Schlossseiten Magazin Sommer 2016

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AUSGABE 02/2016 • € 7,60

magazin.schlossseiten.at

SCHLOSSSEITEN DAS MAGAZIN DER SCHLÖSSER UND BURGEN ÖSTERREICHS

ZU BESUCH BEI PROFESSOR HERMANN NITSCH AUF

SCHLOSS PRINZENDORF DIE GESCHICHTEN VON SCHLOSS LEOPOLDSKRON WIENER PORZELLANMANUFAKTUR AUGARTEN SCHLÖSSERTOUR IN NIEDERÖSTERREICH




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EDITORIAL

SCHLOSSSEITEN - AUSGABE 02/2016 Liebe Leserinnen und Leser!

Foto: Pia Clodi

Wir blicken auf ein Jahr Schlossseiten Magazin zurück. Als wir – mein Team, mein Ehemann und ich – vor einem Jahr die Idee hatten, ein Magazin, aufbauend auf die Inhalte unserer Website, zu publizieren, wussten wir nicht, worauf wir uns damit einließen. Unser Ziel war es, Schlösser und Burgen, kombiniert mit persönlichen Geschichten, visuell in Printform zu präsentieren.

Dass wir ein Jahr später bei Prof. Hermann Nitsch auf Schloss Prinzendorf zu Besuch sein würden, hätten wir nicht erahnen können. Dieser Besuch bei einem Jahrhundertkünstler im verschlafenen Prinzendorf war einzigartig, insbesondere weil uns der Hausherr so herzlich begrüßte und uns eindrucksvoll seine Geschichte mit dem Schloss erzählte. Wir durften einen Blick in sein Atelier werfen und dann bei einem herrlichen Apfelstrudel auch noch seinen eigenen Wein verkosten. Dieses Erlebnis aus dem ersten Jahr der Magazinarbeit wird mir lange in Erinnerung bleiben. Beeindruckend war aber auch der Besuch auf Schloss Deutschkreutz bei Anton Lehmden, einem österreichischen Druckgrafiker und Maler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Beim Betreten des Schlosses öffnete sich uns ein unglaublich prachtvoller Innenhof. Der 87-jährige Künstler hüpfte fröhlich durch sein Anwesen und erzählte uns zu jedem einzelnen Raum, wie er ihn bespielt, Wände mit seinen Gedanken bemalt und sogar die Strukturen eines Marmorfußbodens auf den Wänden weiter fortgesetzt hat. In Eva von Schilgens Recherche über das Schloss Leopoldskron werden Sie bis dato noch nicht publizierte Geschichten über dessen Historie und Bewohner entdecken. Heute liegt das Schloss am wunderschönen Leopoldskroner Weiher und wird als Luxushotel geführt. Zusätzlich befragten wir drei renommierte Juweliere und Schmuckexperten, die uns Tipps gaben, in welche Schmuckstücke Sie investieren sollten. Unsere Reise ging für diese Ausgabe bis nach Bamberg zu Gregor von Seckendorff, der in der Altstadt des UNESCO-Weltkulturerbes gemeinsam mit seiner Frau einen erfolgreichen Antiquitätenhandel betreibt. Im 2. Wiener Gemeindebezirk besuchten wir das Museum der Porzellanmanufaktur Augarten und staunten nicht schlecht, und zwar sowohl über die modernen Entwürfe als auch über den Umstand, dass wirklich alles im Schloss erzeugt wird und die Produktion nicht in das kostengünstigere Ausland ausgelagert ist. Sommerzeit ist immer auch Gartenzeit, und so haben wir natürlich ein paar schöne Gartenseiten für Sie gestaltet. Sogar ein Ausflug nach England in die prachtvolle Anlage von Prinz Charles in Highgrove wartet mit dieser Ausgabe auf Sie. Unsere Schlössertour führt uns dieses Mal durch das wunderschöne Kamptal. Wir können Ihnen nur empfehlen, Ihren nächsten Ausflug anhand dieser Route zu planen, die wieder einzigartige Kulturgüter und Genusstipps für Sie bereithält. Zuletzt möchten wir unsere Leserinnen und Leser noch dazu anregen, die Cocktails von Petra Hoyos nachzumixen und den Sommer bei einem Royal Icetea mit unserem Magazin im Garten zu genießen. Tipp: Auf der Rosenburg erhält man in der Schlosstaverne einen unserer Sparkling Summer Drinks. Wir wünschen viel Spaß mit der Sommerausgabe der SCHLOSSSEITEN. Lisa Gasteiger-Rabenstein Herausgeberin Schloss Leopoldskroin, Seite 30


