signless

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MATRIKELNUMMER 110 320 21

SEBASTIAN DÖRKEN

SIGNLESS

TYPOGRAPHIE & LAYOUT

DIPLOM HAUPTTHEMA



Signless Diplom 2007, Hauptthema von Sebastian Dรถrken

Kรถln International School of Design Matrikel Nummer: 110 320 21 Lehrgebiet: Typographie & Layout, betreut durch Prof. Michael Gais


Inhaltsverzeichnis TEIL I 004 007 010 012 016 018 022 024 026 030 032 035 036 037 046

Vorwort Was ist Orientierung? Was gibt uns Orientierung? kognitive F채higkeiten cognitive maps Zeichentheorie common sense Betrachtungskorridore regional agreements shared-space-Konzept genuines Wissen Handlungsketten Typologie von Schildern grundlegende Regeln Orientierungsstrategien


Teil II 051 signless Rudolfplatz 054 Ausgangssituationen 062 Lösungsansatz Nr. 1, Kioskverschiebung 068 Lösungsansatz Nr. 2, Bahngleisbezug 072 Lösungsansatz Nr. 3, LED-Kacheln 078 Lösungsansatz Nr. 4, Farben 084 Lösungsansatz Nr. 5, Bezeichnung 090 Lösungsansatz Nr. 6, Himmelsrichtungen 094 Lösungsansatz Nr. 7, Architekturrelief 104 Lösungsansatz Nr. 8, Erlebniswelten 110 Lösungsansatz Nr. 9, Soundkorridor 114 Lösungsansatz Nr. 10, Videomonitore 120 Fazit

Teil III 122 Sammelsurium 132 Bibliographie & Quellenangabe 134 Versicherung


Teil I Vorwort Während meines Praktikums habe ich die Arbeit eines »Wayshowers« (mir persönlich gefällt dieser Begriff besser als »Wayfinder«, da man ja versucht Wege beziehungsweise Orientierung zu zeigen) sehr genau kennen­gelernt. Flowanalysen, die richtigen Farben für das richtige Schild, die ergonomisch korrekte Aufhänghöhe, richtige Schriftgröße abhängig vom Leseabstand: all das sind Dinge, mit denen ein Wayshower tagtäglich jonglieren muss. Dies alles macht Sinn, vor allem an Orten, wo die Menschen absolut angewiesen sind auf den richtigen Weg. Diese Orte sind zum Beispiel Flughäfen, Bahnhöfe und auch Krankenhäuser. Hier sollte ein Orientierungssystem so klar und verständlich wie möglich sein.

Schilder am Rand der Strasse.


Doch ich fragte mich die ganze Zeit, ob es nicht einen ­anderen Weg gäbe, Orientierung zu schaffen, ohne den Gebrauch von ­Schildern. Man liest und hört viel über den Schilderwald, mit dem jeder Mensch tagtäglich, vor allem im Straßenverkehr, konfrontiert wird. Sind es zuviele Schilder? Zu wenig? Brauchen wir mehr Regeln, und damit auch mehr Informationsträger, die uns die Regeln erklären? Wie hat man sich früher, lange vor dem automobilen Zeitalter orientiert? Kann man sich heutzutage überhaupt noch »natürlich« orientieren? Zeigt die Architektur, als prägende Disziplin unseres urbanen Umfelds Lösungen auf, sich ohne Schilder zu orientieren? Damit stieg ich ein in das Thema der »alternativen ­Orientierung«. Um die ganze Materie zu verstehen, habe ich im ersten Teil eine kurze Erklärung und Zusammenfassung des weiten Themas Orientierung versucht. Im zweiten Teil schließlich präsentiere ich alternative Ideen, um an einem Fallbeispiel (hier: U-Bahnstation Rudolfplatz) zu zeigen, dass es auch anders geht. Der Weg war lang und alles andere als geradlinig. Ich mußte mich selber erst einmal orientieren, bin in eine Menge Sackgassen geraten, habe andere Wege erforscht, welche mich aber ganz woanders hingetrieben hätten (eine Auswahl, ein Sammelsurium finden Sie im dritten Teil der Arbeit). Die Arbeit präsentiert bewußt keine 100 prozentig ausgereiften Lösungen. Vielmehr sollte sie als Diskussionsgrund­lage dienen für eine kontextbedingte Problemlösung. Ich verstehe meine Arbeit als eine Art »Inspirationspool« für Orientierungsprobleme, welche bestenfalls hilft, neuartige und abseits vom Schilderwald entwickelte Orientierungssysteme zu gestalten. Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre meiner Arbeit.

Sebastian Dörken


Sonnenaufgang.


Was ist Orientierung? Wir Menschen orientieren uns permanent und zu jeder Zeit. Gleichgültig ob wir uns auf Reisen, beim Einkaufen oder in der Freizeit befinden. Ständig taxieren wir die Umgebung und suchen markante Punkte, welche uns Orientierung geben. Das Wort Orientierung kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet oriens = aufgehend, sich nach dem

Aufgang der Sonne, sprich gen Osten auszurichten . Das Gegenteil wäre wörtlich genommen die »Okzidentierung«, doch dieses Wort gibt es in diesem Zusammenhang nicht.

Ohne Orientierung ist es unmöglich zu leben, da Ziele nicht erreicht werden, Gefahren nicht erkannt und Wege einen fehlleiten können. Nicht nur das geographische Orientiertsein ist wichtig, auch das gesellschaftliche: erst wenn man weiß, wo man in der Gesellschaft steht, wie die politische oder auch die sexuelle Orientierung ist, erst dann kann man seinen Standpunkt bestimmen und eine Richtung einschlagen, seine Ziele definieren und gegebenfalls erreichen. Auch das Gegenteil, die Desorientierung, hat seinen Reiz: Irrgärten, Labyrinthe auf Jahrmärkten, Spiegelkabinette versuchen den Besucher für eine bestimmte Zeit zu desorientieren. Der Reiz besteht darin, den Weg ohne Orientierungshilfen zu einem bestimmten Ziel zu finden.

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 8. Auflage, 2005


Labyrinth. Finden Sie den Ausgang.


Das Bedürfnis nach Orientierung zählt neben dem Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung zu den wichtigsten Grundbedürfnissen in unserem Leben. Mit der anhaltenden Beschleunigung und wachsenden Komplexität unserer Lebensverhältnisse wächst das Bedürfnis nach ­Orientierung. Damit wir mit dieser Informationsflut zurecht kommen, gibt es Hilfen, von Menschen gemachte Orientierungssysteme. Doch Orientierung ist ein Prozeß, welcher in den Köpfen der Menschen entsteht.

»Denn Orientierung findet stets in unseren Köpfen statt, auch wenn wir fest davon überzeugt sind, dass sie in der Außenwelt erfolgt. Diese Sichtweise liegt in unserem traditionellen naturwissenschaftlichen ­Denken begründet, welches davon ausgeht, dass die Welt von der subjektiven Erfahrung des ­Einzelnen für alle Menschen in gleicher Weise existiert. Demnach müßte die Welt von uns allen identisch wahrgenommen werden.« Allerdings kann man beobachten, dass Menschen sich grundverschieden in identischen Situationen verhalten. Man kann deshalb nicht davon ausgehen, dass es eine Garantie für ein optimales ­Orientierungsverhalten gibt. Dieses ist abhängig von der äußeren Gegebenheit und von der Fähigkeit, sich im Raum zurecht zu finden. Dabei kommt es auf Wahrnehmung und Kommunikation an. Nur wenn ich die Zeichen erkennen und auch interpretieren kann, sind sie mir nützlich. Es kommt also nicht auf die ästhetische Gestaltung von Orientierungssystemen an, sondern vielmehr auf die Gestaltung der eigentlichen Aussage, also auf die Gestaltung der Kommunikation.

Peter Zec, Orientierung im Raum   Peter Zec, Orientierung im Raum   Zitat: Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 12


Was gibt uns Orientierung? Wie bereits oben beschrieben, stammt das Wort »Orientierung« von dem lateinischen Wort »oriens« ab, welches übersetzt »Osten, Morgen, Gegend, Länder in Richtung Sonnenaufgang (von Rom aus gesehen)« bedeutet. Die Sonne, die Sternenbilder, der Mond: alle diese Himmelskörper geben den Menschen Orientierung. Andere, natürliche Orientierungspunkte sind landschaftliche Besonderheiten wie Wasserwege, Berge und auch Täler sowie die Auswirkungen der Windrichtung (auf der Nordhalbkugel weht der Wind meistens aus westlicher Richtung, deshalb neigen sich Gewächse, welche dem Wind ausgesetzt sind, nach Osten). Auch das Moos auf Bäumen kann Aufschluß über die Himmelsrichtung geben: Moose gedeihen am besten in feuchtem und dunklem Klima, deshalb auf der nordwestlichen Seite von Bäumen.

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 8. Auflage, 2005

Moosbedeckter Baum.


Von Menschen errichtete Orientierungshilfen sind ­Leuchttürme und -feuer, Gebäude, Funkfeuer an Flughäfen und natürlich Landkarten. Im urbanen Raum, dort wo die natürlichen Orientierungshilfen nicht greifen, kann man sich an Straßen orientieren (Hauptstraße ist groß und breit, viele Menschen, geschäftiges Treiben), an markanten Gebäuden (wo ist der Dom, der Eifelturm, der Fernsehturm etc.), an Gebäuden, denen eine eindeutige Funktion zugewiesen werden kann (Bahnhöfe, Flughäfen etc), am Schienenverkehr. Auch Straßennamen können Aufschluß darüber geben, wo man sich gerade befindet (Aachener Straße führt Richtung Westen/nach Aachen von Köln aus gesehen, der Brüsseler Platz befindet sich im Belgischem Viertel) etc.

Leuchtturm auf der Insel Amrum.


