Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz

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Berliner Beiträge zu Bildung, Gesundheit und Sozialer Arbeit3 Inhaltsverzeichnis

Band XI

AMBULANT BETREUTE WOHNGEMEINSCHAFTEN FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ ENTWICKLUNG, STRUKTUREN UND VERSORGUNGSERGEBNISSE

Karin Wolf-Ostermann Andreas Worch Johannes Gräske

Berlin 2012

Schibri-Verlag Berlin • Milow • Strasburg


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Inhaltsverzeichnis

Die Schriftenreihe der Alice Salomon Hochschule Berlin thematisiert aktuelle Erkenntnisse und wichtige Positionen. Ziel ist es, fruchtbare Diskussionen auf den Weg zu bringen und den wechselseitigen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich zu initiieren und zu intensivieren. Der wissenschaftliche Beirat Prof. Dr. Friederike Baeumer Prof. Dr. Hedwig Rosa Griesehop Prof. Dr. Nils Lehmann-Franßen Dipl. Pol. Sieglinde Machocki M. A. Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann Prof. Dr. Gudrun Piechotta-Henze

© 2012 by Schibri-Verlag Meininger Straße 4 10823 Berlin E-mail: info@schibri.de Homepage: www.schibri.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-3-86863-099-2


INHALTSVERZEICHNIS Abbildungsverzeichnis

7

Tabellenverzeichnis

9

Abkürzungsverzeichnis

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Vorwort und Danksagung

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1. Einleitung 1.1 Demenzerkrankungen

15 15

1.2 Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz

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2. Berliner Studie zu Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen 27 2.1 Hintergrund 27 2.2 Methode

27

2.3 Ergebnisse 2.3.1 Versorgungssituation in der Wohngemeinschaft 2.3.2 Merkmale Bewohner/innen 2.3.3 Einzüge im Jahr 2005 2.3.4 Auszüge im Jahr 2005

28 28 32 40 42

3. Bewohner-, Angebots- und Versorgungsstrukturen in ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz 3.1 Hintergrund

45 45

3.2 Methode

46

3.3 Ergebnisse 3.3.1 Institutionelle Merkmale 3.3.2 Merkmale Bewohner/innen 3.3.3 Versorgungskonzepte und Ablauforganisation 3.3.4 Diagnosen und medizinische Versorgung 3.3.5 Soziale Teilhabe 3.3.6 Einzüge im Jahr 2008 3.3.7 Auszüge/Versterben im Jahr 2008

47 48 55 68 72 81 86 91

3.4 Diskussion 3.4.1 Institutionelle Merkmale 3.4.2 Merkmale Bewohner/innen 3.4.3 Versorgungskonzept und Ablauforganisation 3.4.4 Diagnosen und medizinische Versorgung 3.4.5 Soziale Teilhabe

95 95 98 104 106 111


Inhaltsverzeichnis

6

4. Versorgungsverläufe von Menschen mit Demenz in ambulant betreuten Wohngemeinschaften 4.1 Hintergrund

115 115

4.2 Methode

116

4.3 Ergebnisse 4.3.1 Körperliche Funktionalität und neuropsychiatrische Symptome der Demenz 4.3.2 Psychosoziale Outcomeparameter bei Menschen mit Demenz 4.3.3 Ärztliche Versorgung 4.3.4 Soziale Teilhabe

118

4.4 Diskussion 4.4.1 Studienplanung und Durchführung 4.4.2 Soziodemografische Merkmale 4.4.3 Körperliche Funktionalität und neuropsychiatrische Symptome der Demenz 4.4.4 Psychosoziale Outcomeparameter, ärztliche Versorgung und soziale Teilhabe

119 126 140 145 148 148 149 149 151

5. Fazit und Ausblick

159

6. Literatur

167


2. Ergebnisse

27

2. BERLINER STUDIE ZU WOHNGEMEINSCHAFTEN FÜR PFLEGEBEDÜRFTIGE MENSCHEN 2.1 Hintergrund Die „Berliner Studie zu Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen“ wurde im Jahr 2006 zur erstmaligen fundierten Untersuchung der Bewohnerstruktur in WG für pflegebedürftige (ältere) Menschen in Zusammenarbeit der Alice Salomon Hochschule Berlin und der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sowie den Verbänden der Leistungsanbieter1 konzipiert. Sie hatte zum Ziel, die Versorgungs- und Nutzer/innenstruktur im Bereich von WG für ältere, pflegebedürftige Personen in Berlin zu untersuchen.

