Frühling 2011
Schmökerschiff
Vorlesemagazin für Kindergartenkinder und Schulanfänger
Die Schmökerfreunde Wurzel Wiesel rufen mich
meine Freunde. Ich darf unser Schmökerschiff lenken. Deshalb muss ich immer die Augen offen halten und gut aufpassen. Wenn ich auf der Reise etwas Schönes sehe, mache ich ein Bild davon. Diesmal habe ich euch das Wimmelbild „Im Park“ (S. 30) und das Ausmalbild „Der freche Osterhase“ (S. 44) mitgebracht! Kiki Kanguru heiße ich. Damit uns auf unserer Reise niemals langweilig wird, habe ich in meinem Beutel immer ein paar Bücher dabei. Drei meiner Lieblingsgeschichten sind die Bilderbuchgeschichte „Der SchmiSchma-Schmetterling“ (S. 4), die Erlebnisgeschichte „Julia auf dem Ostermarkt“ (S. 32) und die Vorlesegeschichte „So geht’s zu im Hühnerstall“ (S. 40)!
Saba Schildkröte
nennt man mich, und ich bin schon mehrere hundert Jahre alt. In meinem langen Leben bin ich viel herumgekommen, habe Märchen aus aller Welt gehört und einiges gelernt. Diesmal erfahrt ihr von mir Interessantes zum Thema „Tierbabys - Nesthocker und Nestflüchter” (S. 20), und ich erzähle euch das Märchen „Die Schildkröte und der Geier“ (S. 24)!
Amu Affe , das bin ich! Mit meinen
geschickten Affenhänden führe ich euch Fingerspiele zum Thema „Tierisches Allerlei“ (S. 22) vor und zeige euch, wie man schöne Ostereierblumen basteln kann (S. 36)!
Pippa Papagei ist mein Name, und ich kann einfach nicht meinen Schnabel halten! Kurze Erzählungen sprudeln nur so aus mir heraus, und diesmal bekommt ihr von mir vier besonders schöne Minutengeschichten zu hören (S. 38)! Außerdem gebe ich euch Büchertipps für noch mehr Schmökerspaß (S. 42)!
Wir fünf freuen uns sehr darüber, dass du nun
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auch ein Schmökerfreund werden willst. Sei so lieb, und male ein Bild von dir in diesen Rahmen! Titelblatt und Illustrationen: Raffaela Bartik Text: Lisa Blocher
Willkommen Liebe Vorleserin, lieber Vorleser!
Liebe(r)
Fast alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder einmal eifrige Leser werden: Schließlich erweitert Lesen den Wortschatz, es fördert Kreatvität und Fantasie. Buben und Mädchen, die gerne lesen, tun sich in der Schule oft leichter als jene, die nie freiwillig ein Buch zur Hand nehmen. Man darf aber nicht vergessen, dass Lesen nicht nur nützlich ist, sondern auch richtig viel Spaß machen kann! Um das für sich zu entdecken, braucht Ihr Kind Ihre Hilfe. Die Fähigkeit zu lesen ist für ein kleines Kind noch eine geheimnisvolle Zaubermacht, mit der es nichts anzufangen vermag. Was Buben und Mädchen in diesem Alter jedoch bereits zu schätzen wissen, sind schöne und spannende Geschichten. Wie froh und dankbar wird Ihr Kind also sein, wenn Sie Ihre „Zaubermacht“ nutzen, um es jeden Tag für ein Weilchen (und seien es nur ein paar Minuten) in eine andere Welt zu entführen! Es wird kaum jemals nur passiv zuhören, wenn es eine anregende Geschichte vorgelesen bekommt, sondern Vergleiche zu seinen eigenen Erlebnissen ziehen, Fragen stellen, vielleicht selbst zu erzählen anfangen. Das Vorlesen wird zu einem besonderen Spiel zwischen Ihnen und Ihrem Kind, und bald werden Sie diese innige gemeinsame Zeit nicht mehr missen wollen. Die Wahl des richtigen Vorlesestoffs will Ihnen das Schmökerschiff erleichtern.
Meine Schmökerfreunde und ich hatten im Winter viel Spaß. Trotzdem freuen wir uns sehr darüber, dass jetzt endlich der Frühling da ist und wir auf unseren Reisen die warmen Sonnenstrahlen genießen können. Aber es gibt da so ein Sprichwort: Der April, der macht, was er will! Gerade noch war es warm und schön draußen, da wird es plötzlich wieder winterlich kalt. Das muss auch der kleine Schmetterling aus unserer Bilderbuchgeschichte erleben! Damit du keine schlechte Laune bekommst, wenn du wieder einmal an einem Regentag zu Hause sitzen musst, haben wir dir ganz viele Frühlingsgeschichten mitgebracht. Vor allem Geschichten über die Tiere, die sich genauso wie du darüber freuen, dass der Winter jetzt vorbei ist: Rehe, Füchse, Küken, Hasen… Aber du begegnest in unserer Zeitschrift auch Tieren, die man sonst nur im Zoo bewundern kann: Auf den Märchenseiten entführen wir dich nach Afrika zum Geier und zur Schildkröte, und Julia trifft auf dem Ostermarkt ein Krokodil. Möchtest du erfahren, wie sich Julia mit dem grünen Ungeheuer angefreundet hat? Und willst du herausfinden, was die vielen Tiere in unserer Zeitschrift noch alles erleben? Dann blättere schnell um, und schon beginnen die Schmökerabenteuer!
Vergnügliche Schmökerstunden wünscht Ihnen (Lisa Blocher, Chefredakteurin)
!
Viel Freude mit unserer Frühlingsausgabe wünscht dir dein
Schmökerschiff P.S. Kannst du die Bilder von all diesen Tieren finden: Adler, Affe, Amsel, Bär, Biene, Dinosaurier, Eichhörnchen, Floh, Fuchs, Gans, Geier, Hai, Hase, Huhn (Küken), Hund, Känguru, Katze, Kohlweißling, Krake, Krokodil, Kuh, Maulwurf, Maus, Mücke, Papagei, Pferd, Reh, Schaf, Schildkröte, Schwein, Stockente, Wiesel, Ziegenbock?