Dies alles sind nur Beispiele für Orientierungshilfen in der Welt. Doch in Wirklichkeit gibt es keine »objektiv vorhandene Wirklichkeit«. Gäbe es diese, das heißt würde jeder Mensch die Umgebung wirklich gleich wahrnehmen und auch bewerten, dann gäbe es nur perfekte Orientierungssysteme. Doch, wie Peter Zec in seinem Buch »Orientierung im Raum« schreibt, stellen Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen die Vorstellung von einer objektiven Wirklichkeit grundlegend in Frage. Diese vermeintlich »objektive Wirklichkeit« wird in unseren Köpfen erst real durch unsere kognitiven ­Fähigkeiten. Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen beschreiben seine Fähigkeit, Signale der Umwelt wahrzunehmen und weiterzuverarbeiten. Das Wort »kognitiv« leitet sich aus dem lateinischen »cognoscere« ab, was mit »erkennen« zu übersetzen ist. Kognition findet immer und überall statt, sie macht erst die Umwelt zu einem Teil des menschlichen Lebens, ist quasi die Schnittstelle zwischen Umwelt und Gehirn. Im aktuellen Forschungsstand werden die kognitiven Fähigkeiten immer mehr von den geistigen Fähigkeiten abgegrenzt. Die Kognition selber kann in verschiedene Bereiche untergliedert werden (nach Hayes, 1995): - Wahrnehmung der Umwelt - Aufmerksamkeit auf spezielle Geschehnisse - Nachdenken - Speicherung der Information - Zuweisung von Bedeutungen

L udwig-Maximilians-Universität, München, Lehr- und Forschungseinheit Medieninformatik   http://www.medien.ifi.lmu.de/fileadmin/mimuc/mmi_ws0506/essays/uebung2-schweizer.html


Somit ist die Orientierung nur ein Instrument, die eigene Umwelt einzuteilen, wahrzunehmen und zu strukturieren. Manche Tiere, zum Beispiel die Fledermäuse, haben ganz andere Orientierungswerkzeuge als der Mensch. Man kÜnnte jetzt annehmen, dass die Wahrnehmung innerhalb einer Spezies (Mensch) gleich sei.

Bildquelle: www.kapstadt.org


Doch die Tatsache, dass zum Beispiel ein »Massai« (nomadisch lebendes Hirtenvolk in Afrika) die Fähigkeit besitzt, einen ­Dornenbusch irgendwo in der Steppe als

Orientierungspunkt zu benutzen oder dass ein Fischer auf einem Südseeatoll sein Heimatriff an der Farbe des Wassers erkennen kann, deutet darauf hin, dass die Orientierung innerhalb einer Spezies doch sehr unterschiedlich und individuell geprägt ist. Dies wiederum bedeutet, dass Menschen die ihnen gegebenen Zeichen oder Orientierungshilfen völlig unterschiedlich interpretieren beziehungsweise unterschiedlich benutzen. Diese Zeichen und ihre Bedeutung spielen die entscheidende Rolle bei der Orientierung, da sie oft über viele Generationen hinweg entwickelt wurden, manche auch Kulturkreis-übergreifend. Im Prinzip kann jedes Objekt, jedes Signal, jeder Geruch, jedes Bild und jede Karte zu einem Zeichen werden, wenn genügend Menschen sich auf die Bedeutung verständigen.

vgl. Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 18

Bildquelle: Scan aus dem Buch »Earth from above«, Yann Arthus-Bertrand


Bildquelle: Scan aus dem Buch ÂťEarth from aboveÂŤ, Yann Arthus-Bertrand


Diese Theorie erklärt, wie bestimmte Personengruppen sich auf gemeinsame, für andere Menschen belanglose Zeichen verständigen (wie zum Beispiel farbige Tücher die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gang symbolisieren). Allerdings ist die Eindeutigkeit eines Zeichens nicht zu garantieren, daher muß sowohl die Erzeugung als auch die Interpretation erlernt werden. Romedi Passini und Per Mollerup beschreiben in ihren Büchern »Wayfinding in Architecture« und »wayshowing« sogenannte ­»cognitive maps«. Diese Karten basieren auf ganz unterschiedlichen Sichtweisen von Menschen. Da jeder Mensch die Umwelt verschieden wahrnimmt, also auch Zeichen anders bzw. andere Zeichen zur Orientierung heranzieht, stellen »cognitive maps« immer eine persönliche Sicht auf die Orientierungssituation dar. Auch wenn keine andere Person die map einer anderen Person verstehen würde, heißt das nicht, dass die erste Person keine Orientierung hat. Das zeigt nur die verschiedenen Sichtweisen. Es gibt Karten, welche linear geordnet bzw. gezeichnet sind. Sie stellen nur den eigentlichen Weg eines Menschen dar (siehe Skizze 01, rechts). Der Raum wird »um den Weg herum« gezeichnet. Es gibt hier keinen räumlichen Überblick, nur der erfahrene Raum wird dargestellt. Dann gibt es die nach räumlichen Merkmalen organisierte Karte (»spatially organized map«).10 Diese Karte zeigt eine Übersicht des Raumes, unabhängig vom Standpunkt der Person (siehe Skizze 02, rechts). Hier wird unabhängig von der Erfahrung eine Übersicht dargestellt. Markante Punkte werden auf der Karte festgehalten, damit man den eigenen Standpunkt definieren kann. Laut Passini müssen diese Karten nicht zwingend komplexer oder kompletter sein als die linearen Karten.

Romedi Passini, Wayfinding in Architecture, 1984 Van Nostrand Reinhold Company Inc, New York   Per Mollerup, Wayshowing, 2005 Lars Müller Publisher, Basel 10  vgl. Romedi Passini, Wayfinding in Architecture, Seite 36


Skizze 01: lineare KArte.

Skizze 02: räumlich Organisierte KArte. Diese maps erweitern sich mit fortschreitendem Erfahrungsschatz oder fügen sich mit anderen maps aus anderen erfahrenen Bereichen zusammen. Gleichzeitig verschwimmen sie auch, je länger der Urheber nicht mehr an dem Ort war.11 Es gibt keinen verbindlichen Maßstab, Orte die man kennt werden ausführlicher oder größer gemalt (oder länger drüber gesprochen). 11  Per Mollerup, Wayshowing, 2005 Lars Müller Publisher, Basel, Seite 41


ZEICHENTHEORIE Es gibt zwei unterschiedliche Theorien, um Zeichen zu unterscheiden. Eine ist die besonders weit verbreitete Theorie von Charles Peirce.12 Er unterscheidet Zeichen als Symbole, Ikone und Indizes.

Symbole sind Zeichen, welche nach Peirce nur rudimentär bis gar nichts mit dem bezeichneten Gegenstand oder der Sache gemein haben. Das rote Kreuz und der rote Halbmond sind typische Symbole. Statt des Kreuzes oder des Halbmondes hätte man auch beliebige andere Formen oder Körper abbilden können. Die zweite Gruppe ist die der ­Ikonen. Diese Gruppe der Zeichen hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der »Wirklichkeit«. Man kann immer, wenn auch oft rudimentär, den Ursprung in Ikonen erkennen. Dadurch sind sie für die Informationsübertragung besonders geeignet, da sie (fast) intuitiv verstanden werden können. Beispiele sind die Piktogramme Frauentoilette & Herrentoilette, der Telefonhörer für das »Telefon« oder der Mülleimer auf dem Computerbildschirm.

12  vgl. Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 36

Symbole: Rotes Kreuz. Roter Halbmond.


Die letzte Gruppe der Zeichen nach Peirce heißen Indizes. Diese Gruppe hat einen hinweisenden Charakter. Und zwar ist das Zeichen direkt und physisch mit dem dargestellten Gegenstand oder der bezeichneten Funktion verbunden. Beispiele sind das Türklingeln (es wird unmittelbar darauf hingewiesen, dass jemand vor der Tür steht) oder auch ein Fingerabdruck.

Index: Fingerabdrücke.


Die zweite Theorie ist von Umberto Eco.13 In seiner Theorie geht es um vier unterschiedliche Arten der Erzeugung von Zeichen: ein durch »Erkennen« erzeugtes Zeichen wird aufgrund von Erfahrung verstanden, da es einen Zusammenhang zwischen der Ausdrucksform und der Inhaltsform gibt.

»Ostentation« bedeutet, dass ein natürliches oder künstliches Zeichen oder ein Sachverhalt von jemandem zum Repräsentanten einer Klasse gemacht wird. Das Erkennen von Zeichen durch »Reproduktion« funktioniert mithilfe einer Inhaltsbeziehung zwischen Zeichen und Inhalt, welche bereits konventionell geschehen ist. Schwierig zu verstehen sind Zeichen, die laut Eco durch »­Erfindung« entstehen. Der Urheber muß die Korrelation zwischen Zeichen und Inhalt allerdings selber setzen und auch kommunizieren.

13  Umberto Eco, Semiotik – Entwurf einer Theorie der Zeichen


Für die Benutzung von Zeichen zum Zweck der Orientierung spielt also die kulturelle Bindung eine enorm wichtige Rolle. Erst wenn der Orientierungssuchende ein Zeichen verstehen und deuten kann, also Bezug herstellen kann, erfüllt es seinen Zweck. Wenn nicht, ist es völlig wertlos und wird nur als Verzierung betrachtet. Obwohl Orientierungssysteme heutzutage allgegenwärtig sind, kann der Gestalter bzw. der Nutzer nicht davon ausgehen, dass das System auch automatisch richtig verstanden wird. Dies hängt, wie schon oben beschrieben, von verschiedenen Faktoren ab: von individueller Wahrnehmung und den kognitiven Fähigkeiten des Nutzers und dem Standort des Systems, also der Lesbarkeit und Verständlichkeit (ist ein Orientierungssystem schlecht positioniert, kann es leicht als Zeichen übersehen werden und somit unbrauchbar werden). Beispiele dieser Allgegenwärtigkeit sind Verkehrsignale, graphische Zeichen, Piktogramme, Wegweiser, Pfeile oder auch Karten & Pläne.


Doch wie kann man sich aufgrund dieser ganzen »Schwierigkeiten« orientieren? Oder anders gefragt: Wie kann man sicher gehen, dass die Zeichen, welche ein Orientierungssystem bilden, auch so verstanden werden? Die Menschen, welche in einem bestehenden Kulturkreis oder in einer Gesellschaft leben, müssen sich auf einen ­sogenannten »­common sense« einigen. Das bedeutet, man einigt sich auf eine »bestimmte Sichtweise«, auf die Welt zu blicken.


