BAH Gala Künstler gegen Aids 2017

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MIDNIGHT SPECIAL

Gala-Magazin in Kooperation mit der Berliner Aids-Hilfe

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E L L E U T MIT AKOTOS VON GALA-FTE ABEND HEU

ROTE ROSEN, ROTER TEPPICH

Irmgard Knef & Klaus Hoffmann über ihr Engagement gegen Aids

UNTERM REGENBOGEN

Berliner Aids-Hilfe verleiht den HIV AWARENESS AWARD



FOTO: BRIGITTE DUMMER

Liebe Gäste,

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Für sie sollʼs rote Rosen regnen: Irmgard Knef im Interview

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Vielen Dank! Die Förderer von KÜNSTLER GEGEN AIDS 2017

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Streitbar bleiben: Kuratoriumsmitglied Klaus Hoffmann im Interview

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HIV AWARENESS AWARD 2017: Der Regenbogenfonds im Porträt

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Engagement über Generationen: Zwei Ehrenamtliche stellen sich vor

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Druckfrisch: die aktuellen Gala-Fotos von heute Abend

Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft Menschen wie Sie, die als BotschafterInnen zeigen, dass es auch anders geht. Dafür danken wir Ihnen von Herzen.

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Allheilmittel PrEP? Ein Diskussionsbeitrag

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Eine Frage der Humanität: Medizinische Hilfe für Unversicherte

Haben Sie viel Freude mit dem vorliegenden SIEGESSÄULE Midnight Special und beim Lesen der inhaltlichen Schwerpunkte zur Arbeit der Berliner Aids-Hilfe. Vielleicht fühlen Sie sich sogar ermuntert, selbst aktiv zu werden und an der Seite der vielen ehrenamtlichen MitarbeiterInnen zu stehen.

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Safer Sex – Safer Welcome! HIV-Prävention für junge Geflüchtete

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30 Jahre Red Ribbon S-Bahn: Der Zug mit der roten Schleife

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Kaum thematisiert, immer noch aktuell: Erwerbslosigkeit mit HIV

am heutigen Abend haben Sie zahlreiche KünstlerInnen erlebt, die sich wie Sie gegen Aids engagieren. Die Gala hat erneut gezeigt, wie wichtig es ist, sich für Menschen mit HIV/Aids einzusetzen, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen. Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit. Minderheiten sind verstärkt Angriffen ausgesetzt. Dagegen müssen wir aufstehen, und wir versichern Ihnen, dass KÜNSTLER GEGEN AIDS – DIE GALA weiterhin ein konstanter Fels in der Brandung sein wird, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit für das Thema HIV/Aids zu generieren und die Solidarität unserer Gesellschaft einzufordern.

Herzliche Grüße Judy Winter & Klaus Wowereit Schirmfrau und Schirmherr KÜNSTLER GEGEN AIDS – DIE GALA 2017

IMPRESSUM Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin Kontakt: Tel. 030 23 66 39-0, Fax 030 23 55 39-19

Druck: Eversfrank Berlin GmbH, Ballinstraße 15, 12359 Berlin Auflage: 2000 Exemplare

Geschäftsführung: Gudrun Fertig, Manuela Kay (V.i.S.d.P.) Redaktion: Ronny Matthes Grafik und Layout: Mario Olszinski Anzeigen: Eckehard Heine (-13), Matthias Reetz (-16)

Coverfoto: Brigitte Dummer (www.promi-media.de) Gala-Fotos vom 23.10.2017: Sven Darmer, David Darmer, Brigitte Dummer, Gundula Krüger Copyright: Special Media SDL GmbH

Alle Rechte, auch auszugsweiser Nachdruck, vorbehalten. Für unverlangt eingesendete Bilder und Texte wird nicht gehaftet. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Nachdruck von Texten, Fotos, Grafik oder Anzeigen ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages möglich. Gerichtsstand ist Berlin.

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Für sie sollʼs rote Rosen regnen

Irmgard Knef, Sie engagieren sich seit Jahren im Kampf gegen HIV und Aids. Bei der Gala „Künstler gegen Aids“ treten Sie jetzt zum ersten Mal auf. Warum liegt Ihnen dieses Thema am Herzen? Es ist mir ein großes Anliegen, dass man diese Krankheit, die uns nun schon seit Jahrzehnten verfolgt und mit der umzugehen wir gelernt haben – dass wir diese Krankheit bekämpfen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Auch wenn sich die grundlegende Situation einer HIV-Diagnose geändert hat. In den Anfangsjahren, die ich ja aktiv miterlebt habe, sind sehr viele meiner Bekannten und Freunde gestorben. Ich wollte immer etwas dafür tun, dass die Forschung sehr schnell Wege findet, um diese schreckliche Krankheit zu besiegen. Nun sind wir ja sehr fortgeschritten in allem, dennoch kann von einem endgültigen Sieg noch keine Rede sein. Solange ich lebe, werde ich gegen dieses Scheusal von einer Krankheit kämpfen. Man kann heute HIV-positiv gut leben und alt werden. Kommt man angesichts der medizinischen Fortschritte mit dem Thema noch bei den Leuten an? Die Gefahr einer Aids-Erkrankung hat gerade bei den Jüngeren den Schrecken verloren, den sie früher hatte. Früher war sie ein Todesurteil auf Raten. Wie schnell diese Raten abbezahlt wurden, war individuell, aber letztlich war sie ein Todesurteil. Und das ist sie heute eben nicht mehr. Junge Leute, so habe ich es mir sagen lassen, werden wieder fahrlässiger in ihrem Sexualverhalten. Aber wenn ich sie frage, sagen sie mir immer, dass sie Safer Sex machen. Ich denke mal, das ist die Sache mit dem Kondom. Da ist noch die PrEP, mit der man sich vor einer HIV-Übertragung schützen kann. Und es gibt die Möglichkeit, dass man als HIV-positiver Mensch eine Therapie macht und die Viruslast unter die Nachweisgrenze sinkt: Dann besteht keine Ansteckungsgefahr mehr. Das ist natürlich eine Vertrauenssache. Wenn man Sex mit Fremden hat – und das ist ja bei Homosexuellen öfter der Fall –, dann kann man von einem Vertrauen nicht ausgehen. Und außerdem gibt es ja noch eine Menge anderer übertragbarer Krankheiten, die man mit Medikamenten nicht verhindern kann. Darum bin ich, was diese Option anbelangt, etwas skeptisch.

