Schweizer Monat, Sonderthema 17, Mai 2014

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Sonderthema 16

D i e Au t o r e n z e i t s c h r i f t f 체 r P o l i t i k , W i r t s c h a f t u n d K u lt u r

The Big Shift Mit Beitr채gen von

Peter Sloterdijk Lynda Gratton Ian Morris Ayesha Khanna Parag Khanna Elgar Fleisch


Was uns alle antreibt Hinter jedem erfolgreichen Unternehmen steht eine ganz eigene Geschichte. Und doch sind alle langfristig erfolgreichen Unternehmen durch einen gemeinsamen Geist verbunden. Ihre treibenden Kräfte sind Innovation, Verlässlichkeit und die Bereitschaft, Kundenorientierung zum Mass aller Dinge zu machen. Diesen unternehmerischen Geist leben und unterstützen wir aus Überzeugung. www.amag.ch

Mit Leidenschaft. Für Sie.


The Big Shift

Fünf Verschiebungen, die Ihr Leben verändern!

«A

lles bewegt sich fort und nichts bleibt» – der griechische Philosoph Heraklit hatte keine Ahnung von Megastädten, Terabytes oder dem Internet der Dinge.1 Doch wusste er um den ständigen Wandel und dessen Eigenschaft, auch das mitzureissen, was sich ihm entgegenstellt. Heraklit: «Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.»

Ob es sich um den Wiederaufstieg Chinas, robotische Prothesen oder zerfallende Nationalstaaten handelt – wir alle sind täglich Zeugen von rasanten Veränderungen, die noch unsere Grosseltern nicht für möglich gehalten hätten. Einen Vorteil hat, wer die Veränderungen frühzeitig erkennt und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Medien fordern Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gerne dazu auf, sich an wandelnde Strukturen anzupassen. Gerade die Printmedien sind jedoch von der Digitalisierungswelle überrascht worden und suchen seither nach neuen Geschäftsmodellen. Als kleiner agiler Player setzt der «Monat» auf die Nische souveräner und zahlungsbereiter Leser, die nach einem hohen intellektuellen «return on investment» verlangen. Die folgenden Seiten bieten Ihnen Gelegenheit, sich von unserem Anspruch zu überzeugen. Gemeinsam mit den Initianten des Swiss Economic Forum greifen wir Verschiebungen auf, die wir für relevant halten. Weil wir überzeugt sind, dass sie für Ihr Leben relevant sind. Beschrieben werden sie von fünf Autoren und Gesprächspartnern, die zu diesen Themen viel zu sagen haben. Entstanden ist eine Sonderpublikation, die an alle neugierigen Leser sowie die Teilnehmer des Swiss Economic Forum (SEF) 2014 wendet. Um zu verstehen, was läuft, empfehlen wir, das diesjährige SEF mitzuverfolgen, sowie eine regelmässige Lektüre des «Monats». Denn auch für das eigene Humankapital gilt, was Goethe in seinem Gedicht «Eins und Alles» in wunderbaren Worten beschrieb: Es soll sich regen, schaffend handeln, Erst sich gestalten, dann verwandeln; Nur scheinbar steht’s Momente still. Das Ewige regt sich fort in allen: Denn alles muss in Nichts zerfallen, Wenn es im Sein beharren will. Anregende Lektüre! René Scheu

Herausgeber «Schweizer Monat»

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Stefan Linder

Peter Stähli

Gründer und CEO SEF

Gründer und CEO SEF

Das Zitat stammt von Platon – so fasst er Heraklits Denken in eigenen Worten zusammen.

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Inhalt

Pax Technologica Ayesha Khanna und Parag Khanna 2 Bits lösen Atome ab Elgar Fleisch 3 Von der Peripherie ins Zentrum und zurück Ian Morris 4 Du musst dein Leben steigern! Peter Sloterdijk 5 Die Zukunft der Arbeitswelt Lynda Gratton 1

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Der Begriff des Wachstums ist heute stark kompromittiert und wird künftig wohl gänzlich unbrauchbar werden.

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Peter Sloterdijk

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Technologie ist nicht nur eine treibende Kraft für globale Zusammenarbeit, sie ist diese Zusammenarbeit.

Wer sich in alten, konservativen Arbeitswelten zurücklehnt, wird die kommende Welt bloss an sich vorbeiziehen sehen. Lynda Gratton

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Ayesha Khanna und

In der Technologieabhängigkeit befinden wir uns schon lange, und zweifellos lassen wir uns immer tiefer in sie hineinmanövrieren.

Parag Khanna

Elgar Fleisch

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Die nächsten 50 Jahre werden die wichtigsten in der Geschichte unserer Welt sein.

Ian Morris

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Schweizer Monat Sonderthema 16 MAI 2014

Pax Technologica

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Die Technologie ist nicht nur ein Motor, der die Geschichte vorantreibt. Sie ist auch ein Instrument, das die Mächte der Welt in ungeahnter Weise miteinander verzahnt. Damit verbunden ist die Hoffnung auf eine stabile Welt. Wie berechtigt ist sie?

Ayesha Khanna und Parag Khanna

J

ede Epoche wird mit einer Vision des globalen Friedens verbunden – und in der Regel nach dem amtierenden Hegemon dieser Zeit benannt: Pax Romana während der römischen Epoche, Pax Mongolica, als die Mongolen weite Teile der Welt regierten, Pax Britannica während vieler Jahre – und Pax Americana (bis) heute. Keine dieser Epochen war, das wissen wir heute, tatsächlich besonders friedlich. Grossmächte verstärkten ihre Dominanz unter anderem mit Fortschritten in der militärischen Technologie. Diese sollten ihre Feinde einschüchtern, befeuerten gleichzeitig aber gegenseitiges Wettrüsten und nationale Wettstreite. Die Römer hatten Waffen aus Bronze und Artilleriebatterien in Form riesiger Katapulte; die Mongolen verwendeten Steigbügel und an den Enden versteifte Pfeilbogen, während sie durch Eurasien galoppierten; es waren Dampfmaschinen und Gewehre, die es dem britischen Militär ermöglichten, ein globales Imperium aufzubauen; und die USA sind immer noch die führende Militärmacht in Sachen Atomwaffen, Flugzeugträgerflotten, Langstreckenbombern und anderen Technologien. Es ist wenig verwunderlich, dass einige Beobachter der Gegenwart die historischen Muster des Wettrüstens auch im heutigen Aufstieg Chinas wiederentdecken. Die asiatische Grossmacht verhält sich in gewisser Weise wie ein klassisches merkantilistisches Reich: Es sichert sich natürliche Ressourcen über Kontinente hinweg, während es die globalen Märkte mit seinen billigeren Waren überschwemmt. Einen Teil ihrer Leistungsbilanzüberschüsse haben die Chinesen dabei auch in militärische Anlagen investiert: in eine Hochseearmee, weltraumgestützte Waffensysteme und Cyber-Sicherheit. Seit dem Aufstieg der Song-Dynastie in China vor fast genau einem Jahrtausend, so könnte man formulieren, wechselten die Hegemonialmächte an verschiedenen Orten der Welt etwa einmal pro Jahrhundert. Das ist keine wissenschaftliche Formel, aber wenigstens ungefähr richtig – und es unterfüttert die Vermutung, dass China eines Tages die USA in ihrer globalen Hierarchie überholen wird. Nun, so weit die Historie. Da die Welt einer weiteren Runde nationaler Wettstreite ins Auge blickt, ist die Sorge nicht ganz unberechtigt, dass diese Konkurrenz zu einem erneuten WettJosef Ackermann, photographiert von Suzanne auch Schwiertz. rüsten führt. Hier allerdings müssen wir uns vom Historizismus

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Ayesha Khanna und Parag Khanna sind die Autoren von «Hybrid Reality: Thriving in the Emerging Human-Technology Civilization» (2012). Ayesha Khanna ist CEO der auf asiatische Stadtentwicklung spezialisierten E-Learning-Plattform Urban Intel und Leiterin des Hybrid Reality Institute sowie der Future Cities Group an der London School of Economics. Parag Khanna ist Senior Research Fellow der New America Foundation und Autor zahlreicher Bücher über Diplomatie und internationale Politik.

verabschieden. Denn auf den Plan tritt ein Faktor, der die Mächte der Welt – seien sie mit ehrenhaften Anliegen beschäftigt oder nicht – kooperativer macht, statt sie zu entzweien: Technologie. Da die modernen Staaten mehr Einwohner, vor allem urbane und miteinander verbundene, haben, sind sie auf funktionierende Technik – Medizin, Landwirtschaft, Kommunikation und so weiter – deutlich stärker angewiesen als zu früheren Zeiten. Und moderne Technologie erfordert lange Lieferketten und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Ein solches Beispiel wäre etwa die Fertigung von Hochtechnologie im Fernen Osten, die trotzdem letztlich unter amerikanischem Label auf die Märkte kommt (von Apples iPad über Running-Schuhe von Nike bis zu Photovoltaikanlagen für europäische Hausdächer). Selbst die Tatsache, dass Technologien für militärische Ziele entwickelt werden, ändert nichts an diesem Kooperationsmodus. Das Internet etwa wurde im Rahmen einer Finanzierung des US Department of Defense entwickelt, heute profitieren Chinesen in ähnlicher Weise davon wie US-Amerikaner oder Schweizer. Können wir also mit Recht von einer Art Pax Technologica der globalen Stabilität sprechen, wenn wir auf unsere Zeit und die nahe Zukunft schauen? Friedensförderung durch Technologie Es war diese Erkenntnis, dass wirtschaftliche Macht die Grundlage geopolitischer Sicherheit ist, die Wissenschafter in den späten 1980er Jahren dazu brachte, «Geoökonomie» als alternativen Ansatz zur «herkömmlichen» Weltpolitik zu sehen. Paul Kennedys «Rise and Fall of the Great Powers» warnte davor, dass eine schlechte wirtschaftliche Lage zu Hause eine Hauptursache der


Fotolia, Anton Balazh.

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Schweizer Monat Sonderthema 16 MAI 2014

«imperialen Überdehnung» im Ausland sei. Und Samuel Huntington wies darauf hin, dass «Wirtschaft die wichtigste Quelle der Kraft und des Wohlergehens» eines Staates sei. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vor allem seit dem Ende des Kalten Krieges sind die globalen Konfliktherde stark rückläufig, während sich wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit deutlich ausgedehnt haben. Diese gegenseitige Abhängigkeit, so die Theorie, fördert den Frieden. Die Wahrheit ist: Geoökonomie hat Geopolitik nie ersetzt. Letzterer ist ein Begriff, der vor etwa einem Jahrhundert geprägt wurde. Wir verstehen die beiden derzeit als eher komplementär. Es gibt viele wichtige Unterschiede zwischen den amerikanischchinesischen Beziehungen heute und den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen vor dem Ausbruch des Kalten Krieges – wahr bleibt aber: Die USA und China sind bei allen politischen Differenzen immerhin durch geoökonomische Verflechtung tief miteinander verbunden. Die schnelle und globale Verbreitung von Technologie beschleunigt diese Abhängigkeiten und führt dazu, dass Staaten wenig Interesse an Konflikten haben, die eine garantierte gegenseitige ökonomische Zerstörung mit sich bringen können. Einige der wichtigsten Variablen, die die Weltmachtstruktur bestimmen, sind heute also immer noch wirtschaftlicher Natur: Wird die US-Wirtschaft wieder auf die Beine kommen? Wird Europa wirtschaftlich weiter zusammenhalten oder auseinanderdriften? Wird Chinas erstaunliches Wachstum sich fortsetzen, wird es stagnieren oder gar noch einmal explodieren? Da aber eine wachsende Zahl dieser Variablen technologischer Art ist, bedeutet dies, dass der Kurs und das Wachstum der Technologie – und die Frage, wer sie beherrscht – eine grössere Rolle in der Geopolitik spielen werden. China steht derzeit etwa vor enormen ökologischen Herausforderungen; es leidet heute bereits unter der Übernutzung einiger Landesteile, die das jeweilige Ökosystem stark in Mitleidenschaft zieht. Will es seinen Weg in eine moderne Ökonomie fortsetzen, das heisst, nachhaltiges Wachstum fördern, so muss es innovativer sein als der Westen, der für seine Strukturanpassungen viel mehr Zeit hatte. Deshalb ist China nun binnen weniger Jahre zu einem der weltweit grössten Hersteller von Solarzellen geworden und wird vielleicht eines Tages ebenso führend sein, wenn es um die Herstellung von Elektroautos geht. Die Kommunistische Partei hat eine Reihe von stark verschmutzten Städten und Regionen aufgefordert, die Emissionen zu verringern und saubere Kohle und andere alternative Energietechnologien zu verwenden. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ist auch eine der sieben strategischen Säulen des letzten Fünfjahresplans. China muss das eigene Land gleichzeitig ausbeuten und schonen, um es langfristig nutzen zu können. Und ja, das ist ein technologisches, kein rein politisches oder rein wirtschaftliches Problem. Und die USA? Sie waren immer abhängig vom Öl des Nahen Ostens – was sich in ihrer Politik widerspiegelt, die seit Jahrzehnten mit derjenigen der Ölstaaten verstrickt ist. Die USA könnten

sich dieses «Problems» schon bald entledigen. Nicht durch militärische Macht oder politisch forcierte Erhöhung der Kaufkraft im eigenen Land, sondern durch Technologie. Dies könnte bedeuten, dass neue (und weniger gefährliche) Methoden zur Förderung von Rohstoffen, wie etwa von einheimischem und saubererem Schiefergas oder von Naturgas unter der arktischen Eiskappe, für eine aussenpolitische Neuorganisation der USA sorgen. In den Entwicklungsländern könnten neue Generika und gentechnisch veränderte Lebensmittel den Zustand von Gesundheit, Effizienz und Wohlstand der Bevölkerung drastisch verbessern, ja viele Menschen aus der Armut befreien und vielleicht einige der Ursachen von bisher «ethnisch» genannten Konflikten mildern. Die konsequente Nutzung von Technologie, nicht die Entwicklungshilfe oder der Raubbau an Bodenschätzen, wäre das potentielle Ende sich abwechselnder politischer Despotien. Technopragmatismus Natürlich war Technologie immer schon Motor unserer Geschichte. Die Erfindung des Kompasses und die damit verbundene Seeschifffahrt beförderten zunächst die Entdeckung der Neuen Welt, auch den Kolonialismus und schliesslich den Welthandel. Und die Reformation kann selbstverständlich nicht ohne die Erfindung der Druckmaschine gedacht werden. Technologisches Wachstum schafft dabei Probleme wie Lösungen. Es beschleunigt Kohlenmonoxid-Emissionen, kann uns aber auch helfen, alternative Energien zu entwickeln, um die Emissionen wieder zu verringern (oder eben nicht, wenn wir nicht in solche Innovationen investieren). Und Atomkraft kann unsere Stuben heizen – oder sie vernichten. Wenn militärische Macht von Natur aus wettbewerbsfähig macht – je stärker deine Armee, desto stärker dein Staat –, dann machte und macht wirtschaftliche Macht vor allem eines: kooperativ. Wie die Wirtschaft, so ist die Technologie nicht nur eine treibende Kraft für globale Zusammenarbeit, sie ist schon diese Zusammenarbeit. Während Techno-Utopisten glauben, Technologie sei die Lösung für das Problem globaler Konflikte, sehen Technopragmatiker wie wir die Technologie als Instrument zur Überwindung tief verwurzelter Zyklen von Wettbewerb um Ressourcen und Marktmacht. In der langfristigen Perspektive wird Technologie zu einer Grand Strategy: zu einem kollektiven, nicht nationalen Globalunternehmen. Die Welt ist zu komplex geworden für eine Pax Americana, die einfach abgelöst wird durch eine nächste, vielleicht asiatische Hegemonialmacht. Das zunehmend integrierte globale System zieht die alten Grenzen der Staaten neu. Und individuelle Kräfte formen dieses globale System, viele kleine, die vielleicht nichts voneinander wissen. Die Frage ist also nicht nur, wer künftig die Entwicklung der Technologie kontrolliert, sondern wie wir uns gemeinsam entwickeln, anleiten und lenken wollen. �

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Wiederstein.

