Milow

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Inhaltsverzeichnis

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Milow

Gestern • Heute • Morgen Fritz Gampe u. a.

Schibri-Verlag

Milow • Strasburg • Berlin


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© 2014 by Schibri-Verlag Dorfstrasse 60, 17337 Uckerland/OT Milow E-Mail: info@schibri.de http://www.schibri.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-86863-148-7

Inhaltsverzeichnis


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Inhaltsverzeichnis Vorwort 1.

Gestern 1.1 Einleitung 1.1.1 Als ein Eiszeit-Gletscher kalbte, entstand der Milower See 1.1.2 Aus der Jung-Steinzeit: die Milower „Stein-Hammer-Axt“ 1.1.3 Der Milower Mahltrog 1.1.4 Archäologie und mittelalterliche Siedlungsstrukturen 1.1.5 Fundstücke 1.2 Die Lage in Milow im 18., 19. und 20. Jahrhundert 1.2.1 Landkarten 1.2.1.1 Einleitung 1.2.1.2 Die schwedischen Militärkarten vom Oktober 1759 1.2.1.3 Die preussischen Ur-Messtischblätter von 1827 1.2.1.4 1827: Milow im Vergleich mit Werbelow und Wilsickow 1.2.1.5 Die Flurkarten von 1862 1.2.1.6 Die Planblätter von 1936 1.2.1.7 Die „Bodenreform“-Karte von Jahnkeshof von 1948 1.2.1.8 Die Schlagkarte aus LPG-Zeiten 1.2.1.9 Die Schlagkarte der Agrargenossenschaft Wilsickow-Milow 1.2.2 Das Leben lässt sich nicht unterkriegen 1.2.2.1 Aus alten Kirchenbüchern – 1860 1.2.2.2 Die Schulchronik von 1880–1933 1.2.2.3 Das Haus Döring 1.3 Die Ansiedlung in Milow 1934 in persönlichen Erinnerungen 1.3.1 Einleitung: In schwierigen Zeiten siedeln 1.3.2 Die ganz persönliche Siedlungsgeschichte 1.3.2.1 Familie Brandau: „Siedeln in der Uckermark“ 1.3.2.2 Familie Masemann: „Bremen–Milow und zurück“ 1.3.2.3 Familie Richert: „Ausschnitte aus dem täglichen Leben in Milow“ 1.3.2.4 Familie Ristedt: „Das Beste draus machen!“ 1.3.2.5 Familie Römer: „Die Ansiedlung von Fritz und Emilie und die Geschichten von Klara und Franz und Brigitte und Otto“ 1.3.2.6 Familie Steinberg: „Ansiedlung in Milow aus Sicht der Familie Karl und Maria Steinberg (geb. Schäfer)“ 1.3.2.7 Familie Theis: „Uckermark 1934“ 1.3.2.8 Gespräche mit Zeitzeugen 1.4 Die Ansiedlung in Milow 1934 – gesetzliche Regelungen 1.4.1 Einleitung 1.4.2 Weimarer Republik – Das Reichssiedlungsgesetz von 1919/23 1.4.3 Preußen: „Verordnung des Staatskommissars für die landwirtschaftliche Siedlung ...“ 1.4.4 „Eigene Scholle“ und „Kulturamt Prenzlau“: Ansiedlungsgenehmigung und Leistungsbescheid 30. Juli 1934 1.5 Der „Rezess von Milow“ 1.5.1 Einleitung 1.5.2 Beschreibung des Dokuments „Rezess von Milow“ 1.5.3 Die Neuverteilung der Flächen 1.5.4 Tabelle I: Die Rentengüter 1.5.5 Tabelle II: Anliegersiedlerstellen 1.5.6 Tabelle III a): Barkäufe

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1.5.7 Tabelle V: Dotationsflächen 1.6 Aus persönlichen Dokumenten der Familie Johannes Theis, Regelungen 1934–1992 1.6.1 Einleitung 1.6.2 Die Zeit 1934–1945 1.6.3 Die Zeit 1946–1948 1.6.4 Die Zeit 1949–1992 1.6.5 Eine Schuldverschreibung im Jahre 1946 1.7 Dennoch, es war auch Licht in dunkler Zeit 1.7.1 Einleitung 1.7.2 „Katja das Mädchen aus Krasnodar“ 1.7.3 Menschlichkeit in finsteren Zeiten 1.8 Die Entwicklung 1945 bis 1949 1.8.1 Flüchtlinge, Spätheimkehrer 1.8.1.1 Wir haben einfach Glück gehabt 1.8.1.2 Anekdoten aus Jagowshof 1.8.1.3 Grossmutters Bibel 1.8.1.4 Heimkehr aus Kriegsgefangenschaft 1.8.1.5 Überleben auf dem Lande 1.8.1.6 Wir sind noch mal davon gekommen 1.8.2 Im Zeichen des Umbruchs – Schule in Milow 1.8.2.1 Schulanfang 1945 1.8.2.2 Bericht über den „Stand der Schule von 1945–1950“ 1.8.2.3 Das „Schultagebuch“ von 1945–1948 1.8.2.4 Die Schulpflicht 1.9 Geschichten und Wissenswertes aus all den Jahren ab 1949 1.9.1 Zum Verbleib des Originals der „Dorfchronik Milow U/M“ 1.9.2 Unsere 1.000 km-Fahrradtour im Jahre 1951 1.9.3 75 Jahre Leben in Milow 1.9.4 Ein Motorrad muss es sein 1.9.5 Kinderarbeit 1.9.6 Als Geologe um die Welt 1.9.7 Aus meinem Leben als Tierarzt 1.9.8 Fünf prägende Jahre in Milow – Fortsetzung im Westen 2. Heute 2.1 Die Entwicklung von Milow in der Gemeinde Uckerland 2.1.1 Das Gemeindestatut für Milow von 1884 2.1.2 Vertrag „Zur Bildung der Gemeinde Uckerland – 2002“ 2.2 Unsere Senioren als Aktivposten des Gemeindelebens 2.2.1 Einleitung 2.2.2 Der Seniorenklub und seine Themen 2.2.3 Von der Heimat in Klöpperfier (Hinterpommern nach Milow) 2.2.4 Dem Städter die eigene Scholle 2.2.5 Störche braucht das Land 2.3 Aus Dorf- und Dorfvereinsleben 2.3.1 Einleitung 2.3.2 Neues wagen – Heimatfeste mit Themenschwerpunkt 2.3.3 Unsere Dorffeste 2.3.3.1 Die Milower Fahne – ein Gastgeschenk aus Bayern 2.3.3.2 Unsere Freiwillige Feuerwehr Milow – 80 Jahre im Dienst 2.3.3.3 Tag der Deutschen Einheit 2.3.4 Vermischtes aus Milow – Der Uckermark-Kurier als Chronist 2.3.4.1 Familiennachrichten