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Sie sind gut informiert. Liegt das daran, dass Sie immer noch in Kreuzberg wohnen und viel Kontakt zu jungen Menschen haben? Ich bin immer neugierig auf junge Leute und will ihr Lebensgefühl erspüren. Ich versuche immer up to date zu sein und verarbeite das auch in meinen Programmen. Computer, Internet – ich bin nicht im Gestern stecken geblieben. Auch wenn ich mich damit ständig auseinandersetzen muss. Haben Sie ein Tinder-Profil? Tinder-Profil (lacht), nein! Aber bei Facebook bin ich. Ich finde es großartig. Was man alles machen kann heutzutage! Was denn so? Alle Mögliche. Ich hätte ohne Facebook nicht meinen jetzigen Lover kennengelernt. Er ist 86 und kann kaum gehen, aber: er lässt sich nicht gehen. Ist bei Ihnen, wenn ich das fragen darf, Safer Sex ein Thema? Unsere Beziehung ist eher aufs Visuelle beschränkt. Wir skypen jeden Tag. Sex im Alter hat andere Schwerpunkte als bei den jungen Leuten. In Deutschland wird über die Rente mit 70 diskutiert. Das muss Ihnen absurd erscheinen. (lacht) Ich bin jetzt in meinem 92. Lebensjahr, und ich habe noch sehr viel vor. Das ist ein Hinweis an den lieben Gott, den ich nicht kenne, oder an sonst jemanden, der verantwortlich ist für die Endlichkeit: Solange es geht, mache ich weiter. Was sind Ihre Pläne? Schauen Sie, ich habe vor zwei Jahren eine Show zu meinem 90. Geburtstag gemacht. Und die werde ich Anfang des nächsten Jahres in der Bar jeder Vernunft zum dritten Mal wiederaufnehmen. Ich bereite mich dann zum vierten Mal auf meinen 90. Geburtstag vor. Eine sehr schöne Option: Man fühlt sich jünger, als man tatsächlich ist! Und dann gibt es Pläne für neue Soloprogramme. Das Programm, von dem Sie sprachen, heißt „Ein Lied kann eine Krücke sein“ und spielt an auf einen Grand-Prix-Beitrag aus besseren Zeiten. Heute liegt der Wettbewerb aus deutscher Sicht am Boden. Würde Sie eine Teilnahme reizen? Eine Chance für das Alter, meinen Sie? Auch. Eine Chance für das Alter, für den ESC, für Deutschland! Ich bin in einem Alter, wo ich mich dem Konkurrenzdruck nicht mehr aussetze. Also, erst in den Vorentscheid und dann der ganze Telefonquatsch … Nein, den Vorentscheid lassen wir einfach weg! Ja, dann bin ich bereit. Also, wenn Sie Connections haben, sagen Sie das den Sendeverantwortlichen: Ich stehe in den Startlöchern. Interview: Kriss Rudolph

FOTO: ROBERT RECKER

Sie wurde zehn Minuten später als ihr Zwilling Hildegard geboren. Erst kurz vor dem Tod der berühmten Schwester konnte Irmgard Knef aus deren Schatten treten. Nun performt sie zum ersten Mal bei KÜNSTLER GEGEN AIDS


Dank Air France AUDI AG Berliner Sparkasse B. Prosecco Brigitte Dummer & Kollegen cinnamon GmbH - Hostessen und Promotion Culpepper Event Catering GmbH DDR-Museum Berlin GmbH Die Pixelhasen expofair GmbH Florale Welten GmbH GA German Arts GmbH Gries Deko Company GmbH (Ipuro) Grundkonzept Financial Services GmbH Hotel am Steinplatz – DG Steinplatz Hotelgesellschaft mbH

an die Förderer von KÜNSTLER GEGEN AIDS DIE GALA 2017

Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG I-Sight-Media Martin Klinge Jörg Nahmmacher haare & make-Up Juwelier Lutz Reuer K.I.S.S. Security GmbH LETTERMEN. Lichtwerk Veranstaltungstechnik GmbH Loooop M•A•C Aids Fund Magnus Apotheke Mampe Spirituosen GmbH Mast-Jägermeister AG Monique Prägitzer Maren Otto Novotel papagena Kartenvertriebs GmbH