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Bits lösen Atome ab

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Die Informatik hat die Welt der physischen Gegenstände erfasst. Welche neuen Geschäftsmodelle entfesselt das Internet der Dinge? Und welche Risiken birgt die Verschmelzung von Informatik und Menschen?

Claudia Mäder und Florian Rittmeyer treffen Elgar Fleisch

Herr Fleisch, Sie forschen an der Front der informatischen Welterneuerung: Wo sehen Sie die spannendsten Entwicklungen von digitaler Technologie, die uns dereinst das Leben erleichtern könnten?

Das Faszinierende in all den Vorgängen, die ich beobachte und mitgestalte, ist die Verschmelzung zweier Welten. Bisher gab es auf der einen Seite die physische Welt und auf der anderen die informatische: den Computer, an den wir uns hinsetzten. Die Informatik war also etwas Additives, eine zusätzliche Komplexität. Das wird sich insofern ändern, als die informatische Komponente immer stärker mit der äusseren Welt der Dinge verschmelzen und den Menschen dort auf vielfältige Weise unterstützen, ihm also die Welt und das Leben darin vereinfachen wird. «Verschmelzung» ist ein häufig verwendetes und selten definiertes Wort. Was bedeutet es abseits populärer Science-Fiction-Vorstellungen von technisch aufgerüsteten Robotermenschen?

Es gibt verschiedene Formen der Verschmelzung, grundsätzlich unterscheiden würde ich zwei: jene, die Computer in den Menschen integriert – wobei hier mit In­strumenten wie Hörgeräten oder Herzschrittmachern viele Schritte bereits vollzogen worden sind. Die zweite Variante kombiniert die Informatik mit Gegenständen der physischen Welt. Hier verlässt also das Internet den Bildschirm und springt hinaus in die Welt der Dinge – weshalb man dabei auch vom «Internet der Dinge» spricht. Der Begriff beschreibt im Kern eine Vision, in der jeder Gegenstand, jeder Platz, der der Physik zuzurechnen ist, mit Chips oder Sensoren ausgestattet, sprich um Informationstechnologie angereichert ist und berührungslos mit dem Kerninternet kommunizieren kann. In dieser Vorstellung hat jedes «Etwas» seine eigene Homepage, eine digitale «Heimat», die zusammen mit der physischen bewirtschaftet werden kann. Mein Bürotisch, um das konkret zu denken, erhielte also gewissermassen eine eigene digitale Identität – worin besteht der Nutzen eines solchen Digitalheims für Dinge?

Nehmen wir das Beispiel der Rheintaler Firma SFS. Sie verkauft Schrauben, die ihre Kunden in tausenden blauer Kisten lagern. Waren diese Kisten leer, musste bis anhin ein Mensch an sie herantreten, einen Barcode einscannen und die Schrauben manuell nachbestellen. Heute ist in die Kiste ein Chip integriert, der den Nachbestellauftrag automatisch an SFS sendet, sobald ein Mensch

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Elgar Fleisch ist Professor für Informationsmanagement an der ETH Zürich und Professor für Informations- und Technologiemanagement an der Universität St. Gallen, wo er das dortige Institut für Technologiemanagement leitet. Er hat diverse Spin-off-Unternehmen mitgegründet und ist Mitglied in verschiedenen Verwaltungsräten und akademischen Steuerungsausschüssen.

Claudia Mäder ist Redaktorin dieser Zeitschrift.

Florian Rittmeyer ist stellvertretender Chefredaktor dieser Zeitschrift.

die Kiste umdreht, was er ohnehin tun muss. Das heisst: die Informatik nimmt dem Menschen Arbeit ab, ohne dass der Mensch mit Computern in Berührung kommt. Man hat sich angewöhnt, die Entwicklungen in der digitalen Welt als «revolutionär» zu bezeichnen. Wie ordnen Sie als Wissenschafter das eben Erzählte ein: Sind das folgerichtige Schritte oder handelt es sich um einen Regimewechsel?

Revolutionen sind Umstürze in kurzer Zeit, und das Thema «Internet der Dinge» entwickelt sich insgesamt nicht sehr schnell: Die physische Welt ändert sich nun mal langsam. Von Revolution kann man also nicht sprechen, «folgerichtig» möchte ich die Vorgänge aber auch nicht nennen, denn darin ist ein Urteil – «richtig» – enthalten, das ich mir nicht anmasse. Für mich ist die Entwicklung schlicht zwingend: Sie folgt aus dem, was ist. Was heisst das konkret?

Nun, die Informatik hat in den vergangenen Jahren fortlaufend Dinge digitalisiert und automatisiert, und dieser Prozess erreicht nun einfach den nächsten Level, indem er die physische Welt, die Atome, erfasst. Und er wird so weit gehen, dass er all jene Atome, die durch Bits abgelöst werden können, auch tatsächlich ablöst. Erstaunlich viele Dinge, die heute Hardware sind, können durch Software ersetzt werden. Wann haben Sie den letzten Taschenrechner gekauft? Das dürfte ein halbes Leben her sein…

…und seither haben Sie nicht mehr gerechnet?


«Die Informatik nimmt dem Menschen Arbeit ab, ohne dass der Mensch mit Computern in Berührung kommt.» Elgar Fleisch

Elgar Fleisch, photographiert von Thomas Bauer.

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Schweizer Monat Sonderthema 16 MAI 2014

Äusserst sporadisch. Aber wenn, dann mit Rechen- oder Formelfunktionen des Computers.

Das ist ein verhältnismässig harmloses Beispiel. Tatsache ist: Wer die Technologie beherrscht, prägt die Richtung des Menschen.

Sehen Sie, so ist das: Taschenrechner, Reisewecker, Dictionnaires, CDs, Zeitungen, Bücher – das sind allesamt Atome oder Moleküle der Physik, die es nicht mehr gibt oder geben wird. Wann immer es möglich ist, etwas Materielles durch Nichtmaterielles, also Digitales, abzulösen, wird das gemacht. Weil es billiger ist, weil es einfacher ist, weil die Lagerkosten geringer und die Transportgeschwindigkeiten höher sind – kurz: Die digitalen Geschäftsmodelle werden überall ziehen, so dass es irgendwann keine rein physische Welt mehr geben wird.

Natürlich: Wir könnten das System auch so einrichten, dass die Duscher 20 Prozent mehr Wasser verbrauchen.

Der Toggenburger Dorfschreiner wird doch wohl aber weiter mit Holz arbeiten?

Ja. Und früher oder später wird es auf seiner Maschine einen Serviceknopf geben, der im Störungsfall automatisch ein Signal an den Hersteller sendet – das ist wieder das Verschmelzen der Welten, das eben auch zahlreiche neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Nehmen wir wieder die Kisten mit den Schrauben. Dadurch, dass die mit Chips ausgestattet sind, hat die Herstellerfirma plötzlich zehntausende kleiner Sensoren bei ihren Kunden – und damit einen zeitnahen, durchdringenden Blick auf die physische Welt. Wie der Ultraschall einst der Medizin ermöglicht hat, hinein ins pulsierende Leben zu schauen, liefert das Internet der Dinge heute eine Technik, um die Vorgänge in der Welt schärfer zu beobachten. Was man früher nicht sehen konnte – dass die Schraubenkiste leer und eine Liefermöglichkeit da ist –, sieht man dank dieser neuen Messtechnik, und da «messen» und «managen» laut BWL mit­einander einhergehen, tun sich damit logischerweise neue Geschäftswelten auf. Was dieser durchdringende Blick kundenorientierten Firmen bringt, ist unschwer zu erkennen, für Private hingegen…

…ist der Nutzen in vielen Fällen ebenso evident! Ein Projekt, an dem wir gerade arbeiten, dreht sich etwa ums Messen von freien Parkplätzen. Das ist heute unmöglich: Nie weiss ich, ob ich mein Auto in St. Gallen am Bahnhof abstellen kann. Wäre nun in jedes Parkfeld ein Chip integriert, der spürt, ob ein Auto über ihm steht oder nicht, könnte ich diese Information online abrufen und bestenfalls gleich einen Platz reservieren. Hier würde also jeder Autofahrer vom scharfen Blick der Sensoren profitieren. Einverstanden. Unbestreitbar macht einen die verbesserte Beobachtbarkeit aber auch (noch) gläserner und manipulierbarer.

Man kann jede Technologie für verschiedene Sachen einsetzen, ein Messer etwa dazu nutzen, ein Brot zu streichen oder einen Menschen niederzustechen. Das Verändern des Menschen – hoffentlich zum Guten – ist ein Thema, das mit zum Internet der Dinge gehört: Die herkömmliche Verhaltenspsychologie können wir heute in IT kleiden und über Messung und Kommunikation das menschliche Kleinhirn so ansprechen, dass sich Verhaltensweisen ändern. Beispielsweise haben wir ein System erfunden, das den Wasserverbrauch beim Duschen misst und über entsprechende Darstellungen erreicht, dass die Leute, die es installiert haben, im Schnitt 20 Prozent weniger Wasser benutzen.

Wer oder welche Dynamik entscheidet, wo es «zum Guten» langgeht?

Die Frage, was richtig und was falsch ist, ist wahrscheinlich eine Frage des Jahrhunderts. In der Forschung haben wir unsere Experimente, schauen, was rauskommt, und hoffen, dass es was Gutes ist – in der heutigen Zeitmessung. Ob das, was wir heute als gut empfinden, auch in 100 Jahren noch gut ist, weiss man natürlich nie. Der durchdringende Blick der Technologie ist in Zeiten des Datensammelfiebers auch in kürzeren Zyklen problematisch: Wenn alle Dinge dank Sensoren Augen, Ohren und Münder erhalten, wie wird dann der Schutz der Privatsphäre gewährleistet?

Es ist fraglos: Eine grosse Gefahr der neuen Technologie besteht in ihrer Unsichtbarkeit. Früher sah man, dass in einem Raum eine Kamera installiert ist und man gefilmt wird. Heute sitzt die Kamera in einer Brille oder einem Knopf, und gerade eben bauen wir einen Bilderrahmen – da sind Dinge drin, die wollen Sie gar nicht wissen. Doch bitte, ganz gerne!

Nun, wir verstauen im Rahmen von Warhols Marilyn Monroe einen CO2-Sensor, einen Temperatur- und einen Luftfeuchtigkeitssensor und bauen ein Radar mit Anwesenheitssensorik ein. Wenn jemand den Raum betritt, ändert sich der CO2-Wert schlagartig – und da die zugehörigen Daten übers Internet abgerufen werden können, funktioniert der ganze Bilderrahmen als elegantes Hausüberwachungssystem. Aber egal was in einem Rahmen oder einem anderen Ding untergebracht ist: Wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, dass die Leute, die mit den Dingen in Berührung kommen, jederzeit wissen, welche Daten gesammelt werden. Das heisst: Ich müsste an meiner Bürotür ein Schild anbringen, wenn ich Sie durch meinen Bilderrahmen filmen würde. Wir werden hier drin also nicht gefilmt?

Nein, das heisst, ich weiss es nicht, oder: jedenfalls nicht von mir. Betriebsspionage kann ich selbstverständlich nicht ausschliessen! (lacht) Hinge aber an meiner Tür ein Schild, müsste es Ihre individuelle Entscheidung sein, das Büro zu betreten oder eben nicht. Auszeichnungspflicht und Wahlfreiheit müssen also sichergestellt sein, und dazu braucht es klare Regeln. Ich glaube zwar, dass sehr viele Leute bereit sind, Privacy gegen Geld und Bequemlichkeit zu verkaufen, aber sie sollten das immer wissentlich tun. Was beflügelt die weitere Ausbreitung dieser Technologien: Ist es sinkende Skepsis, wissenschaftlicher Fortschritt oder ganz einfach das Fallen der Preise?

Die Kosten sind nie alleine ausschlaggebend, oder mehr noch: Sobald der subjektiv wahrgenommene Nutzen einer Sache grösser ist als die wahrgenommenen Kosten und Risiken, wenden Menschen eine Technologie an. Einerseits sorgen betriebswirtschaftliche Gesetze dafür, dass sich die Dinge nicht rasant ausbreiten, Stichwort Netzwerkökonomie: Zahlreiche Anwendungen sind erst dann sinnvoll, wenn viele Leute sie nutzen, und bis

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«Ich habe das Gefühl, dass die Schweiz im Bereich Internet der Dinge ganz gut dasteht.» Elgar Fleisch

die Akzeptanz so hoch ist, kann es bisweilen lange dauern. Der zweite Faktor ist dann tatsächlich technischer Natur. Die Ausgangslage ist im Grunde einfach: Damit er etwas leisten und kommunizieren kann, braucht jeder Minicomputer Energie, und die bereitzustellen, ist häufig kompliziert oder wenig ökologisch. Ziel ist deshalb, energieautonome Computer zu bauen, und das ist nicht gerade einfach. Wie nahe ist die Forschung an einer Lösung dieser Problematik dran?

An den Themen rund um Energiegewinnung, -speicherung und energiearme Kommunikation arbeiten weltweit zehntausende Forscher. Es ist eine Frage der Zeit, bis irgendwo wieder ein Durchbruch erreicht und dadurch eine Welle neuer Applikationen ermöglicht wird. Der Fortschritt entwickelt sich immer wellenförmig. Bleiben wir beim Bild der Welle: die kann einen entweder überrollen oder man kann auf ihr reiten – wozu tendiert die Schweiz, wie beurteilen Sie deren Offenheit gegenüber neuen digitalen Technologien?

Ich habe das Gefühl, dass die Schweiz, wie Europa insgesamt, im Bereich Internet der Dinge ganz gut dasteht. Im Maschinenbau ist Europa ja relativ führend, und im Bereich der Telefonie war es das lange Zeit auch. Die Phase dazwischen, in der Computing und Internet zum Thema wurden, war zwar insofern eine Niederlage, als hier fast alles erfunden, aber fast nichts kommerzialisiert wurde. Im Unterschied zu den USA, die die Hardwareproduktion weitgehend verloren haben, ist in Europa aber das gesamte Know-how vorhanden, das für das Internet der Dinge relevant ist, das heisst: Wissen im Bereich der physischen Welt ebenso wie in den Technologien der Bits und Bytes. Das einzige, was fehlt, sind Techniker. Hier leiden wir unter einem akuten Mangel. Mit Blick auf die richtungsweisenden Einflussmöglichkeiten, die sich den Beherrschern der Technik bieten, ist das erstaunlich. Worauf führen Sie den Mangel zurück?