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2.3.4.2 Unsere Kinder und unsere Jugend 2.3.4.3 Die Milower auf Bildungsreise 2.3.4.4 Musik, Musik, Musik 2.3.4.5 Unser Bremer Fan-Club 2.3.4.6 Ehrungen 2.3.4.7 Unser Dorf und das Lesen 2.3.4.8 Frauentag 2.3.4.9 Neujahrsempfang 2.4 Unsere Kirche 2.4.1 Die Entdeckung und Restaurierung der mittelalterlichen Wandmalereien 2.4.2 Das Dorf und die Wandmalerei 3. Morgen 3.1 Demokratie endlich 3.1.1 Der Lange Marsch zur Demokratie 3.1.2 25 Jahre Deutsche Einheit im demokratischen Europas 3.1.3 Zukunftsinvestitionen 3.1.3.1 Zukunftsinvestition: Fahrten in den Deutschen Bundestag 3.1.3.2 Zukunftsinvestition: Politik für die Jugend 3.1.3.3 Zukunftsinvestition: Podiumsgespräche 3.2 Unser kleines Milow und die weite Welt 3.2.1 Landwirtschaft Global – National – Regional 3.2.2 Zukunftsträume in der Landwirtschaft, die weitere 3.2.3 Biobauern heute 3.2.4 Schöne Neue Digitale Welt 3.3 Unser „Täglich Brot“ 3.3.1 Wie kommt der Weizen in unser Brot, in unsere Brötchen? 3.3.2 Ehre den Ähren – vom Brotbacken aus Milow-Weizen 3.3.3 Über eine knollige Bodenfrucht 3.3.4 Was kostet das fleischliche Leben? 3.3.5 Vom Jäger- und Jagdvergnügen 3.3.6 Frische Fische aus dem Milower Dorfsee 3.4 Unser’ täglich (erneuerbare) Energie 3.4.1 Energiebilanz ganz privat: wie die Milower es machen Tabelle „Holz“ Tabelle „Solar“ 3.4.2 Mit der Sonne leben 3.4.3 Milow und das Regionale Energiekonzept 3.4.3.1 Gedicht vom Anonymus 3.4.3.2 Stellungnahme OBR-Milow 3.4.3.3 Bemerkenswertes zum Energiekonzept UM-BAR 3.4.3.4 Energiekonzept der Gemeinde Uckerland 3.5 Unser „Täglich Gesundheit“ 3.5.1 Zahnärztliches 3.5.2 Unser täglich Medizin 3.6 Unser „Täglich Wasser“ 3.6.1 Trinkwasser 3.7 Ein Wunschzettel für unser Wohlfühldorf 3.7.1 Unser Milower Vierklang 3.7.2 Die Prioritätenliste des Ortsbeirats vom Dezember 2013 3.7.3 Prioritätenliste Gemeindevertretung Uckerland 3.7.4 Staffelübergabe, oder: das Wahlergebnis vom 25 Mai 2014 3.8 Wir brauchen ein „Dorfgedächtnis“

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3.8.1 Die Heimatstube 3.8.2 Der FotoKlubMilow (FKM) - „Silke und ihre Fotoapparate“ - „Susannes Fotostory“ - „Kunst in der Natur“ 3.8.3 Was der Fotoklub bisher geleistet hat 3.8.4 Und wie geht‘s weiter? 4. Anhang – Bilderserien

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Vorwort

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Vorwort Hans-Werner Brandau, Fritz Gampe Dieses neue Buch der Milower erscheint in Verbindung auch mit dem 80. Jahr der Ansiedlung von 1934, als Milow im wesentlichen seine heutige Struktur erhalten hat. Jene die 1934 kamen, oder 1945, jene die lange davor kamen und deren Nachrichten bis heute überdauert haben und auch jene die von Milow aus in die Welt hinauszogen oder erst seit ganz kurzem hier sind – alle waren sie eingeladen mit einem ganz persönlichen Beitrag unsere „MilowBuch-Tradition“ fortzuschreiben. Nach dem „Milower Mosaik“ von 1995, den „Milow – Geschichten und Geschichte“ von 2011 folgt nun innerhalb kurzer Zeit ein weiteres Buch „Milow – Gestern, Heute, Morgen“. Dies ist insbesondere den neuen Dokumenten geschuldet, die viel von den Menschen erzählen können in ihrer jeweiligen Zeit. Ihre Freude, ihr Ansporn und ihre Hoffnungen die sie hegten – und die Enttäuschungen, ja das Grauen, das sie erleben mussten. Die Hoffnungen von uns Heutigen ist, dass Milow auch in Zukunft jenes „Wohlfühldorf mit eigener Identität“ sein wird, das es heute ist. Dazu ist unser aller Einsatz gefordert, von alleine wird nichts! Wir sind auf dem Weg ins grösser werdende demokratische Europa; dies verlangt und verdient unsere ganze Aufmerksamkeit und Anstrengung. Zum Ersten: Im Jahre 2014 sich vorzustellen, nachempfinden zu wollen wie unsere Neuankömmlinge in Milow sich 1934 gefühlt haben, was sie im Innersten ihres Herzens dazu getrieben hatte in der Uckermark neu Fuss fassen zu wollen, Familie zu gründen, einen landwirtschaftlichen Hof zu betreiben – dies alles kann sich uns Heutigen nur in Ansätzen erschliessen. Was uns bleibt, ist eine Annäherung durch die Berichte unserer Vom-Hörensagen-Zeitzeugen – und die Achtung vor dem persönlich Geleisteten. Auch die Verpflichtung zur kritischen Reflexion über den jeweils herrschenden Zeitgeist, wobei wir der einfachen Besserwisserei der Nachgeborenen nicht das Wort reden wollen.

Zum Zweiten: Der Moderne sich zu verschliessen – zwecklos – das „Gute, Alte, Ehrwürdige“ zu bewahren, erinnerungsfähig zu halten ist auch Ziel dieses Buches über Milow. Es kann beispielhaft für viele Orte stehen. Insofern ergibt sich für uns Heutige eine Parallelwelt: Dort die globale Welt, die uns so nahe scheint dank Internet, hier die eigene, engere Heimat, die uns nicht aus dem Sinn gleiten darf. Auch mit dem Buch geht es so: Verhaftet der Gutenbergschen Erfindung aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, diese markierend den Ausgang aus dem Mittelalter, sieht es sich mit der digitalen Welt konfrontiert. Das Buch hat noch sehr lange Zukunft! Zum Dritten: Die Sicherung von historischen Dokumenten, auch über Milow hinaus, ist eine wesentliche Komponente dieses Buchs. Nicht dass wir als Dorfgemeinschaft dies alleine leisten könnten, aber Fingerzeige wollen wir schon geben. Wir wollen auf Dokumente hinweisen die es wert wären als „Quasi-Originale“, als Faksimile, die Zeiten zu überdauern. Gesichert u. a. durch vielfache Verbreitung in Buchform. Insofern ist das Aufspüren weiterer Zeugnisse aus vergangenen Tagen von grosser Bedeutung. Zusätzlich müssen viele der Dokumente „lesbar“ gemacht werden - und sei es nur durch „Übersetzung“ z. B. der Sütterlin-Schreibweise in unsere heutige – in identischem Wort-, Zeilen- und Seitenmass. Es liegen noch große Aufgaben vor uns! Wir sollten sie annehmen! Wir Heutigen zu Milow haben uns ein Motto gegeben, frei nach Erich Kästner: „Es gibt nix Gutes, ausser man tut Es!“

Wir Heutigen zu Milow wollen uns der Zukunft widmen, frei nach Theodor Fontane: „Alles Alte soweit es den Anspruch darauf verdient hat, sollen wir lieben; aber für das Neue sollten wir eigentlich leben.“


