Schmökerschiff Winterausgabe 2010/11

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Winter 2010/11

Schmökerschiff

Vorlesemagazin für Kindergartenkinder und Schulanfänger


Die Schmökerfreunde Wurzel Wiesel rufen mich

meine Freunde. Ich darf unser Schmökerschiff lenken. Deshalb muss ich immer die Augen offen halten und gut aufpassen. Wenn ich auf der Reise etwas Schönes sehe, mache ich ein Bild davon. Diesmal habe ich euch das Wimmelbild „Eislaufplatz“ (S. 24) und das Ausmalbild „Lebkuchen“ (S. 40) mitgebracht!

Kiki Kanguru heiße ich. Damit uns auf unserer Reise niemals langweilig wird, habe ich in meinem Beutel immer ein paar Bücher dabei. Drei meiner Lieblingsgeschichten sind die Bilderbuchgeschichte „Wünsch dir was!“ (S. 4), die Erlebnisgeschichte „Anna und Marie rodeln“ (S. 26) und die Vorlesegeschichte „Das Weihnachtswunder“ (S. 34)!

Saba Schildkröte

nennt man mich, und ich bin schon mehrere hundert Jahre alt. In meinem langen Leben bin ich viel herumgekommen, habe Märchen aus aller Welt gehört und einiges gelernt. Diesmal erfahrt ihr von mir Interessantes zum Thema „Tiere im Winter“ (S. 12), und ich erzähle euch das Märchen „Die Schneekönigin“ (S. 16)!

Amu Affe , das bin ich! Mit meinen

geschickten Affenhänden führe ich euch Fingerspiele zum Thema „Winterliches Allerlei“ (S. 14) vor und zeige euch, wie man ein süßes Knusperhäuschen basteln kann (S. 30)! Pippa Papagei ist mein Name, und ich kann einfach nicht meinen Schnabel halten! Kurze Erzählungen sprudeln nur so aus mir heraus, und diesmal bekommt ihr von mir vier besonders schöne Minutengeschichten zu hören (S. 32)! Außerdem gebe ich euch Büchertipps für noch mehr Schmökerspaß (S. 38)!

Wir fünf freuen uns sehr darüber, dass du nun

auch ein Schmökerfreund werden willst. Sei so lieb, und male ein Bild von dir in diesen Rahmen!

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Titelblatt und Illustrationen: Raffaela Bartik Text: Lisa Blocher


Willkommen Liebe Vorleserin, lieber Vorleser!

Liebe(r)

Fast alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder einmal eifrige Leser werden: Schließlich erweitert Lesen den Wortschatz, es fördert Kreatvität und Fantasie. Buben und Mädchen, die gerne lesen, tun sich in der Schule oft leichter als jene, die nie freiwillig ein Buch zur Hand nehmen. Man darf aber nicht vergessen, dass Lesen nicht nur nützlich ist, sondern auch richtig viel Spaß machen kann! Um das für sich zu entdecken, braucht Ihr Kind Ihre Hilfe. Die Fähigkeit zu lesen ist für ein kleines Kind noch eine geheimnisvolle Zaubermacht, mit der es nichts anzufangen vermag. Was Buben und Mädchen in diesem Alter jedoch bereits zu schätzen wissen, sind schöne und spannende Geschichten. Wie froh und dankbar wird Ihr Kind also sein, wenn Sie Ihre „Zaubermacht“ nutzen, um es jeden Tag für ein Weilchen (und seien es nur ein paar Minuten) in eine andere Welt zu entführen! Es wird kaum jemals nur passiv zuhören, wenn es eine anregende Geschichte vorgelesen bekommt, sondern Vergleiche zu seinen eigenen Erlebnissen ziehen, Fragen stellen, vielleicht selbst zu erzählen anfangen. Das Vorlesen wird zu einem besonderen Spiel zwischen Ihnen und Ihrem Kind, und bald werden Sie diese innige gemeinsame Zeit nicht mehr missen wollen. Die Wahl des richtigen Vorlesestoffs will Ihnen das Schmökerschiff erleichtern.

Die großen Leute ärgern sich oft über den Schnee, aber meine Schmökerfreunde und ich können davon kaum genug bekommen. Ich bin mir sicher, dir geht es genauso! Hast du schon einen Schneeengel oder eine Schneeballschlacht mit deinen Freunden gemacht? Hast du schon einen Schneemann gebaut – oder gar eine ganze Schneefamilie? Es gibt so viele tolle Sachen, die man im Winter unternehmen kann! Aber nachdem du den ganzen Tag im Schnee herumgetollt bist, möchtest du dich bestimmt gerne zu Hause in eine Decke kuscheln, und manchmal ist es auch einfach zu kalt, um lange draußen zu sein. Muss man dann auf den Schneespaß verzichten? Nein! Es gibt Winterabenteuer, die man erleben kann, während man im warmen Zimmer sitzt. Wie, das glaubst du mir nicht? Dann blättere bitte schnell um, und schon kannst du dabei sein, wenn Anna und Marie ihren Eltern auf dem Rodelausflug einen Streich spielen; du kannst dich mit lustigen Figuren auf dem Eislaufplatz tummeln und erfahren, wieso Schneemänner Karottennasen haben. Oder du findest heraus, wie mir meine Schmökerfreunde geholfen haben, als ich wegen des vielen Schnees einmal in Not geraten bin!

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Viel Spaß wünscht dir dabei

dein Vergnügliche Schmökerstunden wünscht Ihnen

(Lisa Blocher, Chefredakteurin)

Schmökerschiff

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Bilderbuch Wünsch dir was! „Wir müssen endlich deinen Wunschzettel schreiben! Hast du denn gar keinen Wunsch?“, hat Mama heute gefragt. Jetzt sitzt Valentin in seinem Zimmer und grübelt. Vor seinen Füßen türmen sich Bausteine. Gerne würde er das höchste Bausteinschloss der Welt bauen, aber schon kommt sein Brüderchen angekrabbelt und wirft es fröhlich um. Neben Valentin liegen seine Spielzeugautos. Gerne würde er mit seinem Brüderchen ein Autorennen veranstalten, aber das Brüderchen beißt nur in ein Auto hinein. Und spuckt. (Als Baby darf man das.)