.netnu hcan nebo nov etieS neknil red na dnennigeb­ ,gnuthcireseL red gnugeltseF eid tsi tleW ne­hciltsew reresnu tfnuknierebÜ egithciw eniE


Es gibt nicht nur einen »common sense«: jeder Mensch wird sich in mehreren solcher Übereinkünfte bewegen. Als Lokführer zum Beispiel muß er verschiedene Zeichen, parallel zu den anderen Systemen, beachten und natürlich vorher lernen. Auch die Gaunerzinken sind ein gutes Beispiel, da diese nur von der entsprechenden Gruppe entdeckt und auch gedeutet werden können. Für andere Gruppen sind diese Zeichen als Zeichen unsichtbar, da keine Information im Kopf ausgelöst wird. Jeder Mensch muß also zwischen verschiedenen ­»Betrachtungskorridoren« hinund herwechseln. An Plätzen, wo man davon ausgeht, dass sehr viele ­unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen, wie zum Beispiel ­Flughäfen, Bahnhöfe oder auch Krankenhäuser sollte ein Orientierungssystem sehr breit aufgestellt sein, damit sich die verschiedenen ­Nutzer möglichst ohne Probleme orientieren können.


Zeichen neben der Bahnstrecke.



Genauso im Straßenverkehr: Verkehrsschilder, Ampeln, Fahrbahnmarkierungen sind Zeichen, welche (mit ganz wenigen Ausnahmen) gleich und universell sind. Eine Mehrdeutigkeit sollte – wenn möglich – weltweit und kultur-übergreifend ausgeschlossen sein. Ausnahmen sind das Rechts- bzw. Linksfahrgebot oder regionale ­»agreements« wie zum Beispiel in Paris: am Arc de Triomphe gibt es einen großen Kreisverkehr. Kein Ausfahrtsschild, keine Markierungen am Boden, keine Schilder weisen den Weg. Und doch läuft der Verkehr (meistens) flüssig. Die »unausgesprochene« Regel lautet: Achte nur auf deinen Vordermann. Wenn alle sich daran halten, ist ein relativ flüssiger Verkehr möglich. Dieses »agreement« erinnert sehr stark an das Schwarmverhalten von Tieren (und Menschen in Paniksituationen). Dort befolgt jedes Individuum nur wenige Regeln:14 Regel Nr. 1: Bleibe immer nahe bei den Anderen. Regel Nr. 2: Halte einen bestimmten Mindestabstand ein. Regel Nr. 3: Bewege dich mit der gleichen Geschwindigkeit und in dieselbe Richtung wie die Nachbarn. 14  vgl. http://www.red3d.com/cwr/boids/

Arc de Triomphe : Achte auf den Vordermann. Bildquelle: Google Earth



In einem Schwarm Herrschen nur wenige »regeln«. Bildquelle: Scan aus der Zeitschrift »GEO«, Ausgabe April 1989


Um die Flut von Verkehrsregeln ein wenig einzudämmen, geht sowohl die Stadt Drachten in den Niederlanden als auch das Projekt »shared space« einen interessanten Weg. Eckpfeiler dieses von der Europäischen Union gesponserten Programms ist die Gleichstellung aller Verkehrsteilnehmer. Somit haben Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer dieselben Rechte: »An Stelle der Verkehrsregeln gelten soziale Regeln. Auch das ist zuerst ungewohnt, aber man merkt schnell, dass man sich in einer Umgebung ohne Verkehrsschilder, Ampeln und Verkehrsinseln viel wohler fühlt. Das gilt sowohl für Autofahrer wie für Radfahrer und Fußgänger. Gegenseitige Rücksichtnahme trägt zu einer entspannten Atmosphäre bei und macht den Aufenthalt in solchen Gebieten erheblich angenehmer.«15 In konventionell gestalteten Verkehrsräumen ist sehr vieles auf den Automobilverkehr ausgerichtet. Dadurch verliert die Umgebung ihre individuellen Zeichen und der Autofahrer wird durch Schilder und Linien geleitet. In einem Interview mit Spiegel online hat der Verkehrsplaner und Mitbegründer von »shared space«, Hans Mondermann, auf die Frage, ob der Straßenverkehr sicherer wird, wenn es weniger Regeln gibt, gesagt:

»Ja, aber es hat mehr als fünf Jahre gedauert, bis ich verstanden habe warum. Das war anders als alles, was ich je gelernt hatte. Was ich erfahren hatte war einfach, dass sich das Verhalten der Menschen ändert, wenn man ihnen einen anderen Kontext gibt, auf den sie sich bezogen fühlen. Früher zum Beispiel, da sah ein Dorf aus wie ein Dorf, es gab eine Kirche, einen Laden, eine Schule und so weiter, man konnte die Straße lesen wie ein Buch. Aber die Verkehrsingenieure haben unsere Straßen uniform ausgestattet, und so 15  Shared Space, Provincie Fryslân, Programmbeschreibung, pdf


sieht ein Dorf aus Sicht eines Pkw-Fahrers aus wie das andere. Also muß man alles auf Schildern erklären. Das ist doch Wahnsinn.«16 Das Shared-Space-Konzept arbeitet bewusst mit einer gewissen Verunsicherung, die die tatsächliche Sicherheit erhöht. Verkehrsteilnehmer passen besser auf und verständigen sich untereinander, wodurch Unfälle vermieden werden. Durch Linien und Schilder getrennte Spuren wirken sicher, aber in der Praxis erweist sich das Gegenteil: Autofahrer fahren auf diesen ausgewiesenen Spuren schneller, wodurch Unfälle mit Personenschaden zunehmen. Getrennte Spuren verengen das Blickfeld und führen zu erhöhter Geschwindigkeit. Da jeder eine eigene Spur hat, nimmt man weniger Rücksicht auf andere. Wenn es nur eine Spur gibt, nehmen alle Verkehrsteilnehmer gegenseitig Rücksicht, da die Vorfahrt nicht eindeutig geklärt ist. Dasselbe Konzept erkennt man auch an der Hohenzollernbrücke in Köln: bis vor einigen Jahren waren Radweg und Fußgängerweg durch Linien und Schilder voneinander parallel getrennt. Das führte zu Mißverständnissen und Unfällen und Unmut zwischen Radfahrern und Fußgängern. Heute gibt es eine »Verkehrsfläche«, Fußgänger und Radfahrer teilen sich diese gleichberechtigt. All diese Konzepte zielen auf die Tatsache ab, dass die Umwelt wieder mehr zu einem Zeichen werden muß. Weniger künstliche Zeichen wie Schilder oder Linien erhöhen die Aufmerksamkeit und damit die Sicherheit und verbessern das Miteinander im Straßenverkehr. Natürlich funktioniert dieses Konzept nicht auf Autobahnen oder auf Schnellstraßen. Dort soll und muß der Autoverkehr Vorfahrt haben bzw. exklusiv sein. Denn wer ein »langsames« Verkehrsnetz hat (Innenstadtbereich), muß im Gegenzug auch ein »schnelles« besitzen.

16  S piegel Online, Die Axt im Schilderwald vom 08. Dezember 2005,   http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,389289,00.html


Neben der kognitiven Fähigkeit hängt es auch von dem genuinen Wissen ab, wie wir Räume wahrnehmen. Dieses Wissen steht für alle Menschen immer und jederzeit zur Verfügung. Es rastert jeden Raum nach elementaren Fragen und strukturiert ihn: Wo geht es nach draußen, was ist drinnen?17 Es hilft uns einen dunklen, unbekannten Raum zu durchqueren, indem wir uns immer nach dem Licht orientieren. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Licht in Orientierungssystemen ein sehr gute Möglichkeit, Fehler im Erkennungsprozess (nicht Interpretation) zu minimieren. Andere Beispiele für genuines Wissen sind: Wasser ist trinkbar und stillt den Durst, oben ist »oben«, unten ist »unten«. Dieses Wissen ist unterbewußt verankert, jeder Mensch muß darüber nicht nachdenken. Allerdings birgt es auch Tücken: wenn das genuine Wissen in einem Raum keine Orientierung finden kann, dann kann es zu unterbewußten Angstgefühlen und Stress kommen.18 Ein Beispiel erklärt das genuine Wissen sehr gut: Zwei Menschen betreten einen leeren Raum. Beide taxieren ihn mithilfe ihres genuinen Wissens und kennen dadurch die Lage des Eingangs, des Ausgangs, wo ist der Raum begrenzt, wo fängt er an etc. Die Voraussetzung, sich in diesem Raum wohlzufühlen, ist die Erschließung des Raumes mithilfe des genuinen Wissens. Doch beide Personen können die Situation völlig anders und gegensätzlich interpretieren. Das heißt, mithilfe des kognitiven Wissens, dem individuell gelernten und abgespeicherten Wissen werden sich die Personen völlig anders orientieren. Der eine benutzt die Deckenbeleuchtung als Orientierungspunkt, der andere vielleicht die Bilder an der Wand, da er ein Kunstliebhaber ist. Beide interpretieren und beschreiben den Raum auf ihre persönliche Weise.

17  vgl. Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 47 18  vgl. Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 48


Verschiedene Strategien der Orientierung im Raum.

Diese unterschiedlichen Situationen erfordern also ein gut gestaltetes Orientierungssystem, damit beide (alle) Personen die Orientierung gleichermaßen finden. Diese Systeme sollten so »unauffällig« wie möglich sein, damit sie nicht den Blick auf die eigentlich wichtige Information verstellen. Ich bin der Meinung, dass es mehrere Ebenen von Orientierungssystemen geben muß. Es gibt Orte, wie zum Beispiel Flughäfen oder Bahnhöfe, welche nur aufgesucht werden, um sie wieder schnell zu verlassen (Flughafen-Fans und Mitarbeiter einmal ausgenommen). Es gibt klare Besucherprofile eines Transitbereichs: der Reisende, der Abholer, der Informationssuchende (auf der Suche nach Angeboten wie z.B. Last-Minute-Angebote etc.). An Orten wie diesen sollte das Orientierungssystem omnipräsent sein.