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1. Gestern

1. Gestern 1.1 Einleitung Fritz Gampe Was ist so faszinierend am „Fernen Gestern“, dass wir es immer wieder wissen wollen, dass wir schaudern über Funde, aus denen sich Zustände und Geschehnisse ableiten lassen, über Menschen die so viel ertragen mussten. Dass wir das Bild einer gebrauchte jungsteinzeitliche Steinaxt fast schon für die Realität halten, dass wir die Menschen die sie geführt haben, zu verstehen glauben – es liegen zwar 4.000 Jahre dazwischen, aber sehr weit weg ist diese Zeit eben nicht. Das „Nahe Gestern“, das Gestern unserer Ur-GrossEltern, das was so nahe an uns dran ist, dass wir‘s noch spüren. Und weil das so nahe ist, sind die Urteile, die über diese Zeit so hochgenau unpräzise, will man etwas über den Einzelnen sagen. Aber ohne „Gestern“ begreifen wir unser „Heute“ nicht und unser „Morgen“. Und unser „Heute“ und unser „Morgen“ wird irgendwann einmal die Möglichkeit haben ein „Gutes“ zu werden. Hoffentlich!

1.1.1 Als ein Eiszeitgletscher kalbte, entstand der Milower See Heinrich Ristedt „Die Quartärgeologie ist und war mir seit meiner Schulzeit in Prenzlau ein besonderes Anliegen. Ich habe mich auf den Milower See als Beispiel einer Toteishohlform beschränkt.“

Zur Einstimmung Wir befinden uns im „Quartär“, dem erdgeschichtlichen Zeitabschnitt, der seit etwa 2.3 Millionen Jahren bis heute andauert. Die ersten Vorstufen des Menschen beginnen ihren beschwerlichen Weg irgendwo in Afrika. Wenn man das Quartär etwas feiner aufgliedert, dann befinden wir uns heute im Holozän (Nacheiszeit), das auch unserer Gegend seit etwa 10.000 Jahren ein günstigeres Klima beschert. Die Ostsee liegt vor 6.000 Jahren noch etwa 30 m tiefer als heute. Bis unsere Gegend Besiedlungsspuren zeigen wird, muss es noch „gemütlicher“ werden. Die zahlreichen isolierten Blöcke

Eine eiskalte Angelegenheit für den Menschen, hätte es ihn zu dieser Zeit in unserer Gegend schon gegeben. So wird aus Toteis der Milower Dorfsee geformt, ganz hinten der abschmelzende Gletscher.


1.1 Einleitung

aus Gletschereis (Toteis), geschützt vor Erwärmung durch Schmelzwasser und Ablagerungen, müssen noch verschwinden. Im Untergrund von Milow liegen etwa 150 m feinkörniges Material, Sand, Kies und Steine, die Gletscher aus dem skandinavischen Raum hierher verfrachtet haben.[1] Das skandinavische Gebirge besteht vor allem aus Sandstein, Schiefer und verschiedenen farbigen Graniten des Erdaltertums (Zeitspanne vor 530–290 Millionen Jahren). Felsen dieser Gesteine wurden von den Gletschern losgerissen und im Gletschereis auf dem langen Weg nach Süden zerbrochen und zermahlen. Aus den Sandsteinen und den Quarzen der Granite entstand Sand und Kies; aus den Schiefern und den Feldspäten der Granite feinkörniges Material wie Silt, Schluff und Ton. Grössere Granitsteine wurden während des langen Transportweges rund geschliffen. Sie sind uns als Feldsteine überliefert. Ihre Vielfarbigkeit kann man sehr schön an den Mauern der Milower Kirche bewundern.

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Im Milower Gebiet bestehen die obersten Erdschichten aus Geschiebemergel, verlehmtem Grundmoränen-Material.[2] Grundmoränen entstehen beim Abschmelzen des Gletschers. Die Gesteinsfracht fällt unsortiert zu Boden. Der relativ hohe Anteil an Kalium-Verbindungen ist aus der Zersetzung der Feldspäte entstanden. Der Milower Acker ist mit einem Bodenwert von über 50 sehr fruchtbar. Beim gleichmässigen Zurückweichen des Gletschers bilden die Grundmoränen flache Landschaften. Eingebettet in dieser Landschaft sind zahlreiche Seen oder Tümpel. Diese mit Wasser gefüllten Vertiefungen sind Tot-Eis-Hohlformen oder Solle. Vom Gletscherrand brachen immer wieder mehr oder weniger grosse Eismassen ab. Die meisten sehr grossen Abbrüche sind geschmolzen und hinterliessen keine Zeugnisse. Die weniger grossen Brocken wurden unter günstigen Bedingungen von Schuttmassen zugedeckt und existierten noch lange Zeit als sogenanntes Toteis. Schliesslich sind auch sie geschmolzen. Das Wasser ist abgeflossen und zurück bleib eine Vertiefung in der Landschaft.

So wird es in den Lehrbüchern dargestellt, das Feld mit den Toteis-Blöcken. Von der Wissen-schaft für den Menschen. Es ist nicht mehr genau festzustellen ist, welches „unser“ Toteis-block ist


1.3 Die Ansiedlung in Milow 1934 in persönlichen Erinnerungen

1.3 Die Ansiedlung in Milow 1934 in persönlichen Erinnerungen F. Gampe et. al.

1.3.1 Einleitung: in schwierigen Zeiten siedeln a) Aus all den vorliegenden sehr persönlichen Berichten zur Ansiedlung Milows 1934 lässt sich leicht erfassen, dass es die „blanke Notwendigkeit“ war, die die jungen Familien oder Eheleute damals nach Milow in die Ferne, in die Uckermark trieb. Diese Gelegenheit durften sie sich nicht entgehen lassen – dennoch, es brauchte viel Mut und Zuversicht. b) Das Jahr 1934 Da wir das Jahr „1934“ nicht ignorieren können und wollen, wollen wir dennoch bescheiden bleibe und uns auf Milower Quellen berufen. Also soll der Schreiber der „Schulchronik“ zu Worte kommen. Es ist ein Fragment, da der eigentliche Anfang dieser Reflektion fehlt (beim Kopieren ab-

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gedeckt?), und just in dem Moment aufhört (31. März 1933), als vielleicht die ersten Buchstaben des Menetekels sichtbar wurden. „… die nach diesem Wahlergebnis das Volk erfaßte, fand ihren Niederschlag in einer allgemeinen Feier der nationalen Erhebung und Verbrüderung. Wie in ganz Deutschland, so brannte auch in Milow an diesem Tag ein Freudenfeuer, zu dem das ganze Dorf (Stahlhelm, Kriegerverein, Luisenbund, Schule usw.) pilgerte. Es wurde dort eine kleine, aber eindrucksvolle Feier abgehalten, in deren Verlauf der Führer der hiesigen Stahlhelmortsgruppe, Herr Schünemann, eine mitreißende Rede hielt, der sich verschiedene vaterländische Lieder anschlossen. Die Feier wurde beendet mit einem Fackelummarsch. Der 21. März versammelte die Milower vor dem Radio zum gemeinsamen Mitanhören der grossartigen und würdig aufgezogenen Reichstagseröffnung in der Potsdamer Garnisonskirche. Der tiefe Eindruck, den diese uns durch das Radio nähergebrachte Feier bei den alten Kämpfern des Weltkriegs auslöste, war unbeschreiblich.“ Schluss des Schuljahrs. Am 31. März wurden 3 Knabe und 2 Mädchen

Als dann die neuen Herrschaftsverhältnisse alles einheitlich gestalten und missbrauchen, da ist vor allem die Jugend ein erstes Opfer. Formbar, unerfahren, wehrlos, hinter dem vermeindlichen Neuanfang den Untergang, alsbald, nicht erkennend. Stellvertretend hier ein Klassenfoto aus dem Jahre 1935. Wir zählen mindestens 5 Jungs von insgesamt 20, im Alter von 12 bis 14 Jahren, die die neue Kluft tragen.