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Nachts, als Valentin und das Brüderchen tief und fest schlafen, leuchtet am Himmel ein geheimnisvolles Licht auf. Doch niemand sieht es, und kein Mensch hört, wie ein glockenhelles Stimmchen sagt: „Bald ist Weihnachten, und Valentin hat sich noch gar nichts gewünscht! Flieg hinab zu ihm, und finde heraus, was wir ihm schenken sollen!“ Ein kleines Engelchen schwebt auf Valentins Kinderzimmerfenster zu. Es ist stolz, dass es vom Christkind so eine wichtige Aufgabe bekommen hat.

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Als Valentin am nächsten Morgen gerade seine Zähne putzt, piepst es plötzlich hinter ihm: „Wünsch dir was!“ Vor Schreck verschluckt sich Valentin und hustet. Am Badewannenrand sitzt das Engelchen und fragt höflich: „Soll ich dir auf den Rücken klopfen?“

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Das Engelchen möchte so lange bei Valentin bleiben, bis ihm ein Wunsch eingefallen ist. Als Valentin das Türchen an seinem Adventkalender aufgemacht hat, ruft er dem Brüderchen zu: „Schau mal, was für ein schönes Bild!“ Aber das Brüderchen sitzt nur auf dem Boden und zermatscht eine Birne. Valentin schaut das größte Türchen an, auf dem 24 steht, und seufzt: „Ich wünschte, es wäre schon Heiligabend!“ „Ist das dein Wunsch?“, piepst das Engelchen. „Nein!“, ruft Valentin erschrocken. „Ich möchte doch vorher noch Geschenke basteln! Und beim Krippenspiel der Hirte sein! Und noch tausend andere Sachen!“

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Am nächsten Tag werden Kekse gebacken. Valentin darf nur drei Vanillekipferl kosten, dann ruft Mama schon: „Schluss jetzt, sonst haben wir zu Weihnachten keine mehr!“ Dann geht sie ins Badezimmer, um das Brüderchen zu wickeln. Valentin murmelt: „Ich wünschte, ich dürfte die Kekse jetzt alle auf einmal essen!“ „Ist das dein Wunsch?“, piepst das Engelchen. „Nein!“, ruft Valentin erschrocken. „Dann wären sie ja alle weg! Und ich hätte Bauchweh.“


Heute sind Oma und Opa zu Besuch! Sie wollen eine kleine Adventfeier machen. Oma spielt Klavier, Opa Gitarre, und Valentin möchte singen: „Oh Tannenbaum, oooh –“ Da fängt das Brüderchen an zu schreien. „Ich wünschte, das Brüderchen wäre jetzt dort, wo der Pfeffer wächst!“, grollt Valentin. „Ist das –“, hört er es piepsen und ruft schnell dazwischen: „Auf gar keinen Fall!“ Er weiß zwar nicht genau, wo der Pfeffer wächst. Aber richtig weit weg ist das bestimmt, wahrscheinlich in Afrika! Und so gut fände er das dann doch nicht, wenn das Engelchen sein Brüderchen dort hinschicken würde.

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Endlich ist Heiligabend! Valentin hat ein ganz glitzeriges Gefühl im Bauch. Nachdem er seine Geschenke ausgepackt hat, denkt er nach: Er hat lauter wunderschöne Sachen bekommen, aber was hat ihm wohl das Engelchen gebracht? Das Brüderchen hat inzwischen eine Brezel entdeckt, die am Christbaum hängt. Es reckt und streckt sich, um die Brezel zu erreichen, es hält sich an einem Ast fest – und plötzlich steht es auf!


„Brüderchen!“, jubelt Valentin. „Bald kannst du gehen!“ Und bald, das weiß Valentin ganz genau, wird er mit dem Brüderchen ein Bausteinschloss bauen können. Und Autorennen veranstalten! Als er ein glockenhelles Kichern hört, schaut Valentin zum Fenster. Dort kann er gerade noch einen weißen Schimmer sehen, und wusch! – schon ist das Engelchen verschwunden.

Text und Fotos: Lisa Blocher

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Tiere im

Schlaue Seiten Was macht der Frosch Patschi im Winter? Saust er mit seinen Eislaufschuhen über den zugefrorenen Teich? Nein, Frösche halten Winterstarre! Die Blätter fallen von den Bäumen, und die Tage werden kürzer: Der Frosch Patschi weiß, dass dann bald der Winter kommt. Jeden Herbst versteckt er sich im Schlamm, unter einem Laubhaufen oder in einem Erdloch. (Wasserfrösche können den Winter auch auf dem Grund des Teichs verbringen.) Wenn Patschi die warmen Strahlen der Sonne fast nicht mehr spüren kann, wird auch sein Körper ganz kalt und starr. Erst im Frühling, wenn die Blumen sprießen, beginnt er sich wieder zu bewegen.

Was macht das Eichhörnchen Purzelchen im Winter? Sitzt es im Schaukelstuhl und strickt sich einen warmen Schal? Nein, Eichhörnchen halten Winterruhe!

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Das Eichhörnchen Purzelchen sammelt im Herbst fleißig Futter, zum Beispiel Tannenzapfen, Hagebutten und…(?) natürlich Nüsse! Im Winter wacht es immer auf, wenn es Hunger hat, und nascht von seinen Vorräten. An schönen Wintertagen schlüpft Purzelchen auch manchmal aus seinem Nest und sucht nach den Leckereien, die es in Erdlöchern oder in hohlen Baumstämmen versteckt hat. Seine feine Schnuppernase zeigt ihm den Weg, und sein dickes Winterfell hält es warm. Vielleicht triffst du beim Spazierengehen einmal Purzelchen auf der Suche nach seinen verborgenen Schätzen?


Winter Was macht der Igel Gucki im Winter? Baut er vielleicht im Garten einen schönen Schneeigel? Nein, Igel halten Winterschlaf! Vor dem Winterschlaf muss Gucki sich kugelrund fressen, damit er es dann so lange ohne Futter aushält. Sobald es richtig kalt wird, sucht sich der Igel einen Laubhaufen, rollt sich darunter zusammen und schläft ein. Sein Herz schlägt dann ganz langsam, und er atmet auch nur noch selten. Wenn du draußen einen Blätterhaufen entdeckst – wer weiß, vielleicht schlummert darunter Gucki und träumt etwas Schönes? Schau aber lieber nicht nach, denn ein Tier, das Winterschlaf hält, sollte man nicht stören.