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Bilderbuch Der Schmi-Schma-
Schmetterling
Siehst du das Rรถllchen da am Ast, das lange schon dort hing? Wer ist denn drin in dem Kokon? Ein Schmi-Schma-Schmetterling!
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Kohlweißling heißt er, und er will jetzt endlich was erleben. „Bestimmt ist es schon warm“, denkt er, „ich möcht‘ so gerne schweben!“
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So lange war er eingesperrt, nun schlüpft er endlich aus. Und stolz streckt unser Schmetterling die weißen Flügel aus.
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Doch statt des warmen Sonnenlichts bemerkt das Falterkind nur schwarze Wolken und dazu noch eisigkalten Wind!
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Oje, er ist zu fr端h geschl端pft: Der Winter ist noch da. Und f端r den Schmi-Schma-Schmetterling bedeutet das: Gefahr!
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Die Flocken fall’n auf ihn herab, und dieser kalte Schnee tut unser’m kleinen Kohlweißling auf seinen Flügeln weh.
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Das Flattern fällt ihm bald schon schwer, mit allerletzter Kraft versteckt er sich in einem Wald und denkt dann froh: „Geschafft!“
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Doch wieder muss der Kohlweißling um seine Flügel bangen: Die Amsel hat ihn dort entdeckt und möcht‘ ihn gerne fangen!
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Der Schmetterling hat große Angst, versucht davonzufliegen. Der Vogel pfeift ihm hinterher: „Ich werd‘ dich schon noch kriegen!“ Da sieht der Schmetterling ein Nest, ein Eichhornkind wohnt hier. Es winkt dem armen Schmetterling und fragt: „Was ist mir dir?“
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„Ich friere“, klagt der Schmetterling, „und bin auch ganz allein!“ „Du Armer“, ruft das Eichhörnchen, „komm‘ bitte schnell herein!“
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Die Zeit vergeht fĂźr sie im Flug. Was glaubst du, was sie machen? Sie spielen Fangen und Versteck und viele and‘re Sachen!
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Da kommt Frau Biene zu Besuch, das kleine gelbe Tier. Sie summt und brummt ganz aufgeregt: „Was tut ihr denn noch hier?
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Das schlechte Wetter ist vorbei, der Himmel hell und klar. Kommt mit zur FrĂźhlingswiese, schnell! Dort ist es wunderbar.“
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Das Eichhorn und der Schmetterling, die eilen gleich hinaus. Mit all den Blumen sieht die Welt fast wie verzaubert aus!
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Für beide ist der Frühlingstag zum Spielen wunderschön. Komm‘ auch schnell in den Garten raus, vielleicht wirst du sie seh‘n!
Text: Lisa Blocher
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Tierbabys – und Nestflü
Schlaue Seiten
In dem Wald, da steht ein Haus, schaut ein … zum Fenster raus. (Das Reh) Im Mai oder Juni kommt das Rehkitz zur Welt, manchmal zusammen mit einem oder gar zwei Geschwisterchen. Gleich von Anfang an können kleine Rehe gut hören und sehen. Außerdem üben sie schon kurz nach der Geburt das Gehen, und nach zwei Tagen können sie schnell laufen! Deswegen nennt man sie Nestflüchter. © Hartmut Jungius
Doch wieso liegt das Kitz so einsam im Gras? Hat es etwa seine Mutter verloren? Nein, ein kleines Reh bleibt oft stundenlang alleine. Wegen der hellen Tupfen auf seinem Fell kann es sich gut auf einer Blumenwiese verstecken. Hunde, Wildschweine oder andere Tiere können das Rehbaby dann nicht sehen und auch nicht erschnuppern – Kitze riechen nämlich nach fast nichts! Und wie findet Mutter Reh ihr Junges? Ganz einfach: Das Kitz lockt seine Mama zu sich, indem es fiept. Wenn du ein kleines Reh im hohen Gras entdeckst, berühre es bitte nicht. Sonst erschreckt sich die Mutter vor deinem Menschenduft und traut sich vielleicht nicht mehr zu ihrem Kind.
© Hartmut Jungius
…, du hast die Gans gestohlen (Der Rotfuchs)
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© J. Stefan
Im März oder April bringen Fuchsmütter vier bis acht Welpen zur Welt. Stell dir vor – so ein neugeborenes Füchslein wiegt nur so viel wie ein Apfel! Am Anfang können Fuchswelpen noch gar nichts sehen. Sie müssen lange im Bau bleiben, wo sich ihre Eltern viel um sie kümmern – deswegen sagt man auch, dass sie Nesthocker sind. Erst nach zwei Wochen machen die kleinen Füchse die Augen auf und beginnen miteinander zu spielen. Ihr Fell war am Anfang noch graubraun, aber nun bekommt es die rötliche Farbe, die wir vom Fuchs kennen. Einen ganzen Monat lang müssen es die kleinen Füchse im Bau aushalten. Danach dürfen sie endlich ins Freie und sich in der Sonne balgen!
– Nesthocker üchter Alle meine… (Die Stockente) Stockenten nennt man die Enten, die du beim Spazierengehen im Park oft sehen kannst: Die weiblichen Enten sind braun und die Männchen haben grüne Köpfe. Ab März fangen die Entenweibchen an, sieben bis 16 Eier zu legen – aber jeden Tag nur eines. So will die Ente herausfinden, ob sie sich einen guten Platz für ihr Nest ausgesucht hat. Wenn die ersten paar Eier nicht von einem anderen Tier gestohlen wurden, dann weiß die Entenmama, dass ihr Nest in Sicherheit ist. © Frank Parhizgar
Wenn die Ente alle Eier gelegt hat, muss sie brüten…fast einen Monat lang. Dann ist ein leises Piepsen zu hören, und die Entchen wollen endlich hinaus! An ihrem Schnabelende haben die Küken eine Spitze, die man „Eizahn“ nennt. Damit können sie Löcher in die Schale picken. Trotzdem ist das Ausschlüpfen sehr anstrengend, und wenn die Kleinen endlich draußen sind, bleiben sie ganz erschöpft und verklebt liegen. Aber schon kurze Zeit später sehen die Entchen wie flauschige Bälle aus, und nach wenigen Stunden fangen sie an, herumzuwatscheln und zu schwimmen. Was glaubst du also, was Enten sind – Nesthocker oder Nestflüchter?