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c) Es sollen zwei Ansiedler-Kinder-Enkel zu Wort kommen: Marlies Lehmann „Wir feiern in erster Linie ‚das‘ Milow, das unsere Gross-/Mütter und Gross-/Väter unter grossen Mühen und mit viel Engagement aufgebaut haben. Wir feiern ‚das‘ Milow, das entstanden ist nach dem Ende des braunen Schreckens. Wir feiern 80 Jahre Milower Ansiedlung aber auch in dem Bewusstsein, wie viel Unrecht, Nazidiktatur und Sozialismus über die Menschen gebracht haben und wieviele Opfer es gekostet hat.“ Wilfried Brandau „Warum ist das Jahr 1934 für mich und meine Geschwister, sowie deren Familien und für die meisten Milower ein bedeutsames Jahr? Vor 80 Jahren haben sich nach Auflösung des ehemaligen Rittergutes und der Ausschreibung von Sied-

1. Gestern

lungsstellen durch die Landgesellschaft GmbH rund 30 junge Familien um eine Wirtschaft bemüht, sie mit wenig Bargeld und viel Kredit erworben und waren nun endlich auch aus der Abhängigkeit des Elternhauses herausgekommen. Meine Eltern sind unter widrigen Umständen in das 600 km entfernte Milow im Oktober 1934 auf die Siedlungsstelle gezogen, wo ein einfaches Bauernhaus die junge Familie aufnahm. Aus Gesprächen meiner Eltern weiss ich, dass sie nicht nach dem historischen Hintergrund gefragt haben, waren weder Befürworter noch Gegner des Regimes, sondern waren froh, jetzt eine selbständige Bauernfamilie zu sein, durch Fleiss die Familie zu ernähren und einen kleinen Wohlstand zu erwirtschaften. Auch wir hätten die Möglichkeit gehabt, in den ‚Goldenen Westen‘ abzuhauen, aber meine Eltern waren viel zu stolz auf ihre eigene Landwirtschaft. Ich kann mich noch gut erinnern, als mein Vater im ‚Sozialistischen Frühling‘ im März 1960 mit Zorn und verweinten Augen die Zwangskollektivierung im Gemeindebüro unterschreiben musste.“

Die Demokratie hatte es nicht leicht in Zeiten der Weimarer Republik. Das Kaiserreich und die idealisierte preussische Königin Luise galt vielen als politische Heimat – der „Luisenbund“ pflegte mehr die Tradition als die Moderne.


1.8 Die Entwicklung 1945 bis 1949

1.8.2.4 Die Schulpflicht Eine übliche Entschuldigung, wie sie im Jahre 1946 wohl zahlreich verfasst wurde. Hier in der OriginalOrthographie wiedergegeben: „Herr Kücken sie werden bitte unseren Sohn endschuldigen das er nicht zum Unterricht erschienen war er mußte in die Landwirtschaft helfen Borowitz Jahnkeshof“ Diese kleine „Mitteilung“ erinnert mich immer an die Geschichte, die mein Schwiegervater aus den 60er Jahren erzählte, als die erste Welle der italienischen Gastarbeiter in die Bundesrepublik schwappte. Die gesellschaftlichen Schwierigkeiten die damit ver-

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bunden waren überliess die Politik den „nachgeordneten Institutionen“, also z. B. den Schulen. Also bekam er vom Einwohnermeldeamt der Gemeinde (ca. 7.000 Einwohner) auch die Liste der schulpflichtigen italienischen Kinder gemeldet. Er hat sie dann, pflichtbewusst einzeln registriert zu Schulbeginn, mit dem Ergebnis, dass einige Mädchen fehlten. Es folgten die ersten brieflichen Ermahnungen, das Kind nun in die Schule zu schicken – ohne Resultat. Dann bemühte er sich selbst in die Familien. Da war das blanke Entsetzen zu spüren. Ein Mädchen und Schulpflicht, nein das gäbe es auf Sizilien oder gar Sardinien eigentlich nicht. Die müssten doch zu Hause bleiben, der Mama helfen und die Brüder unterstützen. Es dauerte lange, bis sich deutsche Schulpflicht in den mediterranen Gesellschaften durchgesetzt hatte.

„Schultagebücher“ in der Kiste im Dorfgemeinschaftshaus. Hier könnte viel geforscht werden.


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1.9.8 Fünf prägende Jahre in Milow – Fortsetzung im Westen Hannes Hoheisel „Familie Döring erbarmte sich unser (unsere Mutter mit fünf Kindern, 12, 11, 8, 3 Jahre alt und einen Säugling von 3 Monaten) und gab uns eine Bleibe und Essen“. Dies der zentrale Satz zur Milow-Geschichte der Familie Hoheisel, die im Februar 1945 über viele Zwischenstationen nach Milow kam, verdient es einfach, aufgenommen zu werden in dieses Buch. Hannes Hoheisel mit seinem ganz persönlichen Erinnerungen an Milow und seinem beruflichen Lebenswirken. Teil 1 Unsere Familie stammt aus dem Baltikum. Unsere Vorfahren sind vor über 300 Jahren aus Deutschland ins Baltikum (Lettland) ausgewandert. Meine Eltern heirateten 1932. Unser Vater studierte Forstwirtschaft in Deutschland und leitete als Dipl.-Forstingenieur und lettischer Staatsbeamter ein Forstrevier in Lettland. Unsere Mutter stammte aus einer Kaufmannsfamilie, die in Riga eine Furnier- und Sperrholzfabrik betrieb. Ich selbst bin in Riga geboren. November 1939 Umsiedlung1 aller (ca. 60.000) Balten-Deutsche in den „Warthegau“ (Polen), 1942 wieder zurück nach Riga, 1944 Flucht aus Riga vor den Russen nach Posen, Februar 1945 Flucht über Berlin und Einweisung nach Milow. Familie Döring erbarmte sich unser (unsere Mutter mit fünf Kindern, 12, 11, 8, 3 Jahre alt und ein Säugling von 3 Monaten) und gab uns eine Bleibe und Essen. Ende April 1945 Treck der Milower mit Pferd und Wagen, über Woldek, Neubrandenburg, Altentreptow bis zum Dorf Golchen. Unterwegs sahen wir in den Städten die ersten Tote auf der Straße. Besonders schlimm waren für uns Kinder die russischen Tieffliegerangriffe. Die Chaussee war verstopft mit den Kolonnen zurückweichender deutschen Soldaten, der Treck mußte versuchen auf den Sommerwegen vorwärtszukommen und immer wieder Tieffliegerangriffe. Es gab kein Entkommen. Wir suchten Deckung in den Straßengräben. Dann “überrollte” uns die russische Front. Der Pferdewagen ging verloren; Fußmarsch zurück nach Milow; zusammen mit Martha und Walter Döring. Als wir am 2. Mai 1945 nach Milow zurückkamen, war das Dorf wie ausgestorben. Außer freilaufender