Was macht die Schwalbe Minna im Winter? Nascht sie am Christkindlmarkt von den Lebkuchen? Nein, Schwalben sind Zugvögel und fliegen in den Süden!

Im Winter finden die Vögel keine Krabbeltierchen mehr als Futter, aber manche bleiben trotzdem hier und fressen dann eben Samen und Körner. Die kleinen Meisen freuen sich zum Beispiel sehr, wenn du für sie ein Vogelhäuschen aufhängst! Die Schwalbe Minna mag aber nur Fliegen, Würmer und ähnliche Tierchen verspeisen. Des-

Text: Lisa Blocher Illustration: Lisa und Julia Blocher

wegen fliegt sie mit ihren Freunden in das warme Afrika, wenn es bei uns kalt wird. Aber wie finden die Vögel dorthin? Man weiß nicht ganz genau, wie sie das schaffen; vielleicht zeigen ihnen die Sonne und die Sterne den Weg. Alte Vögel erinnern sich wahrscheinlich auch daran, über welche Berge und Wälder sie das letzte Mal geflogen sind.

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Zippel - Zappel

Winterliches

Fünf Engerl Das erste Engerl bringt Licht in den Raum. Das zweite Engerl bringt den Tannenbaum. Das dritte Engerl hängt den Schmuck daran. Das vierte Engerl zündet die Kerzen an. Und das fünfte Engerl schnell läutet mit dem Glockerl hell.

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Allerlei

Das gierige Kätzchen In der Küche auf dem Tisch steht ein Topf mit Milch ganz frisch. (Die linke Hand formt den „Topf“.) Kätzchen will sich dran erlaben, (die rechte Hand krabbelt als „Kätzchen“ herbei) von der süßen Milch was haben. Steckt das Köpfchen in das Töpfchen (Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand werden in den „Topf“ gesteckt) und trinkt und trinkt. (Die zwei Finger im „Topf“ bewegen sich auf und ab.)

Aber ach, ojemine: Köpfchen will nicht in die Höh! (Die zwei Finger werden von der Faust festgehalten.) Mit dem Töpfchen auf dem Köpfchen läuft das Kätzchen in den Schnee. (Die rechte Hand krabbelt herum, die zwei Finger werden immer noch umklammert.) Und zieht und zieht. (Die zwei Finger versuchen sich aus der Faust zu befreien.) Ward ein großer Stein gelegen, Kätzchen stößt genau dagegen. (Die Faust stupst gegen den Arm des Kindes.) Und das Töpfchen geht entzwei: (die Faust wird geöffnet) Mietzekatz ist wieder frei! (Die „Kätzchen“-Hand krabbelt fröhlich herum.)

Text: Lisa Blocher Illustration: Lisa und Julia Blocher

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Märchen Die Schneekönigin Ein Märchen von Hans Christian Andersen

VElfen noch sichtbar waren, da lebten

or vielen, vielen Jahren, als Geister und

in einer großen Stadt ein kleines Mädchen namens Gerda und ein kleiner Junge namens Kay. Die beiden waren die besten Freunde und Spielgefährten und hatten einander so lieb, als wären sie Bruder und Schwester.

An einem klirrend kalten Wintertag, als Gerda und Kay am großen Stadtplatz mit ihren Rodeln spielten, kam plötzlich ein riesiger Schlitten angefahren, der aussah, als wäre er ganz aus Eis. Darin saß eine wunderschöne Frau in einen dicken Pelzmantel gehüllt. Alle Kinder bewunderten diesen Schlitten, weil er so prächtig, so groß und so schnell war. Kay war der Kühnste unter ihnen. Auf seiner Rodel sitzend hielt er sich am großen Schlitten fest, als dieser an ihm vorbei sauste, und ließ sich ziehen.

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Immer schneller wurde der große Schlitten. Immer weiter entfernte er sich von den Kindern und fuhr auch schon zur Stadt hinaus. Gerda rief verzweifelt hinterher: „Kay! Lass los!“ Doch Kay hörte sie schon gar nicht mehr und ließ sich weiter ins Land hinaustragen. Irgendwann blieb der große Schlitten stehen. Die arme Gerda war schrecklich traurig über Kays Verschwinden. Als der Frühling endlich kam, war Kay noch immer nicht zurück. Verzweifelt fragte Gerda die Sonne: „Ist Kay etwas Schlimmes zugestoßen?“ Doch die Sonne antwortete: „Das glaube ich nicht.“ Gerda lief hinaus aus der Stadt, um den Fluss zu fragen: „Lieber Fluss, weißt du, wo Kay ist?“ Und der Fluss schien mit seinen Wellen zu nicken. Also stieg Gerda in ein Boot, das am Ufer lag, und ließ sich von den Wellen flussabwärts treiben. Als das Boot schließlich ans Ufer stieß, kletterte das kleine Mädchen heraus und ging, wohin seine Füße es trugen, in der Hoffnung, eine Spur von Kay zu finden.

Die schöne Frau blickte den Jungen an. „Kay, du frierst ja! Komm doch unter meinen warmen Pelz.“ Und Kay kroch unter ihren Mantel. Jetzt sah er die Frau aus der Nähe. Ihre Haut war glänzend weiß, ganz so, als wäre sie aus Eis und Schnee – es war die Schneekönigin. Der Schlitten setzte sich wieder in Bewegung, begann zu fliegen und brachte Kay fort.

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Viele Tage wanderte Gerda, ohne einem einzigen Geschöpf zu begegnen. Der Frühling und der Sommer vergingen, und schon begannen sich die Blätter an den Bäumen zu verfärben. Da flog eine Krähe herbei. „Liebe Krähe, weißt du, wo Kay ist?“ Das kleine Mädchen erzählte dem Vogel seine ganze Geschichte. Und tatsächlich, die Krähe kannte Kay: „Krah, krah, dein Kay wohnt im Schloss, bei der Prinzessin!“

Also ließ sich Gerda von der Krähe ins prächtige Schloss führen.

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Doch der Junge, der bei der Prinzessin wohnte, ähnelte Kay nur ein kleines bisschen. Da weinte Gerda und erzählte ihre Geschichte. Die Prinzessin hatte Mitleid mit dem kleinen Mädchen und überließ ihm für die Weiterreise eine goldene Kutsche, deren Inneres aus Zuckerwerk und Früchten gemacht war.