Kennst du noch andere Tiere, die schon kurz nach ihrer Geburt herumlaufen können? (Kälbchen, Meerschweinchen, Fohlen…) Und welche Tiere können noch nichts sehen, wenn sie gerade auf die Welt gekommen sind? (Kätzchen, Hausmäuse, Hamster…)
Text: Lisa Blocher Die Fotos wurden uns freundlicherweise vom WWF zur Verfügung gestellt. Der WWF schützt die Lebensräume von bedrohten Tieren auf der ganzen Welt und sorgt dafür, dass sie nicht übermäßig gejagt werden. Mehr Infos zu wilden Tieren findest du unter: www.wwf.at/kids
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Zippel-Zappel
Tierische s
Alle meine Fingerlein, sollen jetzt mal Tiere sein. Der Daumen ist das dicke Schwein, dick und fett und ganz allein! Der Zeigefinger ist der Ziegenbock mit dem langen Zottelrock. Der Mittelfinger ist das das stolze Pferd, von dem Reiter hoch verehrt. Der Ringfinger ist die braune Kuh, die macht immer: „Muh! Muh! Muh!“ Und unser kleines Fingerlein? Das soll unser Schäfchen sein! Alle Tiere laufen hopp, hopp, hopp! Laufen im Galopp-lopplopp! Laufen in den Stall hinein, denn es wird bald finster sein.
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Zuerst wird ein Finger des Kindes nach dem anderen hin und her bewegt. Bei „hopp, hopp, hopp“ und „Galopp-lopp-lopp“ hüpft die Eltern-Hand den ausgestreckten Arm des Kindes entlang. Gegen Ende wird die Stimme immer leiser, und die Eltern-Finger kuscheln sich zum Schluss in die Handfläche des Kindes – also in den „Stall“.
Allerlei Kommt ein Bär, der tappt schwer. Eltern-Hände „tappen“ den Körper des Kindes hinauf.
Kommt ein Mäuslein, baut ein Häuslein. Eltern-Finger krabbeln kitzelig die Seite des Kindes bis zur Achselhöhle hinauf; dann legen sich die gestreckten Finger an den Spitzen schräg zusammen und bilden ein „Häuslein“.
Kommt ein Mücklein, – sss – baut ein Brücklein. Finger kommen bei „sss“ angeschwirrt und legen sich dann gerade an den Spitzen als „Brücklein“ zusammen.
Kommt ein Floh – der macht SO!
Finger krabbeln bis zum Hals, springen plötzlich zur Nase des Kindes und kitzeln.
Text: Lisa Blocher Illustration: Lisa und Julia Blocher
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Märchen Die Schildkröte und der Geier
Wusstest du schon, dass Ghana ein Land in Afrika ist und dass man mit dem Flugzeug mehr als zehn Stunden braucht, um dort hinzugelangen?
(aus Ghana)
Nach Friedrich Becker (Hrsg.), Afrikanische Märchen, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1969
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or vielen, vielen Jahren, als Geister und Elfen noch sichtbar waren, da lebte ich im fernen Land Ghana. Ich war noch sehr jung, hatte allerlei Dummheiten im Kopf und sah vollkommen anders aus – kugelrund war ich damals noch. Ich hatte einen ganz dicken Bauch – nicht so flach, wie man ihn heutzutage von Schildkröten kennt –, und wenn ich meine Beine und meinen Kopf einzog, dann sah ich aus wie ein Ball. Mein bester Freund war der Geier. Wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander und waren im ganzen Tierreich für unsere Streiche bekannt.
Eines Tages lud ich den Geier zu meiner Geburtstagsfeier ein. Wir hatten auf dem Fest jede Menge Spaß. Zu essen aber gab es Suppe. Nur Suppe. Und ich sah meinem Freund an, was er dachte: „Suppe? Wieso nur Suppe? Es weiß doch jeder, dass ich nur Fleisch esse!“ Ich grinste ihn an, und da wusste der Geier, dass ich ihm einen Streich gespielt hatte. Aber er benahm sich vorbildlich und ließ sich nichts anmerken. Erst bei der Verabschiedung, nachdem er sich freundlich für das wundervolle Fest bedankt hatte, schwor er mir leise Vergeltung für diesen hinterlistigen Streich.
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Bald kam ein Tag, der sich für seine Rache anbot. Auch er lud mich zu seiner Geburtstagsfeier ein: „Liebe Freundin! Komm doch zu meinem Fest, du bist herzlich eingeladen!“ „Gerne!“, antwortete ich. „Wo findet denn dein Fest statt?“ – „Bei mir zu Hause, in der Krone des Kazaurabaumes!“, rief er aufgeregt und flog weiter, um anderen Freunden Bescheid zu sagen.
„Mein lieber Freund“, dachte ich, „das hast du dir ja schön ausgedacht! Lädst mich zu einem Fest auf den Kazaurabaum. Aber du weißt doch, dass ich nicht fliegen kann! Wie soll ich also zu deinem Fest gelangen?“ Das war die Revanche für das Suppenfest. Doch so einfach wollte ich ihm diese Rache nicht machen. Ich überlegte eine Weile, bis mich der Adler unterbrach: „Saba! Bist du auch zu dem Geburtstagsfest des Geiers eingeladen?“ Da kam mir eine Idee! „Ja, lieber Adler, das bin ich. Aber da ich nicht fliegen kann, werde ich dort nicht erscheinen. Wärst du vielleicht so freundlich und würdest mein Geschenk mitnehmen und es dem Geier an meiner statt überreichen?“ Der Adler war sofort einverstanden.
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Am Tag des Festes, kurz bevor der Adler kam, ließ ich mich von meiner Mutter in einen Lederbeutel einpacken – fertig war das Geburtstagsgeschenk! Ich schenkte mich also selbst und muss dabei ausgesehen haben wie ein Fußball.
