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HINTERGRUND

Mittwoch, 20. April 2011

Sie schnalzten, knackten und klickten LINGUISTIK →

Heutige Sprachen entwickelten sich aus einer afrikanischen Muttersprache.

Zwei San Männer Ihre Sprache ist reicher an Lauten als jede andere der Welt.

gerhard.schriebl @ringier.ch

D

ie «Out-of-Africa-Theorie» hat sich dank zahlreicher Fossilfunde in der Wissenschaft durchgesetzt: Die ersten modernen Menschen bildeten sich vor 200 000 bis 100 000 Jahren in Afrika heraus und vor rund 70 000 Jahren begannen sie von dort den Rest der Welt zu bevölkern. Doch wo wurden die ersten Worte gesprochen? Verwendeten die ersten Homo sapiens in Afrika schon Sprache oder entwickelte sich diese Fähigkeit erst später parallel in den unterschiedlichen Regionen der Welt? Neue Untersuchungen des neu-

→ SCHLAU IN

Fotos: Fotex/McPhoto

60 SEKUNDEN

Die Pfeifsprache auf den Kanaren gibt es noch und auch die San – doch beide sind bedroht.

seeländischen Wissen- unmöglich ist. Ihre Sprache schaftlers Quentin Atkin- gehört der Khoisansprason deuten nun darauf hin, chen an. Keine andere dass Sprache ebenfalls in Sprachgruppe der Welt ist Afrika entstand und die reicher an Lauten. Diese heutigen Sprachen alle auf bedeutungsunterscheideneine prähistorische Mutter- den Laute einer Sprache sprache in Afrika zurückge- nennt man wissenschaftlich hen. Zu diesem Schluss Phoneme. Die Khoisansprakommt Atkinson, nachdem che «!Xóõ» weist 159 Phoer die Laute von über 500 neme auf, während die Sprachen undeutsche tersucht hat. Deutsch hat Sprache nur Wenn An40, Mandarin gehörige des 40 Phoneme, 32 und die «!Xóõ» 159. San-Volkes hawaiianisich unterhalsche gerade ten, hört sich vieles davon mal deren 13 hat. für uns nicht wie eine SpraDie Vielfalt an Phoneche an: Sie schnalzen mit men weist ein deutliches den Zungen und artikulie- Muster auf. Atkinson zeigt ren Klicklaute, deren Nach- in seinem im Magazin «Sciahmung für Fremde schier ence» veröffentlichten Arti-

Sprachen vom Aussterben bedroht Da In den vergangenen 500 Jahren hat sich die Zahl der gesprochenen Sprachen weltweit um 50 Prozent verringert. In den kommenden 100 Jahren werden schätzungsweise weitere 90 Prozent der derzeit weltweit rund 6500 Sprachen verschwinden. 20 Sek.

kel auf: Je weiter weg die Menschen von Afrika entfernt leben, desto ärmer an Phonemen ist ihre Sprache. Afrikanische Sprachen haben die höchste Dichte an unterschiedlichen Phonemen, die indigenen Sprachen Südamerikas und Ozeaniens die tiefste. Damit bestärkt Atkinsons sprachwissenschaftliche Untersuchung die «Outof-Africa-Theorie» und deckt sich mit genetischen Untersuchungen. Nicht nur die sprachliche, sondern auch die genetische Vielfalt von Homo sapiens ist in Afrika am grössten. Beides lässt sich mit dem sogenannten Gründereffekt erklären: In den Ursprüngen

lebte südlich der Sahara eine sprachlich und genetisch sehr vielfältige Population des ersten Menschen. Vor 70 000 Jahren wanderten immer wieder einzelne Gruppen dieser grossen Population nach Europa und Asien aus – und Teile dieser Gruppen von dort weiter nach Australien, Nord- und Südamerika. Die Vielfalt nahm dabei stetig ab. «Wenn unsere Sprache nach Afrika zurückverfolgt werden kann und Sprache ein Merkmal von kultureller Verwandtschaft ist, dann sind wir alle eine Familie – genetisch und kulturell,» sagt Atkinson zu seinen Ergebnissen und findet das «ziemlich cool». 

Pfeifsprache der Hirten

San, die ersten Bewohner Afrikas

Die Guanchen, die Ureinwohner der Kanarischen Inseln, benutzen seit Jahrhunderten die Pfeifsprache «El Silbo». Diese nutzten die Hirten ursprünglich, um über grosse Distanzen zu kommunizieren. 15 Sek.

Das Volk der San lebt seit mindestens 25 000 Jahren im südlichen Afrika. Die niederländischen Kolonialmacht setzte ihnen allerdingsvom 17. bis 19. Jahrhundert mächtig zu. Heute leben nur noch etwa 100 000 San in Afrika. Die nomadischen Jäger und Sammler gelten als erste Bewohner Afrikas. Gemäss genetischen Untersuchungen geht man davon aus, dass sie sogar an der Wurzel des 25 Sek. menschlichen Stammbaums stehen.


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