es, sich warm anzuziehen.

„Bei meiner Ankunft am Flughafen in Jakutsk fühlte ich mich so, also ob mich Hunderte Blicke durchbohren würden. Und das nicht etwa wegen meines Aussehens, sondern, ich glaube, weil die Menschen dort sehen wollten, wie der einzige ‚Tourist‘ angezo-

gen war, um jener Kälte zu trotzen, mit der die Menschen aus dieser Gegend täglich zu kämpfen haben“, schreibt der Schweizer Fotograf Steeve Iuncker über seine Reise nach Jakutien. Tatsächlich sollte man nicht ohne eine gute wintertaugliche Ausrüstung dorthin fahren. Denn 4880 Kilometer von Russlands Hauptstadt entfernt ist es richtig kalt. Die Durchschnittstemperatur in der Hauptstadt der Republik Sacha liegt zwischen minus 40 und 50 Grad Celsius. Trotz der extremen Lebensbedingungen wohnen in der Stadt der Diamanten, der für sie so typischen Pfahlbauten, die in den Permafrostboden gerammt wurden, und der Mammuts rund 300 000 Menschen. Und die haben kreative Ideen, damit ihnen warm wird, zumindest ums Herz: Ein Pärchen aus Jakutsk hält den Rekord des längsten Kusses bei minus 30 Grad – immerhin 22 Minuten. Wer Jakutsk unbedingt im Winter besichtigen will, dem empfiehlt sich eine Museumstour. Als erste Station bietet sich das Mammutmuseum mit seinen gigantischen Skeletten an und gleich nebenan das archäologische Museum. Zum Abschluss sollte man einen Abstecher in einen Juwelierladen machen und vielleicht einen Diamanten erstehen, bevor man den Tag in einem Restaurant bei einem köstlichen Stück frischer Maräne, Hirsch- oder Pferdefleisch ausklingen lässt.

Diese Grafik wurde mit Unterstützung des Departments für multikulturelle Politik, interregionale Zusammenarbeit und Tourismus der Stadt Moskau erstellt.

Moskauer Veranstaltungskalender 2016 12.12.2015 11.01.2016

FESTIVAL EINE REISE INS WEIHNACHTEN Auf dem Stadtplan entstehen 36 Festplätze mit Ladenreihen, Freilichtbühnen, Straßentheater und Pavillions für Kreativ-Workshops.

MAI FESTIVAL DIE NACHT IM MUSEUM Bis zum späten Abend sind die Türen von über 250 Museen, Galerien und Kunst-Clustern geöffnet. Der Eintritt ist frei!

MAI

MAI MOSKAUER SOMMER. MARMELADENFESTIVAL Die Stadt wird mit Installationen und Kunstobjekten geschmückt, in Marktzelten gibt es ein reiches Angebot an Marmelade und kandierten Früchten. Grünanlagen, Prospekte und Fußgängerstraßen werden zu Festivalplätzen.

SEPT

JANUAR

EMBER

9. MAI

MAI

6. 22. MAI

3. 4. SEPTEMBER

DER TAG DES SIEGES Laut Statistik ist der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland das meistbeachtete Fest in Russland. Höhepunkt ist die Militärparade auf dem Roten Platz.

FESTIVAL MOSKAUER FRÜHLING Theaterperformances, Ausstellungen und Konzerte erinnern an die Helden des Großen Vaterländlichen Krieges und an das Leben danach in der Sowjetunion.

EISHOCKEY WELTMEISTERSCHAFT Die 80. Weltmeisterscha , an der 16 Nationalmannscha en teilnehmen, findet in Moskau und Sankt Petersburg statt. Die Spiele werden im Moskauer VZB-Eispalast und im Petersburger Eispalast Jubileyny ausgetragen.

DAS STADTFEST Zum 869. Geburtstag Moskaus finden Konzerte, Unterhaltungsprogramme und Bühnenshows auf den Plätzen, Boulevards, an den Uferpromenaden und in Parks statt.

SEPTEMBER KRUG SWETA KREIS DES LICHTS Großartige Lightshow: Lichtkünstler aus dem Bereich der 2D- und 3D-Installationen nützen den städtebaulichen Raum als Objekt für ihr Multimediaspektakel.

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2017

SEPTEMBER INTERNATIONALES MILITÄRMUSIK FESTIVAL SPASSKAJA BASCHNJA SPASSKAJA TURM Auf dem Roten Platz spielen russische und ausländische Orchester auf, Volksmusikgruppen und Truppen der Ehrenwache.


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