INHALT 56 SCHLOSS DEUTSCHKREUTZ 68

HIGHGROVE

BONHAMS

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SCHLOSS PRINZENDORF Zu Besuch bei Professor Hermann Nitsch

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THE ART OF SELLING ART

76 DIE HEIMLICHE HÜTERIN DER ÖSTERREICHISCHEN GARTENKULTUR

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Dr. Jaqueline Nowikovsky - Bonhams Expertin

SCHLOSS LEOPOLDSKRON

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GARTEN TRADITION Lassen Sie sich von unseren Accessoires inspirieren

Im Gespräch mit Professor Eva Berger

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LEBEN(s)-LUST-TRACHT

Wimmer Schneidert

Schmuck des 19., 20. und 21. Jahrhunderts

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SCHLOSS AUGARTEN

SCHLOSS DEUTSCHKREUTZ

Das ehemalige kaiserliche Lustschloss beherbergt seit 1923 die Porzellanmanufaktur Augarten

Bewegte Geschichte

38 INVESTIEREN IN KUNST & ANTIQUITÄTEN

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Im Reich der Fantasie

HIGHGROVE, DER KÖNIGLICHE GARTEN Der Grüne Salon des Prinzen

SCHLOSSSEITEN

96 KUNSTHANDEL VON SECKENDORFF Zu Besuch in Bamberg


INHALT 86

SCHLOSS AUGARTEN

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SCHLOSS PRINZENDORF

102 PALAISVIERTEL WIEN

Begegnungszone Herrengasse

112 URLAUB AM SCHLOSS

Genuss und Romantik auf den schönsten Schlössern Österreichs

116 SUMMER SPARKLING DRINKS Petra Hoyos präsentiert auf Schloss Rosenburg ihre Lieblings-Summer-Drinks

30 SCHLOSS LEOPOLDSKRON

134 DIE ERFINDUNG DER VERGANGENHEIT Kolumne von Philip zu Hohenlohe 136 GEMEINSAM HISTORISCHE GEBÄUDE ERHALTEN

Kolumne von Georg Spiegelfeld-Schneeburg

138 IMMER UND JEDERZEIT FÜR JEDEN GAST DA

Kolumne von Stephanie Busch von Holtum

126 SCHLÖSSERTOUR NIEDERÖSTERREICH-KAMPTAL 140 BUCHEMPFEHLUNGEN 132 VORSORGEWOHNUNGEN IM 142 VERANSTALTUNGEN WIENER QUARTIER BELVEDERE 146 IMPRESSUM Dr. Georg Aichelburg-Rumerskirch über Vorsorge

wohnungen in Renzo Pianos Parkapartments

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ZU BESUCH BEI PROFESSOR HERMANN NITSCH AUF SCHLOSS PRINZENDORF

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Prof. war schon als freien Kind durch AntonHermann LehmdenNitsch lässt seiner Fantasie Lauf, seine wennVorfahren er einen Baumstamm immer wiedermalt in Prinzendorf. 1971noch konnte das Schloss von den an die Wand und diesen auch miterechten Ästen ergänzt. Klosterneubürger Chorherren um den Grundpreis erwerben. 20

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Durch eine Allee und über eine Brücke, die den ehemaligen Wassergraben überspannt, gelangt man an das große Tor.

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Mit allen Sinnen.

in einfühlsam renoviertes Schloss, gut eingebettet und versteckt zwischen den hügeligen, wogenden Feldern des Weinviertels – das ist das Zuhause des Künstlers Hermann Nitsch. Hier finden die legendären Spiele des Orgien Mysterien Theaters statt, hier entstehen die Schüttbilder, hier werden Partituren geschrieben und hier wird das Leben in vollen Zügen genossen. Für das Schlossseiten-Team öffnete der Meister einen Nachmittag lang nicht nur das große Eingangstor, sondern auch sein Herz. Es war im Jahr 1945, kurz nach dem Krieg, als Hermann Nitsch als damals siebenjähriger Bub mit seinen Eltern immer wieder zu seiner Großmutter aufs Land fuhr, wo diese ein kleines Haus in Prinzendorf besaß. „Unsere Besuche waren toll. Für die Erwachsenen endeten sie meist mit einem Vollrausch, und auch wir Kinder hatten es lustig“, erinnert er sich. Damals entstand bei Hermann Nitsch seine Begeisterung für die Natur, und als er spä-