In meiner Wahrnehmung wurde die dunkle Seite der Technik – das Messer als Mordinstrument – in den letzten Jahrzehnten überbetont. Zudem hat der Ingenieur seine Magie verloren und ist fast schon suspekt geworden in einer Gesellschaft, die das trügerische Gefühl hat, von Dienstleistungs-, Finanz- und Gesundheitswesen leben zu können. Man hat vergessen, dass all diese Dinge Geld kosten und von einem Kern getragen werden: von Gewerbe und Industrie. Wir wenden uns stark dem Schönen und Leichten zu, in

den Schulen stehen die Naturwissenschaften auf dem Stundenplan irgendwo weit hinten an – und bei dieser Prägung ist nicht verwunderlich, dass zu wenige etwas «Hartes» wie Maschinenbau oder Informatik studieren. Ob es nun mehr oder weniger Techniker gibt: Die grosse Mehrheit der Menschen wird die Komplexität der vernetzten Umgebung je länger, je weniger verstehen. Hinter der vordergründigen Vereinfachung, die die Technologie den Nutzern bringt, steht eine enorme technische Verkomplizierung im Hintergrund, der sich der einzelne mehr oder weniger fraglos ausliefert. Wo verläuft in Ihren Augen die Grenze zwischen Unterstützung durch und Abhängigkeit von Technik?

Die ist längst überschritten – mit so banalen Dingen wie der Verkehrsampel: Da bestimmt ein kompliziertes System, wann der Mensch die Strasse überqueren darf, macht ihm also das Leben einfacher, nimmt ihm aber auch Entscheidungskraft ab. In der Technologieabhängigkeit befinden wir uns also schon lange, und zweifellos lassen wir uns immer tiefer in sie hineinmanövrieren. Wie kommt man aus ihr heraus?

Indem man in die Höhle reingeht! (lacht) Einen Mittelweg gibt es nicht?

Zumindest sollte sich ein disziplinierter Umgang mit der IT lernen lassen: Viele Leute sind ja komplette Digital-Junkies, die brauchen ihre Geräte fast wie Zigaretten! Und daneben gibt es natürlich persönliche Strategien. Ich ziehe mich beispielsweise partiell zurück, in eine Hütte ohne Wasser und Strom, und lese vier Wochen im Jahr keine E-Mails. Zurück in der smarten Welt, umgeben von intelligenten Dingen und Systemen: Wo wird da der Mensch auch in Zukunft unersetzlich bleiben?

In der Systemgestaltung. Ich habe vier kleine Kinder und frage mich häufig, was sie lernen müssen, um das Leben in unserer Welt gut zu meistern. Ich glaube, eines der wichtigsten Dinge sind Interesse und Freude am Gestalten: Ich wünsche ihnen, dass sie im Leben nicht Bälle werden, sondern Spieler. Natürlich gibt es in unserem Leben viel mehr Bälle als Spieler, aber nur dort, wo man Spieler ist, ist man «am Ball». Ganz egal, in welchem Bereich man arbeitet, ob als Jurist, als Techniker oder Tischler: Wichtig ist die aktive Mitgestaltung der Dinge. Und die erreicht man, indem man Neugier und ein bisschen Biss entwickelt und mit innerer Freude sein Handwerk perfektioniert. �

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Der Westen regiert, aber nicht mehr lange: Unaufhaltsam verschieben sich die Positionen auf dem Spielbrett der Welt. Nicht, weil manche Player klügere Züge tun als andere, sondern weil Geographie und Evolution immer neuen Regionen in die Hände spielen. Was gestern Europa war, ist heute Amerika, morgen China – und übermorgen? von Ian Morris

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Bild: Fotolia.

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m es gleich vorwegzunehmen: der Westen regiert die Welt. Und richtig: China hat die zweitgrösste und Japan die drittgrösste Wirtschaft dieser Welt. Aber Europa und Nordamerika generieren zusammen immer noch zwei Drittel des globalen Wohlstandes, besitzen immer noch zwei Drittel der modernen Waffen und verantworten immer noch zwei Drittel der weltweit ausgegebenen Gelder für Forschung und Entwicklung – und das, obwohl sie weniger als ein Siebtel der Weltbevölkerung stellen. Aber die Gewichte verlagern sich. Die reiche Welt hat 2008 einen finanziellen Kollaps erlebt und leidet unter einer Schuldenkrise. Schon zuvor haben Experten vorausgesagt, dass Chinas Bruttosozialprodukt und Rüstungsausgaben in den 2020er Jahren jene der USA überholen würden. Künftig werden Chinas wirtschaftliche Vorstellungen im Westpazifik und zwischen Indischem Ozean und Afrika mehr Geltung haben als jene der USA. Gewiss, irgendwann wird auch Chinas wirtschaftliches Wachstum abflachen. Zur Mitte dieses Jahrhunderts könnten jedoch andere aufwachende Riesen – Indien, Brasilien, Indonesien – bereit sein, dann wiederum Chinas Platz an der Spitze einzunehmen. Wenn diese Prognosen, gestützt auf die Fakten der jüngsten Entwicklungen, zutreffen, werden die USA im Jahr 2050 weniger und Europa viel weniger Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben. Aber werden die jüngsten Entwicklungen anhalten? Das ist die Kernfrage. Um sie zu beantworten, müssen wir wissen, wo diese Entwicklungen ihren Ursprung haben, und um diese Frage zu klären, müssen wir uns eines Blickes in die Geschichte bedienen. Vor 150 000 Jahren Einige Historiker denken, dass der Westen in den letzten paar hundert Jahren die Dominanz übernommen habe, weil Europäer eine überlegene Kultur, bessere Institutionen oder grössere Leader gehabt hätten als andere Regionen der Welt. Und sie glauben, dass der Westen nun seine Dominanz verliere, weil seine Kultur, seine Institutionen und/oder Leader diesem Anspruch nicht mehr gerecht würden. Diese Argumentation verkennt, was tatsächlich vor sich geht. Die Entwicklung der Geschichte der Menschheit wird nur klar, wenn wir uns von ihren Details lösen und bis zu ihrem Ursprung von vor geschätzten 150 000 Jahren zurückblicken. Dann erst stechen einige einfache, aber wesentliche Punkte ins Auge. Erstens: während der gesamten Geschichte war es die Geographie, die die Entwicklung angetrieben hat. Der moderne Mensch ist vor schätzungsweise 150 000 Jahren in Afrika erstmals in Erscheinung getreten, weil Afrika der einzige Ort auf dem Planeten war, an dem eine spezifische Geographie die Evolution von Affen erlaubte, aus denen wir uns zu Menschen entwickeln konnten.

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Ian Morris ist Professor für Archäologie und Geschichte an der Stanford University in Kalifornien und Autor von «Wer regiert die Welt? Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden» (2011).

Menschen begannen vor schätzungsweise 10 000 Jahren mit dem Betreiben von Landwirtschaft in Eurasien, in den geographischen Breiten zwischen etwa 20 und 35 Grad Nord, weil es die dortige Geographie zuliess, wilde Pflanzen und Tiere hervorzubringen, die von uns domestiziert werden konnten. Das sind naheliegende Beispiele für die Kraft von Geographie. Aber um zu verstehen, wie die Geographie zu westlicher Dominanz führte (und was mit der westlichen Dominanz im 21. Jahrhundert geschehen wird), müssen wir eine zweite Lehre aus der Geschichte ziehen: während Geographie Entwicklung antreibt, bestimmt die Entwicklung, was Geographie überhaupt bedeutet. Kurz: Geschichte besteht aus einer komplizierten, chaotischen gegenseitigen Rückkoppelung zwischen Geographie und Evolution. Um diese Rückkoppelung erklären zu können, müssen wir sehr weit zurückgreifen: vor etwa 100 000 Jahren hatte Afrika die höchstentwickelten Gesellschaften dieser Erde, weil Afrika der einzige Ort auf Erden war, wo moderne Menschen existierten. Zum Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 15 000 Jahren, gingen die Menschen in die Gebiete zwischen Mittelmeer und China, die wildes Getreide (vor allem Gerste, Weizen und Reis), wilde Schafe, Ziegen, Schweine und Rinder hervorbrachten. Die Menschen domestizierten Fauna und Flora Schritt für Schritt und konnten dadurch erstmals Nahrungsvorräte erwirtschaften, die die Möglichkeiten des subsaharischen Afrikas bei weitem überstiegen und grössere, dichtere Bevölkerungen versorgten. Die ersten Bauern entwickelten komplexere Organisationen, um diese grösseren Gruppen zu bewirtschaften, und vor etwa 10 000 Jahren sind diese Gesellschaften zwischen Mittelmeer und China bereits viel grösser – und weiterentwickelt – als jene in Subsahara-Afrika. Eurasische Schnellstrasse Indem die Agrargesellschaften sich weiterentwickelten und wuchsen, veränderten sie zeitgleich die Bedeutung der vorgefundenen Geographie. Vor etwa 6000 Jahren kamen Bauern zum Schluss, dass es ihnen weniger bedeutet, dort zu leben, wo domestizierbare Pflanzen und Tiere ursprünglich entstanden, als vielmehr in Regionen wie Mesopotamien vorzudringen, wo sie einfachen Zugang zu Flüssen hatten, die ihnen Bewässerung von Böden und Handel signifikant erleichterten. Innerhalb von nur eintausend Jahren entstanden entlang solchen Flüssen ursprüngliche Städte und zentralisierte Regierungen. Vor etwa 3000 Jahren waren die ersten Staaten dieser Welt so gross und komplex, dass es von Bedeutung wurde, nicht mehr nur Zugang zu einem Fluss zu haben, sondern zu einem ganzen Meer.


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«Während der gesamten Geschichte war es die Geographie, die die Entwicklung angetrieben hat.» Ian Morris

Im westlichen Eurasien verschob sich das Zentrum der Entwicklung von den Tälern des Euphrats und des Nils zum Mittelmeer, wo griechische und römische Zivilisationen florierten. Geographie trieb die Entwicklung weiter an, und indem sie dies tat, veränderte die zunehmende Entwicklung die Bedeutung von Geographie. Vor etwa 2000 Jahren waren die grossen Imperien von Rom und der Han-Dynastie in China so gross geworden, dass sie bereits in die Bereiche der Steppen zwischen der Mandschurei und Ungarn vordrangen. Während Jahrtausenden waren diese Steppen eine zurückgebliebene Peripherie, nun wurden sie zu einer Art Schnellstrasse, auf der Nomaden zu Pferd Ideen, Güter, Menschen und Krankheitserreger transportierten. Vor allem die beiden letzteren hatten massiven Einfluss auf die weitere Entwicklung. Beginnend im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung lösten grosse Migrationswellen Plagen und Invasionen aus, die die antiken Imperien zum Kollabieren brachten. Im 6. Jahrhundert stiegen neue Imperien in Ostasien empor, das nun zum am weitesten entwickelten Teil der Erde wurde. Die Tang- und die Song-Dynastien trieben Wissenschaft und Technologie so weit voran, wie es keine Zivilisation zuvor getan hatte. Sie leisteten Pionierarbeit in Form neuer Schiffe, die zuverlässig Ozeane überqueren konnten, sie erfanden neue Waffen – Feuerwaffen –, die Menschen auf der anderen Seite dieser Ozeane erschiessen konnten. Diese Menschen verbreiteten sich im 14. Jahrhundert wie ein Lauffeuer über ganz Eurasien – und sie veränderten die Bedeutung von Geographie in völlig unerwarteter Art und Weise. Vergegenwärtigen wir uns: während Tausenden von Jahren war Westeuropa ein ziemlich unwichtiger Ort, ausgestossen in den Atlantischen Ozean und weit weg von den echten Zentren von Macht und Wohlstand. Es dauerte, bis sich die Landwirtschaft von ihrer ursprünglichen Heimat nach Westeuropa ausbreitete. Und es dauerte noch einmal Tausende von Jahren, bis Städte und Staaten nachzogen. Als dann im 14. Jahrhundert Schiffe und Waffen in Europa ankamen, veränderten sie die Bedeutung des Atlantiks jedoch

umso schneller und nachhaltiger. Wie ein Jahrtausend zuvor die Steppen, hat sich der Atlantik von einer Schranke in eine Schnellstrasse verwandelt. Von China an die Westküste Amerikas zu segeln, bedeutete, 10 000 Kilometer Ozean zu überqueren; von Europa an die Ostküste Amerikas zu segeln, bedeutete lediglich, 5000 Kilometer zu überqueren. Der Pazifik blieb im 15. und 16. Jahrhundert eine Schranke, aber der Atlantik war klein genug, um Europas Einfallstor zur weiten Welt zu werden. Und die Geographie veränderte ihre Bedeutung einmal mehr. Im 17. und 18. Jahrhundert schufen die Europäer eine neue Art von Wirtschaft. Das enorme Ausmass von Wohlstand, den der Handel mit Gütern und Menschen (gewiss, inklusive afrikanischer Sklaven) entlang den Atlantikküsten ermöglicht hatte, brachte mehr und mehr Europäer dazu, ihre Arbeitskraft auf dem Markt zu verkaufen und dadurch Profite und Löhne in die Höhe zu treiben. Die neue Wirtschaft brachte mehr und mehr Intellektuelle dazu, die Welt der Natur zu überdenken. Sie dachten: wenn wir verstehen, wie die Sterne, Winde und Gezeiten funktionieren, können wir dieses abstrakte Wissen in einen praktischen Wert umwandeln. Dafür benötigten sie neue Arten von Mathematik, neue experimentelle Methoden. Die Europäer erfanden beides. Was folgte, war nichts Geringeres als eine Kaskade von Durchbrüchen in der Physik, Chemie und Biologie. Schuldenkrise wirkt beschleunigend Europa erfuhr die wissenschaftliche Revolution im 17. Jahrhundert nicht, weil Europäer klüger sind als Chinesen, Inder, Perser oder Araber, sondern weil sie neue Fragen stellten, die ihnen durch die neue Bedeutung der Geographie aufgedrängt wurden. Und indem im 18. Jahrhundert die atlantische Wirtschaft die Löhne hinauftrieb, beantworteten die Europäer auch eine weitere brennende Frage: Wie können fossile Brennstoffe Muskelkraft ersetzen? Die Folge: ab 1850 dominierte Europa die Welt wie ein Koloss. Aber die Europäer hatten auch ein Problem: die Geographie hörte um 1850 nicht auf, ihre Bedeutung zu verändern. Indem die Entwicklung im späten 19. Jahrhundert eine nie gekannte Ge-