Mit neuem Mut ließ sich Gerda von der Kutsche über Stock, Stein und Weg fahren, bis in den tiefen, dunklen Wald hinein.

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Doch da die Kutsche ganz aus Gold war, lockte sie Räuber an, die das prächtige Gefährt sogleich entführten.

Die Räuberhauptfrau wusste nicht so recht, was sie mit dem kleinen Mädchen anstellen sollte. Doch ihre Tochter wünscht sich Gerda als Spielgefährtin.

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Und so schleppte das Räubermädchen unsere Gerda in seine Spielhöhle, wo schon hundert Tauben und ein Rentier in Gefangenschaft leben mussten. Unsere kleine Heldin erzählte abermals ihre Geschichte. Darauf gurrten die Tauben: „Wir haben Kay gesehen! Er flog mit der Schneekönigin hinauf nach Lappland.“ Und das Rentier röhrte: „Ich bin in Lappland aufgewachsen und weiß, wo die Schneekönigin wohnt!“

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Da bekam das Räubermädchen Mitleid mit Gerda und schenkte ihr und dem Rentier die Freiheit, damit das kräftige Tier das kleine Mädchen nach Lappland bringen konnte. Gerda setzte sich also auf den Rücken des Rentiers und drückte sich ganz tief in sein warmes Fell. So zogen sie Richtung Lappland. Das Rentier lief, so schnell es seine Beine trugen, nach Norden, immer der Kälte entgegen. Endlich kamen sie an die Grenzen des Reiches der Schneekönigin.

Den Rest des Weges musste Gerda nun alleine zurücklegen. Ein eisiger Schneesturm blies ihr entgegen und ließ sie erschauern. Doch die Gedanken an ihren lieben Kay erwärmten ihr Herz. Jeder Schritt kostete sie Mühe und Kraft, doch schließlich konnte sie das Schloss der Schneekönigin betreten.

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Es schien leer und verlassen zu sein. Die Schneekönigin war ausgeflogen, um die Berge im Süden zu beschneien. Die Hallen des Schlosses waren ganz aus Eis und so kalt, dass sie klirrten. Endlich erblickte Gerda in einem der Säle ihren Kay. Sie lief auf ihn zu, schlang ihre Arme um ihn und freute sich so sehr darüber, ihren Spielgefährten wieder gefunden zu haben, dass sie weinte. Kay reagierte zuerst nicht. Doch als die heißen Tränen der besten Freundin seine Haut berührten, schmolz der kleine Eiskristall, der von der Schneekönigin in sein Herz gesetzt worden war.

Er sollte Kays Herz verzaubern und ihn all seine Lieben vergessen lassen. Jetzt aber erinnerte er sich wieder und umarmte Gerda seinerseits. Beide waren glücklich, einander endlich wiederzuhaben. Rasch entflohen sie dem Eisschloss und dem Reich der Schneekönigin. An dessen Grenze hatte das treue Rentier gewartet, um die beiden nun zu ihrer Heimatstadt zurückzubringen. Groß war die Freude der Eltern, als sie ihre Kinder endlich wiederhatten. Und als sie Kay und Gerda fest in die Arme nahmen, waren all das Eis und die klirrende Kälte bald vergessen. Text: Nancy Mertins Illustration: Petra Kaindel

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Kannst du das finden?


Bild: Elisabeth Hofbauer

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Erlebnisgeschichte Anna und Marie rodeln

Endlich hat es genug geschneit, sodass Anna und Marie zusammen mit ihren Eltern rodeln gehen können!

Zuerst teilt sich Anna mit Mama eine Rodel, und Papa nimmt die kleine Marie auf den Schoß. „Baaaahn freiiii!“, schreien Anna und Mama, als sie den Hügel hinunter sausen. „Huuuiiiii!“, rufen Marie und Papa und sausen hinterher.

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Den Hügel wieder hinaufzusteigen ist ganz schön anstrengend. Marie darf sich auf die Rodel setzen und wird von Papa gezogen. Das will Anna auch! Aber Mama sagt: „Du bist doch schon groß und auch zu schwer für mich.“ Das ist ungerecht! Diesmal sitzt Anna mit Papa zusammen auf der Rodel. Papa fährt richtig wild und bremst fast gar nicht! Trotzdem macht es Anna keinen so großen Spaß mehr. Sie ist immer noch beleidigt. Unten angelangt fragt Papa: „Wollen wir Mama und Marie einen Streich spielen?“

Au ja! Schnell werfen Anna und Papa ihre Rodel um und legen sich daneben in den Schnee. Als Mama und Marie bei ihnen ankommen, fragt Mama gleich: „Oje, seid ihr umgefallen? Ist etwas passiert?“ Da springen Anna und Papa auf und rufen: „Reingefallen!“ Mama und Marie lachen.

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Jetzt wollen Mama und Papa noch einen Spaziergang machen. Anna und Marie laufen voraus. Als sie an eine Stelle kommen, an der ganz viel Schnee liegt, hat Anna eine Idee. Sie fragt ihre kleine Schwester Marie: „Wollen wir jetzt Mama und Papa einen Streich spielen?“

Au ja! Marie legt sich in den tiefen Schnee, und Anna gräbt sie ganz ein. Nur Maries Gesicht ist noch zu sehen, aber da legt Anna ihre Handschuhe drauf.

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Als Mama und Papa näher kommen und Anna ganz allein da stehen sehn, fragen sie erstaunt: „Wo ist denn Marie?“


Bevor sie sich aber richtig Sorgen machen, zieht Anna schnell ihre Handschuhe weg. Jetzt guckt Maries fröhliches Gesicht aus dem Schnee hervor. „Reingefallen!“, rufen Anna und Marie.

Mama und Papa lachen und graben Marie wieder aus. Ihr ganzer Overall ist voller Schnee, sie sieht fast so aus wie ein kleiner Schneemann.