ter Malerei studierte und Künstler wurde, verstand er die Motive von Van Gogh und anderen großen Malern. „Die hügelige Landschaft, die goldglänzenden Felder und die prachtvollen Sonnenuntergänge … all das habe ich hier auch.“ Eines Tages, zu Pfingsten 1971, als er wieder einmal zu Besuch im niederösterreichischen Prinzendorf ist, schlägt Hermann Nitsch zufällig den Weg zum Schloss ein. „Es hat mich ein Glücksgefühl ergriffen, das über mein damaliges philosophisches Verständnis weit hinausgegangen ist“, erzählt er. Als das Schloss dann auch noch zum Kauf frei stand, war das Glück perfekt. Leicht erhöht über dem Ort, am rechten Talhang der Zaya, steht der Bau. Ursprünglich wahrscheinlich als mittelalterliche Burganlage geplant, hat er eine wechselhafte Geschichte hinter sich, bis im Jahre 1838 das Stift Klosterneuburg als Besitzer auf den Plan tritt. Seit da-

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Prof. Nitsch hat Schloss Prinzendorf über Jahrzehnte dem Denkmalschutz entsprechend restauriert.

mals besteht das Schloss aus einem lang gestreckten, dreigeschossigen Hauptteil und kürzeren Seitenflügeln, die gemeinsam mit dem Wirtschaftstrakt einen wunderschön gepflegten Hof umschließen. Als Hermann Nitsch einzog, war restauratorisch viel zu tun und er selbst befand sich gerade mitten in einer spannenden Phase. Als Mitbegründer des Wiener Aktionismus ist Nitsch einer der vielseitigsten zeitgenössischen Künstler, der als Aktionist, Maler, Komponist und Bühnenbildner tätig ist, der sich mit Literatur, Philosophie und auch mit Religionen befasst und schon in den 1960er-Jahren zum ersten Mal versuchte, die Idee des Orgien Mysterien Theaters umzusetzen. Bei diesen Aktionen geht es um das intensive sinnliche Erleben verschiedener Substanzen und Flüssigkeiten; dazu gehören Lärm- und Schreikonzerte, die einer Partitur folgen. Im Laufe der Jahre wurden die Aktionen immer provokanter. Es kam zu angedeuteten Kreuzigungen, zu Schüttungen von Blut, die Nitsch als Synonym für das Leben als Passion ansieht. Seine in die Bilder eingefügten bekleckerten Malhemden wurden zum Markenzeichen. „Hier in Österreich hat man mich wegen meiner Kunst dreimal eingesperrt“, erzählt Hermann Nitsch freizügig. Im Jahr 1968 ging er, ebenso wie sein guter Freund Günter Brus und Künstlerkollegen wie Gerhard Rühm, H.C. Artmann oder Oswald Wiener, „ins Exil“ und machte sich mit seiner Kunst im Laufe weniger Jahre von Deutschland

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und Italien aus bis in die USA einen Namen. Zurück in Prinzendorf, war das Schloss für ihn ideal. „Ich wollte – so wie Wagner in Bayreuth – meine Sache hier inszenieren.“ Ein Gesamtkunstwerk, das alle paar Jahre aufs Neue aufgeführt wird. An Nitschs damalige Frau, die tragischerweise kurz nach dem Kauf und der notdürftigen Renovierung des Schlosses bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, erinnert noch heute eine Dankestafel an der Fassade. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. „Wir haben uns große Mühe gegeben“, sagt Hermann Nitsch und erzählt, wie er gemeinsam mit seiner zweiten Frau Räume und Fassaden, Dächer und den Park renoviert hat, alles im Einklang mit Denkmalschutz und höchster Ästhetik. „Die Bejahung des Lebens und nicht die Verneinung in Richtung Transzendenz“ – so lautet das Lebensmotto des Hermann Nitsch, dem er über die Jahrzehnte hinweg auf allen Linien treu geblieben ist. Die tiefenpsychologischen Erkenntnisse des Schweizers Carl Gustav Jung, die Vorsokratiker – also jene Philosophen der Antike, die vor Sokrates lebten und die mit ihren Gedanken die abendländische Philosophie begründeten –, aber auch Friedrich Nietzsche sind die Referenzpunkte, die Nitsch zum Glauben an die Schöpfung, an den unendlichen Kosmos und an die grundsätzliche Lebensbejahung begleitet haben. Und obwohl er keiner speziellen Glaubensrichtung anhängt, „faszinieren mich die Religionen. Irgendwie scheint es ihnen allen mehr oder weniger um das Gleiche zu gehen“.