Ein Flughafen oder auch ein Bahnhof definiert sich also durch sein Schildersystem. Innerhalb dieses Systems müssen auch verschiedene Hierarchien erkennbar sein (Informationen für Abflug/Ankunft, Toiletten, Ausgang, Einkaufsmöglichkeiten). Die zweite Gruppe von Orten sind die, welche ihrer selbst willen aufgesucht werden, wie zum Beispiel Museen oder Parks. An diesen Orten verweilt man, man schlendert und läßt sich treiben. Natürlich muß es auch hier ein Orientierungssystem geben, doch meiner Meinung nach mit weniger Präsenz als auf Flughäfen oder Bahnhöfen. Hier reicht ein Basissystem, welches Ausgang, Kasse, Garderobe etc. ausweist und ein temporäres, welches nur für Sonderveranstaltungen genutzt wird. Dieses Orientierungssystem sollte in seiner Erscheinung sehr zurückhaltend, aber trotzdem sichtbar und auch verständlich sein.

Schildersystem Im New Yorker Airport. ©Bureau Mijksenaar.

Bildquelle: Bureau Mijksenaar


Gleichgültig welche Art von Räumen wir nun betrachten, die Situationen, in denen sich die Menschen befinden, sind sehr komplex. Durch die Definition der Aufgaben in unserem Kopf (Abflug erreichen, möglichst das komplette Museum durchschreiten etc.) ergibt sich eine kontextabhängige Handlungskette, welche lang und undurchsichtig sein kann. Erst das Aufsplitten von Aufgaben in konkrete Handlungsabläufe ermöglicht es, diese Komplexität der Situationen zu durchbrechen. (siehe Handlungsdiagramm, unten). Auch hier sollten die einzelnen Stationen so eindeutig wie möglich sein.

Hauptziel Z01: Gate XY in Terminal Z

Z02: Terminal Z erreichen

Z03: Tiefgarage finden Z04: Auto parken

Z05: genaue Position von Gate XY finden

Z06: Aufzug finden Z07: Etagenverzeichnis lesen

Z08: auf die zweite Ebene fahren

Z09: Aufzug holen Z10: richtigen Knopf drücken Z11: auf zweiter Ebene austeigen

Z12: Gate XY finden

Z13: richtigen Gang suchen Z14: Schildern folgen Z15: Zielpunkt erreichen Handlungsdiagram: Beispiel Flughafen.


Die eigentliche Gestaltung der Leitsysteme sollte kommunikations­ orientiert sein. Das heißt, dass das System in erster Linie Mitteilungen an den Nutzer aussenden soll, welche der Orientierung in eben diesem Raum dienen sollen. Diese Mitteilungen müssen so neutral wie möglich gestaltet werden, damit die Chance auf Mißdeutungen reduziert wird. Wenn nun das Orientierungssystem zu sehr »gestaltet« wahrgenommen wird, kann es zu Irritationen kommen, da es eventuell nicht mehr als »Hilfe« oder als Zeichen gedeutet wird, sondern vielmehr als ein Objekt, welches einfach »dort herum steht«. Erfahrung bei der Gestaltung spielt hier eine sehr große Rolle, da nur durch den Gebrauch Mißstände oder Defizite zu erkennen sind. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die unterschiedlichen Arten von Schildern eingehen, da die Gestaltung natürlich typenabhängig ist19 20. Da wäre zuerst die Gruppe der Identitätsschilder, welche einen Ort eindeutig bestimmen bzw. beschreiben. Sie geben Orten, Dingen oder auch Personen einen (Eigen-) Namen. Typische Beispiele sind Straßennamen-, Bahnstations- oder auch Hotelzimmerschilder. Die zweite Gruppe sind die hinweisenden Schilder. Diese teilen sich wiederum in zwei Untergruppen auf: wegweisende und erklärende Hinweisschilder. Diese Zeichen zeigen in eine bestimmte Richtung bzw. geben Richtungen vor. Das bekannteste Beispiel für wegweisende Schilder sind die Straßenschilder. Die erklärenden Hinweisschilder bringen die Umgebung in einen Zusammenhang (z.B. »Sie-befindensich-hier-Karten«, Öffnungszeitenhinweise oder Etagenübersichten). Die dritte und letzte Gruppe sind die regelnden Schilder. Diese Art beinhaltet Instruktionen und Verbote. Typische Schilder sind »Nicht Rauchen«, »Nicht Parken« oder STOP-Schilder.

19  Romedi Passini, Wayfinding in Architecture, Seite 90 20  Per Mollerup, Wayshowing, Lars Müller Publisher, 2005 Basel, Seite 105ff


Identit채tsschilder: Strassennamensschilder.


Es gibt ein paar grundlegende Regeln, wie so ein funktionierendes Leitsystem aufgebaut werden sollte. Zuerst einmal sollte man auf den schon weiter oben beschriebenen »common sense« bauen. Man soll also probieren, auf bereits definierte bzw. auf Standardzeichen zurückzugreifen, bevor man eigene Zeichen entwickelt. Auch der Einsatz von markanten Zeichen mit einer hohen Merkfähigkeit ist vorzuziehen. Unabhängig von dem »common sense« muß man die Komplexität einer »Wegefindung« reduzieren. Die Zeichen sollten nicht überfrachtet sein, sowohl in der Quantität (Anzahl der Informationen) als in der Qualität (z. B. nur ein Richtungswechsel). Gemäß dem Leitsatz »Weniger ist mehr« muß man sich herantasten an die richtige Anzahl von Signalen. Natürlich ist dies auch stark situationsbedingt. Gerade in diesem Punkt ist Erfahrung sehr wichtig. Eine weitere Regel ist der Einsatz von Schrift und Sprache. Die Sprache, durch Schrift auf Trägermaterial gebannt, ist das wichtigste Kommunikationsmittel unserer Zeit. Vorausgesetzt, die Menschen können die Schrift lesen und verstehen. Deshalb sollte man, situationsbedingt, über den Einsatz einer »Universalschrift«, meistens Englisch, nachdenken (Für Europäer wäre eine Orientierung in einem asiatischen Land sehr schwierig ohne die lateinischen Buchstaben, welche zusätzlich eingesetzt werden).


Sehr wichtig für Orientierungssuchende ist die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre, in der sich die Person wohlfühlen kann. Die Entscheidung muß beim Nutzer liegen, ein Orientierungssystem anzunehmen oder nicht. Diese Freiheit sollte einem jeden zugestanden werden. Ein gutes Orientierungssystem drängt also den Benutzer nicht zu einem zwanghaften Verhalten und streßt ihn nicht. Laut Paul Mijksenaar, 21 Inhaber von Bureau Mijksenaar, beginnt eine Orientierungssuche meistens mit »positivem Stress«, das heißt der Mensch ist voller Erwartung und freut sich auf die »Reise« (Vorfreude, »Aufgeregt-sein«). Wenn nun das Orientierungssystem (am Flughafen zum Beispiel) die Person im Stich läßt, kann dieser positiver Stress sehr schnell in Frustration und Resignation umschlagen. In diesem Zustand ist der Mensch nicht mehr aufnahmefähig und verfällt in panische Orientierungssuche und übersieht alle Orientierungshilfen.

21  Vortrag von Paul Mijksenaar, Amsterdam, Oktober 2006


Die nächste Frage, die sich mir stellt: wie kann man Orientierungssysteme anders gestalten bzw. reduzieren, damit die vorgenannten Probleme minimiert werden und der Nutzer sich immer noch gut orientieren kann? Auch die Architektur sollte sich nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten richten, sondern auch nach Zweckmäßigkeit. So sollten Eingänge in Gebäuden (welche von vielen Menschen frequentiert werden) auch wie Eingänge wahrgenommen werden können. Nur ein Schild über einem Loch in der glatten Spiegelfassade ist ein Schild zuviel. Schöner und auch intuitiver zu nutzen wäre ein Signal, ein ­Zeichen, welches aus der Architektur selbst entsteht, zum ­Beispiel ein roter Rahmen um den Eingang, welcher auch aus dem Block heraussticht. Dieser könnte zum Beispiel die Leute direkt in das Innere leiten, wie eine Art Tunnel. Im Innern signalisiert der Rahmen dann direkt den Ausgang. Auch Treppen und Aufzüge sollten, wenn möglich, nicht versteckt werden, da sie den Benutzer intuitiv nach oben bzw. auf ein anderes Level leiten. 22 Gleichzeitig fungieren diese »Hingucker« auch direkt als Orientierungspunkte. Ein versteckter Aufgang ist schwer zu finden und hat keinen Bezug zu seiner vertikalen Verbindung.

22  Paul Arthur & Romedi Passini, WAYFINDING; People, Signs and Architecture, Seite 132ff.


Zwei unterschiedliche Eingangsituationen.


Andere Möglichkeiten, ein Orientierungssystem ohne Schilder zu realisieren bzw. zu unterstützen, ist der Einsatz von Licht. In hell erleuchteten Räumen haben Menschen das Gefühl sich zurechtzufinden, nur aufgrund der Helligkeit und der damit verbundenen Übersichtlichkeit. 23 Natürlich kann auch Kunstlicht direkt in das System integriert sein. Auch der Einsatz von Fenstern ist eine weitere Möglichkeit, Orientierung zu schaffen. Wenn der Mensch seine Außenwelt wahrnimmt, kann er sich daran orientieren. Gerade in eintönigen Bürogebäuden, wo jede Etage oder jeder Flur gleich aussieht, ist der Einsatz von (farbigem) Licht hilfreich. Die Verwendung von ­unterschiedlichem Interieur gibt Orientierung. Dieses sollte abwechslungsreich und klar differenzierbar sein, damit eine Orientierung möglich ist.

»Landmarks are not always outdoor phenomena. In large buildings, indoor landmarks may also function as points of reference. We cannot avoid seeing them. They are easy to recall and recognize, and you can talk about them. Indoor landmarks can be architectural peculiarities, pieces of art, or just technical installations. We often ask for the location of a specific office to be told: ‘Can you see the coffee machine down the corridor? Miss Nagel's office is the second door on your right after that.’ Cof24 fee machines can be great landmarks.« Alle Funktionsbereiche in einem Gebäude sollten den jeweiligen Anforderungen gemäß gestaltet werden. Es gibt verschiedene Anforderungen an zum Beispiel den Eingangsbereich, die Büros oder die Caféteria. Auch »Wartebereiche« sollten sich in Mobiliar und Gestaltung von einem »Treffpunkt« unterscheiden. Diese ­Kennzeichnung der Funktionsbereiche leistet einen großen Beitrag zur Orientierung.