Robbengatter Restaurant Betriebs GbR Schindler Lichtdesign – Andreas Schindler Schweppes Deutschland GmbH Siegessäule – Special Media SDL GmbH SPS Sedlaczek Prüllage Schwinger Partnerschaft mbB Stage Theater des Westens Steigenberger Hotel am Kanzleramt Studio Hamburg GmbH Vitec Immobilien-Management und Consulting Gesellschaft mbH Wache Fleischhandelsgesellschaft in Berlin und Brandenburg mbH ZIEGLER FILM GmbH & Co. KG Anke Wolf Medienbüro Julian Kamphausen Regie- und Ablaufregie


Seit 15 Jahren ist Klaus Hoffmann im Kuratorium der Berliner Aids-Hilfe e. V. In dieser Zeit hat sich viel verändert. Für den Liedermacher ist das Wort Aids zur großen „Aufklärungsvokabel“ geworden – zur Provokation, um auf Diskriminierung hinzuweisen

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Herr Hoffmann, Sie werden bei „Künstler gegen Aids“ mit Ihren Liedern auftreten. Warum finden Sie eine Veranstaltung wie die Gala immer noch wichtig? Ich glaube, Aids ist ein Codewort für Ausgrenzung bis hin zur Unterdrückung geworden. Man kann über das Thema darauf aufmerksam machen, wie viel Diskriminierung es immer noch gibt. Nicht nur durch die rechte Szene in Deutschland, ich spreche auch von Polen, Ungarn und anderen ehemaligen Ostblockstaaten bis nach Russland. Da kommt ja momentan einiges durch, was auch in der frühen Aids-Bewegung Thema war. Konkret diese ganze „Bist du schwul, schlag ich dich tot“Rhetorik. Ist Aids für Sie ein schwules Thema? Nein, glaube ich nicht. Aids ist zu einem Millionenproblem geworden. Man muss ja nur über unseren Tellerrand hinausgehen und

nach Afrika gucken. Aber meine ersten Berührungspunkte in den Achtzigern kamen schon über meine schwulen Freunde zustande. Ich war zwar zum Glück nie ganz unmittelbar betroffen, sondern eher auf einer Ebene, dass Freunde mir darüber erzählten, aber natürlich kannte ich Leute, die Aids hatten. Deshalb kannte ich auch den Umgang damit. Das war ja eine ähnlich verdeckte Wand wie vorher mit dem Schwulsein unter § 175. Das ist etwas, das mich bis heute umtreibt. Wie konnte es in einer Demokratie so etwas wie den § 175 geben? Das Phänomen, dass Schwule am Rande standen und dafür kämpfen mussten, dass es sie geben durfte, fand ich unglaublich. Deshalb habe ich für Romy Haag das Chanson „Rosen im Schnee“ geschrieben. Das werde ich auf der Gala auch singen. Wahrscheinlich zusammen mit dem rebellischen Sechzigerjahre-Lied „Nein“.

FOTO: MALENE / KLAUS HOFFMANN

„Wir müssen mehr


streiten!“ Wozu sagen Sie „Nein“? Ich finde, in der Aids-Diskussion müssen wir ein bisschen aus diesem Gemütlichen raus. Wir müssen uns fragen, wen wir mit unserer Veranstaltung erreichen können und wollen. Da sitzen ja in der Regel die üblichen Leute zusammen. Man muss aufpassen, dass es nicht so eine museale Geschichte wird. Und man muss sich gegebenenfalls von ein paar Gewohnheiten befreien. Deshalb „Nein“. Ich hab für mich irgendwann mal geklärt: mit Nein beginnt die Freiheit. Was immer man darunter versteht. Heißt das, Sie haben Zweifel, ob Galas wie diese noch zeitgemäß sind? Nein, das meine ich nicht. Ich halte es sogar für sehr sinnvoll, mit einer breit aufgestellten Veranstaltung ein Augenmerk zu setzen. Wenn man kein Augenmerk setzt, verschwindet das Thema in einem soziojournalistischen Bereich, wo es die Gesamtheit nicht mehr erreicht. Aber wir müssen auch sehen, dass wir gerade in Berlin einen Pluralismus mit uns rumtragen, in dem wir über alles reden können. Bei so einer Gala steht keiner auf und sagt: „Ich grenz’ dich aus“. Da sind sich alle einig, dass sich so was nicht gehört. Diese Einigkeit ist für mich ein Grund, darauf aufmerksam zu machen, was um uns herum passiert. Wir müssen wieder mehr streiten. Auch auf der Bühne. Interview: Christian Lütjens


Engagement unterm Regenbogen Der HIV AWARENESS AWARD 2017 geht an den Regenbogenfonds der schwulen Wirte e. V. für den jahrzehntelangen Einsatz an der Seite von Menschen mit HIV und Aids