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schwindigkeit annahm, liessen neue Technologien (Dampfschiffe, Eisenbahnen, Telegraphen) und neue Märkte den Atlantik noch weiter schrumpfen. Nordamerika wurde von der Peripherie des europäischen Zentrums selber zu einem Zentrum. Schon bald darauf, im 20. Jahrhundert, musste sich Nordamerika demselben Problem stellen, das zuvor schon Europas Vormachtstellung untergraben hatte. Geographie hörte um 1950 nicht auf, ihre Bedeutung zu verändern, noch neuere Technologien (Containertransport, Düsenmaschinen, das Internet) und noch neuere Märkte liessen nun den Pazifik schrumpfen. Ostasien war an der Reihe, von der Peripherie des amerikanischen Zentrums selbst zum Zentrum zu werden. Zuerst geschehen in Japan, dann mit dem Aufstieg der asiatischen Tigerstaaten und nun in Form der Volksrepublik China: Asien hat die Hauptrolle des Westens innerhalb nur einer Generation signifikant geschmälert. Die Welt im Jahr 2114 Aus dieser kleinen Geschichtsstunde über uns selbst können wir nun drei wichtige Folgerungen für das 21. Jahrhundert ziehen. Erstens: die Verschiebung des Wohlstands und der Macht von West nach Ost ist unaufhaltsam. Nichts, was Regierungen oder Individuen tun können, wird sie aufhalten – genauso wenig wie es etwas gab, das europäische Regierungen oder Individuen im 19. und 20. Jahrhundert hätten tun können, um den Aufstieg der USA zu stoppen. Die falsche Handhabung von Europas Schuldenkrise oder Amerikas unterkapitalisierte Anspruchsprogramme, wie die Krankenfürsorge für Arme und Alte, Subventionen für die Landwirtschaft, Renten und Pensionen, werden die Verschiebung von Westen nach Osten im 21. Jahrhundert mit Sicherheit beschleunigen – genauso wie zwei Weltkriege die Verschiebung von Europa nach Amerika im 20. Jahrhundert beschleunigt haben. Aber weder die Finanzkrise noch die Weltkriege haben die Verschiebungen verursacht. Was auch immer Kaiser Wilhelm II. und Adolf Hitler getan hätten: die USA hätten im Jahr 2014 ohnehin die Welt dominiert. Und was auch immer Barack Obama oder Standard & Poor’s nun tun, China wird die Welt im Jahr 2044 ohnehin dominieren. Diese Fakten anzuerkennen, ist Realismus, nicht Defätismus. Die Herausforderung für den Westen besteht im 21. Jahrhundert darin, die Verschiebung möglichst erfolgreich zu bewältigen. Zu versuchen, Chinas Aufstieg zu blockieren, dürfte sich als katastrophal erweisen, ihn jedoch einfach zu akzeptieren, könnte sich ebenso als katastrophal erweisen. Genauso wie einige europäische Nationen den Aufstieg Amerikas besser bewältigt haben als andere, werden einige Westler Chinas Aufstieg besser bewältigen als andere. Zweitens: die Verschiebung des Wohlstands und der Macht von West nach Ost wird letztlich ihren Lauf nehmen, genauso wie die Verschiebung des Wohlstands und der Macht von Europa nach Amerika ihren Lauf nahm. Ungeachtet dessen, was Chinesen, Japaner oder andere Leader tun, wird sich die Bedeutung der Geo-

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graphie weiter verändern. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts wird eine andere Region geographisch bevorteilt sein als China. Indien macht den Anschein eines offensichtlichen Herausforderers: die Weltozeane schrumpfen weiter, Indiens chaotische Regierungsführung verbessert sich stetig und seine überwältigende Bevölkerung legt an Fähigkeit zu. Schon bald wird es an China liegen, die globale Verschiebung der Macht zu bewältigen. Die interessanteste Lehre aus der Geschichte ist jedoch die dritte: die soziale Entwicklung hat sich in den letzten beiden Jahrhunderten rasanter denn je beschleunigt. Unser Energieverbrauch, unsere Lebenserwartung, Gesundheit, Kommunikation, wissenschaftliche Erkenntnisse und Militärkraft stellen alles bisher Gekannte in den Schatten. Unsere iPads, Organtransplantate und Viagra würden Menschen aus jeder vorangehenden Epoche magisch erscheinen. Auch wenn wir die unplausibel konservative Annahme treffen, dass sich soziale Entwicklung im 21. Jahrhundert bloss in gleicher Geschwindigkeit vollzieht wie im 20., übersteigt das Ausmass künftiger Veränderung unser Vorstellungsvermögen. Wir betreten das Territorium von Science Fiction. Es ist jedoch keine Übertreibung, zu sagen, dass die Menschheit in den nächsten 100 Jahren mehr Veränderungen sehen wird als in den vorangehenden 100 000. Selbstverständlich weiss niemand, wie die Welt 2114 aussehen wird. Aber wir können sehen, wie neue Trends aufkommen. Meine persönliche Vermutung: die wichtigste Entwicklung wird die Auflösung der Grenze zwischen Technologie und Biologie sein. Wir haben sie während Jahrhunderten immer weiter reduziert, angefangen bei Brillengläsern und Holzbeinen über Hörhilfen und Herzschrittmacher bis hin zur Modifikation unserer genetischen Codes. Im Jahr 2001 stellte das Craig-Venter-Labor in Kalifornien künstlich Leben her. Wir sind Götter geworden. Hybridmenschen Wenn diese Entwicklungen ihre Fortsetzung finden, könnte das 21. Jahrhundert die Fusion von biologischer, auf Kohlenstoff basierender Intelligenz mit technologischer, auf Silikon basierender Intelligenz erleben. Kulturelle Evolution wird dann den Punkt erreicht haben, an dem sie sich mit biologischer Evolution gegenseitig rückkoppelt. Und wenn es so weit ist, dass sich die guten alten Menschen zu einer neuen Art von Hybriden entwickeln, dürfte man mit Sicherheit sagen können, dass die Verschiebung des Wohlstands und der Macht von West nach Ost – und mit ihr die Ablösung von Ostasien durch andere, neuere Mächte – unsere kleinste Sorge sein wird. Geographie könnte im 21. Jahrhundert ihre Bedeutung so stark verändern, dass sie gänzlich aufhört, bedeutsam zu sein. Was aber, wenn diese Trends nicht anhalten? In der Vergangenheit haben Perioden von sich rapide beschleunigender sozialer Entwicklung oft zu grossen Kollapsen geführt, wie im Falle des Niedergangs des Römischen Reiches oder des Han-Imperiums vor beinahe


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2000 Jahren. Und bei jedem Kollaps waren dieselben fünf Kräfte im Spiel: Massenmigration, neue epidemische Krankheiten, das Scheitern von Staaten, Nahrungsmittelknappheit und Klimawandel. Es wird keinem neu erscheinen, dass sich diese fünf Kräfte im 21. Jahrhundert ungleich intensiver auswirken, da der menschengemachte Klimawandel die anderen vier in unvorhersehbarer, aber oft alarmierender Art antreibt. Einerseits könnte sich herausstellen, dass das 21. Jahrhundert einigen vorherigen Jahrhunderten strukturell gleicht, in denen die Entwicklung sich selber unterminierte und kollabierte; andrerseits wird dieses Jahrhundert sich von vorherigen auch klar unterscheiden, denn: bei früheren Kollapsen verfügte noch niemand über Atomwaffen. Wenn wir daran scheitern, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen, könnte der Kollaps vollständig und endgültig sein. Neue Probleme, alte Institutionen Wenn ich diese drei Lehren aus der Geschichte zusammenziehe, so scheint mir die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts darin zu bestehen, dass wir neuen Problemen mit globalen

Ausmassen noch immer mit alten Institutionen und ihren regionalen Ausmassen begegnen. Nationalstaaten, ein Erbe des 18. und 19. Jahrhunderts, bleiben die mächtigsten Organisationen dieser Erde. Sie waren spektakulär erfolgreich in der Lösung von jenen Problemen, denen sie ursprünglich gegenüberstanden, aber gegenüber CO2-Emissionen, Märkten, die niemals schlafen, und vernetzten Terroristen stellen sie sich als weniger wirksam heraus. Die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts wird die anhaltende Verschiebung des Wohlstandes und der Macht von West nach Ost sehen, und die zweite Hälfte könnte eine weitere Verschiebung von Ostasien nach Südasien sehen. Aber beide Verschiebungen überschatten wird das grosse Wettrennen zwischen einer Transformation der Menschheit, die traditionelle Geopolitik irrelevant macht, und einem massiven, möglicherweise endgültigen Kollaps, der traditionelle Geopolitik ebenfalls irrelevant macht. Die nächsten 50 Jahre werden die wichtigsten in der Geschichte unserer Welt sein. � Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rittmeyer.

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Du musst dein Leben steigern!

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Der Begriff des Wachstums wird künftig unbrauchbar werden. Das macht aber nichts. Denn Europa ist seit der frühen Neuzeit auf mehr als Wachstum angelegt. Stichworte zu einer Neufassung der europäisch-unternehmerischen Idee vom reichen Leben.

von Peter Sloterdijk

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er heute eine affirmative Wachstumsdoktrin vortragen möchte, befindet sich in einer wenig beneidenswerten Position: er muss sich zur Verteidigung seiner These auf einen Begriff stützen, der schon heute stark kompromittiert ist und der künftig wohl gänzlich unbrauchbar werden wird. «Produktivitätswachstum» – das geht wohl noch an; aber schon der Drohbegriff «Bevölkerungswachstum» macht den positiven Eindruck zunichte, um vom «Wachstum» der Krebszellen nicht zu reden und von dem vielerorts angeklagten «Wachstumswahnsinn» erst recht nicht. Es scheint, als hätten die Sprecher und Theoretiker der modernen Wirtschaft es versäumt, rechtzeitig an die semantische Wurzel ihrer Existenz zu gehen und eine adäquate Sprache für das grosse profitwirtschaftliche Gewinnspiel der Neuzeit zu entwickeln. Man hat zu lange auf die suggestive Gemächlichkeit einer letz­t­lich noch immer agrarromantisch codierten Terminologie gesetzt und steckt jetzt semantisch in einer Falle, aus der es kein Entrinnen gibt. Der einzige Ausweg besteht darin, sich auf die Quellen des grossen europäischen Bereicherungsspiels zu besinnen und von dort her eine neue Sprache für das zu entwickeln, was mit der unmöglich gewordenen Rede vom Wachstum wirklich gemeint war. Ich denke, man muss mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen, um sich vor Augen zu bringen, was die Kultur- und Wirtschaftsrevolution der Europäer bedeutet und was diese in der Folge von anderen Kulturen unterscheidet. Egon Friedell hat meines Erachtens recht daran getan, seine grossartige Kulturgeschichte der Neuzeit mit der Schwarzen Pest von 1348 beginnen zu lassen. Diese schwerste Epidemie der Menschheitsgeschichte löschte innerhalb weniger Jahre ein Drittel der Bevölkerung Europas aus und veranlasste die Zeitgenossen zu der Meinung, es sei leichter, die Übriggebliebenen zu zählen als die Toten. Wer so verreckt, für den steht kaum der Himmel offen. Europäische Pestüberlebende können darum nicht mehr anders, als sich mit einer typischen und neuen Betonung an das Leben vor dem Tode zu klammern. Das klassische Dokument dieser neueuropäischen Orientierung auf die diesseitige Existenz ist Giovanni Boccaccios berühmtes und berüchtigtes Hundertgeschichtenbuch: «Il Decamerone». Es bezeugt unmissverständlich den Neuen Bund der Nach-Pest-

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Peter Sloterdijk ist Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und daselbst Professor für Philosophie und Ästhetik. Er ist Autor u.a. von «Stress und Freiheit» (2011), «Du musst dein Leben ändern!» (2010) und «Im Weltinnenraum des ­Kapitals» (2006). Sein Werk erscheint im Suhrkamp-Verlag.

Europäer mit dem irdischen Leben. Man soll sich davor hüten, in diesem überragenden Buch nur die erotische Geschichtensammlung zu sehen, die es natürlich auch darstellt. Der Sache nach ist es gerade kein Männermagazin des 14. Jahrhunderts, sondern ein Aufheiterungsbuch für Überlebende und für Frauen, von deren guter Laune – das weiss Boccaccio – der Zauber des geselligen Lebens abhängt. Der «Decamerone» ist die Magna Charta der europäischen Selbstermunterung, er enthält nicht weniger als den Versuch, die Lebensgründe für europäische Stadtmenschen neu zu buchstabieren und ihrer Liebe zum Leben einen neuen Anhalt in der Welt zu bieten. Der «Decamerone» erzählt von hundert Gründen, trotz allem das Leben vor dem Tod zu lieben; er verkündet ein pluralistisches Evangelium der Heiterkeit, der Neugier, der Schlagfertigkeit. Wenn die grosse Pest tatsächlich das Realsymbol für das Ende des christlichen Mittelalters war, so steht der «Decamerone» für die beginnende Renaissancekultur und die Umstellung alteuropäischer Lebensstimmungen von Todesüberwindung auf Diesseitsbewältigung. Liest man die Dokumente der frühen Neuzeit unter dieser Optik, so wird deutlich, dass die typischen Nach-Pest-Europäer, sofern sie dem städtischen Geist nahestehen, schon eher an die Fortuna als an Christus geglaubt haben. Als Göttin der Gewinne und Verluste steht Fortuna, die wechselhafte femme fatale, am Eingang zur europäischen Neuzeit. Sie repräsentiert das Abenteuer der Bereicherungen und der Lebenssteigerungen, ohne die sich der Typus des neuzeitlichen Besitz- und Bildungsbürgers eine «menschliche» Existenz schlechterdings nicht mehr vorstellen kann. Aus diesem Geist wurde Europa für ein halbes Jahrtausend zur Mitte der Welt, Ausgangspunkt einer ungeheuren Expansion und Taktgeber in einem umfassenden Prozess, den wir heute die Globalisierung nennen. Die Jahre 1492 bis 1945 stehen weltge-


ÂŤDie Pilotware des neuzeitlichen Kapitalismus war der Pfeffer.Âť Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk, photographiert von Thomas Burla.

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schichtlich ganz im Zeichen Europas, sie demonstrieren die europäische Akkumulation von Unternehmens- und Angriffskraft. Im Rückblick auf diese Zeit wird freilich auch deutlich, dass dieses Kontinuum heute zerbrochen ist und dass die Europäer aus ihrem welthistorischen Schub herausgefallen sind; sie müssen sich – wie nach einer erneuten grossen Pest – von neuem fragen, aus welchen Motiven sie künftig leben wollen. Angesichts dieser Sachlage scheint es mir vernünftig, einen Gegenvorschlag zu machen: es wäre wichtig, einen adäquaten Ausdruck zu lancieren, in dem das wirkliche Motiv des european way of life – samt seiner amerikanischen Abzweigung – ausdrücklich ausgesprochen wird. Man muss endlich die agrarromantische Maske fallen lassen und das Wachstumsgerede aufgeben. Denn Wachstum ist eine Idee der bäuerlichen Welt. Was die Europäer seit dem 14. Jahrhundert wirklich wollten, war gerade der Übergang von der bäuerlichen einfachen Reproduktion des Lebens zur modernen unternehmerischen Lebenssteigerung. Dieser Übergang erscheint uns heute selbstverständlich, aber er verdient es, noch einmal ausdrücklich auf den Begriff gebracht zu werden. Ich habe angedeutet, dass die Europäer seit der grossen Pest anfingen, aus der christlichen Kultur der Jenseitsorientierung und der Todesüberwindung herauszuwachsen. Sie finden seither mehr und mehr zurück zu einer Lebenshaltung, die uns durch die griechische und römische, teils auch durch die altjüdische Kultur überliefert ist – nämlich zu der Grundhaltung der metaphysischen Resignation, für die feststeht, dass wir die Sterblichen sind, für die es letztlich keine Rettung gibt. Epikur hatte dies ausgedrückt, wenn er sagte, die Menschen könnten sich gegen das meiste sichern, nur in bezug auf den Tod lebten sie allesamt in einer Stadt ohne Mauern. Aus der metaphysischen Resignation folgt, dass nachchristliche Menschen ihr grösstes Begehren, den überschwenglichen Wahn ihrer Seele, nicht mehr an ein himmlisches Objekt, an Gott oder ein ewiges Leben, heften können. Sie brauchen von da an ein innerweltliches Ersatzobjekt für ihr Begehren, und dies zeigt sich in dem Doppelmotiv von Lebenssteigerung und materieller Bereicherung. Man erkennt hier im übrigen, warum es nötig ist, von metaphysischen und religiösen Wunschsystemen zu reden, wenn man die ökonomischen verstehen will. Kein Christ mehr zu sein, ist schwieriger, als man gemeinhin glaubt. Ein Christentum hinter sich zu haben, ist keine Kleinigkeit. Natürlich ist auch das Christsein selbst etwas Ausserordentliches; aber das Christentum hinter sich zurückzulassen, das ist vielleicht noch merkwürdiger und folgen­reicher, denn es bedeutet in jedem Fall, aus einer Kultur hervor­zugehen, die ein hohes Mass an metaphysischer Prätention auf­gestachelt hat: ein Verlangen nach Ewigkeit für das eigene Leben und einen Ausgriff auf das absolute Objekt, Gott. Selbst wenn wir in einer überwiegend säkularen Kultur wie der heutigen keine offizielle Hoffnung auf Todesüberwindung und Rückkehr in Gott mehr ausdrücken, so haben wir in uns doch eine Wunschproduktion zurückbehalten, die uns so anspruchsvoll