23  vgl. Peter Zec, Orientierung im Raum, Seite 84 24  Per Mollerup, Wayshowing, Lars Müller Publisher, 2005 Basel


Gleiches gilt für Plätze im öffentlichen Raum. Auch hier werden Räume oder Plätze als Orientierungspunkte wahrgenommen, wenn sie Ihre Funktion klar nach außen transportieren.

Farben, also colourcoding ist in Maßen ein gutes Mittel, ­ rientierungssysteme zu unterstützen. Allerdings sollte man beachten, O dass nicht zuviele Farben auf einmal benutzt werden und dass diese sich gut genug unterscheiden. Leider gibt es noch keine mir bekannte Übereinkunft (common sense, siehe oben) über Farben. Große Chancen räume ich der Farbe »rot« für Ziehen und »grün« für Drücken an Türen ein.

Colourcoding des Eingangbereichs der Hauptmensa in Köln.


Auch sollte der Kontrast zwischen Farben beachtet werden. Folgende Illustration zeigt die zehn Farbkombinationen mit den besten Kontrastwerten (die Kontrastwerte stehen dahinter).

Schwarz auf weiss 91. Schwarz auf Gelb 89. Gelb auf Schwarz 89. Braun auf Gelb 89. Weiss auf Braun 84. Weiss auf Blau 82. Grün auf Weiss 80. Weiss auf Grün 80. Gelb auf Blau 79. Blau auf Gelb 79

Auch unterschiedliche Materialien spielen eine große Rolle. So kann man mit einem Materialwechsel Bahnen oder Laufwege sehr einfach und effektiv kennzeichen. Allerdings ist die »natürliche« Laufrichtung zu beachten, da es sonst zu Abkürzungen (Trampelpfaden) kommt oder aber die Orientierungsfunktion nicht beachtet wird. Wenn ein Gebäude dem genuinen Wissen entspricht, also von jedem Menschen in seinen Grundzügen verstanden wird, dann wird dieses Gebäude nicht irritierend wirken. Durch dieses Wissen, wie schon weiter vorne erwähnt, bekommt der Nutzer unterbewußt einige Eckpunkte der Orientierung zur Verfügung gestellt.


Natürlich hat auch die Gestaltung der Information bzw. der Zeichen einen Einfluß auf die Wahrnehmung. Das Kommunikationsdesign für Orientierungssysteme hat drei Hürden zu meistern: die erste besteht darin, eine konkrete Situation mit Zeichen in geeigneter Form darzustellen. Die zweite dann ist die Frage der Verständlichkeit dieser Zeichen und die dritte Ebene mündet schließlich in einer Interaktion zwischen Umwelt (mit dem Zeichen) und dem Orientierungssuchenden. Ein Pfeil zum Beispiel sollte auch als Pfeil erkennbar sein, da sonst in der Orientierungskette ein wichtiges Glied fehlen kann. Doch auch die Platzierung eines eindeutigen Zeichens spielt eine sehr große Rolle, da es bei falscher oder schlechter Platzierung übersehen werden kann, noch bevor es überhaupt verstanden wird. Auch die verwendeten Zeichen untereinander in einem Orientierungssystem sollten sich, wenn möglich, klar unterscheiden, damit keine Fehlinterpretation auftreten kann (durch Streß oder Hektik nehmen Menschen ihre Umwelt flüchtiger wahr). Auch das Schaffen von Übersicht mittels Karten und Plänen, welche den Standpunkt des Betrachters markieren, ist hilfreich. Doch es gehört Abstraktionsvermögen dazu, solche Pläne oder Karten überhaupt lesen oder verstehen zu können. Ein Orientierungssystem sollte sich also nicht vollends auf einen Übersichtsplan stützen. Zu viele Menschen haben Schwierigkeiten, diesen zu lesen. Zusammenfassend muß ein Designer die folgenden drei Problem­bereiche beachten:

1. Das Zeichen sollte aufgrund seiner Form der Darstellung verstehbar sein. Wenn möglich sollten Zeichen verwendet werden, welche durch den »common sense« oder durch andere Normier­ungen definiert werden. 2. Der verwendete Informationsträger sollte auffällig und gut erkennbar sein. 3. Zeichen und Träger sollten optimal ­po­sitioniert werden, damit keine Fehlinterpretationen entstehen.


Orientierungsstrategien Falls ein Orientierungssuchender einmal die Orientierung verliert, gibt es verschiedene Strategien, um wieder auf den »richtigen Pfad« zu kommen. 25 Welche Strategie der Orientierungslose wählt, hängt von seinem persönlichen »kognitiven Wissen«, von der Situation, von den Hilfsmitteln und von den Informationsquellen ab.

1. (»Track following«) Spur folgen Die Person folgt einfach einem Pfad. Dieser Pfad kann alle Sinne (Gehörsinn, Tastsinn, Geschmackssinn, Geruchssinn) ansprechen, er ist nicht nur auf den Sehsinn beschränkt. Dies ist die ursprünglichste Art, seinen Weg zu finden.

2. (»Route following«) Route folgen Der Unterschied zum Pfad oder zur Spur ist die Information an sich. Bei der Route befinden sich die notwendigen Information neben der Route, bei der Spur muß man einfach nur folgen. Dabei ist es egal, wie man die Information bekommt (verbal oder schriftlich). Ein Beispiel: gehen Sie an dem großen Haus rechts in die Straße.

3. (»Educated seeked«) gelernte Informations­suche Mit dieser Methode sucht man nicht ziellos, sondern man nimmt aufgrund von Erfahrung an, Informationen an bestimmten Stellen zu finden. Beispiel: in Supermärkten befinden sich Nahrungs­mittel (zum Beispiel Milch) für den täglichen Gebrauch fast immer im hintersten Teil, damit man durch den ganze Markt gehen muß. Wenn man diese Annahme zuerst lernt, weiß man schon (fast immer), wo ­d iese Nahrungsmittel in jedem Supermarkt zu finden sind.

25  Per Mollerup, Wayshowing, Lars Müller Publisher, 2005 Basel, Seite 43


4. (»Inference«) Rückschluß Diese Strategie benutzt die logische Abfolge von zum ­Beispiel Hausnummern, Straßennummerierung (New York), Gate­abfolge in Flughäfen etc. Wenn der Orientierungsssuchende die ­Information »Gate D« hat, er aber zu »Gate B« muss, dann kann er Rückschlüsse auf den Ort bzw. auf die Existenz des »Gate B« ­ziehen. Natürlich setzt das das Wissen um den »common sense« des ­jeweiligen Kulturkreises vorraus (hier: lateinisches Alphabet).

5. (»Screening«) Monitoring Man untersucht ein Areal systematisch nach Kriterien. Diese Methode kann sehr aufwendig sein, da man unter Umständen eine Menge zu untersuchen hat. Um beim Beispiel mit der Milch im Supermarkt zu bleiben: »Screent« man den Supermarkt, kommt man irgendwann zwangsläufig zur Milch, unter Umständen erst nachdem man den ganzen Supermarkt abgesucht hat. Wenn der Supermarkt keine Milch hat, kommt man auch zu einem endgültigen Ergebnis (Milch ist alle oder wird nicht verkauft).

6. (»Aiming«) Zielpunkt Die einfachste Strategie, seinen Weg zu bestimmen: man v­ isiert einen markanten Zielpunkt (großes Gebäude, Berg etc.) an und richtet seine Strecke nach diesem aus.

7. (»Map reading«) Karten lesen Karten geben Überblick über ein Gebiet. Ähnlich wie ein Luftbild, doch mit einem reduzierten Informationsgehalt (schematische Darstellung). Gleichzeitig geben sie Zusatzinformationen (Namen etc.). Natürlich muß man Karten lesen und die Zusatzinformationen auch interpretieren können. Die Informationen aus einer Karte müssen dann in einem zweiten Schritt auf die Wirklichkeit übertragen werden.


8. (»Compassing«) Orientierung mit Kompass Wenn man einen Kompass zur Orientierung benutzt, muss man eine ungefähre Vorstellung von seinem Standpunkt haben und gleichzeitig auch wissen, wo das Ziel ist. Wenn man keinen Kompass zur Hand hat, sucht man nach Hinweisen, die einem die Himmelsrichtungen zeigen können (natürlich muß man die Zeichen zu deuten wissen, wie zum Beispiel Sonnenstand, geneigte Bäume, große Gebäude mit Himmelsrichtungs-Beschreibungen (West-Eingang) etc.).

9. (»Social Navigation«) Lernen von anderen Bei dieser Strategie guckt man sich Verhalten von seinen Mitmenschen ab beziehungsweise lernt von diesen. Es macht keinen Unterschied, ob man dies »live« tut oder zu einem anderen Zeitpunkt. Beispiele sind der Trampelpfad (späterer Zeitpunkt, geht eng mit der ersten Strategie einher) oder aber Menschenmassen (»Folge der Masse!«). Natürlich sind diese Strategien nicht isoliert anwendbar. Eine Mixtur aus allen benutzt der Mensch unterbewußt jeden Tag.


Ein Paradebeispiel für nicht durchdachte Architektur. Schilder und Ordner müssen es »regeln«.


TEIL II Basierend auf den Erkentnissen des ersten Teils möchte ich im zweiten Teil mehrere praktische Anwendungen zeigen, wie man ein Orientierungssystem neu begreifen kann. Möglichst, wie der Titel der Arbeit schon andeutet, ohne konventionelle Schilder. Mein Ziel ist es, Orientierung subtiler, aber doch besser begreifbar zu gestalten. Dies versuche ich zu erzielen durch eine stärkere Einbindung der Umwelt in das Orientierungssystem. Die Ausführungen im ersten Teil helfen mir dabei, Argumente und auch Lösungen für meine Fallbeispiele zu erarbeiten. Ich denke, dass Orientierung für Menschen sehr viel leichter fällt, wenn man auf einen Schilderwald verzichtet beziehungsweise versucht, diesen einzudämmen. Das »shared-space« Konzept (siehe Seite 30) hat da meiner Meinung nach den absolut richtigen Ansatz. Ich möchte neue Ansätze präsentieren, an einem Beispiel aus meiner unmittelbaren Umwelt. Der Leser kann dann hoffentlich den Ansatz transferieren auf seine Situation, und so wiederum zu einem neuen Ergebnis kommen. Die Lösungen haben die Maxime, die Orientierung der Menschen zu erleichtern. Ich nehme (erstmal) keine ­Rücksicht auf kommerzielle Interessen wie zum Beispiel Plakatwände oder Verkaufsflächen. An einem öffentlichen Ort sollte der Mensch mit seinen Interessen im Vordergrund stehen. Und, wichtig, die Entwürfe sind nicht isoliert zu betrachten. Ein Zusammenspiel aller, vielleicht in Teilen, ist nützlich und erwünscht.