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Besonders durch die Unterstützung von Einrichtungen zur Betreuung und Pflege von Menschen mit HIV und Aids leistet der Regenbogenfonds wertvolle Arbeit. Und nicht nur dort: Als 1993 ein paar Szenewirte das Lesbisch-Schwule Stadtfest auf der Motzstraße initiierten, ahnte niemand, dass sich die Veranstaltung im Laufe der Zeit zu einem in Europa einzigartigen Event mit Hunderttausenden BesucherInnen entwickeln würde. Mit dem Stadtfest bietet der Regenbogenfonds nicht nur der Aufklärung zu HIV/Aids eine breite Bühne. Legendär auch das Lichtermeer im Anschluss an den Trauerzug der Berliner Aids-Hilfe: Bis zum Jahr 2015 veranstaltete der Regenbogenfonds gemeinsam mit der BAH die Demonstration, um an Menschen zu erinnern, die an den Folgen von Aids gestorben sind. Die Erlöse aus dem Glüh-

weinverkauf gingen direkt an die BAH. Im Anschluss an die Veranstaltung lud der Verein in der Vergangenheit auch zum Red Ribbon Rave ein. Bei dem Musikevent traten namhafte DJs wie Westbam auf und verzichteten zugunsten der Berliner Aids-Hilfe auf ihre Gagen. Mit viel Herzblut engagieren sich die schwulen Wirte des Regenbogenfonds für die Belange und Probleme von Menschen mit HIV und Aids. Dass ihr Einsatz nun mit dem HIV AWARENESS AWARD ausgezeichnet wird, würdigt die Beteiligten in besonderer Weise.

Wer hat den HIV Awareness Award 2018 verdient? Senden Sie Ihre Vorschläge jederzeit an: jury@berlin-aidshilfe.de

FOTO: RAINER SCHADOW

Berlin hat viele Erfolgsgeschichten zu erzählen. Eine davon ist der Regenbogenfonds der schwulen Wirte e. V. Seinen Ursprung hat der Verein in der Gründung der Konzertierten Aktion lesbisch-schwuler Wirtschaft in Berlin (KAB). Dort fing 1992 alles mit 15 schwulen Wirten an. Mittlerweile gehören zum Regenbogenfonds sowohl Szeneinstitutionen wie Bars und Läden als auch Banken, Hotels und Versicherungsunternehmen aus Berlin. Schon früh begannen die Wirte des Regenbogenfonds sich für Menschen mit HIV/Aids einzusetzen. In seiner Satzung legten sie fest, dass Zweck des Vereins unter anderem die Unterstützung von Schwulen und Lesben ist, „die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf Hilfe angewiesen sind, weil sie aufgrund einer HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung in Not geraten sind“.



Wolfgang ist seit elf Jahren mit Leidenschaft Telefonberater bei der Berliner Aids-Hilfe e. V.

Ein Team aus freiwilligen Helfern ist das Rückgrat der BAH. Über 200 EhrenamtlerInnen sind in den verschiedensten Bereichen im Einsatz – auch bei „Künstler gegen Aids“. Wir haben mit Laura (22) und Wolfgang (71) über Engagement, Adrenalinkicks und Motivationen gesprochen

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Wenn beim Teamtreffen mal wieder jemand über eine Erfahrung aus den Achtzigern berichtet, denkt Laura: „In den Achtzigern … Da gab’s mich noch gar nicht.“ In solchen Momenten wird die 22-Jährige an etwas erinnert, was für sie zur Selbstverständlichkeit geworden ist: Dass die Vielfalt, für die die BAH eintritt, sich auch in ihren Ehrenamtsgruppen widerspiegelt. Dieser Punkt hat Laura von vornherein an der Mitarbeit im Team ÖA (Öffentlichkeitsarbeit) gereizt: „Bei der BAH hatte ich meinen ersten Job nach dem Abi. In der Schulzeit befand man sich schnell in einer Blase von Menschen, die alle einer Meinung waren und sich gegenseitig den Rücken klopften. Bei der BAH kommt man aus dieser Blase raus. Man trifft Menschen mit verschiedensten Hintergründen und Biografien.“