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macht, als wollten wir nach wie vor das Äusserste. Nachchristliche Europäer wissen mehrheitlich in der Tat nichts mehr von Transzendenz, sie leben fern von positiven Doktrinen der Unsterblichkeit und der Todesüberwindung, aber sie haben in der Schule des Christentums das Wünschen gelernt – und sie verlangen viel. Für europäische Menschen, wenn sie auf der Höhe der psychodynamischen Überlieferungen sind, gilt die Regel: es ist unmöglich, sich je wieder klein zu machen. Man kann die Europäer unmöglich wieder zurück in den engen Flaschenhals pressen, durch den sie sich in jahrhundertelangen soziokulturellen Geburtskämpfen ins Freie gebracht haben. Die europäischen Wünsche sind entfesselt und in die Welt ausgeströmt wie der Dämon aus der Flasche. Nichts bringt sie wieder in das enge Gefäss zurück. Die Wunschtätigkeiten sind losgelassen, und die Agenten dieser Entfesselung haben sich allesamt bewusst und unbewusst einem Projekt verschrieben, das in expliziter Fassung lautet: von der einfachen Lebenserhaltung zur unaufhaltsamen Lebenssteigerung. Man kann diese Wandlungen erläutern an der seltsamen Gestalt des Christoph Kolumbus, den man gemeinhin als Seefahrer bezeichnet, von dem man aber mehr begreift, wenn man in ihm einen Unternehmer sieht. Kolumbus ist seiner Seinsweise nach ein paradigmatischer neuzeitlicher Verrückter, wer aber nicht ein wenig vom kolumbianischen Wahn in sich hat, ist nicht zur Teilnahme an dem grossen Aufbruch der neuzeitlichen Europäer qualifiziert und weiss nicht wirklich, in welcher Epoche wir leben und worum es in ihr geht. Am Ende des 15. Jahrhunderts hat ein ganzer Kontinent seinen explosiven Wahntraum gleichsam in einer einzigen Person exemplarisch niedergelegt. Das Kolumbus-Unternehmen sollte eine Art von Pilotfunktion für den gesamten neueuropäischen Aufbruch haben. Die Ironie des Vorgangs ist bekannt: man bricht nach Indien auf und landet auf einem geographischen X, das später Amerika heissen wird. Fast unbekannt hingegen ist die technische Dimension des Kolumbus-Unternehmens. Seit dem frühen 15. Jahrhundert hatten die Portugiesen damit begonnen, das Windsystem über dem Nordatlantik zu erforschen. Was sie dabei entdeckten, hat etwas Atemberaubendes, und ihre Entdeckung liefert bis heute eine Idee von dem, was in der frühen Neuzeit das Unternehmer- und Entdeckertum einmal gewesen ist. Portugiesische Seefahrer haben die mirakulöse Abstraktionsleistung vollbracht, in Theorie und Praxis zu begreifen, dass man sich – um den Atlantik befahrbar zu machen – zunächst in die von Europa konstant wegwehenden Winde so fallen lassen muss, als wolle man nie wieder zurückkehren; dann aber, hoffnungslos weit draussen auf hoher See, kann man weiter nördlich die starken Nordwestwindströme erreichen, mit denen eine Rückkehr europawärts möglich ist. Diese Operation hat einen religiösen Zug: nur wer sich ganz verlorengegeben hat, dem kann – jenseits des point of no return – eine andere Energie zu Hilfe kommen, die den Rückweg eröffnet. Diese Technik wurde später von den


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Spaniern, Niederländern und Briten so perfektioniert, dass Atlantiküberquerungen in beiden Richtungen vom frühen 16. Jahrhundert an zur Routine wurden, auch wenn sie in der Zeit der Segelschiffe ihre Schrecken nie ganz verloren. Für unseren Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass die massstäbesetzenden Europäer der frühen Neuzeit, die Seefahrer und Amerikasucher, einen nautischen salto mortale auf dem Ozean riskierten, um etwas zu verwirklichen, was ihren innersten Wunsch­a ntrieben entsprach. Man könnte so weit gehen zu sagen, diese überkühne Geste stellte den Prototypus für die europäische Unternehmensintelligenz im ganzen dar. In ihr drückt sich eine fast verrückte Parteinahme für das Schwierige, Indirekte und doch eben Mögliche und Gewinnbringende aus. An dem europäischen Unternehmen «Amerika» lässt sich ablesen, was die reale Traumkraft und Wunschproduktion der frühen Neuzeit vermochte. Kolumbus wurde zu seinen Entdeckungen vor allem durch die Erwartung angetrieben, die märchenhaften Reichtümer Indiens für die christlichen Könige Spaniens zu erschliessen. Kurioserweise war seine Gier nach dem Gold im fernsten Westen noch nicht durch neuzeitliche Bereicherungsmotive bestimmt, und Kolumbus war kein Shylock. Ihm war der Begriff des Kapitals noch nicht aufgegangen – wie es überhaupt Jahrhunderte dauern wird, bis die Europäer allgemein den Unterschied zwischen der Schatzform des Reichtums und der Kapitalform begriffen haben werden. Das Gold, das Kolumbus sucht, soll sich noch nicht als Kapital verwerten, sondern dazu dienen, einen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems von den Türken zu finanzieren – hierin denkt Kolumbus noch ganz mittelalterlich, in die Wunschhorizonte der feudalen Seele eingefügt. Hingegen ist seine nautische Tat radikal modern, und so sind auch seine europäischen und transatlantischen Konsequenzen. Der Ausdruck «präkolumbianische Kultur» sollte nicht nur für die Mittel- und Südamerikaner vor der Ankunft der Spanier benutzt werden, sondern vor allem auch für die Europäer vor 1492. Wer nach diesem Datum lebt, muss stets in der einen oder anderen Weise zur Kenntnis nehmen, dass es aus der neuen, postkolumbianischen, das heisst atlantischen und globalen Situation kein Entrinnen mehr gibt. Man lebt nach Kolumbus fast, wie man nach Christus lebt – und die Weltgeschichte seit 1492 ist tatsächlich bis heute eine immer weiter gehende Explikation der transatlantischen Wirklichkeit (die inzwischen auch und mehr noch eine transpazifische ist). Seit die andere Küste des Atlantiks vor europäischen Seefahrern aufgetaucht ist, haben sich die extremen Wunschenergien der Europäer gleichsam von einer himmlischen auf eine transatlantische Transzendenz umgepolt. Es schien, als solle das Paradies ein geographischer Begriff werden. Wer nun noch den unbändigen Wunsch nach dem ganz Anderen in sich verspürte, wer vom verklärten Leben am anderen Ufer träumte, der musste nicht mehr nur nach der Auferstehung verlangen und von einem Dasein jenseits der postmortalen Barriere träumen. Jetzt gibt es Amerika, jetzt sind wir durch ein wirkliches anderes Ufer fasziniert, jetzt blickt uns eine transatlantische Küste an, ein diesseitiges Jenseits.

Mag es auch einen aberwitzigen nautischen Versuch kosten – und Lebensgefahr bei der Überfahrt bedeuten: es ist doch erreichbar. Und das Gerücht von der Erreichbarkeit dieser anderen Küste, das Geflüster von der neuen, der transatlantischen Transzendenz reisst die europäischen Phantasien im 16. Jahrhundert auf. Das eröffnet die Achsenzeit des europäischen Kapitalismus, hier findet die ursprüngliche Akkumulation der Wünsche statt. Wer Europäer ist, lernt von dieser Zeit an, den Blick auf den Atlantik hinaus zu richten und von Gewinnen zu träumen, die aus der Offenheit der Ozeane auf uns zuschwimmen. Da nun von der europäischen Wunschökonomie in der frühen Neuzeit die Rede ist, muss – neben den atlantischen Motiven – von einer zweiten Quelle europäischer Träume vom besseren irdischen Leben gesprochen werden. Denn bevor der Atlantik für Europäer zum schicksalhaften Gewässer wurde, war für sie das Mittelmeer die Gegend, aus der die massgeblichen Ideen und Waren kamen; vor dem fernen Westen war es der nahe und mittlere Osten, durch den sie das Wünschen und Träumen lernten. Bekanntlich wurde ein Grossteil der alteuropäischen Luxuswirtschaft über die Kaufleute von Venedig getätigt, und der venezianische Gewürzmarkt spielte eine herausragende Rolle bei der Entwicklung des europäischen Geschmacks an neuen Genüssen. Hierzu muss man wissen, dass das alteuropäische Grundlebensmittel das Gemüse war. Der Name verheisst nichts Gutes, wenn man sich die Mühe macht, über ihn nachzudenken. Da man im Deutschen mit der Vorsilbe «ge-» die berüchtigten ge-Kollektiva bildet, erfährt man durch das Wort selbst, worum es geht: Gemüse ist alles, was Mus ist oder genauer: was zu Mus gekocht werden kann. Darin steckt eine schreckliche Nachricht über die Küche unserer Vorfahren – das Wort verrät, wovon die Europäer vor der Revolution des Geschmacks durch die Gewürze hauptsächlich lebten (und vor dem Zeitalter der künstlichen Gebisse). Da sie, nur von den Früchten der Jahreszeit bereichert, einen immerwährenden Eintopf zu sich nahmen, waren sie empfänglich für die Angebote des Handels, die den Einheitsgeschmack zu durchbrechen versprachen. Die Idee eines anderen Lebens war schon im Hochmittelalter sinnlich liiert mit der Hoffnung auf einen anderen Geschmack. Dank der Venezianer wurde aus Hoffnung Erfahrung. Die Pilotware des neuzeitlichen Kapitalismus war der Pfeffer. Dies darf man keinen Augenblick ausser Betracht lassen: mit dem Pfeffer fängt unsere life-style-Geschichte an, vom Pfeffer werden Europäer auf den Geschmack an den Differenzen gebracht – durch ihn wurden sie, wie Amerikaner sagen würden, spicy people. Und warum? Weil Pfeffer die erste Idee vom Anderen am Gaumen brachte. Salz ist ein alteuropäisches Produkt, die Römer, die Kelten, die Germanen kannten es, allesamt Salzgemüseesser. Aber Pfeffer: das ist die Sprache Indiens, das ist der Orient auf der Zunge, das ist der Geist der Utopie am Gaumen. Zusammen mit dem Pfeffer kommt bald der Zimt, kommen die Nelken und tausend andere Wunderaromata aus dem Osten. Ein Blick in spätmit-

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telalterliche Kochbücher macht den Sachverhalt klar. Man hat es da mit einer barocken Gewürze-Küche zu tun, mit einem Taumel der Zutaten, die allesamt das aromatische Andere, das Höhere und Intensivere mitbringen. Man könnte aus diesen Beobachtungen ohne Mühe das Grundgesetz europäischer Waren-Entwicklungen abstrahieren: die europäischen Käufer interessieren sich für Güter vor allem dann, wenn diese Güter Besserungen sind. Die klassische Ware ist diejenige, die besser ist als die vorherige; und typisch europäischer Warenkonsum ist die Steigerung des Lebens durch die Einverleibung der neuen Ware. Kurzum, im Zug zum Warenkonsum, das zeigen die orientalischen Gewürze als Protowaren ganz klar, liegt immer schon ein Verlangen nach Lebenssteigerung. Die Lebensmittel der Neuzeit sind eo ipso immer schon auch Lebenssteigerungsmittel. Im Begriff der Ware, so wie die Europäer mindestens seit dem 14. Jahrhundert ihn verstehen, materialisiert sich die Idee, dass sie einen stofflichen Beitrag zum grössten aller Feldzüge leistet: zu dem Feldzug der Lebenssteigerungen, in denen die Menschen der Nach-Pest-Epoche sich ihres Daseins vergewissern. Neben der ursprünglichen Akkumulation der Kapitale in den frühen Bankhäusern und Manufakturen vollzieht sich oft noch unter mittelalterlichen und religiösen Masken eine analoge Akkumulation der Wünsche. Es lohnt sich, unter solchen Aspekten die grossen Autoren der frühen Neuzeit neu zu lesen, insbesondere Shakespeare, dessen Genie die Sprache des europäischen Willens zum gesteigerten Geniessen auf einen ersten Gipfel geführt hat. Er hat sich in die Seele der Abenteuer-Unternehmer hineingedacht und den Sorgen der Eigentümer von schwimmendem Kapital, von Schiffen und Waren, eine blühende Sprache geliehen. Die tiefste Formulierung für die neueuropäische Wunsch-Ökonomie findet sich in Shakespeares Spätwerk «Der Sturm». Der Dichter legt sie Ariel in den Mund, dem Luftgeist, der dem Zauberer Prospero bei der Inszenierung des künstlichen Zauber-Sturms zur Hand geht. Auf die Frage des Meisters, wo sich denn jetzt das in dem Schein-Sturm scheinbar gesunkene Schiff befinde, antwortet Ariel, es liege unversehrt in einer Bucht, nämlich an eben der Stelle der Insel, von der aus Ariel einst ausgeflogen sei, um seinem Meister eine begehrte Zaubersubstanz zu besorgen, jenen «Tau von den stürmischen Bermudas», den Prospero für gewisse Manipulationen anforderte. …allwo Du einst um Mitternacht mich aufriefst, Tau Zu holen von den stürmischen Bermudas... («Der Sturm», I,2, Übersetzung nach Schlegel/Tieck) Niemand weiss wirklich, was man mit Tau von den Bermudas anfangen kann, aber die Tatsache, dass Prospero, jenes englischitalienische Gegenstück zum deutschen Doktor Faustus, sich dieser Substanz bemächtigen wollte, gibt Raum für weitreichende Vermutungen. Ich neige zu der Ansicht, dass Shakespeares Wort über den Tau von den Bermudas die dunkle Formel für das neueu-