Der Adler war pünktlich, nahm das Geschenk von meiner Mutter entgegen, packte es mit seinen riesigen Krallen und flog davon. Es schwankte gewaltig da oben in der Luft. Und je länger der Flug dauerte, desto mehr hörte ich den Adler stöhnen und fluchen: „Das Geschenk ist so schwer, dass ich es kaum tragen kann!“ Wir kamen aber beide heil bei dem Fest an, und der Adler überreichte dem Geier den gut verschnürten Lederbeutel. Neugierig packte dieser ihn sofort aus.
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„Saba!“, rief er ganz überrascht, als er mich darin entdeckte, „Jetzt hast du mich doch ausgetrickst!“ Ich grinste und freute mich, dass mir die Überraschung gelungen war. Der Adler nahm mir diese kleine List allerdings so übel, dass er sich weigerte, mich wieder nach Hause zu fliegen. Was sollte ich nun also tun? Nur der Adler war stark genug, um mich tragen zu können. Einer der anderen Gäste – hunderte Vögel unterschiedlichster Arten – hätte das niemals geschafft.
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Da hatte mein Freund eine Idee: „Liebe Gäste! Wenn jeder von euch der Schildkröte nur eine einzige Feder opfert, dann können wir ihr Flügel bauen, und sie kann selbst nach Hause fliegen.“ Die Gäste waren einverstanden, und jeder schenkte mir eine Feder. Jeder außer dem Adler, der war ja beleidigt. Und so klebten sie mir mit Honig die Federn an meinen Panzer. Das wurde ein prächtiges und buntes Federkleid!
Als die Flügel fertig waren, war ich so aufgeregt, dass ich sofort umhersprang und sie ausprobieren wollte. „Liebe Freundin!“, rief der Geier mir hinterher. „So warte doch, ich muss dir erst zeigen, wie man fliegt!“ Doch in meiner Freude hörte ich nicht auf den Geier und sprang vom nächsten Ast, breitete meine Flügel aus und flog – wie ein Stein. Der Wind hatte mir die Flügel sofort in Stücke gerissen, und nun fiel ich, schneller als gehofft, dem Boden entgegen, bis ich unsanft mit meinem Bauch auf der Erde aufprallte.
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Da lag ich nun, und die anderen Vögel schwebten majestätisch vom Baum und landeten elegant neben mir. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass es mir gut ging, fingen sie alle an, schallend zu lachen. „Wie du aussiehst!“, rief der Geier, „dein Bauch!“ Ich blickte an mir herunter und sah nun, was sie meinten. Mein Panzer! Er hatte den Sturz abgefangen, war nun aber auf der Vorderseite eingedrückt. Jetzt sah ich aus wie eine Halbkugel, meine schöne Kugelform hatte ich eingebüßt mit dieser Dummheit! Aber auch ich musste lachen: Das sah einfach zu komisch aus! So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen: eine Schildkröte mit flachem Bauch! Wie ihr sehen könnt, ist mir der Bauch erhalten geblieben. Hätte ich auf meinen Freund gehört und mir das Fliegen zeigen lassen, dann wäre mir dieser unangenehme Sturz erspart geblieben! Stattdessen erinnern nun alle Schildkröten dieser Welt – also meine Kinder und Kindeskinder, meine Enkel und Enkelsenkel – durch ihre Halbkugelform an diese Torheit.
Text: Nancy Mertins Illustration: Petra Kaindel
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Kannst du das finden?
Bild: Elisabeth Hofbauer
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Erlebnisgeschichte Julia auf dem Ostermarkt
Heute geht Julia mit ihrem Papa auf den Ostermarkt! In den Buden gibt es so viel zu sehen: Spielzeug, buntes Geschirr, Leckereien – und natürlich Ostereier.
Staunend steht Julia vor einer Pyramide, die ganz und gar aus bunt bemalten Eiern gebaut ist. Als die Verkäuferin ein besonders hübsches Ei ganz oben auf den Stapel legen will, rutscht es ihr aus der Hand und kullert zu Boden.
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Oje, jetzt hat das Ei ein kleines Loch! Aber das gemalte Bild darauf ist noch heil. „Das kann ich nicht mehr verkaufen“, sagt die Frau zu Julia, „ich schenke es dir!“ Julia strahlt. Dieses schöne Ei wird sie zu Hause gleich an den Osterstrauch hängen!
Danach kauft Papa an dem Stand süße Brezeln. Während Julia und Papa gemeinsam schmausen, spazieren sie über den Marktplatz und entdecken ganz hinten eine Kasperlbühne. Auf einem bunten Schild steht der Name des Theaterstücks, das gleich anfangen soll: „Der Osterhase und das böse Krokodil“.
Leider sind die Zuschauerbänke schon alle besetzt. Julia muss bei den Erwachsenen stehen, aber von dort aus kann sie die Bühne überhaupt nicht gut erkennen. Da hebt Papa sie hoch und setzt sie auf seine Schultern. Niemand hat jetzt so einen guten Ausblick wie Julia!
Eine lustige Melodie ertönt und der Vorhang hebt sich. Auf der Bühne sitzt der Osterhase und gähnt: Er ist ganz müde, weil er seinen schweren Eierkorb so weit geschleppt hat. Bald darauf ist er eingeschlafen und bemerkt gar nicht, dass das große, böse Krokodil heranschleicht!
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Die Kinder schreien, um den Hasen aufzuwecken, aber der schläft einfach zu fest! Schon nimmt das Krokodil den Eierkorb in sein riesiges Maul und schleppt ihn davon. Vor Aufregung klammert sich Julia mit aller Kraft an Papa fest. „Auweh!“, ruft Papa aus. „Lass noch ein paar Haare auf meinem Kopf!“
Zum Glück geht das Stück gut aus: Kasperl hilft dem Osterhasen, den Eierkorb zurückzuholen und das Krokodil zu verscheuchen. Die Zuschauer klatschen begeistert – da erleben sie noch eine Überraschung: Ein paar Leute kommen hinter der Bühne hervor und bringen die Kasperlfiguren mit!