FOTO: EMMANUELE CONTINI

Ehrensache Ehrenamt


Laura wuchs an der Berliner Stadtgrenze auf, ging auf eine freie Schule, auf der sie 2014 Abi machte. Danach entschied sie sich für ein Jahr Bundesfreiwilligendienst (BFD) bei der BAH: „Mir war klar, dass ich privilegiert war. Ich hatte Bildung, ich konnte viele Erfahrungen sammeln. Ich wollte etwas zurückgeben. Das BFD-Jahr hat dann so viel Spaß gemacht, dass ich im Ehrenamt dabeigeblieben bin.“ So wird Laura bei der diesjährigen „Künstler gegen Aids“-Gala bereits zum vierten Mal am roten Teppich stehen und dazu beitragen, dass alles glattläuft. Sie genießt die Arbeit im Team und das Gefühl, etwas zu bewegen. „Veranstaltungen sind ein Adrenalinkick“, lacht sie. „Das ist Hochdruck bis in die letzte Minute. Das ÖA-Team ist bei jeder Veranstaltung das letzte Team, das nach Hause geht.“ Diese Gruppe ist nur eins von vielen Ehrenamtlerteams in der BAH. Um nur ein paar zu nennen: Es gibt die Youthworker, die in Schulen für das Thema HIV sensibilisieren, es gibt die Emotionale Begleitung in Haft, die Migrationsabteilung, die Freunde im Krankenhaus (FriKs) und die Telefonberatung. Bei Letzterer ist Wolfgang seit elf Jahren aktiv. Mit seinen 71 Jahren ist der Rentner einer derjenigen, die ihre ersten Berührungspunkte mit HIV in den Achtzigern hatten. Damals war er Redakteur beim ZDF in Mainz und begleitete einen an Aids erkrankten Freund bis in den Tod. Eine prägende Erfahrung. Dass er nach seinem Umzug nach Berlin in der Telefonberatung anfing, hatte aber vor allem aktivistische Beweggründe: „Ich habe ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein, und hatte das Bedürfnis, mich gesellschaftlich zu engagieren. Da ich durch meine journalistische Vorprägung Erfahrung im Bereich Gesprächsführung hatte, bot sich Telefonberatung an.“ Pro Woche verbringt Wolfgang zwischen drei und vier Stunden an der BAH-Hotline. In elf Jahren hat er weit über 2000 ehrenamtliche Beratungsstunden bewältigt. Ihm ist nichts Menschliches mehr fremd. Er kennt die Nöte von Ehemännern, die nach einem Puffbesuch die Angst vor HIV heimsucht, er kennt die Hemmungen von jungen Frauen und türkischen Youngstern, offen über ihre Sexualität zu sprechen, er kennt die Angst der Positiven vor Syphilis oder Hepatitis C ebenso wie die übertriebene Euphorie vieler Negativer beim Thema PrEP. Dass seine Beratung stets auf dem aktuellen Stand der Forschung ist, gewährleisten Supervisionen im Zwei-Wochen-Takt und vier umfassende Fortbildungen pro Jahr. Ohnehin wird die Ausbildung der Ehrenamtler bei der BAH großgeschrieben – vom obligatorischen Basistraining zu den Zielen und Werten der Organisation über medizinische Abende bis hin zu aufgabenspezifischen Seminaren und Schulungen. Man lernt permanent dazu. Das setzt ein hohes Maß an Aufgeschlossenheit voraus. „Man darf nicht das Gefühl haben, Zeit zu opfern“, so Wolfgang. „Wenn ich ein Ehrenamt mache, muss ich etwas beitragen wollen, zu einer Gesellschaft, die mein Engagement gut gebrauchen kann. Ich selbst bin von Haus aus ziemlich unersättlich, was Leben angeht. Das Spektrum existenzieller Möglichkeiten und Unmöglichkeiten konfrontiert zu bekommen ist für mich immer wieder ein Wow-Moment. Aber bei der BAH wird keiner gezwungen. Wer auf halber Strecke merkt, dass es für ihn nicht das Richtige ist, bekommt keinen Vorwurf, wenn er hinschmeißt. Einen Versuch ist es wert. Wir brauchen immer neue Leute.“ Christian Lütjens

Jeden zweiten Mittwoch im Monat findet um 19 Uhr der Infoabend für InteressentInnen an ehrenamtlichem Engagement im Ulrichs – Café, Küche & Kultur statt: Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 11 (ehem. Einemstr.), 10787 Berlin, nur wenige Gehminuten vom Nollendorfplatz entfernt Mehr Informationen zum Ehrenamt gibt es auf www.berlin-aidshilfe.de/mitarbeit/ehrenamtliche-mitarbeit


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ALLE AKTUELLEN GALA-FOTOS: BRIGITTE DUMMER, SVEN DARMER, DAVID DARMER, GUNDULA KRÃœGER



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WE ARE QUEER BERLIN

Berlins meistgelesenes Stadtmagazin

Stolzer Medienpartner der KĂźnstler gegen Aids Gala 2017 21


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Wir unterstützen das Gala-Magazin Obere Reihe:

Untere Reihe:

Gilead Sciences

Zahnarztpraxis Dr. med. F. Brouwer & M. Lehmensiek

DDR Museum Magnus Apotheke

Möbel Höffner Berlin Apotheke Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB)

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Die Aids-Krise führte ein Erstarken der Sexualmoral herbei. Mit der Präexpositionsprophylaxe PrEP bietet sich eine erneute Chance auf eine Befreiung schwuler Sexualität, argumentiert Trümmertunte Fabienne du Neckar. Eine Einladung zur Diskussion

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FOTO: DAH / RENATA CHUEIRE

Die PrEP als historische Chance

Der schwule kommunistische Schriftsteller Ronald M. Schernikau hat in der SIEGESSÄULE vom November 1984, zu einem Zeitpunkt, als die Aids-Krise Fahrt aufnahm, einen Aufruf veröffentlicht, den er mit den denkwürdigen Worten „Fickt weiter!“ überschrieb. Er befürchtete das Erstarken der Sexualmoral im schwulen Sex. Während schwule Aids-Gruppen in einer Sprache zum Safer Sex aufriefen, die für moralisierende VerfechterInnen der Monogamie mindestens anschlussfähig war, schrieb Schernikau: „der einzige grund, geschlechtsverkehr mit vielen zu haben, ist: einen abend, einen monat, ein leben lang nichts anderes mit der welt zu tun haben wolln, als daß sie mich fickt.“ Ein Rückzug vom schwulen Sex kam für Schernikau nicht infrage. Und unter schwulem Sex möchte ich hier nicht Sex zwischen Männern im Allgemeinen verstehen, sondern vielmehr eine spezifische sexuelle Kultur von Schwulen, die sich durch Lustbetontheit, Promiskuität und programmatische Zwecklosigkeit auszeichnet.