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ropäische Objekt des Begehrens darstellt – es nennt etwas, das in transatlantischen Zonen vom Himmel auf die Erde sinkt, etwas, was mehr wert sein muss als Kapital, Gewürze, Schiffe und Gold. Was unterscheidet Tau von den Bermudas von dem Tau aus Prato oder Oxford? Worin besteht sein überlegener Zauber? Ich glaube, mit dem Bermuda-Tau gelangt die riskante transatlantische Energie, das Leben zu verklären, in europäische Hände, und um nichts anderes geht es bei der grossen neueuropäischen Kampagne zur Schaffung von Reichtümern. Es kann kein Zufall sein, dass dieser Tau aus einer ozeanischen Region stammen muss, die schon damals als die gefährlichste des Globus galt. Bermuda-Tau ist die Quintessenz der neueuropäischen Risiko-Wirtschaft. Vielleicht liegt in ihm der utopische Sinn aller amerikanischen und europäischen Revolutionen. Wer Tau von den Bermudas holt, ist der wahre Revolutionär. Tatsächlich, Revolutionär im tieferen Sinn des Wortes ist, wer dem Leben durch Arbeit und Magie eine Dimension hinzufügen möchte, die bisher nur Königen und Zauberern zugesprochen wurde, nämlich die Macht, Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen. Der Tau von den Bermudas ist dieses neueuropäische WunschElixier, das grosse Verwandlungsmittel, um aus armem Leben reiches Leben zu machen. Und damit haben wir unser Thema wieder erreicht und können endlich genauer sagen, warum die Idee des Wachstums nicht länger geeignet ist, das Eigentümliche des ursprünglichen europäischen Traums auszudrücken. Die neueuropäische Wirtschaft gründet nicht in der Idee des Wachstums, sondern im Verlangen nach dem Sondergewinn. Es ist ihre Leidenschaft, mit dem mühseligen Prinzip des Wachstums aus der Natur zu brechen, um eine andere Erfahrung von Vermehrung an seine Stelle zu setzen. Ihre erste Regung ist die Absage an die bäuerliche Geduld und an die Ergebung in die immergleichen Zyklen der natürlichen Jahre. Das Geschäftsjahr gehört zu einer anderen, zu einer hektischen und nichtzyklischen Ordnung. Bis ins 15. Jahrhundert konnte man unter Wachstum kaum etwas anderes verstehen als die Eigentätigkeit der Natur. Was wächst, kann nur kraft des Zutuns der Natur selbst wachsen. Aber eben von diesem selbstwüchsigen Wachstum aus dem Boden wollen Europäer, die von der Idee der grossen Bereicherung und Verklärung angesteckt sind, nie mehr etwas hören. Sie träumen von etwas, was viel schneller arbeitet als Natur und was viel höhere Gewinne abwirft als ein Feld. Die neue Gewinnstrebigkeit vollzieht in der Sache wie in der Gesinnung eine antiagrarische Revolution. Ihre Parole könnte lauten: nie wieder blosses Wachstum. Aber weil viele Revolutionäre in alten Kostümen herumlaufen und die Sprache der Vergangenheit als Sprache der Revolution benutzen müssen, reden die neuzeitlichen Antibauern und Wunschrevolutionäre eben doch weiter vom Wachstum; aber sie bebauen nur noch metaphorische Felder und bringen, wo sie Gewinne machen, nur noch rhetorische Ernten ein. In Wahrheit sind die neueuropäischen Gewinn­sucher Personal­­­unionen aus Ma-


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«Der zu Unrecht sogenannte amerikanische Traum ist in der Sache natürlich ein europäischer Traum.» Peter Sloterdijk

giern, Offizieren und Spielern. Inwiefern die neuen Gewinnsucher mit Ma­giern verwandt sind, geht aus den bisherigen Überlegungen klar hervor; ohne einen gewissen Zusatz von dunklen Tricks kann die moderne Verwandlung von Arbeit in glänzendes Gold nicht gelingen. Die Analogie der Unternehmerfunktion zur Offiziersfunktion ergibt sich aus zwei Faktoren, zum einen daraus, dass das moderne Wirtschaftsleben sich seit längerem als ein Krieg der Volkswirtschaften vollzogen hat und immer noch vollzieht, zum anderen daraus, dass die Weltwirtschaft, über die nationalen Mobilisierungen hinaus, wie ein umfassender Feldzug der reichtumsorientierten Fraktionen der Menschheit vorangetragen wird. Aber noch weiter als die Verwandtschaft des neuzeitlichen Wirtschaftsmenschen mit dem Magier und dem Offizier reicht jene mit dem Spieler. Bei ihm nämlich lässt sich am ehesten mit Händen greifen, warum es jetzt nirgendwo mehr um blosses Wachstum geht. Spieler verlangen nach Gewinnen, die jenseits aller in der Natur möglichen Wachstumsspannen liegen. Wären die Herren der modernen Wirtschaft jemals an Wachstum im ernsten Sinn des Wortes interessiert gewesen, so gäbe es eben keine moderne Wirtschaft. Ihre Existenz selbst verkörpert das Verlangen nach den Sondergewinnen, nach dem explosiven Mehr, durch das zwischen dem Einsatz und dem Gewinn ein wunderbar weiter Graben aufklafft. Der kapitalistische Spieler träumt vom Sprung über diesen Graben, und je grösser die Gewinnspanne, desto beflügelter die Sprungkraft beim Unternehmer. Das Kapital will nicht in der Stille wachsen, sondern munter galoppieren. Kenner der Geschichte werden sich daran erinnern, dass frühkapitalistische Gewinnspannen oft ausserordentlich waren – darum konnte man die frühen Bankleute Wucherer nennen und die frühen Grosshändler merchant-adventurers. Man hat die mobilisierende Kraft des Rendite-Denkens seit langem erkannt: Bei ein paar Prozent Gewinn blieb das Kapital meist lethargisch, bei zehn Prozent hob es den Kopf, bei zwanzig fing es an zu traben, bei fünfzig fiel es in den Galopp, und ab hundert war es zu jedem Verbrechen bereit. Dennoch ist der neuzeitliche Spieler-Unternehmer nicht ein Spieler der ordinären Art; sein

Spiel läuft über Kalkulationen und vermittelt sich mit Arbeit und Wissenschaft. Darum ist der typologisch nächste Verwandte des Unternehmers, wenn er nicht Seefahrer ist, unmittelbar unter den berüchtigten Renaissance-Magiern zu finden, unter den Alchemisten, den Goldmachern, deren prominentester kein anderer ist als jener Faustus, den Oswald Spengler in seinen Untersuchungen zur abendländischen Kultur geradewegs als Modell für die «faustische Seele» proklamiert hat. In unserer Sicht bedeutet das faustische Streben nichts anderes als die Metaphysik des Sondergewinns. Tatsächlich sind die Faustianer jene Menschen, die das unruhige Lebensprinzip in sich tragen. Sie müssen weg von der Scholle und spüren unentwegt, dass das Leben etwas zu Kostbares ist, als dass man es mit stillem Warten auf ein Ende in Gott vertrödeln dürfte. Sie sind keine Grundrentner wie die Adligen, keine Pensionäre des Himmels wie der Klerus, sondern Menschen, die einen innerweltlichen Himmel postulieren und gewaltige Remunerationen für ihre irdischen Anstrengungen in Aussicht nehmen. Man darf sich in dieser Frage von dem kulturkritischen Gerede, das heute den ganzen Westen überflutet, nicht beirren lassen. Die meisten, die heute die modischen Thesen von einem Erlöschen der utopischen Energien wiederholen, wissen nicht, wovon sie sprechen. Aus der Grundstellung linker Enttäuschung heraus ist das euro-amerikanische Abenteuer nicht angemessen zu charakterisieren. Die europäische Protorevolution, das Verlangen danach, im Zeichen des Taus von den Bermudas unser Leben zu steigern, ist nicht an ihr Ende gelangt; aber es hat den Anschein, dass die eigentlichen Kader dieser permanenten Revolution, das innova­tionsbereite Unternehmertum, heute vor ihrem eigenen Projekt dumpf und sprachlos dastehen und nicht mehr wissen, was sie sagen sollen, wenn man sie fragt, wozu sie angetreten sind. Sie sind der Banalisierung ihres Vorhabens zum Opfer gefallen und sprechen tatsächlich nur noch die armselige Sprache der Bilanzen. Aber wer den Markt beobachtet, wird schnell eines Besseren belehrt. In den Supermärkten der westlichen Welt findet ein tägliches Plebiszit statt zugunsten eines Universums von Lebenssteigerungsmitteln – auch wenn die heutigen Kunden, wenn

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sie vor den Gewürzregalen stehen, nicht mehr wissen, dass sie ein Kondensat aus fünfhundert Wunsch-Jahren vor sich haben – das ganze Aroma-Spektrum des Paradieses von Anis bis Zimt. Wir sind durch Gewöhnung phantasielos geworden und haben es verlernt, von den Pfefferländern und letzten Grenzen zu träumen. An dieser Stelle scheint es mir notwendig, ein paar kurze Bemerkungen über den inneren Zusammenhang zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Traum einzufügen. Aus dem Bisherigen dürfte sich schon erahnen lassen, was ich im wesentlichen hierzu sagen möchte. Europa hat in der Neuzeit zwei grosse aussereuropäische Traum-Labors eingerichtet, das russischsowje­tische und das nordamerikanische, und seit der östliche Pfad zum reichen Leben, das sogenannte sozialistische Experiment, gescheitert ist, bleibt für die Europäer nur noch der Blick nach Westen. Die USA sind nach wie vor die massgebliche TraumFiliale und Intelligenz-Filiale der europäischen Mutter. Diese Feststellung trifft auch dann noch zu, wenn man einräumt, dass die Tochter der Mutter über den Kopf gewachsen und dass zwischen 1945 und 1989 Westeuropa insgesamt zu einem amerikanischen Protektorat herabgesunken ist. Im Augenblick ist nur die These wichtig, dass die USA und Europa, insbesondere Nordwesteuropa, also das atlantische Europa, eine Schicksalsgemeinschaft in bezug auf das kulturelle Grundmotiv des reichen Lebens bilden. Der zu Unrecht sogenannte amerikanische Traum ist in der Sache natürlich ein europäischer Traum – mit der Nuance vielleicht, dass die Europäer nicht alle ihre Träume selber träumen und ausagieren, sondern dass sie auch träumen lassen und ausagieren lassen. Europa hat Amerika aus sich herausgesetzt und sieht nun zu, wie sich dieses Produkt der eigenen politischen Libido entwickelt. Die Amerikaner leben im Grunde durch ein europäisches Mandat, das Experiment des reichen Lebens in all seinen Implikationen durchzuspielen, und insofern ist es auch berechtigt zu sagen, dass die Europäer ihrerseits in wesentlichen Dingen per Americanos existieren. Was dort scheitert, scheitert auch hier, und was in Europa scheitert, lässt sich auf die Dauer auch in den USA nicht retten. Es gibt tatsächlich viele Indizien für ein allmähliches Zerbrechen des amerikanischen Traums, und nicht erst seit heute. Schon in der Literatur des 19. Jahrhunderts taucht die Figur des Amerikamüden auf, der aus der transatlantischen Wüste nach Europa zurückkehrt. Für die Mehrheit der zeitgenössischen Europäer sind die USA zwar noch eine Reise wert, aber der grosse Sog scheint doch gebrochen und der transatlantische Transzendenz-Effekt ist verbraucht. Der von Soziologen angezeigte sogenannte postmaterialistische Wertewandel in der westlichen Hemisphäre verrät etwas vom allmählichen Abflauen des euro-amerikanischen WunschProjekts. Wenn man sich die US-amerikanischen Kultur-Industrie-Importe anschaut, so drängt sich tatsächlich der Eindruck auf, dass von dem grossen Aufbruch ins freie und reiche Leben nicht mehr viel übriggeblieben ist; wo einst die Verklärung in

Reichtum und Freiheit gesucht wurde, drängt sich heute ein beispielloser Gewaltkult in den Vordergrund, und die Religion der Bereicherung scheint ersetzt durch eine Religion der Explosion und des Losschlagens. Angesichts dieser Entwicklungen scheint es plausibel, die Intelligenzen des euro-amerikanischen Komplexes zu einem neuen Fundamentaldialog über den Geist der Neuzeit und das Projekt des Westens zusammenzurufen. Was nötig ist, wäre eine Art von Gipfelkonferenz der Zivilisationen, auf der rekonstruiert wird, was der Sinn der Neuzeit wirklich war. Was haben die Europäer einst gemeint, als sie anfingen, vom reichen Leben zu reden? Was meinten sie, als sie von Reichtum und Auserwählung sprachen? Und was waren die Implikationen der linken Forderungen nach Teilung des Reichtums? Wohin wollten wir uns wirklich steigern? Welchen Ozean haben wir eigentlich überquert, als Amerika entdeckt werden sollte? Welche Wünsche haben wir in die damaligen Kolonien hineingeträumt, und was träumten diese weiter, als sie ihre sogenannte Unabhängigkeit erklärten? Und was haben die europäischen Kolonien hervorgebracht, um in den Mutterländern den Geschmack an Lebenssteigerungen weiter aufzustacheln? Es wäre verführerisch, hier einen Exkurs über die Geschichte der europäischen Waren und der Kolonialwaren einzufügen. Es würde sich dabei herausstellen, dass alle Leitprodukte des Welthandels zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert einen direkten Bezug zu den europäischen Wunsch-Expansionen aufweisen. Der Hunger nach Lebenssteigerungsmitteln ist es, der die Weltmärkte aufreisst. Er ruft einen weltweiten Boom aus Geschäft und Verbrechen hervor und konstituiert ganze Länder – Silberländer, Teeund Kaffeeländer, Bananenländer, Gewürzländer, Tabakländer, Kakaoländer, Zuckerländer. Dieses letztere Beispiel ist besonders in­­s­truktiv. Seit dem 17. Jahrhundert können zunehmende Zahlen von Menschen in Europa ohne das süsse Gift der Kolonien nicht mehr sein. Die Implikationen dieses Verlangens nach den Lebensver­s üssungs- und -verklärungsmitteln aus der Karibik sind un­geheuerlich; an ihm hängt zu grossen Teilen das System der Sklavenwirtschaft, das vom 16. bis ins 18. Jahrhundert den euro-amerikanischen Verkehr vorantreibt. Ökonomie, Sucht und Verbrechen sind darin zu einer unauflöslichen Einheit verbunden; ich erinnere an den berüchtigten Dreieckshandel zwischen England, Afrika und Amerika, in dem stets vollbeladene Schiffe mit Zucker und Kolonialwaren von der Karibik nach Manchester unterwegs waren, dann von England mit Nippes, Schnaps und Sklavenfängern beladen nach Afrika und zuletzt von Afrika mit Gefangenen nach Amerika. In unserem 20. Jahrhundert, das sich einbildet, das schrecklichste der Geschichte gewesen zu sein, wusste kaum noch jemand etwas über diesen dreihundertjährigen wohlorganisierten Terror, hinter dem alles in allem ein Produkt und ein Verlangen stehen, jenes heroische Produkt namens Zucker, ohne das bei zahllosen Europäern seither nicht einmal mehr der Stoffwechsel funktioniert.