1. Gestern

Hühner, Enten und Gänsen war niemand zu sehen, die Häuser standen alle offen und waren verlassen.. Wir Kinder liefen durch das Dorf und suchten alles “Brauchbare” zusammen, Lebensmitteln, Kleidung, Küchenutensielien und was uns sonst noch wertvoll erschien. Das Leben musste weitergehen und so trug uns die Bäuerin auf, alle freilaufenden Gänse, Enten samt Nachwuchs auf den Hof zu bringen. Die einfachsten Dinge fehlten. Elektrischen Strom gab es nicht und so konnte auch kein Wasser mehr aus dem tiefen Brunnen mit der elektrischen Pumpe gefördert werden. Alles Wasser für Mensch und Vieh mußte von uns Kindern und unserer Mutter vom Hof des Bauern Holowatenko [heute Milow 16], der einen Brunnen und eine Pumpe mit Schwengel hatte, von dort mit einem Karren in Milchkannen herangeschafft werden. Das Leben im Mai 1945 war für alle auf dem Bauernhof nicht einfach. Pferde und Kühe gab es nicht mehr und so mußte die unbedingt notwendigen Arbeiten auf dem Felde, soweit irgend möglich, in Handarbeit verrichtet werden. Im Oktober begann die Kartoffenernte. Der Oktober verging und im November wurde es empfindlich kalt und regnerisch und noch immer gingen wir jeden Tag “in die Kartoffeln”. Besonders wir Kinder und auch unsere Mutter jammerten bei Kälte, Wind und Regen bei dieser uns völlig ungewohnten Arbeit auf dem Felde. Zu kaufen gab es nach dem Zusammenbruch praktisch nichts. Es blühte der Tauschhandel. Nicht nur die Hamsterer versuchten Wertgegenstände wie Teppische, Bilder, Bestecke, Schmuck und Kleidung gegen Lebensmittel zu tauschen, sondern auch die Russen beteiligten sich am Tauschhandel, allerdings waren sie sehr scharf auf Schnaps. Gegen Schnaps konnte man fast alles von den Russen bekommen. Alkohol war Mangelware und so begannen wir mit dem Schnapsbrennen, natürlich schwarz. Das erste gute Pferd, das der Bauer, Walter Döring, “anschaffte” war ein Tauschgesachäft mit den Russen: Schnaps gegen Pferd. Das Pferd, ein Fuchs, der gerne jeden gebissen hat, wurde auf den Namen “Ignats” getauft, womit seine russische Herkunft dokumentiert wurde. Wir wohnten in in einer Mansarde und hatten für unsere sechsköpfige Familie nur drei Betten mit Strohsäcken und ein kleines Kinderbett. So schliefen die beiden Schwestern zusammen in einem Bett, wir größeren Brüder ebenfalls zu zweit im zweiten Bett. Nur unsere Mutter hatte zum Glück ein eigenes Bett.


1.9 Geschichten und Wissenswertes aus all den Jahren ab 1949

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Die Hoheisel-Kinder (v.l.n.r) Hannes, Britta, Horsti und Ingeborg in Milow 1947, ohne den Bruder Wolf-Dieter. Sie haben alle das Gröbste überstanden!

Wohl dem, der in den 40er Jahren seinem Schaf nur „an die Wolle” gehen musste, nicht an den Kragen!


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2. Heute

2. Heute Vorwort Fritz Gampe Das „Heute“ ist immer der schwierigste Zeitraum. Eingeklemmt zwischen Gestern und Morgen fristet es ein Dasein, das sich nicht richtig fassen lässt. Nein, den Goethe brauchen wir jetzt nicht, eher schon die Mathematik und Physik auf der Suche nach dem kleinsten Zeitintervall den wir Menschen ermessen können. Oder dehnen wir das Heute doch besser ein wenig in die Länge, eine politische Legislaturperiode lang, wegen der Verantwortung in der wir alle stehen! Jedenfalls, das Heute ist nicht nur Tagespolitik, oder Kinderfest, oder Dorffest. Aber der Augenblick in dem wir entscheiden, in dem wir „Entweder-Oder“ sagen, das sind dann jene Entscheidungen die bleiben, die wir zu verantworten haben.

2.1 Die Entwicklung von Milow in der Gemeinde Uckerland Und während wir diese Zeilen schreiben bzw. lesen, wird uns, hinter vorgehaltener Hand bereits angedeutet, dass es weitere „Verwaltungsreformen“ geben wird. Gemeinde Uckerland – oder demnächst wie? Prenzlau – Ortsteil Uckerland – Fleckchen Milow? Und auf der Titelseite des UM-Kuriers darf sich 2014 ein Demographie-Experte äussern, der mit Hilfe einer „Wegzugprämie“ die kleinen Dörfer vollends entvölkern will.

Die Milower Initiativen und Sorgen Wir würden gerne anschliessen an „Milow – Geschichten und Geschichte“, Kapitel 9. Uns jetzt konzentrieren auf das, was wesentlich war. Da gibt es Licht und einige Schatten. Unsere erfolgreichen Initiativen waren ohne Uckerland erfolgreich, z. B. die Erweiterungen unseres kulturellen Lebens durch Orgel und die Wandmalerei in der Kirche. Wir haben die „Jugendfeuerwehr“ in Milow aus der Taufe gehoben, dann ist sie auf Uckerland ausgeweitet worden. Wir haben unser Dorfwappen als Anregung an Uckerland weitergeleitet, wir haben ohne Beistand aus Uckerland un-

seren Dorfseezugang insbesondere für Kinder und Angler in Ordnung gebracht, sicherer gemacht. Und wenn wir satzungsgemäss (siehe Kapitel 2.1.2) das Umweltamt aus Prenzlau zu einer Ortsbesichtigung in Sachen „Dorfteich und Dorfsee“ eingeladen haben – dann stiess das in Uckerland sauer auf – mit anschliessender über-korrekter Behandlung unseres Antrags in der Verwaltung. Selbst das „Energieleitbild Uckerland“ wurde in Milow erfunden und die „Umzingelung durch die Windkraft und den Schreiadler“ haben wir uns auch selbst dargestellt, um im Vorfeld mitdiskutieren zu können, ehe denn, spät, aus Uckerland auch ein paar Kringel kamen. Und dann haben wir auch noch vorgeschlagen, eine Budget-Linie „Kultur“ im Haushalt von Uckerland unterzubringen – um der Kultur einen Stellenwert zu geben, und sie nicht nur unter „laufende Geschäfte der Verwaltung“ so nebenbei, bei Gelegenheit, ernst zu nehmen. Wie wäre es mal mit einer der vielen Milower Weisheiten: „Gestalten – nicht nur verwalten!“