Was Schernikau befürchtet hatte, ist eingetreten: Die Schwulen seiner Generation, die überlebten, blieben traumatisiert zurück. Meine Generation wurde unter den Vorzeichen rigider Kondom-Prävention groß und konnte sich Sex ohne Gummi lange Zeit nur als den Sex von Wahnsinnigen vorstellen. In unseren sexuellen Kontakten hat das Gummi nicht einfach nur die Bedeutung, eine HIV-Infektion zu verhindern. Es wird darüber hinaus mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. Wahrscheinlich beinahe ebenso verkrampft wie die Reinheitsvorstellungen, die sich an das Gummi knüpfen, war die trotzige Resexualisierung des kondomlosen Sex in der Bareback-Kultur und im Porno. Die Einführung der Kombinationstherapie 1996 und das allmählich, quälend langsam ins schwule Bewusstsein sickernde Wissen über die Möglichkeit des Schutzes durch Therapie änderten an der symbolischen Bedeutung des Kondoms bezeichnenderweise kaum etwas. Der Berliner Soziologe Michael Bochow vertritt daher die These, dem Gummi komme für schwule Männer eine immense Bedeutung im Umgang mit ihrem historischen Trauma zu. Über seine tatsächliche zentrale Bedeutung in der HIV-Prävention hinaus benutzten Schwule, so Bochow, das Gummi als sichtbares Zeichen für „verantwortliches Sexualverhalten“. Im Hintergrund steht die Hoffnung auf einen symbolischen Tauschhandel: Der Schwule bietet die im Gummi symbolisierte moralische Eindämmung seiner sowohl von ihm selbst als auch von der heterosexuellen Mehrheit als destruktiv phantasierten Sexualität an und erhofft sich im Gegenzug, nicht in Lager getrieben oder totgeschlagen zu werden. Die Wirksamkeit der PrEP durch ursprünglich für die HIV-Therapie zugelassene Medikamente ist nun seit mehreren Jahren bekannt. In Deutschland wurde das Präparat Truvada 2016 für die Prophylaxe zugelassen. Ganz aktuell hat die zuständige EU-Behörde Generika des Medikaments zugelassen, und durch das Engagement des Apothekers Erik Tenberken gibt es knappe Monatsmengen des Generikums seit Ende September 2017 für ca. 50 € in ausgewählten Apotheken. Der Kampf für freien Zugang zur PrEP für alle, die sie brauchen, ist noch nicht gewonnen. Er muss sich nun auf den kostengünstigen bzw. freien Zugang in der Provinz, für Arme, für Illegalisierte, für SexarbeiterInnen, für Menschen im Knast und für Menschen – vor allem Frauen – im globalen Süden richten. Ich will die PrEP nicht als mythisches Allheilkraut bejubeln. Sie ist ein neues Mittel unter mehreren, die es ermöglichen, negativ zu bleiben. Aber: Wir haben heute durch die PrEP die historische Chance, dort anzuknüpfen, wo Schernikau sich geweigert hat zu resignieren (er starb an den Folgen von Aids). Die technischen Voraussetzungen sind heute – und erst heute – dafür gegeben, Schernikaus Aufforderung ernst zu nehmen und – weiterzuficken: und zwar wieder im emphatischen Sinne einer fröhlichen sexuellen Zwecklosigkeit. Der Aktivist John Byrne hat einen zentralen Aspekt der Bedeutung von PrEP für Schwule sehr präzise getroffen: Sie ermöglicht es, uns gegenseitig nicht mehr länger in erster Linie als potenzielle Virenträger wahrzunehmen. Zweitens aber bedeutet die PrEP einen nicht zu unterschätzenden Autonomiegewinn für Männer (und alle anderen), die sich ficken lassen – einen Autonomiegewinn, der demjenigen der Antibabypille für heterosexuelle Frauen entspricht. Mit der PrEP haben es Gefickte selbst in der Hand, sich zu schützen. Schernikau hat den Wahnsinn der DDR-BürgerInnen, die sich nach dem Mauerfall über ihre Unterwerfung im bürgerlichen Kapitalismus der BRD freuten, nicht verstanden. Und er würde den Wahnsinn der Schwulen heute nicht verstehen, die moralische Bedenken gegen die PrEP äußern. Fickt endlich weiter!


ILLUSTRATION: IVAN KULESHOV

Eine Frage der Humanität Es wird nicht viel über sie geredet: In unserer Mitte leben Menschen, die nicht krankenversichert sind. Ihnen fehlt der uneingeschränkte Zugang zu medizinischer Versorgung – und somit zu einem menschlichen Grundrecht. Denn seit dem Jahr 2000 definiert die EU Medizin als solches: In Artikel 3 (2) ihrer Menschenrechtscharta wurde das Recht auf Unversehrtheit grundlegend erweitert. Wie kann man also Betroffenen helfen? Wer das Berliner Regierungsübereinkommen liest, findet hierzu Konkretes. Berlin will eine Clearingstelle für Unversicherte einrichten. Es kann losgehen, sobald der Senat den neuen Haushalt verabschiedet. Die Clearingstelle wird Anlaufstelle für alle Unversicherten, die beispielsweise als Solo-Selbstständige ihre Krankenversicherung verloren haben oder ohne Papiere in Deutschland leben und arbeiten. Dabei wird zunächst geklärt, ob sie aufgrund von bilateralen Vereinbarungen mit EULändern oder Drittstaaten nicht doch Versicherungsansprüche haben. Sollte dies nicht der Fall sein, bekommen sie einen Krankenschein für die anstehende Behandlung. „Wir gehen nach dem Prinzip der Subsidiarität vor. Die Clearingstelle prüft, ob irgendwo Anspruch auf eine Krankenversicherung besteht. Falls nein, wird ein anonymisierter Kranken-