„Jetzt müssen wir uns aber aufwärmen!“, sagt Papa, und sie gehen alle in ein Gasthaus. Anna und Marie bekommen heiße Schokolade. Mit Schlagobers. Und Schokostreuseln oben drauf! Mmmmh…

Text: Lisa Blocher Illustration: Harald Dersch

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Basteltipp Das Knusperhäuschen

Es hat die beiden kleinen Leut‘ der erste Schnee gar sehr erfreut. Sie haben eine Schneeballschlacht und eine Wanderung gemacht. Doch nun fängt’s wieder an zu schnei’n, sie schlüpfen in das Häuschen ‘rein. Dort ist’s schön warm, sie frieren nicht und staunen über’s Sternenlicht.

Um ein Knusperhäuschen zu basteln, braucht man: 1 halbe Zitrone Puderzucker 1 Borstenpinsel Marzipan 2 Mandeln 3 Stück Spekulatius 1 Stern oder Komet aus weißer Schokolade 1 Sieb

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Und so funktioniert’s: 1. Aus zwei Esslöffeln Puderzucker und einigen Spritzern Zitronensaft einen dickflüssigen Zuckerguss anrühren (das ist unser „Klebstoff“, der mit dem Pinsel aufgetragen wird).

2. Aus dem Marzipan zwei kleine Kugeln für die „Köpfe“ rollen. Die Spitzen der Mandeln mit Zuckerguss bestreichen und je eine Marzipankugel darauf stecken.

3. Zwei kleine Scheiben als „Sockel“ für die Figuren formen, die Mandeln hineinstecken und die Figuren nebeneinander auf einen Spekulatius kleben.

4. Die beiden übrigen Spekulatius an den Rändern mit Zuckerguss bestreichen und das Haus zusammenfügen. 5. Zum Schluss den Stern auf das Dach kleben und das Häuschen mit „Puderzucker-Schnee“ verzieren. (Tipp: Mit Marzipan in verschiedenen Farben lässt sich auch eine kleine „Knusperkrippe“ gestalten!) Fertig ist das süße Knusperhäuschen!

Text und Fotos: Lisa Blocher

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Minutengeschichten Heiße Kekse „Hört mal alle her!“, ruft Andrea den Kindergartenkindern zu. „Wir werden heute Kekse backen! Die könnt ihr dann morgen bei der Weihnachtsfeier eure Eltern kosten lassen. Jeder kann jetzt seine Schürze suchen gehen, die liegen schon bereit, zusammen mit dem Teig und einem Blech für jeden von euch.“ Steffi finde ihre Schürze schnell. Sie ist rot mit einem Hasen vorne drauf. Der Teig auf dem Tisch ist schon ganz dünn ausgerollt. Weihnachtsbäume, Glocken, Herzen – es dauert nicht lange, und Steffi hat das ganze Blech voller Kekse. Sie sind mit Rosinen, Mandeln und Zuckerperlen verziert. Zum Schluss wird das Blech in den Ofen geschoben. Nach ein paar Minuten stellt Andrea das fertige Blech zu den anderen – Steffi greift eilig nach einem Keks. „Au!“, schreit sie. Die Tränen schießen ihr in die Augen. „Oh nein! Steffi, die sind doch noch ganz heiß, das weißt du doch. Zeig mal deinen Finger her!“ Andrea bringt ihr ein paar Eiswürfel, die sie in ein Tuch gewickelt hat, und hält sie auf den Finger. Der pocht, als würde ständig jemand darauf klopfen. Kati, Steffis Freundin, kommt auf sie zu und tröstet sie. „Meine Kekse sind schon augekühlt!“, meint sie und gibt ihr ein gebackenes Engelchen. „Das schenke ich dir!“ Steffi beißt hinein. Hmm, ist das gut! Text: Katrin Winkler Illustration: Barbara Ecker

Wie kam der Schneemann zu seiner Karottennase?

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Es war zu einer Zeit, als noch keine Menschen auf der Erde zu Hause waren. Da gab es die Schneemänner schon. Allerdings sahen sie damals ein bisschen anders aus als heute. Zwar hatten sie zwei dunkle Steine zum Sehen, zwei große runde Kugeln als Körper und oft auch einen Besen in der Hand. Aber ihre Nase, die war ein kleiner runder Schneeball. Die Schneemänner waren eigentlich ganz zufrieden mit sich, es störte sie nur eines: dass ihre Nase beim kleinsten Sonnenstrahl zu tropfen anfing. In der Nähe der Schneemänner befand sich der Bau einer Hasenfamilie. Die Hasen und die Schneemänner waren gute Freunde, und so erzählten die Schneemänner von ihrem Problem. Als die Hasenfamilie die Karotten in ihrem Bau sahen, fiel ihnen ein, wie das Problem zu lösen war: Sie boten den Schneemännern ihre Karotten als Nasen an! Nun wollten die Schneemänner den Hasen auch eine Freude machen. Der kleinste Schneemann hatte eine Idee: „Wir schenken euch einfach unsere runden Nasen! Wir brauchen sie ja nicht mehr, und ihre könntet sie als Schwänzchen benutzen, dann können euch eure Feinde nicht mehr so leicht erkennen!“ Die Hasen waren begeistert und nahmen dankbar an. Von diesem Tag an trugen die Schneemänner Karotten als Nasen und die Hasen kleine weiße Schneebälle als Schwänze. Text: Melanie Sandner Illustration: Barbara Ecker


Das Schmökerschiff in Not „Juhu!“, ruft Amu Affe, „endlich gibt es Schnee!“ Tatsächlich: Über Nacht hat die Erde eine dicke weiße Schneedecke bekommen. „Es ist aber auch ganz schön kalt“, mein Saba Schildkröte und zieht den Kopf tiefer in ihren Panzer zurück. Amu und Kiki Känguru liefern sich schon eine wilde Schneeballschlacht. Wuzel Wiesel versucht inzwischen, das Schmökerschiff für unseren heutigen Ausflug flott zu machen – aber, oh Schreck, es kann sich gar nicht vom Fleck bewegen! Die Räder stecken im Schnee fest, und lange Eiszapfen hängen am Propeller, sodass er sich nicht drehen kann. Ich, Pippa Papagei, bin ganz aufgeregt und frage: „Was machen wir jetzt bloß? Wie sollen wir denn den Kindern neue Geschichten bringen, wenn das Schmökerschiff nicht starten kann?“ Die anderen sehen auch ziemlich ratlos aus. „Vielleicht können wir es zum See schieben? Dann könnte es dort auf dem Wasser fahren!“, schlägt Wuzel vor. „Aber Wuzel“, meint Saba, „der See ist sicher schon zugefroren. Auf dem kann man höchstens Schlittschuh laufen!“ Aufgeregt ruft Amu: „Schlittschuhe! Das ist die Idee!“ – „Schlittschuhe für das Schmökerschiff?“, frage ich verwirrt, „die gibt es doch sicher nicht in dieser Größe!“ Doch Amu hat gar keine richtigen Schlittschuhe gemeint, nur die Kufen, wie man sie unten auf Schlitten findet. Es dauert zwar eine Weile, bis wir zwei so große Holzbretter gefunden haben, aber sobald das Schmökerschiff auf seinen neuen Kufen steht, kann es sich problemlos über Schnee und Eis bewegen. „Das ist toll!“, ruft Kiki Känguru, „jetzt haben wir einen richtigen Schmökerschlitten!“ Text: Juliane Desch Illustration: Barbara Ecker