2.2 Methode Die vorliegende Studie bezog alle freigemeinnützigen und privaten Pflegedienste im Land Berlin ein, die in den Jahren 2005/2006 an der Versorgung von Menschen in ambulant betreuten WG beteiligt waren (Wolf-Ostermann 2007; Wolf-Ostermann & Fischer 2010). Die Befragung umfasste die folgenden Bereiche: • Versorgungssituation in der Wohngemeinschaft • Bewohner/innen zum Stichtag 07.07.2006 • Einzüge und vorangehende Versorgungssituation im Jahr 2005 • Auszüge im Jahr 2005. Als Grundgesamtheit waren alle Bewohner/innen ambulant betreuter WG in Berlin zum Stichtag 07.07.2006 definiert. Die Auswahl der Stichprobe wurde als Totalerhe1

Folgende Verbände der Leistungsanbieter haben die Studie unterstützt: Arbeiterwohlfahrt Gemeinnützige Pflegegesellschaft Nord mbH (AWO), Caritasverband für das Erzbistum Berlin e. V., Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e. V., Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Berliner Rotes Kreuz e. V., Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DBWO) e. V., Jüdische Gemeinde zu Berlin, Arbeitsgemeinschaft Hauskrankenpflege Berlin (AGH) e. V., Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege (ABVP) e. V. Landesvertretung Berlin, Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) e. V. Landesgeschäftsstelle Berlin/Brandenburg, AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen e. V. (AVG), Verein für Krankenpflegeeinrichtungen in Berlin (ViB) e. V.


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2. Berliner Studie zu Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen

bung aller Personen in ambulant betreuten WG in Berlin konzipiert. Erfasst wurden ausschließlich WG, deren Bewohner/innen von ambulanten Pflegediensten im Rahmen der Vereinbarungen gem. § 89 SGB XI und § 75 Abs. 3 SGB XII (alt § 93 Abs. 2 BSHG) versorgt werden (LK 19 und 38, Bündelung von Einzelleistungskomplexen). WG, deren Bewohner/innen auf der Basis von Verträgen zu Leistungstypen gem. SGB XII versorgt werden, waren nicht Gegenstand dieser Befragung. Weitergehende Ein- oder Ausschlusskriterien wurden nicht definiert. Ziel der Untersuchung war es, den „Ist-Zustand“ zum ausgewählten Stichtag 07.07.2006 zu erfassen. Da bis dato hierzu (bundesweit) keine Daten zur Verfügung standen, wurden auch die Lebenssituation der Bewohner/innen vor dem Einzug in eine WG sowie die Ursachen für das Verlassen der WG abgebildet. Als Forschungsinstrument wurde eine schriftliche standardisierte Befragung eingesetzt, die an alle ambulanten Pflegedienste im Land Berlin versandt wurde.

2.3 Ergebnisse Die Stichprobe umfasst insgesamt die Daten zu 108 WG und 745 Bewohner/innen. Bezogen auf die zum Stichtag geschätzte Anzahl von 157 WG und 1.083 Bewohner/ innen konnte somit ein Rücklauf von jeweils 68,8 % erzielt werden. Aufgrund dieser Rücklaufquote und einer Erfassungsquote von mehr als 50 % für die zahlenmäßig am stärksten vertretenen Verbände der ambulanten Leistungserbringer kann davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Daten in einem hohen Maße repräsentativ sind. Bezüglich der Validität des Untersuchungsdesigns gilt, dass eine interne Validität vorliegt, eine Verallgemeinerung der Untersuchungsergebnisse über die ausgewählte Stichprobe hinaus auf andere Populationen (externe Validität) jedoch aufgrund der unterschiedlichen Nutzer- und Versorgungsstrukturen nicht uneingeschränkt möglich ist.

2.3.1 Versorgungssituation in der Wohngemeinschaft Die in den WG tätigen Pflegedienste sind überwiegend in Verbänden organisiert, davon 57,4 % in privaten Verbänden und 24,8 % in freigemeinnützigen. Etwa 12 % der WG werden von nicht organisierten Pflegediensten versorgt, für fünf Prozent werden mehrere Pflegedienste verschiedener Verbände genannt. Etwa 20 % der Pflegedienste versorgen dabei nur eine WG, es gibt jedoch auch Pflegedienste, deren Mitarbeiterschaft in bis zu elf WG arbeitet. Die drei versorgungsstärksten Dienste betreuen zusammen mehr als ein Viertel (27,7 %) aller hier genannten WG. Umgekehrt liegt bei der überwiegenden Mehrheit (89 %) der untersuchten WG eine Versorgung durch einen einzigen Leistungsanbieter vor, Versorgungsstrukturen mit mehr als zwei Anbietern sind fast nicht vertreten. Im Mittel (Median) werden pro WG zum Stichtag sechs bis sieben (6,5) Bewohner/ innen versorgt. Am häufigsten werden jeweils WG-größen von vier (14,4 %), sechs (17,8 %) oder acht (14,4 %) Personen genannt.