Der Milower Gemeinsinn „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und hätte des Gemeinsinns nicht?“ Dieses leicht abgewandelte Wort des Herrn Dr. Martin ist passend für die Milower Handlungsweise. Es gibt viele Beispiele, bei denen der Gemeinsinn als tragende Säule unseres Dorflebens zu Tage getreten ist. Früher noch stärker als heute, aber die Demographie hinterlässt eben ihre Spuren! Wir fragen dann nicht nach der „eigentlichen Verantwortung“, sondern packen an. Ob gemeindliches Grundstück oder privates – sauber muss es aussehen bei uns, und gepflegt. Dann mähen wir eben selbst, bezahlen den Sprit aus eigenen Kassen und der so gesammelte Laub-Gras-Verschnitt wird aufgetürmt, von der „Agrar“ abgeholt und als Bio-Kompost in den Naturkreislauf zurückgeführt. Wir fragen nicht, ob denn die Kirchengemeinde „eigentlich“ zuständig ist – wenn es passt wird die Kirche saubergemacht – Hauptsache wir können dann ein wunderbares Konzert hören. Unser angenehmes Ortsbild hängt auch ab vom Speicher, 1928 erbaut durch einen v. Arnim. Heute wieder in Privatbesitz. Na und, dann telefonieren wir ein wenig herum, diskutieren – und dann wird ausgemüllt dass der Staub nur so wirbelt. Dann ziehen „Privat“


2.1 Die Entwicklung von Milow in der Gemeinde Uckerland

und „Gemeinsinn“ an einem Strang. Dann wird eben für eine Dachrinne gesorgt, damit wir eine bauliche Option haben und das Bauwerk nicht als Ruine herumsteht – demnächst. Dann wird der Grobmüll entsorgt der ums Gebäude herum liegt und auch die Ölhinterlassenschaften werden fachgerecht entsorgt. Und unser Feuerwerker, der Karsten, der zaubert fast schon jedes Jahr ein Licht- und Leuchtvergnügen auf den See, das wir geniessen und mit viel Ah und Oh begleiten. Hat er je um „Vergütung“ seiner Arbeits-Freizeit gefragt, die er für alle Milower und deren Gäste erbringt? Natürlich geht das Grundstück der Familie Vetter bis an den Dorfsee heran. Da das Wohnhaus aber ein

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wenig entfernt liegt und es Tradition ist in Milow – offensichtlich – den unmittelbaren Zugang am Wasser zu gewähren an dieser Stelle, liegt es nahe, auch für den „öffentlichen Spazierweg“ Verantwortung zu übernehmen. Aber wer trägt denn tatsächlich die Verantwortung dafür, dass kein Kind hier ins Wasser fällt, an jener Stelle an der die angeschlossenen Bio-Kläranlagen der Milower ihr Rest-Abwässer in den See entlassen. Hauptsache, die seit Jahren brüchige (symbolische) Absperrung wurde durch eine neue ersetzt! Wir wiederholen uns: Es gibt nix Gutes, ausser man tut Es!

Gemeinsinn in der Praxis: es wird aufgeräumt mit allen zur Verfügung stehenden Männern und Maschinen. (2011)


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2.2.3 Von der Heimat in Klöpperfier (Hinterpommern) nach Milow, Kreis Prenzlau/Uckermark Hildegard Kaczorak Überleben in der ganz schlechten Zeit ging nur mit vollem Einsatz in der privaten „Garten-Land-Wirtschaft“. Dies in frühester Jugend eingeübt bleibt als Tugend ein Leben lang erhalten. Auch als Senior macht dann der eigene Garten noch viel Freude! In diesem Zusammenhang ist es interessant zu lesen, was die „Deutsche Bauernzeitung“ (Ausgabe 24, Juni 1983) titelte: „Die persönliche Hauswirtschaft wird noch lohnender.“ Auf 8 Seiten werden detailliert die „Erzeugerpreise“ genannt, in Abhängigkeit vom Erntemonat, die bei Ablieferung zu erzielen waren. Die Vertreibung unserer Familie im Januar 1946 führte unsere Eltern und vier Kinder im Alter von 9 Monaten bis 8 Jahre nach Milow. Der winzige zugewiesene Wohnraum befand sich in einem Stallgebäude, welches vor 1945 von der Landwirtschaft genutzt wurde. Der bauliche und hygienische Zustand der Unterkunft war erbärmlich. Zunächst bemühten sich unsere Eltern, uns vor dem Verhungern zu bewahren. Ein kleiner Weg zu einer halbwegs gesicherten Ernährung war die Selbstversorgung mit den wichtigsten Lebensmitteln, also auch Fleisch und Gemüse. Da meine Eltern in der alten Heimat auf ihrem Bauernhof selbstverständlich auch einen Garten bewirtschaftet hatten, lag der Wunsch nahe, auch hier selbst tätig zu werden. Der Stall, der sich neben unserer Wohnung befand, ermöglichte eine kleine, bescheidene Viehhaltung, von ein paar Hühnern und später auch von 1-2 Schweinen. So war eine begrenzte Selbstversorgung mit Lebensmitteln möglich. Dazu kam die „Einrichtung“ eines eigenen Gartens, urbar gemachtes Brachland. Ich erinnere mich, dass unser Garten für uns alle – Eltern und Kinder – eine persönliche Aufgabe war. Das erste Gartenstück war eine Eckparzelle am See. Später durften wir uns ein Stück Gartenland am Haus urbar machen. Es war vorher vom Bauern als Mietenplatz genutzt worden. Nach Gründung der LPG wurden individuell genutzte Flächen zwischen den Häusern nicht mehr gebraucht. Die Erträge waren anfangs gering, doch mit der Zeit ernteten wir genügend Früchte.

2. Heute

Ich war für die Gartenarbeit zu begeistern und wollte später gerne Gärtnerin werden , doch dann wurde ich eine Kindergärtnerin. Den Garten habe ich stets als Hobby betrachtet. Das nicht täglich verbrauchte Gemüse und Obst weckten wir als Vorrat für den Winter ein. Möhren wurden im Keller eingesandet,, Kartoffeln dort ebenfalls gelagert. Später erhielten wir von der Kirche und der Gemeinde ein kleines Stück Land für einige Reihen Kartoffeln zugeteilt und konnten so mit den geernteten 10 – 15 Zentner unseren Lebensunterhalt sichern. Pflanzen, Pflegen und Ernten war selbstverständlich unsere Aufgabe. Wir stoppelten Zuckerrüben, die bearbeitet und in einem großen Kessel zu Sirup verkocht wurden. Später kochten wir aus den Früchten des Gartens (Erdbeeren, Kirschen, Rhabarber und Johannisbeeren) leckere Marmelade – allerdings fast immer mit stundenlangem Rühren. Gelierzucker gab es nicht! Auch Pflaumenmus war sehr beliebt, denn es brauchte dazu wenig Zucker und war besonders preiswert. Die Abfälle aus dem Garten wurden für die Tierhaltung genutzt. Unsere Eltern fütterten jährlich zwei Schweine, hielten auch etwa 15 Hühner, einige Enten und Gänse. Ferkel mussten für ca. 80 Mark pro Tier gekauft werden, das Geflügel vermehrten wir durch eigene Zucht. Auf diese Weise sicherten wir unsere Versorgung mit Fleisch, denn mit Lebensmittelkarten allein wäre dies schwierig gewesen. Eins der Schweine wurde immer für die Familie gemästet, geschlachtet und verarbeitet: das Fleisch gebraten bzw. gekocht und eingeweckt, die Schinken gepökelt und geräuchert, Mett-,Leber-, Blut- und Lungwurst in Därmen geräuchert bzw. in Gläsern haltbar gemacht. Das andere Schwein verkauften wir an den VEAB (Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb). Das Geld – so um 1200 Mark , je nach Gewicht – konnten unsere Eltern gut für Anschaffungen gebrauchen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass unsere Mutter eines Morgens das Schlachtschwein tot in der Buchte fand. Da flossen Tränen, und es war sehr traurig, denn dies bedeutete für eine sechsköpfige Familiie einen großen Verlust. Die individuelle Viehwirtschaft wurde damals vom Staat sehr gefördert, und wir nutzten diese Möglichkeit auch. Wir fütterten Kaninchen, lieferten sie ab und erhielten für ein Tier – je nach Gewicht , ca. 4 kg – etwa 30 Mark.