Sofort drängen alle Kinder nach vorne, jeder will dem Kasperl die Hand schütteln oder den Osterhasen streicheln. Julia wartet und wartet, aber sie kommt einfach nicht an die Reihe! Da sieht sie eine Frau, die das Krokodil im Arm hält. Kein Kind wagt sich in seine Nähe, niemand möchte das Krokodil anfassen. Auf einmal tut es Julia leid.
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Zögernd geht Julia auf das Krokodil zu und krault es dann ganz vorsichtig am Kopf. Papa traut seinen Augen nicht, und das Krokodil klappert vor Freude mit dem Maul! Leider muss es gleich wieder zurück hinter die Bühne, denn die nächste Vorstellung fängt in wenigen Minuten an.
Als Julia sich nach ihrem Papa umdreht, entdeckt sie einen kleinen Buben, der auf einer Zuschauerbank sitzt. Seine Mama möchte nach hinten zu den anderen Erwachsenen gehen, aber der Bub klammert sich an ihrem Hosenbein fest. „Ich mag das böse Krokodil nicht sehen!“, ruft er.
Julia setzt sich neben den Buben und sagt zu ihm: „Von weitem sieht das Krokodil mit seinen großen Zähnen ganz schön gefährlich aus… aber soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ „Au ja!“ Der Bub schaut Julia gespannt an. Da flüstert sie ihm ins Ohr: „In Wirklichkeit ist das Krokodil kuschelweich! Das weiß nur keiner.“
Text: Lisa Blocher Illustration: Harald Dersch
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Basteltipp Ostereierblumen
Heute beim Spazierengeh‘n hab‘ ich was Seltsames geseh‘n. Ich fragte mich: Was ist denn das? Ist’s ein Geschenk vom Osterhas‘? Seit wann wächst so was vor dem Haus? Ein bunter Ostereierstrauß!
Um Ostereierblumen zu basteln, braucht man: Eier Farben (z.B. Wasserfarben) und Pinsel grüne Strohhalme grüne Gummiringe grüne und andersfarbige Servietten Schere Klebstoff und Klebestreifen einen spitzen Gegenstand (Stricknadel, Schraubenzieher…) zum Durchbohren der Eierschale
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Und so funktioniert’s: 1. Eier oben und unten mit einem spitzen Gegenstand (Stricknadel, Schraubenzieher…) durchbohren und dann ausblasen.
2. Eier auf Strohhalme stecken, oben und unten mit Gummiringen fixieren (Gummiringe so oft um den Strohhalm wickeln, bis das Ei nicht mehr herunterrutscht). Eier bemalen und trocknen lassen.
3. Die oberste Schicht der Servietten abziehen und dreimal falten. Blütenblatt ausschneiden, auseinanderfalten und in der Mitte ein kleines Loch hineinmachen.
4. Zwei „Servietten-Blüten“ auf die Strohhalme auffädeln und Schicht für Schicht festkleben. 5. Blätter aus grüner Serviette ausschneiden und mit Klebestreifen an den Strohhalmen befestigen. (Tipp: Wer chinesische Essstäbchen zu Hause hat, kann diese grün bemalen und dann anstelle der Strohhalme verwenden!) Fertig ist der Ostereierstrauß!
Text und Fotos: Lisa Blocher
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Minutengeschichten Warum im Frühling die Tage länger werden Als es noch keine Menschen und Tiere gab, war die Erde ganz alleine mit der Sonne, dem Mond und vielen glitzernden Sternen. Sie fühlte sich sehr wohl, denn das ganze Jahr über wurde sie von ihrer Freundin, der Sonne, gewärmt. Eines Tages bemerkte sie jedoch, dass die Sonne ein trauriges Gesicht machte. Besorgt fragte die Erde, was denn los sei. Zuerst druckste die Sonne ein wenig herum, doch dann gestand sie verlegen: „Es ist so, dass es mir langsam zu anstrengend wird, dich das ganze Jahr über zu wärmen. Bitte sei mir deswegen nicht böse!“ Die Erde hatte natürlich Verständnis für ihre Freundin, wusste jedoch auch nicht, wie man das Problem lösen könnte. Schließlich brauchte sie die Sonnenstrahlen! Als Sonne und Erde schon ganz verzweifelt waren, hatte der weise Mond eine Idee: „Wie wäre es, wenn die Sonne sich ein halbes Jahr lang ausrasten würde? Dann hätte sie auch wieder mehr Kraft, dich die andere Jahreshälfte zu bescheinen!“ Die Erde dachte kurz nach und sagte schließlich: „Ich glaube, ich würde es aushalten, wenn mir ein paar Monate kalt ist. Aber nur, wenn du, liebe Sonne, mir versprichst, dass du die übrige Zeit ein bisschen länger bleibst und mich angenehm wärmst.“ „Einverstanden!“, rief die Sonne erleichtert. Und bis heute halten sich beide an die Abmachung. Wenn es Frühling wird, dann werden die Tage langsam länger und die Sonne immer kräftiger. Das dauert natürlich eine Weile, denn nach ihrer Ruhepause im Winter ist die Sonne noch etwas verschlafen und braucht ein bisschen, um wieder in Schwung zu kommen. Text: Melanie Sandner Illustration: Barbara Ecker