2. Ergebnisse

29

Die in der WG beschäftigten Personen wurden in drei Gruppen unterschieden: im Pflegedienst beschäftigte Mitarbeiter/innen mit und ohne spezielle Qualifizierungen sowie ehrenamtlich Engagierte, wobei in den ersten beiden Untergruppen noch einmal feiner differenziert wurde (vgl. Abbildung 2). Pflegefachkräfte insgesamt (mit und ohne Qualifizierung) werden von 72,2 % aller Pflegedienste beschäftigt, von diesen haben etwa zwei Drittel (69,9 %) eine oder zwei dieser Pflegefachkräfte unter ihren Mitarbeitenden. Die Anzahl von Pflegefachkräften mit Qualifizierung liegt im arithmetischen Mittel bei 0,6 (Spannweite 0–3) Personen bzw. 0,5 (0–3) Vollzeitstellen pro WG. Bei den Pflegefachkräften (ohne Qualifizierung) werden Werte von 2,2 (0–11) Personen bzw. 1,9 (0–8,6) Vollzeitstellen pro WG ermittelt. Der Anteil an Pflegefachkräften pro WG an den im Pflegedienst beschäftigten Mitarbeitern/innen beträgt bezogen auf Vollzeitstellen im arithmetischen Mittel 18,6 % (0–100 %). Bezogen auf die Einteilung freigemeinnützig organisierte Pflegedienste, privat organisierte Pflegedienste und private, nicht verbandlich organisierte Pflegedienste zeigen sich signifikante Unterschiede (ANOVA, p = 0,043). Pflegedienste, die zu freigemeinnützigen Verbänden von Leistungsanbietern gehören, weisen mit 26,8 % im arithmetischen Mittel um 11,7 % höhere Werte auf als Pflegedienste, die zu privaten Verbänden von Leistungsanbietern gehören (15,1 %).2 A. Im Pflegedienst beschäftigte Mitarbeiter/innen Anzahl

Stellenumfang umgerechnet auf Vollzeitstellen

Pflegefachkraft mit Qualifizierung für die Arbeit in Wohngemeinschaften Pflegefachkraft Pflegehelfer/in Fachkraft (Präsenzkraft) mit spezifischer Qualifizierung für die Arbeit in Wohngemeinschaften Fachkraft (Präsenzkraft) mit 200-h-Basisqualifizierung Hauspflege Fachkraft (Präsenzkraft) B. Sonstige im Pflegedienst beschäftigte Mitarbeiter/innen Anzahl Zivildienstleistender FSJler Altenpflegeschüler/in Sonstige (z. B. MAE2) C. Anzahl ehrenamtlich Engagierter

Abb. 2:

2

Ausschnitt aus dem Fragebogen zur Anzahl in der Wohngemeinschaft beschäftigter Personen

Als MAE-Kräfte werden Personen bezeichnet, die zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine „Mehraufwandsentschädigung“ (MAE) für eine ausgeübte Tätigkeit erhalten.


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2. Berliner Studie zu Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen

Pflegehelfer/innen werden von 57,5 % aller Pflegedienste beschäftigt. Die Gruppe der Pflegehilfskräfte ist dabei die zahlenmäßig am stärksten besetzte Gruppe, hierfür liegen die Werte bei 4,6 (Spannweite 0–50) Personen bzw. 3,7 (0–33) Vollzeitstellen pro WG. Während bei den Pflegefachkräften vornehmlich eine Struktur von Vollzeitstellen vorliegt, gibt es im Bereich der Pflegehelfer/innen auch einen großen Anteil Teilzeitbeschäftigter. Der Anteil an Pflegehilfskräften pro WG an den im Pflegedienst beschäftigten Mitarbeitenden beträgt bezogen auf Vollzeitstellen im arithmetischen Mittel 25,4 % (0–100 %). Bezogen auf die Einteilung freigemeinnützig organisierte Pflegedienste, privat organisierte Pflegedienste und private, nicht organisierte Pflegedienste zeigen sich keine signifikanten Unterschiede (ANOVA, p = 0,384). Etwa zwei Drittel (65,3 %) der Pflegedienste setzen Fachkräfte (mit und ohne Zusatzqualifizierungen für die Arbeit in WG) ein. Bei den Fachkräften mit spezifischer Qualifizierung werden im arithmetischen Mittel 0,6 (0–3) Personen bzw. 0,5 (0–2,5) Vollzeitstellen, bei den Fachkräften mit 200-Stunden-Basisqualifizierung Hauspflege 8,2 (0–64) Personen bzw. 7,9 (0–64) Vollzeitstellen und bei den allgemeinen Fachkräften 0,8 (0–8) Personen bzw. 0,4 (0–3) Vollzeitstellen pro WG genannt. Auch hier ist – wieder mit Einschränkungen bei den allgemeinen Fachkräften – eher von einer Stellenstruktur mit Vollzeitstellen auszugehen. Auffällig ist die große Variabilität der Stellenanzahl bei den Fachkräften mit 200-Stunden-Basisqualifizierung Hauspflege, die sich durch die einzelnen „zusammengefassten WG“ ergibt. Der Anteil an Fachkräften pro WG an den im Pflegedienst beschäftigten Mitarbeitern/ innen beträgt bezogen auf Vollzeitstellen im arithmetischen Mittel 40,2 % (0–100 %).

Abb. 3:

Anzahl Vollzeitstellen im Pflegedienst beschäftigter Mitarbeiter/innen pro WG


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