SiGNLESS Rudolfplatz Ortsbeschreibung: U-Bahn Station »Rudolfplatz«: Es gibt jeweils einen Aufgang pro Bahnsteig. Dieser führt per Rolltreppe oder normaler Treppe direkt in eine Verteilerebene. An dieser gibt es vier Ausgänge. Direkt über der Ebene, auf Straßenniveau, kreuzen sich zwei sehr große Verkehrsstraßen: der Hohenzollern/Habsburger-Ring und die Aachener Straße (siehe Abbildung nächste Doppelseite). Die vier Ausgänge bzw. Eingänge ersparen den Nutzern Wartezeiten an den Ampeln beim Überqueren der Straßen. Idealerweise sollte man direkt erkennen, welcher Ausgang zu seinem jeweiligen Ziel am besten paßt. Dabei sind mehrere Nutzergruppen zu unterscheiden:

1. der Ortskundige. Dieser Personenkreis kennt die Stadt (grob) und das damit entstandene »Bild der Stadt« (ringförmig, schlauchförmig, begrenzt oder durchschnitten durch Flüße, Bahnlinien etc.).

2. der Ortsfremde. Wie der Name schon sagt, ist dieser Personenkreis nicht vertraut mit der Umgebung.

3. der »local« Diese Menschen wohnen oder arbeiten in der Nähe des Platzes. Das heißt, dieser Personenkreis kennt den Platz wie seine Westentasche und braucht absolut keine Orientierungshilfen, da tagtäglich der gleiche Weg genommen wird.


Ăœbersicht Rudolfplatz, Strassenlevel


Ăœbersicht Rudolfplatz, Verteilerebene & Bahnsteige


AusgangsSituationen: 1. Man möchte zur Bahn. Wenn man zur Bahn muß, also den Eingang benutzt, wird man den nächsten wählen, da die Verteilerebene beide Bahnsteige gleichberechtigt bedient und das Überqueren der Straßen erspart. Es spielt also keine Rolle, von welcher Seite aus die Verteilerebene betreten wird. Sehr viel mehr Priorität hat das schnelle Erreichen der Bahnen. Daher müssen alle Eingänge gut als Zugang zur U-Bahnstation »Rudolfplatz« gekennzeichnet sein.


2. Man kommt mit der Bahn an. Die Situation betrifft Einheimische, Fremde und »locals«. Die »locals« wissen automatisch den richtigen Weg und Ausgang, da sie täglich den Ort frequentieren. Man steigt aus der Bahn aus, geht den einzigen Aufgang nach oben. Oben angekommen hat man sich zwangsläufig um 180° zur Bahnrichtung gedreht (siehe Abbildungen nächste Seite). Ich gebe im folgenden zehn Ansätze, wie man eine bessere Orientierung auf der Verteilerebene ermöglichen kann.



Passantenflow Ausgang

Bahnsteige.



Passantenflow Ausgang

Verteilerebene.


Verteilerebene. Sicht auf die Ausg채nge.


SichtKorridore.


Lรถsungsansatz Nr. 1


Die sicherlich einfachste Maßnahme wäre die, den Kiosk, welcher fast direkt in der (optischen) Mitte platziert ist, an eine Wand zu verschieben. Dadurch würde die Symmetrie der ganzen Verteilerebene schon einmal aufgehoben werden und die Menschen könnten sich an der »Seite mit dem Kiosk« oder an der »Seite ohne Kiosk« orientieren. Es würde eine Art von Ungleichgewicht entstehen, welches wiederum hilft, sich besser zu orientieren. Außerdem wirkt dadurch die Ebene offener und man hat freie Sicht auf die Ausgänge. Da, wie im ersten Teil beschrieben, der Mensch sich auch mithilfe seines genuinen Wissens orientiert, ist es sehr wichtig, die Ausgänge deutlich von überall einsehbar zu gestalten und für offene Räume zu sorgen. Dieses Unterfangen wird schon genug durch die (wahrscheinlich baulich bedingten) Säulen erschwert. Ein Erkennen, was sich hinter den einzelnen Ausgängen befindet, kann diese Lösung nicht bieten. Mithilfe der entstandenen Asymmetrie kann man zwischen zwei Seiten unterscheiden, allerdings nicht zwischen vier Ausgängen. Für den ortsfremden Besucher also keine große Orientierungshilfe. Auch bei dem Ortskundigen ist mit einer Eingewöhnungszeit zu rechnen, da der Kiosk keinen Bezug zu den Ausgängen hat. Natürlich ist auch die Wahrnehmung eines Kiosks stark i­ ndividuell unterschiedlich. Ein Raucher wird vielleicht schneller auf einen Kiosk aufmerksam, da er oder sie es gewohnt sind, regelmäßig Zigaretten zu kaufen. Die nächsten zwei Abbildungen illustrieren die »neue Offenheit« der Verteilerebene im Modell.


Der Kiosk versperrt die Sicht auf den Ausgang.



Die gleiche Perspektive, der Kiosk ist an die Wand gerutscht. Schon wirkt die Fl채che sehr viel offener.



Lรถsungsansatz Nr. 2


Bahnlinien haben einen sehr großen Wiedererkennungswert und sind sehr prägnant, weil sie einerseits den urbanen Transport (Mobilität) ermöglichen und andererseits die Umwelt strukturieren und einteilen. Bahngleise teilen eine Stadt in Parzellen auf, in denen sich die Menschen bewegen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die jeweilige kognitive Karte in Relation zur Bahnfahrtrichtung (oder aber der Himmelsrichtung, siehe Seite 90) gesetzt wird. Doch beim Hinaufgehen auf die Verteilerebene verliert man sehr schnell den Bezug zu den Bahngleisen. Dieser ist aber wichtig, um den günstigsten Ausgang zu benutzen. Aus diesem Grund schlage ich vor, den Boden der Verteilerebene ein wenig zu beruhigen (das Bogenmuster aus grauen, weißen und schwarzen Streifen verwirrt nur), und eine ab­strakte Bahnlinie mit der jeweiligen Fahrtrichtung zu installieren. Diese soll dem Nutzer direkt, aber ohne aufdringlich zu wirken, den Bahnverlauf zeigen. Somit kann er oder sie sich an der Bahnrichtung orientieren. Um bei »rush hour« den Blick auf die Schienen zu ermöglichen, ist es auch denkbar, den Verlauf an der Decke zu wiederholen. Allerdings sind zu den Stoßzeiten zumeist nur »locals« unterwegs.


Der schienenverlauf ist genau wiederholt auf der VErteilerebene, um eine optimale Wiedererkennung zu gew채hrleisten.



Lรถsungsansatz Nr. 3


Eine Variante der vorangegangenen Lösung ist der Einsatz von LED-Kacheln. Diese bilden ein Spruchband auf dem Boden, welches einerseits den Bahnverlauf andeutet, Richtungen vorgibt und auch über aktuelle Vorkommnisse (Verspätungen, Ausfälle) informieren kann. Diese LED-Laufschrift führt nicht zu den Ausgängen, da sie nur die Bahnlinie versucht anzudeuten. Die Laufrichtung der Schrift entspricht dem Verlauf der ­Bahnen. Dabei wird die nächste Station als Referenz benutzt (hier: ­R ichtung Barbarossaplatz oder Friesenplatz). Pfeile unterstreichen die Laufrichtung noch einmal. Desweiteren kann man Informationen zum nächsten einfahrenden Zug inklusive Verspätungen zeigen. Auch über ausgefallene Züge aufgrund von Störungen kann man informieren. Um eine bald ankommende Bahn anzukündigen, ändert die Laufschrift kurz vorher ihre Farbe (zum Beispiel von rot zu grün). So können die Menschen direkt erfahren, wann auf welchem Gleis der nächste Zug einfährt und ob es sich noch lohnt zu rennen. Auch hier kann die Decke genauso mit den LED-­Fliesen bespielt werden wie der Boden. Dadurch ist eine optimale Sicht auch bei starkem Betrieb (rush hour) möglich. Die folgenden Abbildungen zeigen Aufbau und Funktionsweise.


LED LICHTLAUFBAND, BESTEHEND AUS EINZELNEN LED-FLIESEN

atz <-- <-- Ri R i c hR i c h t u c h t u n t u n g t u n g Fn g F r F R I E F r i e sr i e s e S e n ps e n p L a e n p L A LATZ TZ < <-- RI Schematischer Aufbau einer LED-Fliese trittfestes und kratzresistentes Glas

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LED-Matrix (9*7 LEDs) zur genauen Darstellung von Text Tr채gerplatte; beinhaltet s채mtliche Elekronik etc.


ng F r iesr iesen e n p Le n p L A T p A T Z A T Z < -z - - R < - - R iI c h ti c h t u n c ung g fri

13:11:26 Uhr 13:11:28 Uhr 13:11:31 Uhr 13:11:33 Uhr 13:11:36 Uhr 13:11:39 Uhr


Die LED-Fliesen zeigen die Fahrtrichtung der beiden Gleise permanent an und informieren 端ber aktuelle Vorkommnisse.



Lösungsansatz Nr. 4 Eine sehr einfache Lösung ist es, die einzelnen Aufgänge in ­ erschiedenen Farben zu gestalten. Dadurch heben sie v sich gegenseitig ab und werden unterscheidbar. Natürlich hat man bei den Farben keine intuitive Orientierung, das heißt, man muss lernen, welche Farbe beziehungsweise welchen Ausgang man benutzen muß (das Gleiche gilt für Lösung 1 auch).