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Die ganze europäische Galanterie ist auf dem Zucker aufgebaut, das Wiener System mit den süssen Mädeln und den Süssspeisen, das Pariser System mit den Mätressen und den Desserts. Über Jahrhunderte hinweg haben sich da neue Geschmacks- und Appetitformen eingespielt, die in heftigen Wellen durch die euro­päischen Körper rollen. Als diese grosse neuzeitliche Begehrenslawine in Bewegung kam, wurden die Körper der Europäer auf höhere Amplituden von Aufputschungs- und Entspannungsmitteln eingestellt. Hierfür sind Kaffee, Tee und Tabak die Leitprodukte, alle drei typische Exponenten der neuen Stimulantien- und Leistungsdrogenkultur. Die typischen Kolonialwaren sind eben jene, die über diese Schiene laufen – Anregungswaren im Sinne der neueuropäischen Lebenssteigerungsbedürfnisse. Europäische Stimulantien haben allesamt den Charakter von Weckmitteln und Leistungsdrogen. Sie bilden in ihrem Verbund das mächtigste Drogensystem der Menschheitsgeschichte. Im übrigen spielt sich im 19. Jahrhundert ein triadisches System der drogenvermittelten Hochstimmungen in Europa ein, das in Umrissen bis heute fortbesteht: die Stimulanzdrogen für die bürgerlichen Leistungsschichten; die Alkoholika als Aufheiterungsund Versöhnungsdrogen für die Proletariate; die Opiate als Lethargiedrogen für die Bohème und die romantischen Oppositionen. Tatsächlich sind die Lethargika die wirklichen Oppositionsgifte, die den europäischen Konsensus in der Tiefe angreifen, weil sie dem Steigerungsgedanken selbst eine Absage erteilen; die englischen und kontinentalen Opium-Esser seit De Quincey und Baudelaire haben sich tatsächlich selbst sozial ausser Gefecht gesetzt, in der Meinung, dass man das bürgerliche Hochleistungssystem nur durch die Flucht in müde Ekstasen effektiv kritisieren kann. Erst mit Opium im Leib sitze ich auf einer Dschunke, die in Richtung Orient davonsegelt. Es versteht sich von daher von selbst, warum die Leistungsdrogenkultur den Lethargika den Krieg erklären musste: sie gefährden den Luststandort und Selbststeigerungs­standort Europa. Aus diesen Überlegungen lassen sich für die Frage nach den Aussichten einer bedingungslos positiven Wachstumsideologie verbindliche Folgerungen gewinnen. Es wird nicht möglich sein, den neuaufgelegten amerikanischen Traum einfach nach Europa zu reimportieren, und zwar deswegen, weil die Erfahrung der Europäer mit ihrem eigenen Traum viel zu gebrochen ist, als dass er sich über Nacht erneut aufstacheln liesse. Was die Balance zwischen Wunschproduktion und Skepsis angeht, man könnte auch sagen zwischen Wahn und Enttäuschung, stehen Europäer und Amerikaner nicht an derselben Stelle der Kurve. Europäer haben in vielen Dingen Abklärungen erreicht, von denen die durchschnittliche amerikanische Psyche weit entfernt scheint. Die meisten Europäer haben sich daran gewöhnt, dass in der grossen Lotterie des Lebens höchstens drei Richtige herauskommen, und dieses Drei-Richtige-Gefühl bildet so etwas wie den neuen europäischen Konsensus. Von ihm aus ist der Übergang zu einer

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Kultur der postmaterialistischen Wertschätzungen und der Selbstbeschränkung vielleicht nicht ganz so weit wie vom amerikanischen status quo aus, wo die Ambitions-Motoren noch auf viel höheren Touren laufen. Kurzum, die Europäer sind wohl am besten positioniert, um die ökonomische Welt mit einer neuen Deutung des Projekts vom reichen Leben zu konfrontieren. Wer «Wachstum» sagt, schmeichelt sich in das Bewusstsein von Menschen aus traditionalen und ländlichen Kulturen ein, die natürlich noch von der Vorstellung durchdrungen sind, dass «Wachstum» und «Leben» synonyme Ausdrücke darstellen. Das Wachstums-Gerede ist daher ein rhetorisches Bauernlegen, ein semantischer Betrug und eine auf die Dauer unerträgliche Ausbeutung unserer romantischen Beziehung zur alten Natur. In Wahrheit wollen die Wachstums-Rhetoriker – das habe ich zu zeigen versucht – das genaue Gegenteil von langsamer und behutsamer naturhafter Vermehrung, sie wollen den grossen Gewinnzauber, den Zuwachsrausch, den übernatürlichen Sondergewinn. Und davon müssen wir jetzt weltweit reden, und wir müssen ebenso weltweit die Frage auf die Tagesordnung setzen, wie diese WunschPraktiken auf der Basis der modernen Ökonomie mit dem Überleben der Gattung auf dem Planeten verträglich sind. Wir haben auch sprachlich die Konsequenz zu ziehen aus der Einsicht, dass wir nicht mehr auf dem Planeten der Bauern leben, sondern auf dem Planeten der Spieler, auf dem Planeten der Gewinnjäger. Und hierfür ist nicht eine neue mehr oder weniger hysterische und autohypnotische Wachstums-Offensive made in USA vonnöten, sondern eine neue Weltjagdordnung, eine neue Weltgewinnspielordnung, eine Weltdrogenordnung. Es wäre verbrecherisch, beim heutigen Stand der Erkenntnisse unsere unhaltbar gewordene Wachstums-Semantik in die übrige Welt zu exportieren, etwa in das alte Bauernland China, das auf den Betrug der Wachstumsrhetorik natürlich wehrlos hereinfallen müsste. Aber in der Schlacht um die chinesischen Märkte sieht man deutlich, wie alle euro-amerikanischen Magnaten bereitstehen, um dem letzten Dummen auf dieser Erde sämtliche Illusionsprodukte zu verkaufen, an die man bei uns selbst schon nicht mehr recht glauben kann. Der von manchen Diagnostikern angekündigte Zusammen­ stoss der Weltkulturen hat in dieser Perspektive einen guten Sinn. Er muss sich zu einem definitiven Wettstreit der Lebensformen entwickeln, und sollten die Europäer in ihn eingreifen wollen, wären sie gut beraten, wenn sie nicht länger mit der ungenügenden Leerformel vom unbegrenzten Wirtschaftswachstum werben wollten. Es wäre für alle ein Gewinn, wenn sie sich zurückbesinnen auf ihre frühneuzeitliche Vision vom reichen Leben und auf die immer noch dunkle Skakespearesche Formel vom Tau von den Bermudas. Diese Formel ist reich genug, um viele neue Deutungen zuzulassen. Sie enthüllt und verbirgt zugleich den europäischen Traum vom Dasein in einer wunderbar geweiteten Welt, die unsere ganze Neugier verdient. Etwas Besseres haben Amerikaner und Europäer in dem unausweichlichen Streit der Kulturen um die Deutung der Idee des guten Lebens nicht zu sagen. �


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Die Zukunft der Arbeitswelt

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Jobs wandern aus, aber nicht zwangsläufig auch die Menschen. Und die Mitte des Fachkönnens bricht weg. Ältere Leute pflegen, Software programmieren, Wasserkraftanlagen bauen: Welche Jobs sind heute sicher – und welche werden es bleiben?

Florian Rittmeyer und Michael Wiederstein treffen Lynda Gratton

Frau Gratton, lassen Sie uns über Ihr grosses Thema sprechen: die Zukunft der Arbeit. Beginnen wir so simpel wie ausladend: Wird es in Zukunft überhaupt genug Arbeit für die wachsende Zahl von Menschen geben?

Sie meinen, ob es genug Arbeit für jeden und jede auf der ganzen Welt geben wird? Wir reden vom menschlichen Traum, mindestens die harte, körperliche Arbeit irgendwann an von uns zuvor geschaffene Maschinen abzugeben. Jedes moderne Fliessband, an dem Roboter Autos konstruieren, erinnert uns schliesslich daran.

Da hüte ich mich vor einer absoluten Antwort! Aber Sie sagen es ja mit dem Fliessbandbeispiel schon: Unsere Arbeitswelt wird von zwei grossen Kräften verändert, von neuer Technologie und jener Dynamik, die wir gemeinhin als Globalisierung bezeichnen. Dass die Arbeit irgendwo auf dem Globus erledigt werden kann, hat konkrete Auswirkungen: Firmen rekrutieren Talente aus der ganzen Welt, und in den letzten zehn Jahren sind Millionen von Menschen in neue Arbeitsmärkte migriert. Diese Bewegungen werden anhalten. In China lernen heute viele junge Menschen Englisch. Innerhalb von fünf bis zehn Jahren werden sie in die Arbeitsmärkte eintreten und ihre Arbeitskraft international anbieten. Europäer mit eurozentrischem Blick vergessen gerne: Von mobilen, qualifizierten Arbeitskräften gibt es Millionen. Verstehen Sie? Millionen. Das klingt irgendwie bedrohlich. Sie gehen also von Massenbewegungen von Arbeitssuchenden aus, die unser Zusammenleben verändern werden?

Das kommt darauf an. Die jüngeren Generationen von Arbeitswilligen – und das ist auch neu – brauchen sich physisch nicht unbedingt zu bewegen. Sie wandern in neue Arbeitsmärkte ein, aber nicht unbedingt in neue Länder. Oder anders gesagt: Jobs wandern aus, aber nicht zwangsläufig auch die Menschen. Technologische Vernetzung lässt einen die Arbeit von überall aus erledigen. Die Tatsache, dass heute etwa viele Menschen Englisch sprechen, befähigt sie, irgendwo auf dieser Welt hinter einem Computer zu sitzen, Anrufe zu tätigen und Aufträge auszuführen. Sie merken: Wenn wir von Globalisierung reden, so hat das nicht nur mit physischer Mobilität zu tun. Es hat vor allem mit Wissen, Kommu-

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Lynda Gratton ist Professorin für Managementpraxis an der London Business School. Sie ist Gründerin der Forschungsplattform «Hot Spots Movement» und Autorin zahlreicher Bücher über Arbeit und Unternehmensstrategie. Zuletzt von ihr erschienen: «The Key: How Corporations Succeed by Solving the World’s Toughest Problems» (Mcgraw-Hill, 2014).

Florian Rittmeyer ist stellvertretender Chefredaktor dieser Zeitschrift.

Michael Wiederstein ist leitender Kulturredaktor dieser Zeitschrift.

nikation und Netzwerken zu tun, mit denen man innert Sekundenbruchteilen Terabytes von Daten über die ganze Welt versenden kann. Keine Frage: Technik vereinfacht das Leben. Zugleich nehmen gerade in entwickelten Ländern die Klagen zu, dass die neuen technischen Möglichkeiten neue Abhängigkeiten schaffen, zu einer ständigen Verfügbarkeit der Menschen führen, unsere Aufmerksamkeit ausbeuten, kurz, uns zu modernen Sklaven machen…

Sie meinen Entertainment? Dafür ist jeder selbst verantwortlich. Für unsere tatsächliche Arbeitswelt viel wichtiger ist, was folgendes Beispiel illustriert: Wenn Sie in den USA zum Arzt gehen und der von Ihnen ein Röntgenbild macht, dann können Sie ihn am nächsten Tag wieder besuchen, und er wird Ihnen erzählen, was auf dem Bild zu sehen ist. Nicht weil er die ganze Nacht aufgeblieben ist, um ihr Bild zu studieren. Er hat das Bild einfach an ein Zentrum auf den Philippinen gesendet. Dort existiert heute die grösste Gruppe von Technikern, die Röntgenbilder studiert und die Ergebnisse sofort retourniert – während Ihr Arzt und Sie schlafen, also nicht produktiv sind. Das ist nur möglich dank der entsprechenden Technologie. Und das revolutioniert unsere Arbeitswelt. Die Arbeit wird dort getan, wo sie sich am produktivsten erledigen lässt. Die Schweizer Nationalbank eröffnete eine Filiale in Singapur, um die dort Angestellten die Märkte überwachen zu lassen, während Europa gerade schläft. Sie sprechen im Zuge dessen von einem «Shift» – von einer Verschiebung – der Arbeit.


«Von mobilen, qualifizierten Arbeitskräften gibt es Millionen. Verstehen Sie? Millionen.» Lynda Gratton

Lynda Gratton, photographiert von Michael Wiederstein.

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«Die Berufe bieten den Menschen heute Aufstiegschancen, die vor 20 oder 40 Jahren noch nicht existierten.» Lynda Gratton

Richtig. Dieser «Shift» hat verändert, welche Arbeit jemand verrichtet, wer diese zu welchen Teilen tut, wo sie getan wird, wann es getan wird und mit welchen Ins­trumenten sie getan wird. Ob jemand künftig eine Arbeit hat, so die einfache Schlussfolgerung, hängt also elementar davon ab, ob sich jemand dank seinen Fähigkeiten zum festen Glied in den neuen Arbeitsketten der Wissensgesellschaft entwickelt. Das verteilt die Aufstiegschancen neu. Natürlich stimmt weiterhin: Wer in einem Slum in Mumbai zur Welt kommt, hat schlechtere Voraussetzungen als das Neugeborene in Kopenhagen. Wir sind immer eingeschränkt durch äussere Umstände und das Umfeld, in das wir hineingeboren werden. Aber ich behaupte, dass die Berufe den Menschen heute Aufstiegschancen bieten, die vor 20 oder 40 Jahren noch nicht existierten. Durch ein Wahrnehmen dieser Chancen kann man der Gefahr entgehen, von dem betroffen zu werden, was ich gern als «Aushöhlung der Arbeit» bezeichne. Was meinen Sie damit?

Ich kenne die Lage in der Schweiz nicht im Detail, aber in Grossbritannien und in den USA findet längst eine «Aushöhlung der Arbeit» statt: Die «Mitte» des Fachkönnens bricht weg. Die Jobs, die heute gedeihen – und jene, die weiterhin florieren werden –, bewegen sich ausserhalb dieser Mitte von Fachkönnern. Es gibt zwei Sorten von Arbeitskräften, die immer und überall gebraucht werden: Die einen sind die Hochqualifizierten, die nicht ersetzt werden können. Weder von einer Person woanders auf der Welt noch von einer technologischen Errungenschaft. Und die anderen sind jene, die elementare Dienste erbringen…

…bleiben wir zuerst bei den sogenannten Hochqualifizierten, zu denen Sie als Professorin gehören. Sie müssen sich also keine Sorgen machen…

…ich bin bisher jedenfalls noch nicht ersetzt worden! (lacht) Aber ich kann in diesem Fall als interessantes Beispiel dienen. Früher brauchte ich als Universitätsprofessorin zehn Forschungsassistenten, wenn ich Daten beispielsweise über die Veränderungen des deutschen Arbeitsmarkts oder einer grossen Firma wie SAP sammelte. Heute habe ich nur noch einen Forschungsassistenten. Was die einen vorschnell als Wegfall von Arbeitsplätzen beklagen, ist in Wahrheit ein unglaublicher Fortschritt – meine ehemaligen Kollegen hatten als Hochqualifizierte sehr rasch wieder einen Job. Klartext: Ihre ehemaligen Assistenten wurden durch Google ersetzt?

Richtig. Durch Google oder andere, akademische Suchmaschinen und Onlinebibliotheken. Und das aus einem einfachen Grund: Ich bin heute durch das Eintippen eines Suchbegriffs schneller am Ziel als jede Hilfskraft zu Fuss und mit Bibliotheks­ausweis. Meine Arbeit als strukturiert arbeitende Hochqualifizierte am Ende der Verwertungskette wird jedoch von dieser Entwicklung nicht angetastet. Ein hübsches Beispiel, aber seien Sie ehrlich: Viele, die sich selbst als hochqualifiziert bezeichnen, finden heute keine Stelle mehr. Wer Goethes «Faust II» rezitieren kann, ist vielleicht hochqualifiziert – eine Anstellung muss aber mit diesem Wissen nicht zwingend einhergehen.