Viele tausend Kätzchen An einem besonders schönen Frühlingstag beschlossen wir Schmökerfreunde, einen Ausflug zu machen. Unser Schmökerschiff schwebte friedlich über den Baumwipfeln dahin, aber ich, Pippa Papagei, langweilte mich ein bisschen: Kiki Känguru und Saba Schildkröte konnten mir keine Geschichten erzählen, weil sie in der warmen Sonne eingeschlafen waren, und leider hatte ich meine Bücher schon alle ausgelesen. Dabei dauerte der Flug noch so lange! Schließlich schlug Wuzel Wiesel vor: „Lass uns etwas spielen! Wir halten jetzt Ausschau nach anderen Tieren, und wer die meisten entdeckt, hat gewonnen!“ „Au ja!“, jubelte ich und flatterte begeistert mit den Flügeln. Angestrengt blickten wir beide auf die Wiese, über die wir gerade mit dem Schmökerschiff flogen. „Da unten steht eine Kuh“, krächzte ich nach ein paar Minuten, „und auch noch drei Schafe!“ Ich freute mich und dachte vergnügt: „Bestimmt werde ich das Spiel gewinnen!“ Doch da schaute Wuzel durch sein Fernrohr und rief ganz aufgeregt: „Dort vorne sehe ich viele tausend Kätzchen!“ „Das ist gelogen!“, schimpfte ich empört. Ich wusste, dass Wuzel bei Spielen gerne schummelte. „Aber Pippa, dann schau doch selbst!“, antwortete Wuzel und reichte mir sein Fernrohr. Ärgerlich blickte ich hindurch – und musste plötzlich lachen: Am Rand der Wiese stand ein Baum… voller Weidenkätzchen! Text: Lisa Blocher Illustration: Barbara Ecker
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Vom Bärlauch und vom Maiglöckchen „So! Heute braucht ihr euch die Schuhe gar nicht auszuziehen“, meint Sabine zu den Kindergartenkindern, die langsam alle in die Garderobe getrudelt kommen. „Wir gehen gleich in den Garten! Ich habe eine Aufgabe für euch: Sucht so viele Blumen wie möglich, aber reißt sie nicht aus! Ihr müsst euch merken, wo ihr sie gesehen habt, damit ihr sie nachher wieder findet.“ Die Kinder laufen in den Garten und machen sich sofort auf die Suche. „Schaut mal, Maria hat ein Maiglöckchen gefunden!“, ruft Sabine. Sie zeigt den Kindern die Blume und holt dann aus ihrer Tasche ein Blatt, das fast so aussieht wie die Blätter des Maiglöckchens. Sie zerreibt das mitgebrachte Blatt zwischen ihren Fingern und lässt die Kinder daran riechen. „Ui, das riecht nach Knoblauch!“, meint Maria. Sabine erklärt, dass man diesen Bärlauch nicht mit dem Maiglöckchen verwechseln darf. „Bärlauch erkennt man an dem Knoblauchgeruch, und die Blätter sind heller als die des Maiglöckchens. Bärlauchblätter schmecken gut auf Butterbroten, aber das Maiglöckchen ist giftig!“ Als Maria am Nachmittag nach Hause kommt, läuft sie gleich in den Garten. Sie will auch hier Blumen suchen. Marias Vater kommt nach draußen und sucht mit. Er betrachtet etwas Grünes, das neben dem Zaun wächst, und strahlt vor Freude. Maria weiß, dass ihr Vater Pflanzen liebt. Manchmal gibt er sogar ein bisschen mit seinem Wissen an und behauptet, er wäre ein richtiger Blumenspezialist. „Schau mal, Maria! Ein Maiglöckchen! Bei Maiglöckchen musst du aufpassen, die sind giftig“, meint er jetzt. „Maiglöckchen?“, denkt Maria. Im Kindergarten waren die Blätter aber dunkler, und hier riecht es auch nach Knoblauch – das ist doch… „Papa, das ist doch Bärlauch! Riech mal!“ sagt sie bestimmt. Marias Vater lacht. „Natürlich, du hast Recht, Maria! Jetzt kennst du unsere Frühlingspflanzen schon besser als ich!“ Text: Katrin Winkler Illustration: Barbara Ecker
Rätsel
Osterei
Hier bin ich! Hier musst du schauen! Hierher! Schade, ich vergesse immer wieder, dass mich keiner hören kann. Naja, macht auch nichts. Früher oder später werden sie mich schon noch finden. Solange kann ich es mir hier auch gemütlich machen! Ah, das Gras ist angenehm weich, und außerdem liege ich im Schatten, das ist gut. Dann schmecke ich auch noch lecker, wenn es ein bisschen länger dauert, bis ich gefunden werde. Ich gehöre dieses Jahr bestimmt zu den Schönsten. Auf meine rote Farbe bin ich besonders stolz. Die glänzt so hübsch auf meiner glatten Haut. Da hat sich der Herr Hase wieder Mühe gegeben! Gott sei Dank hat er mich nicht fallen gelassen auf dem Weg und mich an einer guten Stelle versteckt. Jetzt werde ich aber langsam ungeduldig, meinen grünen Freund wurde schon längst gefunden, und auch den blauen haben sie gerade entdeckt. Wann kommen die Kinder denn endlich zu mir? Da höre ich eine Stimme: „Hier, da liegt noch eines, ein besonders schönes rotes…!“
Text: Melanie Sandner Illustration: Barbara Ecker
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Vorlesegeschichte So geht’s zu im Hühnerstall
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Franzi freut sich: Es ist Wochenende, und er darf seine Oma besuchen. Die Oma wohnt auf dem Land. Sie hat ein Haus mit einem großen Garten. Franzi hat in der Stadtwohnung nur einen Balkon, dort stehen viele Pflanzen, aber wie in einem Garten ist es trotzdem nicht. Papa fährt Franzi mit dem Auto zur Oma. Franzi sitzt im Auto und zählt Bäume. Je näher sie zur Oma kommen, umso mehr Bäume muss Franzi zählen. Seine zehn Finger reichen lange nicht aus. Die Oma wartet schon in der Einfahrt. Sie begrüßt Franzi mit einem dicken Kuss. Papa holt Franzis Rucksack aus dem Kofferraum, dann gehen sie in den Garten. Die Oma hat Limonade gemacht – die schmeckt so gut! Papa verabschiedet sich, und Franzi geht auf Entdeckungstour in den Garten. Alles scheint wie immer – aber halt, da ist doch etwas Neues! Da steht ja ein kleines Häuschen im Garten! Franzi fragt die Oma, was das ist. Die Oma erzählt, dass sie sich einige Hühner angeschafft hat. Ihr Nachbar hat ihr dabei geholfen, den Stall zu bauen. Da ist auch ein Zaun drumherum, damit die Hühner nicht den ganzen Garten zerscharren – das