Die Farbigkeit muß nicht auch auf dem Straßenlevel angebracht werden, da alle Eingänge gleichberechtigt in die Verteilerebene münden. Farben haben den Vorteil, dass Menschen, die wissen, welcher Aufgang für sie persönlich am nächsten ist, leicht beschreiben können, welchen Aufgang man nehmen soll. Eine Wegbeschreibung ist damit leichter verständlich als ohne diese abstrakte Orientierungshilfe. Es sollten natürlich, wie auf Seite 44 beschrieben, gut unterscheidbare Farben benutzt werden. Auch die Anzahl spielt eine entscheidenden Rolle, vier sind aber nicht zuviel. Durch die bunte Gestaltung ist ein hoher Wiedererkennungswert gegeben. Wenn dieses Konzept auf alle U-BahnStationen angewendet würde, könnte sich ein selbstständiges CIMerkmal für die jeweiligen ÖPNV-Betriebe entwickeln.


Unterschiedliche Farbgebung an den Ausgangsbereichen unterst端tzt die Orientierung.



Die Farben sollten sich stark voneinander unter足 scheiden, damit es zu keinen Verwechslungen Kommt.



Lรถsungsansatz Nr. 5


Man benennt die Ausgänge und ordnet ihnen somit eine ­eindeutige Bezeichnung zu. Ob man nun Farben (wie in Lösung 4) oder Beschreibungen für die verschiedenen Ausgänge benutzt, beide Lösungen sind abstrakt und helfen nicht intuitiv, sondern sind eher Erinnerungshilfen. Anstatt Buchstaben zu verwenden, können die Ausgänge natürlich auch nummeriert werden. Die wirre und größenunterschiedliche Darstellung auf dem Boden spiegelt das hektische Treiben auf der Verteilerebene wider. Sie treibt die Menschen buchstäblich in die jeweilige Richtung. Die nüchterne Wandbezeichnung stellt einen Ruhepol zu den Buchstaben auf dem Boden dar und dient ausschließlich dem schnellen Erfassen der Ausgangsbezeichnung.


Die 足Bodentypographie Spiegelt das hektische Treiben Auf der VerteilerEbene wieder.



Die 足Ausgangsbezeichnung ist auch 端ber grosse distanzen hinweg sichtbar. Die Typographie auf dem Boden f端hrt zu den Ausg辰ngen.



Lรถsungsansatz Nr. 6


Gerade ortsfremde Besucher einer Stadt orientieren sich meistens mittels Stadt-Karten. Diese Karten prägen das Bild und die Lage der kognitiven Karte des Orientierungssuchenden. Das heißt, kognitive Karten (also die Karten, die ein Mensch im Kopf hat), stimmen sehr oft mit den Stadt-Karten überein in Bezug auf die Himmelsrichtung (Norden = oben etc.). Da hilft es, wenn Ausgänge nach den Himmelsrichtungen gekennzeichnet sind. Ein Mensch, welcher nach seiner kognitiven Karte grob in Richtung Norden muß, wird nicht den Ausgang nach Süden nehmen.

Und, wichtig, die Himmelsrichtung ist nicht ohne weiteres anders herausfindbar, da ­sowohl Verteiler­ ebene als auch Bahn unter der Erde liegen.



So könnte eine »cognitive map« (siehe Seite 16) für Köln aussehen. Die Ringstruktur plus die Begrenzung zum Rhein dominiert das Bild von Köln. Diese Art der Darstellung nimmt eindeutig auch Bezug zu den Himmelsrichtungen. »Orientierung finden« mittels der Himmelsrichtung ist stark kulturabhängig. So ist es in den USA durchaus üblich, die grobe Himmelsrichtung eines Highway mitanzugeben. In Deutschland spielen Himmelsrichtungen (leider) im Straßenverkehr keine große Rolle. Für den »Ortskundigen« kann die Himmelsrichtung eventuell auch verwirren, da die eigene Karte im Kopf bereits so detailliert ist, dass sie schon nicht mehr nach Norden ausgerichtet ist, sondern nach der persönlichen Richtung (entlang Wasserwegen oder großen Straßen zum Beispiel).


Lรถsungsansatz Nr. 7


Speziell am Rudolfplatz gibt es an allen vier Ausgängen relativ markante Architektur: das Hahnentor mitten auf dem Rudolfplatz, das Joe Champs Gebäude, der »Time-Square« von Köln, das Crowne Plaza Hotel und die Dresdner Bank. Um nun eine Relation zwischen den vier Ausgängen und der Architektur herzustellen, baut man ein ­ eliefmodell der Architektur in den Ausgangsbereich. R Auf dieser Abbildung sind die Reliefs noch rot eingefärbt. In Wirklichkeit sollten sie mit der Umwelt verschmelzen (siehe folgende Bilder). Durch die Einbringung realer Architektur in den Ausgangsbereich ist ein direkter Bezug zur »Oberwelt« hergestellt. Dieser hilft dann bei der Orientierung. Natürlich sollte die Architektur unterscheidbar sein, also sich gegenseitig abheben.

Die Reliefform schmiegt sich in die schon bestehende Wand ein und kann auch als Sitzmöglichkeit oder Spielplatz wahrgenommen werden. Gerade für Besucher und für »Ortskundige« ist diese Lösung interessant. Der oder die eine orientiert sich nach Hochhäusern, andere nach altertümlichen und geschichtsträchtigen Gebäuden. Man würde gleichzeitig durch eine kleine Beschreibung für Interessierte etwas über die jeweilige Bauten erfahren.


ÂťHahnentorÂŤ als architektonischeR orientierungspunkt



»Dresdner Bank« Gebäude als architektonischeR orientierungspunkt



»Joe Champs« Gebäude als architektonischeR orientierungspunkt



»Crowne Plaza« Gebäude als architektonischeR orientierungspunkt



Lรถsungsansatz Nr. 8


Bei dieser Lösung wurde eine jeweilige »­Erlebniswelt« definiert. Die Ausgänge repräsentieren folgende vier unterschiedlichen Beschäftigungsfelder: · einkaufen · umsteigen · essen gehen · schlafen Diese vier Welten sind den einzelnen Bereichen der Ausgänge zugeordnet. Obwohl es natürlich Überschneidungen gibt (das spielt keine Rolle, wichtig ist nur, dass die Ausgänge eindeutig benannt sind) geben diese typographisch dargestellten Informationen eine Richtung vor, um sich schneller zu entscheiden. Zum Beispiel der Ausgang in dieser Abbildung unten rechts führt zu den oberirdischen Gleisen der Bahn. »Umsteigen« ist der Hauptgrund zum Benutzen dieses Ausganges.


Die Typowolken drücken das »Hauptziel« des jeweiligen Ausganges mehrsprachig aus.



Gestaltung der Wände An den Ausgangsbereichen.

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ESSEN ESSEN ESSEN ALIMENTO ESSEN ALIMENTO ALIMENTO MANGER VOEDSEL FOOD ALIMENTO MANGER MANGER ALIMENTO VOEDSEL VOEDSEL CIBO VOEDSEL CIBO FOOD MANGER VOEDSEL CIBO FOOD CIBOVOEDSEL FOOD SLAAP SLEEP SUEÑO SONNO SCHLAFEN SONNO SLAAP SLEEP SCHLAFEN SLEEP SLAAP DORMIR SUEÑO SONNO SCHLAFEN DORMIR SONNO SLEEP SCHLAFEN DORMIR SLAAP SLAAP DORMIR SUEÑO SCHLAFEN DORMIR SONNO SLAAP DORMIR SUEÑO SLAAP SUEÑO SLEEP SUEÑO SONNO SLAAP SONNO SUEÑO SUEÑO SCHLAFEN DORMIR SUEÑO SONNO SCHLAFEN SONNO SONNO SCHLAFEN DORMIR SUEÑO SLAAP SLAAP

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Dies sind die vier Ausgangsbezeichnungen. Sie spiegeln das Hauptziel der einzelnen Ausgänge wider, indem sie vorweg nehmen, was die Menschen oben auf der Straße erwartet. Sie sind wie eine Art Wolke aufgebaut, mehrsprachig (deutsch, englisch, französisch, holländisch, spanisch und italienisch), damit es keine Gewichtung der Fremdsprachen gibt. Ein deutsches Wort ist kenntlich gemacht, um der Fernwirkung Rechnung zu tragen. Die Mehrsprachigkeit drückt den Respekt vor den Touristen und fremdsprachigen Bewohnern aus und zeigt eine offene Haltung gegenüber fremden Kulturen.

Der Benutzer kann sich grob an der Schrift orientieren, je nachdem welches Ziel er oder sie hat. Die »Erlebniswelten« geben eine kleine Vorschau auf das, was sich oberhalb des Ausganges befindet.

Es sind keine exakten Wegweiser, eher wieder kleine Merkhilfen für die Orientierung. Man kann auch völlig abstrakte Begriffe wählen, doch ein Bezug zur Außenwelt ist natürlich immer besser.


Lösungsansatz Nr. 9 An den vier Ausgängen sind sogenannte Richtlautsprecher installiert. Diese geben einen Sound sehr gebündelt ab, damit ein Soundkorridor entsteht, an dem der Mensch sich entlang »hangeln« kann.


Der Sound wird direkt live oben auf dem Straßenlevel aufgenommen und dann in die jeweiligen Richtlautsprecher eingespeist. Natürlich werden die Geräuschaufnahmen nicht gespeichert, um den Datenschutz zu wahren. Alternativ können auch die typischen Geräusche der einzelnen Ausgänge von Band abgespielt werden, um eine bessere Unterscheidung zu gewährleisten. Man bringt also die Geräusche der Außenwelt schon vorab in die Nähe des Ausganges. Bevor das Auge die Welt wahrnehmen kann, hat das Ohr die Umwelt schon registriert. Je näher der Orientierungssuchende dem Ausgang kommt, desto lauter werden die Geräusche. Die Lautsprecher haben einen sehr engen Soundkorridor, damit sich die Geräusche nicht überlagern und der »Orientierungsstrang« so kompakt wie möglich ist. In der Abbildung sind die Geräusche als Soundkurven dargestellt.