Als Genußmensch Prof. Nitsch Trauben Wein keltern. Der Phantastische lässt Realismus macht aus aucheigenen vor dem Plafond nicht Halt. SCHLOSSSEITEN

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Am Schüttboden finden zweimal pro Jahr große Malaktionen statt.

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„Mich interessiert die Substanz des Materials“, erklärt Prof. Nitsch, „deshalb verwende ich auch Gedärme, Fleisch und Blut.“

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„Irgendwie scheint es allen Religionen mehr oder weniger um das Gleiche zu gehen“, sinniert der Künstler. Die hauseigene Kapelle ist voll von Priestergewändern und Fotos der Orgien-Mysterien-Spiele, die im Hof des Schlosses stattfinden. 24

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Im Wirtschaftsgebäude des Schlosses ist die Grafiksammlung untergebracht.

Der Rundgang durch das Schloss erklärt dann vieles: Wir starten im ersten Stock, wo Hermann Nitsch und seine Assistentin zwischen Türmen von Büchern und Papieren, Plakaten und Objekten, Klavier und Orgel sowie etlichen Tischen zum geselligen Beisammensein mit Freunden oder Sammlern arbeiten. Hier entstanden auch die Unterlagen für seine Gastprofessuren an der Städelschule (Staatliche Hochschule für Bildende Künste) in Frankfurt am Main, der Hochschule für bildende Künste Hamburg sowie für etliche Sommerakademien in Salzburg. Momentan liegt das Konzept für einen Vortrag zum Thema „Die Musik des Orgien Mysterien Theaters“ in der Aula der Musikhochschule Köln auf seinem Tisch. An den Wänden hängen großflächige Gemälde des Künstlers, eine Hauskapelle ist gespickt mit Fotos blutiger Aktionen und zwischen Madonnenbildern und Messgewändern schwebt ein spiritueller Hauch. Ein Stockwerk höher, direkt unter dem Dach, befinden sich die Malräume des Meisters. Loftartig und mit Ziegelboden ausgestattet, sind sie ideal für große Malaktionen, die ein- bis zweimal jährlich stattfinden. Das ist die Zeit, wenn Hermann Nitsch viele Tage und Nächte lang die aufgespannten Jutebahnen mit Farbe überschüttet und ihre Oberflächen mit Besen und Händen bearbeitet. Hermann Nitsch schwärmt für die „sinnliche Malerei“ eines Rembrandt, Velázques oder Tizian. Er selbst liebt dick aufgetragene Farben und Substanzen, „die sinnliche Empfindungen hervorrufen – so wie Gedärme, Fleisch, Blut und Schleim“.

Vom Schüttboden geht es hinunter in die Seitenflügel des Schlosses. Ein Winteratelier, in dem gerade große Gemälde fachmännisch restauriert werden, ein Grafikraum, dessen Wände und Vitrinen voller Zeichnungen sind und in dem auf Regalen die Weinflaschen aus dem Eigenanbau mit handgemachten Etiketten versehen sind. Hier gibt es auch einen Ausstellungsraum; dieser ergänzt das 2007 eröffnete Hermann Nitsch Museum in Mistelbach, die Nitsch Foundation in Wien und das 2008 vom Galeristen Peppe Morra in Neapel eröffnete Archiv, das sich in einem aufgelassenen Elektrizitätswerk befindet. „Peppe Morra hat mich 1972 zu einer Aktion eingeladen. Es war ein großer Skandal in der ganzen Stadt“, erzählt Nitsch lachend, „und seitdem sind wir gute Freunde und er hat mir ein Museum eingerichtet.“ Die Aufregungen und Skandale gehören dazu. Ungeachtet seiner Verankerung im Kunstbetrieb, trotz zahlreicher Auszeichnungen und obwohl seine Arbeiten in keiner großen österreichischen und internationalen Sammlung fehlen, ist Hermann Nitsch einer der umstrittensten Künstler unseres Landes. Die Kritik kommt von christlich-religiöser Seite und vor allem von Tierschützern. Wenn man allerdings Schloss Prinzendorf besucht, wird man hier eines Besseren belehrt: Ein Maultier, eine Ziege, ein Hund, sechs Katzen, viele Hühner und an die vierzig Pfaue beleben den Innenhof. „Ich bin ein Tierfreund“, sagt Hermann Nitsch und kann das glaubhaft beweisen, als eine Katze auf seinen Schoß hüpft.