ist nämlich ihre Lieblingsbeschäftigung. Dabei finden sie kleine Insekten und Würmer in der Erde, ein richtiges Festmahl. Aber die Hühner fressen natürlich auch Körner. Die Oma zeigt Franzi, wie man die Tiere füttert: Sie nimmt eine Handvoll Körner und streut sie über den Boden. Schon kommen die Hühner angerannt und picken drauflos, ein Körnchen nach dem anderen in ihre spitzen Schnäbel hinein. Jetzt darf es auch Franzi einmal ausprobieren – Körner in die Hand und losstreuen! Die Hühner freuen sich. „Nun müssen wir aber den Stall saubermachen. Komm, Franzi, du kannst mir helfen“, sagt die Oma. Sie gibt Franzi einen Besen und geht in das Hühnerhaus hinein. Da gibt es einen großen Käfig mit Nestern zum Brüten und Stangen, auf denen die Hühner nachts sitzen und schlafen. Franzi darf in den Nestern nach Eiern suchen. „Aber da sitzt ja ein Huhn!“, ruft Franzi. „Ja, ja“, antwortet die Oma, „das ist die Glucke, die brütet. Sie darf nicht aufstehen, damit die Eier im Nest nicht zu kalt werden. Sie sitzt schon fast drei Wochen, in den nächsten Tagen
dürften die Küken schlüpfen.“ Franzi findet zwei Eier. „Warum sind das so wenige?“, fragt er. „Weil nicht alle Hühner jeden Tag ein Ei legen“, erklärt die Oma, „aber fast!“ Jetzt holt die Oma mit der Schaufel den Mist aus dem Stall. Die Glucke in ihrem Nest schaut gelassen zu. Als der Stall sauber ist, geben Oma und Franzi frisches Stroh hinein. Die Glucke pickt nach einigen Halmen und steckt sie unter ihren Bauch zu den Eiern. Da erhascht Franzi einen Blick auf die Eier: Sieben Stück kann er zählen. Die Glucke bekommt noch eine Schale mit Körnern, damit sie ihr Nest nicht verlassen muss, um nach Futter zu suchen. Jetzt kehren Oma und Franzi den Boden im Hühnerhaus sauber, den ganzen Staub und das
Stroh nach draußen. In einer Ecke ganz hinten im Häuschen entdeckt Franzi noch ein Nest – das ist aber kein Hühnernest, sondern da sitzt eine Mäusemama mit fünf kleinen Mäusekindern, und alle fiepen ganz laut! Schnell geht Franzi mit dem Besen ein paar Schritte zurück, damit sich die Mäuse wieder beruhigen. Die Oma ist draußen und gibt den Hühnern Wasser; sie gießt es in eine Wanne, die in die Erde eingelassen wurde. Einige Hühner tauchen sogar ihren Kopf unter das Wasser und schütteln ihn dann wild, so als würden sie duschen. Da bemerkt Franzi, dass ein Huhn anders aussieht als die anderen: Es ist groß und hat lange bunte Federn am Schwanz. Die Oma erklärt Franzi, dass das ein Hahn ist. Durch sein buntes Federkleid unterscheidet er sich von
den Hennen, und wenn man genau schaut, merkt man auch, dass sein Kamm viel größer ist als die Kämme der anderen Hühner. Der Hahn läuft auf den Misthaufen und ruft: „Kikerikiiiii!“ „Legt der auch Eier?“, will Franzi wissen. „Nein“, lacht die Oma, „das machen nur die Hennen!“ Nachdem alle Arbeit getan ist, gehen Oma und Franzi ins Haus. Sie haben Hunger, also brät Oma ein paar Spiegeleier. Mit Butterbrot schmecken die am besten. Am Abend laufen die Hühner in den Stall und setzten sich zum Schlafen auf ihre Stangen. Die stärksten Hühner und der Hahn schlafen immer auf den höchsten Stangen. Es ist wichtig, dass die Tür vom Hühnerhaus am Abend fest verschlossen wird, damit den Hühnern nicht zu kalt wird und damit nachts kein Tier kommt, dass sie fressen könnte. Franzi sieht noch einmal schnell nach der Glucke. Sie hockt brav auf ihren Eiern und schläft schon fast. Leise schließt Franzi die Tür. Als Franzi im Bett liegt, erzählt die Oma ihm noch eine Gutenachtgeschichte. Bald ist Franzi eingeschlafen, und er träumt von den Küken, die bald schlüpfen werden. Am nächsten Tag erwacht Franzi durch ein lautes Rufen: „Kikerikiiii!“, kräht der Hahn. Schnell läuft Franzi ans Fenster und schaut zum Hühnerhaus. Die Oma hat die Hühner schon hinausgelassen und gefüttert. „So früh?“, denkt Franzi und legt sich noch einmal ins Bett. Aber da kommt schon die Oma und sagt, dass sie eine Überraschung hat. Franzi soll schnell mitkommen zum Hühnerhaus. Die Küken schlüpfen! Wie aufregend! Franzi kann beobachten, wie die Eier langsam aufbrechen und die Küken sich herausschälen. Sie sind noch ganz nass und schwach. Die Oma sagt: „Sie brauchen jetzt etwas Ruhe.“ Am Nachmittag darf Franzi wieder einen Besuch im Hühnerhaus machen. Jetzt sehen die Küken schon ganz anders aus: Sie sind gelb und weich und laufen im Stall herum. Die Oma setzt die Küken in einen eigenen Käfig, gemeinsam mit der Glucke. Sie bekommen feingemahlene Körner und Wasser. Jetzt am Anfang brauchen sie noch etwas Schutz, damit die anderen Hühner und der Hahn ihnen nicht wehtun. Aber in ein paar Tagen dürfen sie dann hinaus in den Hühnergarten! Piep, piep, piep! Text und Illustrationen: Regina Bayerl
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Schmökerspaß Klassiker
A n de r s -
