Schwerpunkt
Kinder in der Stadt
Peter Höfflin
Kinderfreundliche Stadtentwicklung und kommunale Kinderpolitik
Es gibt kaum einen Faktor, der den Alltag und die Entwicklung von Kindern mehr beeinflusst, als die räumliche Gestaltung des Wohnumfeldes und die damit verbundenen Möglichkeiten zum „freien Spiel“ und zur eigenständigen Mobilität von Kindern. Dies ist das zentrale Ergebnis von Studien, die von der Forschungsgruppe „Raum für Kinderspiel!“ in verschiedenen Städten durchgeführt wurden. Der Beitrag zeigt auf, welche zentrale Bedeutung die Gestaltung des urbanen Raums für Kinder hat. Kommunalstatistik und Stadtforschung können mit ihren Indikatoren und Berichtssystemen einen wichtigen Beitrag für eine kinderfreundliche Stadtentwicklung leisten.
Dr. Peter Höfflin Professor für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, Leitung Institut für Angewandte Forschung (IAF), Arbeitsschwerpunkte in den Feldern Sozialraumorientierte Arbeitsansätze in der Sozialen Arbeit, Sozialberichterstattung und Sozialplanung, kinderfreundliche Stadtentwicklung. Bis 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Stadtforschung bei der Stadt Freiburg. : p.hoefflin@eh-ludwigsburg.de Schlüsselwörter: Kinderfreundlichkeit – Draußenspiel – Mobilität – Aktionsraumqualität - Kinderrechte
Einleitung Die Stadt Freiburg gilt international als Beispiel für eine kinderfreundliche Stadtentwicklung (vgl. Gill 2017). Die Grundlagen dafür wurden kommunalpolitisch bereits zu Beginn der 1990er-Jahre mit dem Leitbild „Freiburg – kinderfreundliche Stadt“ und der Durchführung der als „Freiburger Kinderstudie“ bekannt gewordenen Untersuchung „Aktionsräume von Kindern in der Stadt“ (Blinkert 1993) geschaffen. Die Studie war Teil eines Masterplans, mit dem in einer integrierten und strategischen Vorgehensweise die Wohnumfeldbedingungen für Kinder verbessert werden sollten. Die beiden neu entwickelten Stadtteile Rieselfeld und Vauban boten optimale Gelegenheiten, diese Empfehlungen umzusetzen. Beide Stadtteile strahlen heute über Freiburg hinaus. Vor allem der autofreie Stadtteil Vauban gilt heute als Blaupause für eine umweltgerechte und menschenfreundliche Stadt. Es bestätigt sich damit die viel zitierte Aussage des früheren Bürgermeisters von Bogota, dass eine kinderfreundliche Stadt eine gute Stadt für alle Menschen ist: „If we can build a successful city for children, we will have a successful city for everyone“ (Enrique Peñalosa ).Die Sichtbarkeit von Kindern im öffentlichen Raum ist ein vergleichbarer Qualitätsindikator, wie es etwa die Sichtbarkeit von Lachsen für die Gewässergüte von Flüssen ist. Für die Kommunalpolitik empfiehlt es sich deshalb sehr, kinderfreundliche Stadtpolitik nicht lediglich sektoral als Sozialthema zu behandeln, sondern sie als möglichen Motor für eine nachhaltige Stadtentwicklung und Transformation in das Zentrum zu stellen.
Kindheit und urbaner Raum Die Freiburger Kinderstudie begründete über Freiburg hinaus ein kontinuierliches Forschungsprogramm, mit dessen Methoden der Einfluss des städtischen Raumes auf den Kinderalltag und damit auf die Lebensqualität von Kindern und deren Entwicklungsbedingungen in den Fokus genommen werden konnte. Die 2015 veröffentlichte Nachfolgestudie „Raum für Kinderspiel“, die mit Unterstützung des Deutsche Kinderhilfswerk und in Kooperation mit fünf Städten BadenWürttembergs realisiert werden konnte, bestätigt die Bedeutung einer raumbezogenen Perspektive für die kommunale Kinderpolitik. Auf der Grundlage der empirischen Ergebnisse lässt sich die Aussage belegen, dass es kaum einen Faktor
STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2022
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