2.2 Der Ortsbeirat und seine T채tigkeiten

Erzeugerpreise f체r Produkte aus dem DDR-Hausgarten, stand Juni 1983.

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2.4 Unser Rückgrat: die Generation "UM-40" (um die 40 herum!)

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2.4 Unsere Kirche 2.4.1 Die Entdeckung und Restaurierung der mittelalterlichen Wandmalereien in der Milower Kirche Michael König, Restaurator, Berlin Die Dorfkirche von Milow birgt in ihren Mauern einen Schatz, der seinesgleichen sucht. Von außen präsentiert sich der Bau aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts wie viele andere fast zeitgleich in der Uckermark entstandene Feldsteinkirchen. Ein wehrhafter, einschiffiger Bau auf rechteckigem Grundriss, errichtet aus bemerkenswert exakt bearbeiteten Feldsteinquadern in gleichmäßig geschichteten Steinlagen. Die wuchtigen, massiven Mauern, die kleinen schmalen Fensteröffnungen, mit ihren innen wie außen abgeschrägten Laibungsflächen, die an mittelalterliche Verteidigungsanlagen erinnern, belegen, dass die Kirchengebäude zu dieser Zeit nicht nur zu Ehren Gottes errichtet wurden, sondern zugleich wichtige Zufluchtsorte in Notzeiten waren, die den Gemeinden Schutz boten. Viele dieser Kirchen wurden in späteren Zeiten verändert. Oft wurden die Fenster vergrößert, um mehr Licht im Innern zu erhalten. Dabei ging der vielerorts bemalte Wandverputz in Größenordnungen verloren oder wurde übertüncht. Der Kirchensaal der Milower Kirche blieb über die Jahrhunderte von gravierenden Eingriffen verschont. In der Dorfkirche von Milow wurden im Frühjahr 2009 restauratorische Untersuchungen an den Farbfassungen im Innenraum vorgenommen. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass im gesamten Kirchensaal noch ornamentale und figürliche Malereireste vorhanden sind, die Ähnlichkeiten zur mittelalterlichen Ausmalung der unweit gelegenen Lübbenower Kirche von 1513 aufweisen, welche unmittelbar nach ihrer Fertigstellung ausgemalt wurde. Es zeigte sich, dass in Milow nicht nur ganz ähnliche Ornamentfriese zur Einteilung der Wandflächen verwendet wurden, sondern auch bei der Darstellung der Heiligen in Lübbenow wie auch in Milow nahezu identische Figurenkompositionen übernommen wurden. So konnten nahezu deckungsgleiche Figurenumrisse für die Darstellung einer Mondsichelmadonna und des heiligen Christophorus nachgewiesen werden. Die Übereinstimmungen in der Formensprache und der Maltechnik ließ mit dem Zuwachs an freigelegtem Malereibestand die

Annahme Gewissheit werden, dass beide Kirchen, die Lübbenower, wie die Milower Kirche vom selben Künstler ausgemalt wurden. In zwei Restaurierungsabschnitten (von NovemberDezember 2011, und von Juli- August 2013) wurden große Teilflächen auf der Ostwand vom Restaurator Michael König freigelegt und restauriert. Die Malereien prägten fast 200 Jahre die Wände der Kirche und wurden erst zwischen 1699 und 1703 mit der Wiederherstellung der Kirche nach dem 30 jährigen Krieg (1618-48) mit einer deckenden Kalkfarbe endgültig übertüncht. Es wird vermutet, dass von 1637 bis 1687 unter Umständen sogar bis 1699 von der Milower Kirche nur die Außenmauern gestanden haben, so dass die Malereien in diesen Jahrzehnten ungeschützt der freien Bewitterung ausgesetzt waren. Dadurch ist der Zustand, den wir heute noch freilegen können, entsprechend stark geschädigt. Die Malereifragmente sind noch ablesbar, jedoch stark verwittert. Einige Farbtöne der ursprünglich sehr farbenprächtigen Male-


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Gesamtansicht der Malereien in der Umzeichnung und in Natur, so wie bisher freigelegt.

2. Heute


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3. Morgen

3. Morgen Fritz Gampe u. a.

3.1 Demokratie endlich Wenn unsere Enkel und Ur-Enkel und Ur-Ur-Enkel eines Tages Rückschau halten werden auf uns, wie wir uns nach der Einheit Deutschlands in die politische Verantwortung haben nehmen lassen – dann kann ich nur hoffen, dass wir bestehen werden. Nicht nur „dass wir uns bemüht haben“, dass wir irgendwie politisch tätig waren und Ehrenämter bekleidet haben – sondern dass wir auch die richtigen Themen besetzt und dass wir die richtigen Schwerpunkte gesetzt hatten, dass wir einer schleichenden undemokratischen Entwicklung die Stirn geboten haben. Aus heutiger Sicht sieht es so aus, als müssten die westlichen Demokratien sich neu erfinden, als müssten sie eine neue Balance einfordern von ihren Bürgern, der „Bürgerbeteiligung am öffentlichen Entscheidungsprozess“ eine globale, zumindest regionale Dimension zuzufügen, statt im Lokalen nur zu verharren. Wie sind die demokratischen Prozesse zu organisieren, dass global agierende Banken, global agierende Unternehmen, globale Umweltverschmutzung, global vernetzter Datenverkehr sich am Ende nicht gegen den Bürger richten? Wir brauchen Antworten – betrifft auch Milow!

Ganz erstaunlich: die Erstwähler-Jugend als interessierte Wahlauszählungsbeobachter.