Leider haben Sie recht. Deshalb eine Konkretisierung: Wenn ich von Hochqualifizierten spreche, meine ich vor allem Physiker, Mediziner, Ingenieure, Anwälte, unternehmerische Geisteswissenschafter. Darüber hinaus existiert aber auch die zweite Gruppe

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von Jobs, die bisher nicht ersetzt wurden: einfache und vor Ort ausgeführte Services, die schlicht und einfach nicht in andere Länder ausgelagert werden können, wie etwa der Kellner, der uns soeben einen Kaffee gebracht hat – vielleicht wird sich die Person mal verändern, nicht aber der Job als solcher. Die Menschen, die ältere Menschen pflegen, die Ihr Haar schneiden, Ihr Essen kochen – das können Sie nicht von einem Verarbeitungszentrum in Indien erledigen lassen. Aber alles, was sich zwischen diesen Polen befindet, ist in entwickelten Ländern im Verschwinden begriffen. Deswegen auch diese merkwürdige Kombination, die wir in den USA vorfinden: hohe Arbeitslosigkeit, aber viele Jobs, die nicht besetzt sind. In den USA gab es 2013 3 Millionen offene Stellen – für diese zum Teil technisch anspruchsvollen Jobs konnten nicht die Kandidaten mit den entsprechenden Fachkenntnissen gefunden werden. Deswegen wiederhole ich den Rat, den ich in meiner Arbeit immer wieder vorgetragen habe: Bildet euch weiter! Fokussiert auf eure eigene Entwicklung! Das ist die einzige Versicherung für die Zukunft. Ist also die Rede vom lebenslangen Lernen doch mehr als ein PR-Slogan der Universitäten? In Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit immerhin bis zu 50 Prozent, es ist dort bereits die Rede von einer «verlorenen Generation». Können diese jungen Leute sich noch anpassen – oder ist der Zug abgefahren?

Ein schwieriges Thema. Dazu eine kleine Anekdote: Mein letztes Buch wurde in verschiedene Sprachen übersetzt, und als Autorin interessiert es mich immer, wo und wie die eigenen Ideen kursieren. Also habe ich mal eine kleine Studie erstellt: «The Shift» fand besonders viele Leser in Japan, wo junge Menschen sich fragten, wie sie in die japanische Gesellschaft und Unternehmenswelt passen. Ebenfalls breit rezipiert wird es in Spanien. In beiden Ländern gibt es eine grosse Zahl an Menschen, die sehr um ihre eigene Zukunft besorgt sind. Kürzlich war ich in Madrid, wo ich an einem Tag von 25 Journalisten einzeln befragt wurde. Das ist mein persönlicher Rekord und zeigt: Die Leute stürzen sich auf jene, von denen sie sich eine Antwort auf ihre Pro­bleme erhoffen. Allerdings gibt es diese einfachen Antworten nicht. Das erwarten wir auch nicht, aber Sie werden sich Gedanken zur Jugendarbeitslosigkeit gemacht haben, die Sie mit uns teilen können.

Das habe ich. Der Cocktail in Spanien ist zweifellos explosiv. Die beiden wichtigsten Zutaten sind bekannt: das Platzen der Blase auf dem Immobiliensektor und das Fehlen eines flexiblen Arbeitsmarkts. Jobs, die es unter normalen Umständen nie gegeben hätte, sind von einem Tag auf den anderen weggefallen, und es ist für Arbeitgeber aufgrund der herrschenden Gesetze seit Jahr und Tag sehr teuer, Leute einzustellen – und ebenso teuer, Leute zu entlassen. Das heisst: die Jobs sind weniger geworden, und jene, die bestehen, bleiben in den Händen jener, die sie haben. Viele europäische Politiker vertreten die Meinung, dass es sich bei der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit um ein zyklisches Phänomen handle, das von der Wirtschaftskonjunktur abhängig sei. Hier scheint die Hoffnung Vater des Gedankens zu sein.

Das ist, soweit ich sehe, in der Tat reine Beschwichtigungsrhetorik. Jugendarbeitslosigkeit ist kein zyklisches Phänomen, es ist ein strukturelles. Und es ist ein Resultat jener Aushöhlung der Arbeit, die ich bereits beschrieben habe. Einige Jobs, die junge Menschen früher in ihrer Karriere beflügelten, sind heute automatisiert oder in Länder verlegt worden, deren Standortfaktoren besser sind. Diese Jobs sind weg, und sie kommen auch nicht zurück – egal, was wir uns hier für Geschichten erzählen. Entweder orientieren sich junge Menschen also an anderen Jobs mit hohen Fachkenntnissen, statt naiv darauf zu hoffen, irgendwann, wenn der vermeintliche «Zyklus» beendet ist, wieder Arbeit zu finden. Oder sie entschliessen sich dazu, jene geographisch verankerten Jobs zu suchen, die zwar keine aussergewöhnlichen Qualifikationen verlangen, aber eben auch nicht ausgelagert werden können. Tun sie nichts von beidem, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie arbeitslos bleiben. Was lief in Spanien denn konkret falsch?

Im Falle von Spanien bot der Immobiliensektor lange Zeit viele Jobs für Niedrigqualifizierte. Die Spanier dachten in diesen Jahren, dass damit unglaublich viel Geld dauerhaft auch für Geringqualifizierte abfiele. Gleichzeitig wurde die Infrastruktur vernachlässigt, die industrielle Erneuerung ermöglicht: Ausbildungsstätten für Fachkräfte, Zentren für Start-up-Unternehmer. Als die Blase platzte, sass man nicht nur auf wertlosen Immobilien, sondern auch noch auf einer maroden Infrastruktur. Das hätte man wissen können, hätte man sich nicht in völliger Sicherheit gewiegt! Jugendarbeitslosigkeit ist letztlich das Resultat eines fehlenden Zusammenspiels dreier Pole. Das Unternehmen schafft die Arbeit, der Staat prägt das Bildungssystem und das Individuum will arbeiten. Daraus entsteht eine Dreiecksbeziehung: Unternehmen müssen Signale aussenden, welche Art von Arbeitskräften sie wollen. Regierungen müssen über die Bildung darauf reagieren, indem sie regis­trieren, welches die Fähigkeiten sind, die künftig gefragt sein werden. Und der einzelne muss bereit sein, auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Irgendwo ist da offenbar Sand im Getriebe. Wo?

Ich sehe seit Jahren, dass die Signal­mechanismen nicht funktionieren. Sie funktionieren in der Politik nicht, und sie funktionieren zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern nur sehr dürftig – das macht es den kommenden Arbeitskräften unserer Gesellschaften fatal einfach, falsche Entscheidungen zu treffen. Genauer, bitte.

Nehmen Sie die Politik: Kein Staat Europas wagt es, seinen Bürgern die Wahrheit über den Zustand der Pensionssysteme und die damit verbundenen Konsequenzen zu sagen. Während Jahren haben uns Regierungen vor der schlechten Nachricht geschont, dass die gestiegenen Lebenserwartungen bedeuten, dass wir mindestens bis 70 arbeiten werden. Um frühzeitig in Rente gehen zu können, muss frühzeitig mit dem Sparen begonnen werden. Hier macht das aber niemand früh genug! Wir könnten das, wenn wir wollten, trotz Krise. Aber wir haben es verlernt.

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Schweizer Monat Sonderthema 16 MAI 2014

«Jugendarbeitslosigkeit ist kein zyklisches Phänomen, es ist ein strukturelles.» Lynda Gratton

Einverstanden. Welches Beispiel macht Ihnen umgekehrt Mut?

Paradoxerweise China! Dort legen die Leute 20 bis 30 Prozent ihres Einkommens auf die hohe Kante, weil sie nicht wissen, wie es mit ihrem Land weitergeht. Es tut weh, das zu sagen, aber diesbezüglich ist man da viel weiter als im Westen. Die Chinesen realisieren, dass sie sich um sich selber kümmern werden, wenn sie alt sind. Die Staaten in Europa haben Mühe, dies ihren Bürgern zu vermitteln. Teilweise tun sie sogar alles, um die Bürger davon abzuhalten, selbst vorzusorgen. Ich glaube aber zu erkennen, dass in den europäischen Bevölkerungen langsam ein Umdenken stattfindet. Pardon, aber auf uns machen die europäischen Bevölkerungen eher den Eindruck, als lägen sie in einem wohligen Dornröschenschlaf.

Sie sind gerade am Aufwachen, weil sie merken, dass Europa mittlerweile nicht mehr den Takt angibt, sondern Asien. In Singapur etwa funktioniert das eben erwähnte Dreieck zwischen den Bildungs- und Jobinstitutionen sehr gut. Schüler erfahren schon früh, was sie tun müssen, wenn sie gutbezahlte Jobs wollen: Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften, Informationstechnologien, Medizin. Aber der Staat kann Schülern nicht sagen: Werdet Ingenieure, Anwälte oder Mediziner! Wichtig ist nur, dass es genügend Si­gnale für künftige Entwicklungen gibt, damit Sie und ich fundierte Entscheidungen treffen können. Es bleibt dann dem einzelnen überlassen, ob er sich in diese Richtung bewegt oder ob er die Signale bewusst ignoriert. Das ist völlig in Ordnung – wenn er bereit ist, die Konsequenzen zu tragen. Wechseln wir an dieser Stelle einmal die Seite: Wie haben sich denn die Arbeitgeber und ihre Unternehmen in unseren Breitengraden entwickelt? Sie laufen heute mehr denn je Gefahr, ihre gut ausgebildeten Arbeitnehmer auf die andere Seite der Welt zu verlieren…

Ja, auch hier hat sich viel verändert. Vor vielleicht 10 oder 15 Jahren hatten Unternehmen ein noch eher paternalistisches Verhältnis zu ihren Angestellten: Wir sind die Eltern, du bist das Kind; wir

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wissen, was gut für dich ist und wie du es zu machen hast. Von dieser Elternrolle haben sich die Unternehmen verabschiedet, aber die Angestellten realisieren vielerorts noch nicht, dass sie nun Erwachsene sind und selbst für sich schauen müssen. Das klingt nach Stress. Vorausgesetzt, man hat einen Job und strebt mit diesem nach einem guten Leben, findet man zahlreiche Bücher, die von einer Work-Life-Balance sprechen. Darin wird gesagt, dass es zwei Seiten gebe, zwischen denen wir als Arbeitnehmer wie auch als Arbeitgeber eine Art Balance finden sollen. Was halten Sie davon?

Rufen wir uns nochmals in Erinnerung, was unsere Arbeitswelt verändert: Globalisierung und Technologie. Globalisierung heisst im Kontext der Arbeit, dass man als Element einer Wertschöpfungskette mit verschiedenen Zeitzonen verbunden ist. Ich wache am Morgen auf und finde mich in einer 24-Stunden-Welt wieder. Die Idee, dass man von 8 bis 17 Uhr arbeitet, ist damit lächerlich geworden. Zweitens, Technologie hat die Verbindung zwischen fixen Zeiten und Arbeit weitgehend aufgebrochen. In vielen Berufen ist es einfach geworden, nach individuellen Zeiten zu arbeiten... Die Probe aufs Exempel: Tun Sie das als Professorin?

Aber natürlich! Ich schreibe jeweils am Morgen. Ich beginne um 6 Uhr und bin um 14 Uhr weitgehend durch. Am Nachmittag widme ich mich dann anderen Aufgaben: Vorlesungen, Bürozeiten, der übliche Kram. Zugestanden, dieser Luxus ist nicht jedem vergönnt, aber prinzipiell ist es möglich: Leute könnten ihr eigenes Leben und ihre Arbeitszeiten heute prinzipiell freier gestalten. Das gleiche gilt für die Unternehmen. Vor fünf oder zehn Jahren sagten Unternehmen noch: Wir wollen die Leute während fixen Zeiten in den Büros. Dieses Denken befindet sich in einem grossen Wandel. Flexibles Arbeiten ist wohl die grösste organisatorische Veränderung, die ich während meiner bisherigen Zeit beobachten konnte.


Schweizer Monat Sonderthema 16 MAI 2014

Impressum «Schweizer Monat», Sonderthema 16 ISSN 0036 7400 Die Zeitschrift wurde 1921 als «Schweizerische Monatshefte» gegründet und erschien ab 1931 als «Schweizer Monatshefte». Seit 2011 heisst sie «Schweizer Monat». VERLAG SMH Verlag AG HERAUSGEBER & CHEFREDAKTOR René Scheu rene.scheu@schweizermonat.ch Redaktion Serena Jung (Bildredaktion/ Persönliche Mitarbeiterin des Herausgebers) serena.jung@schweizermonat.ch Claudia Mäder (Redaktorin) claudia.maeder@schweizermonat.ch

Die neue Yahoo-Chefin Marissa Mayer hat soeben sämtliche HomeOffice-Arbeitskräfte zurück in die Räumlichkeiten des Unternehmens gebeten. Der Grund: die sinkende Arbeitsmoral der daheim Schaffenden. Sind also die Vorteile des flexiblen Arbeitens vielleicht für die Unternehmerseite gar keine?

Yahoo steht diesbezüglich ziemlich alleine da. Flexibles Arbeiten ist für alle Seiten ein Gewinn: Man kann sein Werk daheim verrichten, unterwegs, im Büro oder in externen Büroräumen, das ist heute alles möglich, auch in den wildesten Kombinationen. Und Sie, egal ob als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, tun dies vielleicht zu den Zeiten, in denen Sie Ihre Arbeit am besten erledigen können. Die Idee hinter dieser Entwicklung ist doch auch ganz einfach: Sie sind produktiver. Flexibles Arbeiten kann einen enormen Produktivitätsgewinn bedeuten. Und übrigens: es schafft auch neue Arbeitsplätze. Denken Sie bloss einmal an all diese Bürohäuser, die in den Metropolen der Welt entstanden sind, um Arbeitsplätze stunden- oder tageweise zu vermieten. Das, so viel kann ich Ihnen versichern, ist erst der Anfang. Ehrlich gesagt: das kann man auch andersherum deuten. Wer von 9 bis 17 Uhr arbeitet, hat danach frei. Die Flexibilisierung kann aber auch dahin gehen, dass jeder zu jeder Zeit erreichbar sein muss. Wer will das schon?

Sie meinen: Es kommen ständig E-Mails, ständig neue Anfragen. Niemand sagt: jetzt ist aber Schluss! Das stimmt. Aber hier muss nun der einzelne entscheiden, wann und wie er diese Arbeit bewältigen will. Weil die Arbeit erledigt werden muss, formt sich eine individuelle Disziplin. Und Unternehmen werden immer empfänglicher für diese Flexibilität. Einige sind es noch nicht. Aber sie werden sich anpassen. Flexibles Arbeiten ist aufgrund der technologischen Möglichkeiten eine beschlossene Sache. Wer sich in alten, konservativen Arbeitswelten zurücklehnt, wird die kommende Welt bloss an sich vorbeiziehen sehen. �

Florian Rittmeyer (Stv. Chefredaktor) florian.rittmeyer@schweizermonat.ch Michael Wiederstein (Leitender Kulturredaktor) michael.wiederstein@schweizermonat.ch KORREKTORAT Roger Gaston Sutter Der «Schweizer Monat» folgt den Vorschlägen zur Rechtschreibung der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), www.sok.ch. GESTALTUNG & PRODUKTION Pascal Zgraggen pascal.zgraggen@aformat.ch MARKETING & VERKAUF Urs Arnold urs.arnold@schweizermonat.ch ADMINISTRATION/LESERSERVICE Anneliese Klingler (Leitung) anneliese.klingler@schweizermonat.ch ADRESSE «Schweizer Monat» SMH Verlag AG Rotbuchstrasse 46 8037 Zürich +41 (0)44 361 26 06 www.schweizermonat.ch ANZEIGEN anzeigen@schweizermonat.ch PREISE Jahresabo Fr. 195.– / Euro 143.– 2-Jahres-Abo Fr. 350.– / Euro 260.– Abo auf Lebenszeit / auf Anfrage Einzelheft Fr. 22.– / Euro 18.– Studenten und Auszubildende erhalten 50% Ermässigung auf das Jahresabonnement. DRUCK pmc Print Media Corporation, Oetwil am See www.pmcoetwil.ch BESTELLUNGEN www.schweizermonat.ch

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