Rätsel Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, an dem ich entstanden bin. Draußen war es bitterkalt, und große Schneeflocken fielen vom Himmel, aber bei uns im Haus war es schön warm. Ich weiß noch gut, dass mich jemand von oben bis unten durchmassiert hat. Das war vielleicht angenehm! Dann wurde ich langsam hin und her gerollt, bis mir fast ein wenig schwindelig wurde. Nachdem ich vorsichtig gebogen wurde, schob man mich zusammen mit allen meinen Verwandten in einen kleinen Raum. Dort wurde uns langsam immer wärmer und nach einiger Zeit war ich nicht mehr so weich wie zu Beginn, sondern schön fest. In diesem Moment war ich ziemlich aufgeregt, da ich ahnte, dass ich bald ganz fertig sein würde. Am Ende rieselte noch dieser weiße Staub auf mich herab. Seitdem liege ich zusammen mit meinen Verwandten und Freunden in einer schönen Dose und wir warten gemeinsam auf den großen Tag. Da! Eine kleine Hand greift schon gierig nach mir, aber plötzlich höre ich jemanden rufen: „Nein, jetzt wird nicht genascht, sonst haben wir ja zu Weihnachten nichts mehr!“ Vanillekipferl Text: Melanie Sandner Illustration: Barbara Ecker

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Vorlesegeschichte Das Weihnachtswunder „Erzähl mir eine Geschichte“, bat Paula. „Worüber?“, fragte Jonathan. „Du weißt doch alles“, sagte Paula. „Na gut, lass mich überlegen“, antwortete Jonathan. Die beiden saßen auf dem Fensterbrett und blickten in den Garten. Dicke weiße Schneeflocken fielen vom Himmel auf die Wiese. „Immer“, begann Jonathan mit ernsthafter Stimme, „wenn es anfängt zu schneien, bedeutet das für die Menschen eine ganz besondere Zeit. Denn vor vielen, vielen Jahren ist in unserem Dorf etwas Außergewöhnliches geschehen, als der erste Schnee fiel. Es war ein sehr warmes und trockenes Jahr gewesen, und bis weit in den Dezember hinein hatte es kaum geregnet, geschweige denn geschneit. Die Kinder waren besonders traurig deswegen, weil sie weder Schlittenfahren gehen, noch Schneeballschlachten machen konnten. Außerdem war es allen ganz und gar unweihnachtlich zumute. Die Leute wollten Schnee. Nur widerwillig schmückten sie ihre Häuser und bereiteten das Weihnachtsfest vor. Und weil das alles so traurig war, hatte der alte Mathias eine Idee. Einen Tag vor Weihnachten brachte er am Dorfplatz einige Tische und Bänke zusammen und dekorierte sie besonders festlich. Die Frau vom Mathias kochte, briet und buk was ihre Küche hergab. Alles wurde aufgetischt, und der

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Mathias lud die Leute aus dem Dorf zu einem Weihnachtsessen ein. Es war auch eine ganz gemütliche Runde, und die Leute erfreuten sich ein wenig an dem schönen Essen. Und weil es so warm war, konnten sie den ganzen Nachmittag am Dorfplatz in der Sonne sitzen. Als es Abend wurde und die Menschen nach Hause gehen wollten, hatte der


dert und verstanden nicht, was gemeint war. „Warte!“, riefen sie dem Mathias hinterher, der schon auf dem Heimweg war. „Was sollen wir damit anfangen?“ Und ohne ein Wort zu sagen öffnete der Mathias sein Säckchen, seine Frau tat es ihm gleich, und sie hielten die offenen Säckchen über ihre Köpfe, sodass Daunen, leicht wie Schneeflocken, über sie regneten. „Schnee“, rief der Mathias und ging lachend mit seiner Frau davon. Die Leute waren sehr aufgeregt. Sie fühlten sich vom Mathias auf den Arm genommen. „Was für ein übler Scherz“, dachten sie. Was sollten sie mit einem Sack voll Daunen, der ersetzte ihnen den Schnee auch nicht. Ein paar Daunen auf dem Kopf bringen keine weihnachtliche Stimmung! Enttäuscht gingen sie nach Hause. Aber als die Leute so in ihren Betten lagen, da wurde ihnen irgendwie ganz schwer ums Herz. Sie wünschten sich so sehr ein weißes Weihnachtsfest, dass sie, einer nach dem anderen, ihre Daunensäckchen hervorholten und es wenigstens für kurze Zeit über ihren Köpfen schneien ließen. So schliefen dann die Leute ein, ein wenig unzufrieden mit der Situation und mit sich selbst und mit einer großen Sehnsucht nach echtem Schnee. Während sie schliefen fing es draußen ganz langsam und leise tatsächlich zu schneien an. Und erst am nächsten Morgen bemerkten die Menschen, was geschehen war.“

alte Mathias noch eine Überraschung für sie. Er und seine Frau teilten kleine weiße Säckchen aus. Jeder bekam so eines in die Hand. Die waren weich gefüllt, wie kleine Kissen. „Was ist das, was sollen wir damit?“ , wollten die Leute wissen. „Seht hinein“ , sagte der Mathias nur, „ich habe euch das geschenkt, was ihr euch so dringend gewünscht habt.“ Die Leute aber waren verwun-