Das kleine Ich bin Ich – Mira Lobe Die Geschichte des kleinen Ich bin Ichs handelt von einem bunten Tier, das gerne wüsste wer oder was es ist. Eigentlich ist das kleine Etwas immer recht zufrieden mit seinem Leben gewesen, bis eines Tages ein Laubfrosch danach fragt, wer es sei. Das karierte Wesen kann ihm diese Frage nicht beantworten, und so macht es sich auf die Reise, um dieses Rätsel zu lösen. Es trifft die verschiedensten Tiere; vielen sieht es ein wenig ähnlich, aber keines ist von seiner Art. Das bedauernswerte Geschöpf wird von allen vertrieben und geht einsam und allein seines Weges, bis es plötzlich erkennt: „Sicherlich gibt es mich: Ich bin Ich!“
Mira Lobe erzählt mit viel Witz und Einfühlsamkeit die Geschichte eines undefinierbaren Tieres, welches seine eigene Identität (noch) nicht kennt. Seine anfänglichen Bemühungen, sich selbst in anderen zu suchen, scheitern, und so nimmt es schließlich die Individualität seines Wesens an. Eine liebevolle Geschichte, die Kindern Mut macht, sie selbst zu sein. Durch Illustrationen von Susi Weigel wurde „Das kleine Ich bin Ich“ zu einem Kinderbuchklassiker. Besonderen Reiz verleiht dem Buch die beigefügte Bastelanleitung, die jedem Kind ermöglicht, sein eigenes Ich bin Ich zu gestalten. Schmökerspaß für Kinder ab vier. (Jungbrunnen Verlag, 1972)
Irgendwie Anders – Kathryn Cave Irgendwie Anders ist einfach irgendwie anders. Weil er sich so sehr von allen anderen unterscheidet, will niemand mit ihm spielen, und keiner scheint ihn zu mögen. Alle Versuche, so zu werden wie die anderen, scheitern kläglich. Deshalb wohnt die kleine blaue Kreatur ohne Freunde auf einem hohen Berg, ganz allein. Doch eines Abends klopft es: Vor der Tür steht ein Etwas! Das Etwas fühlt sich bei Irgendwie Anders sichtlich wohl und sagt, es sei wie er. Irgendwie Anders ist jedoch über den Besuch sehr verwirrt und möchte das kleine Etwas schnurstracks vor die Tür setzen. Irgendwie Anders findet nämlich gar nicht, dass das Etwas so ist wie er.
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Erst als das Etwas traurig das Haus verlassen hat, versteht Irgendwie Anders: Das Etwas ist zwar nicht wie er, aber das ist egal. Sie können Freunde sein, auch wenn sie ganz unterschiedlich sind. Mit der Geschichte der beiden ungleichen Freunde zeigt Kathryn Cave, dass man sich nicht ähneln muss, um sich zu mögen und zu verstehen. Für diese Leistung erhielt sie den UNESCO-Preis für Kinder- und Jugendliteratur im Dienst der Toleranz. Die Zeichnungen von Chris Riddell machen die beiden Freunde Irgendwie Anders und Etwas zu unverwechselbaren Gestalten. Geeignet für Kinder ab vier Jahren. (Friedrich Oetinger Verlag, 1994)
Sein
Aktuelles Ganz schön schlau, die dumme Sau – Werner Holzwarth Eigentlich ist Basti ein ganz gewöhnlicher Junge, er hat aber ständig Pech. Deshalb entwickelt er sich mehr und mehr zum Außenseiter, und immer wenn er denkt: „Das geht bestimmt schief“, passiert ihm tatsächlich etwas Dummes. Beim Fußballunterricht muss er ins Tor, weil er auf dem Feld zu schlecht spielt. Jedes Mal, wenn ein Ball in die Nähe seines Tors kommt, schließt er schnell die Augen, aus Angst, einen Fehler zu machen. Sein Team verliert und von nun an nennt ihn jeder nur noch „dumme Sau“. Der arme Sebastian kann gar nicht mehr schlafen, so traurig ist er, bis er eines Nachts Besuch bekommt: Eine Horde Schwei-
ne versammelt sich um sein Bett und verspricht, ihm bei seinen Problemen zu helfen. Jetzt fasst der Pechvogel neuen Mut und braucht schließlich die schweinische Unterstützung immer seltener. Werner Holzwarth spricht Kindern Hoffnung zu, die schon einmal das Gefühl hatten, allein zu sein. Er zeigt, dass die Ursache nicht notwendigerweise ein Mangel an Fähigkeiten ist, sondern oft ein bloßes Fehlen von Selbstvertrauen. Mit Hilfe der von Henning Löhlein gezeichneten Schweinehorde wird das Buch zu einer witzigen und unterhaltsamen Lektüre für Kinder ab vier Jahren. (Terzio Verlag, 2007)
Ach, Boris – Carrie Weston Als Frau Lehrerin Gacker, das Huhn, ihrer Klasse erzählt, dass sie einen neuen Mitschüler bekommen soll, sind die Tierkinder ganz aufgeregt. Sie können es kaum erwarten, den neuen Kameraden endlich kennenzulernen. Doch als er schließlich den Klassenraum betritt, fährt dem Maulwurf, dem Hasen und den übrigen Tieren der Schreck in die Glieder: Vor ihnen steht ein riesengroßer, haariger Bär! Boris ist eigentlich ein ganz liebes und schüchternes Tier, das sich gerne mit den anderen anfreunden möchte. Weil die Tierkinder jedoch lauthals schreien, als sie ihn zum ersten Mal sehen, fühlt sich der große Bär plötzlich ganz klein. Daher ist der Schulanfang für Boris alles andere als
leicht. Doch als seine Schulkameraden in Schwierigkeiten geraten, kommt sein großer Auftritt: Er rettet seine Mitschüler vor einer Rattenbande; auf diese Weise wird er unfreiwillig zum Helden und schließlich auch zum Freund der anderen Tierkinder. Carrie Weston beschreibt einprägsam die Geschichte eines Außenseiters, dem es zunächst schwer fällt, Freunde zu finden. Sehr lebendig wird die Erzählung durch die niedlichen Illustrationen von Tim Warnes. Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Toleranz, humorvoll und verständlich geschrieben! Vom Verlag empfohlen für Mädchen und Buben ab vier Jahren. (Ellermann-Verlag, 2008) Text: Ramona Huber
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Bild: Lisa Blocher