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schein ausgegeben. Auch für unser Ziel, mindestens 90% der positiv auf HIV Getesteten zu behandeln, ist das relevant. Wir gehen davon aus, dass nicht wenige keine Krankenversicherung haben“, so Christoph Lang, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Zahlen für Bedarf und Kosten basieren auf anonymisierten Daten von ehrenamtlichen Einrichtungen sowie Schätzungen aus Gesamtdeutschland, die man für Berlin annimmt. „Wir gehen von einem Bedarf von bis zu 12.000 PatientInnen ohne Krankenversicherung aus, die akut versorgt werden müssen. Das ist eine Frage der Humanität. Für die Clearingstelle stehen in den kommenden beiden Jahren jeweils 700.000 € zur Verfügung.“ Auf die Frage, wo diese Clearingstelle angesiedelt sein soll, erfährt man, dass mehrere Einrichtungen bereits ihr Interesse bekundet haben. Bevor das Budget aber offiziell nicht durch ist, kann auch kein Vergabeprozess gestartet werden. Eine dieser Einrichtungen ist die Berliner Aids-Hilfe. Geschäftsführerin Ute Hiller bestätigt: „Ja, wir haben klar Interesse. Wir waren zuvor Teil einer Arbeitsgruppe bei der Senatsverwaltung, der unter anderem Ärzte der Welt, Medibüro, ein Zentrum für Sexuelle Gesundheit und das Auguste-Viktoria-Klinikum

angehörten. Diese Gruppe sollte Strategien für die Wiedereingliederung von Unversicherten erarbeiten. Wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir unsere Erfahrung im Umgang mit Anonymität und Dunkelziffern bei solch einer Clearingstelle bestens einbringen können. Außerdem ist es schon immer eines unserer erklärten Ziele, all jene in die Versicherung zu bringen, die es noch nicht sind.“ Auch Kooperation mit anderen Einrichtungen kann sich Ute Hiller vorstellen: „Jede Kommune muss alle verantwortlichen sozialen Akteure an einen Tisch bekommen und herausfinden, wie die beste Lösung aussehen kann.“ Damit wäre Berlin nach Niedersachsen erst das zweite Bundesland überhaupt, das eine öffentlich geförderte Clearingstelle bekommt. Die Expertise und Erfahrung der Berliner Aids-Hilfe könnte sich als modellhaft für dieses Projekt erweisen und Vorbildcharakter für weitere Clearingstellen haben – denn nicht nur Berlin hat Unversicherte, die auf medizinische Versorgung angewiesen sind. Eine gute Aussicht für alle Beteiligten – und für unversicherte Menschen sowieso. Ihnen würde so eine große Unsicherheit genommen, die bis dahin ihre Gesundheit belastet und ihr Leben gefährdet hat. Lukas Burian



Refugees welcome! Seit rund einem Jahr gibt es mittlerweile eure Safer-Welcome-Workshops. Wie ist das Projekt angelaufen? David Lyskawka: Wir haben vor wenigen Wochen begonnen, unser Angebot mit einem Flyer aktiv zu bewerben, und dennoch waren wir die Monate davor komplett ausgebucht. Die Anfragen von Willkommensklassen und Unterkünften für unbegleitete minderjährige Geflüchtete kamen sozusagen ganz von allein. Das zeigt uns: der Bedarf in der Stadt dafür ist sehr groß. Die Initiative zu den Workshops geht in der Regel von den Lehrkräften oder von der Leitung einer Unterkunft aus. Wie aber reagieren die Jugendlichen auf den Vorschlag, sich in der Gruppe mit Liebe, Geschlechterrollen, sexueller Vielfalt und Sexualität auseinanderzusetzen? Ist da nicht auch viel Scham und Unsicherheit im Spiel? Ahmed Awadalla: Die Gruppen sind anfangs tatsächlich oft etwas unsicher; auch weil sie nicht wissen, was sie da eigentlich erwartet. Letztlich kommt es immer darauf an, wie man mit dem Thema umgeht. Wir versuchen deshalb einen Raum zu schaffen, in dem sich die Jugendlichen trauen, ihre Fragen zu stellen. Durch Rollenspiele gelingt es beispielsweise recht schnell, eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Das Gespräch kommt dann fast automatisch in Gang.