„Was ist daran besonders?“, fragte Paula, „es schneit doch oft zu Weihnachten.“ „Das ist wahr“, sagte Jonathan, „aber das eigentliche Wunder an diesem Weihnachtstag ereignete sich woanders. Die Leute waren zwar etwas erstaunt darüber, dass es plötzlich geschneit hatte, aber sie dachten nicht daran, dass die Daunensäckchen etwas damit zu tun gehabt hatten, und so freuten sie sich über den frischen Schnee. Sie konnten doch noch einen weißen Heiligabend verbringen. Alles war in Vorbereitung, Christbäume wurden herangeschleppt und geschmückt, Geschenke wurden verpackt und in den Küchen

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wurden herrliche Mahlzeiten zubereitet. Und dann, als alle in ihren warmen Stuben saßen, zufrieden und glücklich, geschah etwas, was noch niemals zuvor bemerkt worden war. Der Mathias und seine Frau waren gerade von der Weihnachtsmette heimgekehrt, als sie in ihrem Stall eine Unruhe bemerkten. Das wollte der Mathias dann genauer wissen, denn normalerweise schliefen die Tiere um diese Zeit, es war ja schon nach Mitternacht. Es war dem Mathias, als würde er Stimmen hören. Da würde doch keiner zu Weihnachten seine Gänse stehlen wollen? Aber nein, nicht nur die Gänse, sondern auch die Kühe und der alte Gaul schienen sich mächtig aufzuregen. Wer war denn da in seinem Stall? Aber als der Mathias die Tür öffnete und mit seiner Laterne den Stall ausleuchtete, da konnte er niemanden sehen. Die Tiere waren auf ihren Plätzen, und es war auch wieder ganz still geworden. Aber er traute der Ruhe nicht. Er rief seine Frau, sie solle ihm die Laterne halten, damit er in den Winkeln den Einbrecher suchen könne. „Das gibt es doch nicht, da ist keiner, aber ich habe doch jemanden gehört!“, schimpfte der Mathias. „Vielleicht ist er wieder davongelaufen“, meinte seine Frau. „So ein übler Kerl, bricht an Heiligabend in fremde Höfe ein, was soll denn das!“, rief der Mathias. Er wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Da hörte er plötzlich jemanden sagen: „Dir, Mathias, hat niemand etwas gestohlen, aber uns!“

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„Wer spricht da, komm raus, du!“, rief der Mathias. „Du hast uns unsere weichen Daunen weggenommen, Mathias, aus Eitelkeit, weil du wolltest, dass es ein wenig schneit für euch Menschen“, sagte die Stimme. Mathias erschreckte sich sehr über das, was die Stimme ihm da sagte. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, wer da mit ihm sprach. Aber seine Frau war schon zu den Gänsen gegangen, und da musste sie vor Freude und Erstaunen lachen. „Mathias, mein Lieber, das waren die Gänse!“, rief sie, „Die Gänse können sprechen, kannst du das glauben!“ Mathias konnte es nicht glauben, aber es war wirklich so. Und nach und nach fingen nun auch die anderen Tiere zu sprechen an. Ein richtiges Stimmengewirr herrschte im ganzen Stall. „Das muss ein Weihnachtswunder sein“, stellte Mathias nach einiger Zeit fest. Und wahrhaftig, es war das wunderbarste Weihnachtswunder, das da im Stall vom Mathias passiert war. Doch weil es Mitternacht war, konnte Mathias nicht zu den Leuten laufen um es ihnen zu erzählen. Er und seine Frau unterhielten sich die ganze Nacht mit den Tieren. Die Tiere waren glücklich, dass ihnen endlich jemand zuhörte. Sie erzählten von Dingen, die sie erlebt hatten, sie erklärten den beiden Menschen, wie sie sich am wohlsten fühlten und was die Menschen für die Tiere tun könnten. Die Gänse gaben gerne ihre Daunen her, wenn sie dafür feinen Mais bekämen. Der alte Gaul klagte über seinen schwachen Rücken, und der Mathias versprach ihm, ihn im nächsten Jahr zu schonen. Nur die Kühe lobten die Frau vom Mathias dafür, dass sie


sie jeden Tag so fleißig gemolken hatte. Am nächsten Morgen, als Mathias den Leuten von dem Wunder erzählen wollte, überlegte er einen Augenblick und erkannte, dass die Leute ihm das Wunder niemals glauben würden. Wie sollte er den Menschen sprechende Tiere erklären, wenn er sie ihnen nicht zeigen konnte. Denn als der Tag hereingebrochen war, waren die wunderlichen Tierstimmen nicht mehr zu hören.

Der Mathias wartete und wartete, und er hoffte jeden Tag, dass sich das Wunder wiederholen würde, denn dann könnte er es den anderen Menschen zeigen. Aber es passierte nichts. Der Frühling kam und der Sommer, die Tiere sprachen nicht. Da kam der Winter, und der Mathias hatte schon alle Hoffnung aufgegeben. Doch als es wieder Weihnachten war, da ging der Mathias abends in den Stall und erinnerte sich ein wenig traurig an das Wunder vom letzten Jahr. Und siehe da, als die Glocken Mitternacht schlugen, geschah es, dass die Tiere wieder zu sprechen anfingen. Für den Mathias war das so ein schönes Geschenk, dass er beschloss, es für sich zu behalten. Er würde mit diesem Geheimnis alt werden, sagte er sich. Und diejenigen, die offenen Herzens und guten Mutes sind, die werden das Weihnachtswunder schon ganz von allein erfahren. Und seit dieser denkwürdigen Nacht gehen die Menschen an Heiligabend in ihre Ställe, in der Hoffnung, dass sie die Tiere zu Mitternacht sprechen hören.“ Damit schloss Jonathan seine Geschichte. Draußen schneite es noch immer, der Garten war ganz weiß. Jonathan blickte zu Paula, die sich schnurrend auf dem Fensterbrett eingerollt hatte. Er lächelte zufrieden und legte sich daneben.