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Hermann Nitsch ist Gastgeber mit Leib und Seele.

In demselben Hof spielen sich alljährlich die Pfingstfeste mit jeder Menge Gäste sowie die Spiele des Orgien Mysterien Theaters ab. Es gibt 24-Stunden-Aktionen, das 3-Tage-Spiel und das 6-Tage-Spiel, dessen „vorläufig letzte Fassung 1998 über die Bühne ging“, wie Nitsch erzählt. „Ich war einer der Ersten der Welt, der Happenings und Performance-Kunst gemacht hat“, sagt er stolz und beschreibt, dass es „ein Ereignis ist, das mit allen fünf Sinnen erfahren werden muss“. Beim letzten Spiel waren 500 Akteure und an die 1000 Zuschauer nach Prinzendorf gekommen. Das Orchester, die Schneider, die Tischler und die Köche, die alle Anwesenden versorgen, halten sich dann tagelang am Hof auf. Agiert wird nach einer Partitur von Hermann Nitsch. „Wir proben drei Wochen lang. Es ist so wie eine Trockenübung“, erläutert der Künstler. Erst für die Aufführung des Gesamtkunstwerkes kommen dann Blut und Fleisch – fast immer von davor ordnungsgemäß geschlachteten Tieren – ins Spiel. Ganz friedlich liegt der Park rund um das Schloss. Ein ehemaliger Wassergraben begrenzt den Garten, der mit herrlichen Rosen bepflanzt ist. Eine altehrwürdige Allee führt in die Felder und ein fein säuberlich angelegter Gemüsegarten sorgt für Küchengrundlagen. Hermann Nitsch ist ein Genussmensch. „Fürs Kochen bin ich zu ungeduldig“, meint er und fügt hinzu: „Ich geh viel ins Wirtshaus.“ Das stimmt für Asolo in Norditalien, wo er ein Refugium besitzt, genauso wie für das Weinviertel, das für ihn wie geschaffen ist. Hier leben „dionysische Menschen“, analysiert Nitsch. „Seit Josef II. sie von der

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Leibeigenschaft befreit hat, haben die Bauern ihre Scholle bewirtschaftet und sich in den Weinkellern berauscht.“ Auch Hermann Nitsch hat seine eigenen Reben und lässt diese vom Weingut Martinshof im Nachbarort pressen. All dies hat Hermann Nitsch unter anderem seiner Frau Rita zu verdanken, die mit größtem Engagement die Renovierungsarbeiten des Schlosses verwirklicht hat. Auch für die Begrünung des wunderschönen Gartens, insbesondere für die herrlich blühenden Rosensträucher, ist sie verantwortlich. Sie ist sozusagen die gute Seele des Schlosses und stets voller Leidenschaft darauf bedacht, dass es zum Verweilen einlädt. Wenn der Abend kommt und Hermann Nitsch nicht auf Reisen ist, setzt er sich auf die Bank vor dem großen Haus. Hierher hat er uns eingeladen. Wir bewundern, wie Schloss Prinzendorf in der Abendsonne glänzt, wie schön er alles renoviert hat. Wir sinnieren über seine Kunstaktionen und trinken seinen Wein. Prosit, Hermann Nitsch! Text: Clarissa Mayer-Heinisch I N F O B OX

Schloss Prinzendorf Schlossstraße 1, 2185 Prinzendorf/Zaya Nitsch Foundation Hegelgasse 5, 1010 Vienna Tel.: +43 1 513 55 30 office@nitsch-foundation.com www.nitsch-foundation.com


Ausstellung „Hermann Nitsch“, Galerie 422, Gmunden Ausstellung „Hermann Nitsch – Arena. Opere dall’opera“, Museo Nitsch, Neapel/IT Ausstellung „Hermann Nitsch – RITUAL“, nitsch museum, Mistelbach Ausstellung „Hermann Nitsch – Passion und Auferstehung“, Nitsch Foundation, Wien 15.10.2016 Eröffnung Ausstellung, AMO - Arena Museo Opera, Verona/IT 16.10.2016 Sinfoniekonzert, Teatro Filarmonico, Verona/IT


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