Aus den vielen Gesprächen die ich persönlich mit Astronauten und Kosmonauten hatte, hier die Wiedergabe einer zusammenfassenden Darstellung: „Ich mache mir Sorgen, wenn der russische Kosmonaut mir erzählt, dass die Atmosphäre über dem Baikal-See genauso verschmutzt ist wie die über Europa und wenn der amerikanische Astronaut erwähnt, dass er vor 15 Jahren viel klarere Fotografien von Indutriezentren aufnehmen konnte als heute.“ Ernst Messerschmid, Deutschland, 1989 in „Der Heimatplanet“

3.1.1 Der lange Marsch zur Demokratie Demokratie, so haben wir‘s in der Schule gelernt sei mit „Volksherrschaft“ zu übersetzen, eine Regierungsform, die damals in Griechenland erfunden wurde und auf „Stadtstaaten“ beschränkt war. Die Staatsgewalt, vom Volke getragen – sie muss vom Bürger einer Gemeinschaft gelebt werden. Da reicht es nicht aus alle paar Jahre zur Wahl zu gehen oder „Demokratie“ in den Partei- oder Staatsnamen zu schreiben. Dass es diese „Demokratie“ in verschiedenen Spielarten geben muss, wer wollte das verneinen – trotzdem gibt es objektive Standards woran sie zu messen, zu qualifizieren ist. Auch im kleinsten Dorf, einer Stadt, einer jener riesigen Zusammenballungen von Stadtlandschaft die sich heute „Megacities“ nennen, oder einem ganzen Land oder in „Länderzusammenschlüssen“ sind unterschiedliche demokratische Wirkungsweisen erkennbar. Das alles funktioniert nur, wenn es immer wieder Menschen gibt, die sich „zur demokratischen Wahl“ stellen, und nicht nur zur „Applausdemokratur“. Verantwortung übernehmen lautet das Zauberwort hierfür. Während es im Deutschen Reich und in Preussen strenge gesellschaftliche Regelungen gab, dem weltlichen und geistigen „Adel“ und den Gutsbesitzern eine besondere Stellung in der Gesellschaft zukam, besser gesagt die gesellschaftliche Strukturen festgeschrieben wurde (Herr – Diener – Knecht), waren auch diese Herrschaftsformen keine Einrichtungen auf Dauer. Es zeigten sich objektive Entwicklungen in Wissenschaft und Ökonomie, die auf Veränderungen drängten, auf die „Umwertung aller Werte“. Davon betroffen, hauptsächlich die industriellen Zentren, auf dem Land waren die notwendigen Umwälzungen nur sehr langsam durchzusetzen. Erst die „Mechanisierung der Landwirtschaft“ brachte jene Revolution in Gang, die, in Verbindung mit der


3.1 Demokratie – endlich

„Chemie“ eine Verbesserung des Lebens auf dem Lande versprach. Und nicht nur dort. In Milow begann die neue Zeit, mit dem Ende der Gutsherrschaft 1931/32. Eine Ansiedlung durch viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe erfolgte und damit mehr selbständiges Handeln der einzelnen Bauern, in einem deutschen Reich allerdings, das alles bestimmte und das Land und damit auch das Dorf in einen menschlichen und wirtschaftlichen Ruin führte. Dem Bauernstand kam, auch propagandistisch, weiterhin eine besondere Beachtung zu und weiterhin setzte die gesellschaftliche Ordnung unterschiedliche Wertungen für den Menschen. Der Bauer und seine Familie, die nicht zur Familie gehörenden Mitarbeiter, die Fremdarbeiter, die Flüchtlinge. Auf Milow wartete nach dem Krieg, Flucht, Kriegsende ein Neuanfang in der „sowjetisch besetzten Zone“, die sich im immerwährenden Vergleich mit den „Westzonen“ sehen wird. Am 7. Oktober 1949 trat der Deutsche Volksrat unter dem Vorsitz von Wilhelm Piek in Ostberlin zusammen und konstituierte sich als „Provisorische Volkskammer“. Die „Demokratie der DDR“ zeigte ein sehr einheitliches politisches Bild, verbindlich geregelt durch Artikel 29 der Verfassung. Trotz verschiedener Parteien wurde die Herrschaft der SED fest verankert: eine Einheitsliste steht zur „Wahl“ (im Volksmund „Zettelfalten“), nur eine Jugendorganisation ist die allein seligmachende, nur eine Gewerkschaft vertritt vorgeblich die Arbeiterinteressen, was spätestens im Juni 1953 den Versuch wert ist, dagegen zu revoltieren. Einheitspreise sollen das Notwendigste für jedermann erschwinglich machen, die gezielte Steuerung von Produktion und Investition in Industrie und Landwirtschaft sollen vom objektiv, notwendige, vorweggenommenen Sieg des Sozialismus künden. Die kleinen landwirtschaftlichen Privatbetriebe werden so gar nicht freiwillig, zu grossen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammengefasst. Kleine Entscheidungen vor Ort sind möglich, insgesamt aber beherrscht die SED [Sozialistische Einheitspartei Deutschlands] mit zentralen Vorgaben das Handeln und weitestgehend das politische Denken des Einzelnen (Siehe Milower Mosaik, Seite 137, „Demokratische Blockpolitik“). Die Landwirtschaft behielt auch im „Arbeiter und Bauern Staat“ weiterhin eine besondere Beachtung. Die Abgrenzung der jetzt existierenden beiden deutschen Staaten wurde 1961 durch den Bau der Mauer und der Grenzanlagen mit Sperrzone verstärkt. Für viele eine Trennung der Familien. Auch für

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Milower deren Verwandte weiterhin in Hessen, Niedersachsen, Westberlin usw. lebten. Bis dahin hatten etwa 4 Millionen Menschen die DDR verlassen. Was zunächst besser zu werden schien, war doch am Ende objektiv nicht zu halten – im wesentlichen konnte die sozialistische Produktion es nie mit den durch Eigenverantwortung und Eigeninitiative gesteuerten Mechanismen in der Bundesrepublik aufnehmen. Es kam zu grotesken Produktionsverhältnissen um die notwendigen Devisen zu beschaffen. Alles wurde an den Westen verkauft – sogar politische Gefangene! Erst mit dem Fall der Mauer nach vorherigen, bis dahin ungewohnten echtdemokratischen und nicht mehr zu unterdrückenden Massen-Bewegungen in der DDR, dem Fall der Mauer am 9 November 1989, dem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 und der vollzogenen Einheit am 3. Oktober 1990, konnte die im Grundgesetz vom 23. Mai 1949 festgelegte Präambel des Bonner Grundgesetzes tatsächlich vollendet werden. Sie lautete: „Das ganze deutsche Volk bleibt aufgefordert in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“ Die bestehenden Parteien in den neu gegründeten Bundesländern ordneten sich neu: aus der SED wurde zunächst die PDS [Partei des Demokratischen Sozialismus], dann „Die Linke“ im gesamten Bundesgebiet. Die LDPD [Liberal Demokratische Partei Deutschlands] wandelte sich zur FDP [Freie Demokratische Partei], die SDP [Sozialdemokratische Partei] ging später in der SPD [Sozialdemokratische Partei Deutschlands] auf, die ehemalige Blockpartei CDU musste nichts an ihrem Namen ändern. Viele der Bürgerrechtsbewegungen schlossen sich mit den neuen Parteien zusammen, bzw. fanden sich in Bündnis 90/Die Grünen wieder. Auch die Rechte organisierte sich neu. Es gab gesamtdeutsche Wahlen und neue politische Gremien wurden gebildet. In Milow fand am 06.05.1990 die erste demokratische Kommunalwahl nach der Wende in der ehemaligen DDR statt (siehe Milower Mosaik, Seite 141). Mit der Wende und der Neuerung der landwirtschaftlichen Betriebe änderten sich die Strukturen. Die Landwirtschaft blieb aber für Milow und Umgebung weiterhin von wesentlicher Bedeutung, auch wenn es nicht mehr in allen Dörfern landwirtschaftliche Betriebe gibt. Insgesamt änderten sich Berufsbilder und Berufsfelder, manche gleitend, viele mit Brüchen auch in der Vita des Einzelnen.


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