Auch vorher definierte Soundwelten, ähnlich den Erlebniswelten in der Lösung vorher, können abgespielt werden. Somit erreicht man eine bestmögliche Differenzierung der einzelnen Ausgänge. Diese Lösung ist ein eher experimenteller Versuch, die Orientierung zu verbessern. Mögliche Soundbeispiele wären, neben dem Live-Streaming:

Einkaufsgeräusche (Kassenklingeln); Ausgang Hohenzollernring/Mittelstraße (Haupteinkaufsstraßen)

Bahngeräusche; Ausgang Habsburgerring/Hahnenstraße (Umsteigezone)

Café bzw. Restaurantsound; Ausgang Hohenzollernring/Aachener Straße (»Essensmeile« von Köln)

Straßenlärm; Ausgang Habsburgerring/Aachener Straße (Hauptverkehrsstraße)


Lösungsansatz Nr. 10 An den vier Ausgängen werden jeweils zwei große Video­ monitore platziert, welche direkt ein »Live-Bild« vom Straßenlevel zeigen. Das Videosignal kann direkt von den zahlreichen ­Videoüberwachungskameras eingespeist werden, die um den Rudolfplatz platziert sind (oder spätestens bald montiert werden).


Somit würden sich die Kosten nur auf die Screens beschränken. Die Menschen auf der Verteilerebene könnten direkt sehen, was oben am Ausgang vor sich geht. Besucher könnten sich erstmal in aller Ruhe die einzelnen Perspektiven angucken, bevor sie dann entscheiden, welchen Aufgang sie benutzen wollen. Auch Nachrichten oder Großereignisse, wie zum Beispiel die FußballWeltmeisterschaft, könnten auf den großen Screens gezeigt werden.


Die Videoscreens 端bertragen ein Live-bild von dem Ausgang.



Um Kosten zu sparen, werden direkt die zahlreichen 端berwachungskameras angezapft. Damit ergeben diese auch einen sinn.



Fazit Die verschiedenen Lösungsansätze meiner Arbeit sollen als Beispiel für andere Situationen dienen. Sie sind in der Gestaltung noch nicht zu 100 Prozent ausgereift; sollen sie auch nicht, da der Spielraum für eigene Entwicklungen bzw. Lösungsansätze so groß wie möglich sein soll. Man kann also die Probleme und auch die Lösungsansätze problemlos auf sehr viele andere Situationen übertragen. Meine Arbeit stellt daher eher Prinzipien oder auch Konzepte vor, welche dann individuell auf die jeweilige Situation zurechtgeschnitten werden müssen. Im Idealfall inspirieren sie die Leser dieser Arbeit und geben Anstöße. Die Situation am Rudolfplatz stellt sicherlich kein weltbewegendes Problem dar, man kommt ja nicht in einem »Paralleluniversum« heraus, wenn man den »falschen« Aufgang nimmt, sondern nur auf der falschen Straßenseite. Doch genau diese Situation zeigt, dass Design sich mit den alltäglichen ­Problemen befaßt und dass mit ein wenig Überlegung bei der Planung und Erstellung Orientierung ganz einfach sein kann. Am einfachsten wäre es, solche Orientierungshilfen bereits bei der Planung eines neuen Gebäudes – oder in meinem Beispiel einer U-Bahnstation – zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, Designer frühzeitig und gleichberechtigt mit in den Gestaltungsprozeß zu integrieren. Durch die interdisziplinäre Vernetzung kommen verschiedene Sichtweisen und Herangehensweisen zum Vorschein und können so berücksichtigt werden. Bei dem Thema »Orientierung« sollte immer der Mensch, also der Benutzer, im Mittelpunkt stehen. Die Arbeit soll die Augen öffnen und erklären, wie man auch ohne Schilder und Warntafeln Orientierung schaffen kann.



TEIL III Dieses Kapitel soll einen (fast) unkommentierten Eindruck der Entstehungsgeschichte meiner Arbeit zeigen. Es stellt ein Sammelsurium von Ideen dar. Sie alle stehen unter dem Oberbegriff »Orientierung«. Unter anderem fand ich den Ansatz sehr interessant, sich nicht nach geographischen Gesichtspunkten auf einer Karte zu orientieren, sondern nach der Zeit. Ich habe versucht, die Dimension »Zeit« in eine U-Bahn-Karte zu integrieren. Heutzutage nimmt Zeitplanung einen immer höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein, da liegt es nahe, eine Karte zu entwickeln, welche auf einen Blick die Zeitkomponente visualisiert. Meiner Meinung nach ist es dieser Ansatz wirklich wert, weiter verfolgt zu werden. Ich werde sehen, was die Zeit nach dem Diplom bringt und zeige Ihnen nun Vorabentwürfe dieser Zeitkarte.

35 min

Die maßgebende Einheit der Ringe ist eine Minute. So kann der Bahnnutzer direkt ablesen, wie lange er Bahn fahren wird. In diesem Entwurf sind die Bahnlinien als Geraden dargestellt, sie haben keinen geographischen Bezug mehr.

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10 min

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Da aber der geographische Bezug auch in einer U-Bahn sehr wichtig ist, war der nächste Schritt, die Zeitkomponente auf eine (vereinfachte) geographische Karte zu transferieren.

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Diese Zeitkarten wiederum inspirierten mich zu anderen Darstellungen von Zeit. Ich wählte die Flugzeiten zwischen großen deutschen Städten. Ich wollte versuchen, diese graphisch umzusetzen, damit man die Zeiten direkt vergleichen kann. Interessant ist dann auch der Vergleich mit der Bahn, wobei man dann beim Flugverkehr noch die Zeit des »checkin« und des Weitertransports zum Zentrum mit einrechnen müßte.

FLUGZEITEN DEUTSCHLAND 80min 70min 60min 50min 40min 30min 20min

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10min


Ein anderer Ansatz war die Erarbeitung eines neuartigen ­Navigationssystems. Aktuelle Navigationssysteme zeigen die Straßen in einer Art »pseudo-3D-Ansicht«, das heißt, eine platte Karte von schräg oben betrachtet. Auch die mündlichen Beschreibungen »nach 300 Metern rechts abbiegen… nach 200 Metern rechts abbiegen…« klingen alle sehr eintönig. Ich stand vor dem Problem, dass ich nicht wirklich einschätzen kann, wie lang sich denn nun 300 Meter in einem Auto anfühlen. Das GPS-System ist zwar sehr genau, doch das andauernde »Zwischenplappern« des Navigationssystems störte mich gewaltig.


Ich hielt die Ohren offen und versuchte herauszufinden, wie sich Menschen untereinander den Weg erklären. Dort spielt Entfernung oft keine Rolle, vielmehr werden Orientierungspunkte gesucht und erklärt, welche auf dem Weg liegen. In einem Selbstversuch bin ich der Frage nachgegangen, was eigentlich Orientierung ausmacht und habe die folgende »Skizze« erstellt.


Ich merkte schnell, dass markante Gebäude (nicht der Name der Gebäude), Parks, Straßen (groß, klein, dreispurig etc.) und Bahnlinien bei der Orientierung eine viel größere Rolle spielen als Straßennamen und Entfernungsangaben. Daraus entstand der Wunsch, ein Navigationssystem solle den Weg genau wie ein Mensch erklären, also markante Punkte nutzen (Tankstellen, Kirchen, Hochhäuser etc.), um den Weg zu zeigen.


Um die Umwelt von Schildern und Piktogrammen zu befreien, experimentierte ich ein wenig mit einem »Röntgenblick«. Können Räume ohne Schilder eindeutig verraten, was sie beherbergen? Dieses Bild ist entstanden um genau das herauszufinden. Doch alle Ansätze habe ich mehr oder weniger über Bord geworfen (ein paar Erkenntnisse sind natürlich in meine Arbeit eingeflossen) und das Thema bearbeitet, wie es in Teil I und II zu lesen ist. Dieses Sammelsurium dient nur dazu, die Gesamtheit, den Prozeß zu dokumentieren.



BIBLIOGRAPHIE &Quellen: Rayan Abdullah, Roger Hübner, Pictograms, Icons & Signs, 2006 Thames & Hudson, London, UK

Paul Arthur, Romedi Passini, Wayfinding, People, Signs and Architecture, 1992 McGraw-Hill Ryerson, Whitby, Canada Yann Arthus-Bertrand, Earth from above, 2003 Altitudes-Anyway, Paris

Ruedi Baur, Intégral and partners, 2001 Lars Müller Publishers, Baden, Schweiz David Crow, Visible Signs, 2003 AVA ­Publishing SA, Crans-près-Céligny, Schweiz

Umberto Eco, Semiotik – Entwurf einer Theorie der Zeichen Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 8. Auflage, 2005 Adrian Frutiger, Der Mensch und seine Zeichen, 2006 Marix Verlag, Wiesbaden

GEO, Ausgabe April 1989 Vortrag von Paul Mijksenaar, Amsterdam, Oktober 2006 Per Mollerup, Wayshowing, a guide to Environmental Signage, 2005 Lars Müller Publishers, Baden, Schweiz

Romedi Passini, Wayfinding in Architecture, 1984 Van Nostrand Reinhold, New York, USA


Society for Environmental Graphic ­Design, You are here, Graphics that direct, explain & entertain, 1999 ST Publications, Cincinnati, USA

Andreas Uebele, Orientierungssysteme und Signaletik, 2006 Verlag Hermann Schmidt, Mainz

Peter Zec, Orientierung im Raum, eine Untersuchung zur Gestaltung von Orientierungs- und Leitsystemen, 2002 red dot edition, Essen

Internetquellen Ludwig-Maximilians-Universität, München, Lehr- und Forschungseinheit Medieninformatik, http://www.medien.ifi.lmu.de Shared Space, Provincie Fryslân, Programmbeschreibung, pdf, download von http://www.shared-space.org/

Spiegel Online, Die Axt im Schilderwald vom 08. Dezember 2005, http://www.spiegel.de


Versicherung Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig ange­ fertigt habe und keine anderen als die angegebenen und bei Zitaten ­kenntlich gemachten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Sebastian Dörken Köln, 21. Juni 2007

Alle Photographien ohne Quellenangabe stammen von Sebastian Dörken.


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