Text und Illustrationen: Regina Bayerl

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Schmökerspaß Es wird Winter Pippi Langstrumpf feiert Weihnachten – Astrid Lindgren Alle Kinder des kleinen Städtchens sind fröhlich, weil Weihnachten ist. Alle? Nein! Pelle, Bosse und Inga sind ganz unglücklich, weil ihre Mama ausgerechnet an Heiligabend ins Krankenhaus muss und ihr Papa als Seemann auf hoher See ist. Was für ein schrecklich trauriges Weihnachtsfest, ohne Geschenke und Plätzchen. Doch was poltert da im Treppenhaus? Es ist Pippi Langstrumpf mit ihrem Affen Herrn Nilsson und dem Kleinen Onkel, ihrem Pferd. Und Pippi hat wirklich an alles gedacht – sie trägt einen prächtig geschmückten Tannenbaum auf dem Kopf und bringt einen riesigen Sack voll mit köstlichem Essen und Geschenken mit. Weihnachten mit dem stärksten Mädchen der Welt ist genau so, wie man es sich vorstellt: Es wird viel gelacht, getanzt, und Pippi zaubert den drei Kindern einen unvergesslichen Heiligabend. Pippi Langstrumpf, das freche Mädchen aus der Villa Kunterbunt, schafft es, drei traurige Kinder an Weihnachten glücklich zu machen und zeigt, worauf es bei diesem Fest wirklich ankommt: auf das Teilen und das gemeinschaftliche Miteinander. Die Bilder von Katrin Engelking sind witzig und bunt, genau wie das von Astrid Lindgren erschaffene Trio. Dieser Kinderbuchklassiker eignet sich ideal, um den Kindern die Wartezeit auf Weihnachten zu verkürzen. Für Mädchen und Jungen ab drei Jahren. (Oetinger, 2004) Die kleine Hexe feiert Weihnachten – Lieve Baeten

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Die kleine Hexe Lisbet ist ganz aufgeregt: Sie möchte nur noch den Tannenbaum schmücken und dann kann Weihnachten kommen! Doch ihr Vorhaben wird durch ein Klopfen an der Tür jäh unterbrochen. Wer das wohl sein mag? Es ist die Weihnachtshexe, die fürchterlich in Eile ist und die kleine Hexe bittet, auf ihre Nichte Trixi aufzupassen. Nun aber schnell den Baum hübsch machen und die Plätzchen in das Ofenrohr schieben, bis die Weihnachtshexe zurückkommt! Doch das gestaltet sich sehr schwierig, da es ununterbrochen an der Tür klopft. Das Haus ist bald voll mit Gestalten aus der Zauberwelt. Zum Glück kann die kleine Hexe zaubern und so wird alles rechtzeitig fertig. Die bunte Gruppe verbringt einen herrlichen Weihnachtsabend und als sich wieder alle verabschiedet haben, klopft es noch ein letztes Mal an der Haustür – wenn das nicht die Weihnachtshexe ist! Die Geschichte der kleinen Hexe rückt das Wesentliche der Adventszeit in den Fokus: Das größte Geschenk ist es, für einander da zu sein und sich für seine Lieben Zeit zu nehmen. Die Illustrationen zaubern einen Hauch weihnachtlicher Magie und daher darf dieser Klassiker unter keinem Weihnachtsbaum fehlen. Für besonders viel Lesespaß ist das Bilderbuch auch als Pop-Up-Buch erhältlich. Geeignet für Kinder ab drei. (Oetinger, 1996)


Das Schlittschuhrennen – Kate Westerlund Der Winter ist da und die Aufregung bei den Tieren im Dorf ist groß: Das alljährliche Schlittschuhrennen naht! Eichhörnchen, Kaninchen und Schildkröte diskutieren schon vor dem Rennen hitzig, wer denn diesmal gewinnen wird. An einem besonders winterlichen Tag ist es dann endlich soweit: Katze, Hase, Maus und Wolf haben sich um den See versammelt, und die Läufer sind ganz aufgeregt. Das Eichhörnchen schlägt während des Rennens in seinem Notizbuch nach, wie es am besten gewinnen könnte. Leider ist es so in seine Aufzeichnungen vertieft, dass es eine Kurve übersieht, schnurstracks auf das dünne Eis gerät und im See einbricht. Die Schildkröte versucht zu helfen – vergeblich. Das schnelle Kaninchen, das bereits kurz vor dem Ziel ist, blickt sich um und sieht das Unglück. Es fährt sofort zurück und dank seiner Hilfe kann das Eichhörnchen gerettet werden. Und so gibt es doch noch einen Helden des Tages! Kate Westerlund erzählt die Geschichte von ungleichen Freunden, die alle gerne mal der Sieger wären. Letztendlich jedoch lernen sie, dass man auf viele verschiedene Arten siegen kann und Hilfsbereitschaft und gegenseitige Unterstützung der größere Gewinn sind. Mit lebendigen Bildern von Eva Tharlet wird das Buch zu einer unterhaltsamen Lektüre für Kinder ab drei Jahren. (Minedition; 2010) Das Geheimnis im Winterwald – Carl Sams II. und Jean Stoick

Text: Ramona Huber

Allmählich wird es Winter im Wald, die Bäume verlieren ihre Blätter, und Schnee bedeckt die Wiesen. Die Vögel bemerken die Veränderungen zuerst und verkünden die Nachricht, dass ein Fremder im Wald ist! Eulen, Tauben und ihre gefiederten Freunde verfolgen seine Spuren im frisch gefallenen Schnee. Die Tiere des Waldes sind neugierig, wer der Fremde wohl sein mag, die Bisamratte jedoch behauptet, dass es ihn gar nicht gibt. Alle machen sich auf die Suche, Rehe und Eichhörnchen halten gemeinsam Ausschau nach dem geheimnisvollen Eindringling. Doch da! Mitten im Gebüsch steht eine eigenartige Kreatur. Ein Mann, ganz aus Schnee, mit einer roten Karotte im Gesicht – wer das wohl sein mag? Die Tiere sind verunsichert und niemand traut sich mit dem Unbekannten zu sprechen und sich ihm zu nähern. Die Meise jedoch nimmt ihren ganzen Mut zusammen und fliegt als Erste voraus... Die amerikanischen Naturphotographen Sams und Stoick erzählen mit ihren Bildern eine moderne Fabel, in der jedem Tier seine eigene Stimmer verliehen wird, und erhielten dafür zahlreiche Preise. Besonders schön ist die im Buch enthaltene Bastelanleitung für einen eigenen Schneemann. Die wunderschönen Naturbilder lassen das Buch zu einem Plädoyer für Umweltschutz werden, welches auch schon von den Kleinsten verstanden wird! Geeignet für Kinder ab vier Jahren. (Herder Verlag; 2009)

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Bild: Lisa Blocher


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