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David Lyskawka: Man darf nicht vergessen: das sind Jugendliche in der Pubertät. Die unterscheiden sich nicht so grundsätzlich von ihren Altersgenossen, die in Deutschland aufgewachsen sind. Sie sind genauso an den Themen Liebe und Sexualität interessiert und haben ihre Fragen, die sie loswerden wollen. Wie vielfältig sind die Herkunftsländer dieser Jugendlichen? Und wie regelt ihr das auf der sprachlichen Ebene? Ahmed Awadalla: Gerade die Willkommensklassen sind sehr bunt durchmischt. Wir versuchen dennoch, möglichst nur mit zwei Sprachen zu arbeiten, also etwa Arabisch und Deutsch. Wir haben aber gemerkt, dass die Jugendlichen oft schon recht gut deutsch sprechen können. David Lyskawka: Wir führen deshalb die Workshops mittlerweile auch ganz auf Deutsch durch. Und wenn’s dann doch mal etwas kompliziert wird, zum Beispiel wenn es um HIV oder Übertragungswege geht, kann das Ahmed auf Arabisch erklären. Ahmed Awadalla: Zudem entwickeln wir spezielle Materialien, bei denen wir die Inhalte bildlich darstellen, um so die Sprachbarriere zu überwinden. Wie unterscheiden sich die Safer-Welcome-Workshops von euren sonstigen Youthwork-Workshops? David Lyskawka: In der Regel wurde im Her-

kunftsland weder in der Familie noch in der Schule über Sex gesprochen. Deshalb müssen wir nun zunächst entsprechende grundlegende Informationen vermitteln. Bei den Jugendlichen, die in Deutschland aufgewachsen sind, können wir ein bestimmtes Wissen, etwa über den eigenen Körper und den des anderen Geschlechts, voraussetzen. Kollidieren bei den Workshops bisweilen auch die unterschiedlichen kulturellen und regionalen Vorstellungen von Moral oder von Sexualität? David Lyskawka: In den Diskussionen, die wir mit den Jugendlichen führen, zeigt sich sehr schnell, dass ihre Fragen meist dieselben sind – ganz gleich, ob sie in Syrien, Afghanistan oder in Deutschland geboren sind. Zugleich wird aber auch deutlich, dass selbst innerhalb eines Kulturkreises oder eines Herkunftslandes die Ansichten etwa zur Treue oder zu Homosexualität sehr divers sein können. Ich kann natürlich in zweimal drei Workshop-Stunden kein Weltbild verändern, das möchte ich auch gar nicht. Aber ich kann ein Angebot machen, einen anderen Blick auf die Welt zu werfen. Und das wird auch gerne angenommen. Interview: Axel Schock Mehr Informationen und Kontakt zum Youthwork- und Safer-Welcome-Team über www.berlin-aidshilfe.de/youthwork

FOTOS: ALEXANDER HEIGL / KALLE HENKEL

Sexualpädagogische Workshops für Jugendliche sind bereits seit vielen Jahren ein wichtiger Baustein in der BAH-Präventionsarbeit. Seit Herbst 2016 kann das Youthwork-Team – dank finanzieller Unterstützung durch die Aktion Mensch – nun auch spezielle Safer-Welcome-Workshops für geflüchtete Jugendliche anbieten. Ein Gespräch mit den beiden Teammitgliedern David Lyskawka (Foto li.) und Ahmed Awadalla (re.)


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Motzstraße 11 10777 Berlin Fon 030-23 62 64 85 Fax 030-23 62 64 86 www.apomagnus.de

30 Jahre Red Ribbon S-Bahn

Apotheker Tesfay Andemeskel

Es gibt es ein ganz besonderes Ritual bei der S-Bahn Berlin: Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit, pünktlich zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember, fährt ein Sonderzug durch Berlin. Und das seit 30 Jahren In mühevoller Handarbeit wird der Zug jedes Jahr von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der S-Bahn mit Postern und roten Schleifen dekoriert, dem weltweit bekannten Symbol für Solidarität mit HIV-Positiven und Aidskranken. Vor 30 Jahren initiierten die S-BahnerInnen das Projekt – allen voran S-Bahnfahrer Harry Krogmann, der 1987 zusammen mit Manfred Wichert die Aktion ins Leben rief und den Zug teilweise auch heute noch fährt. West-Berlin war bereits in den 1980ern eine der am stärksten von der Krankheit betroffenen Städte der Bundesrepublik. Dementsprechend waren natürlich auch einige der Fahrgäste, teilweise auch FahrerInnen selbst HIV-positiv. Initiator Harry Krogmann zum Beispiel hatte sich damals um einige seiner erkrankten KollegInnen gekümmert und wurde so inspiriert, diese mit einer Aktion zu unterstützen. In der Bahn, die am Aktionstag mehrere Stunden durch die Stadt fährt, werden von S-Bahn-Personal und Ehrenamtlichen Spenden gesammelt. Als Dankeschön erhalten SpenderInnen Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. Das eingesammelte Geld kommt dann den Hilfsangeboten der Berliner Aids-Hilfe e. V. zugute. Der Kooperationspartner BAH flankiert die Aktion mit ihrer eigenen Aufklärungsarbeit. Sie verteilt Infomaterialien und kommt mit den Fahrgästen ins Gespräch. Unterstützt wird das Ganze zudem von Prominenten aus Kultur, Politik und Gesellschaft. Im gesellschaftlichen Diskurs ist das Thema HIV/Aids in den Hintergrund gerückt, die Aktion sorgt daher für die öffentlichkeitswirksame Erinnerung, dass die Krankheit immer noch existiert und Aufklärung und Solidarität weiterhin notwendig sind. Der Sonderzug der S-Bahn ist damit bis heute ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten zum Welt-Aids-Tag. Nicht umsonst hat der Sonderzug auch in anderen Teilen der Welt Nachahmer gefunden. So war in Indien in den 2000ern ein Red Ribbon-Zug initiiert worden, der quer durchs Land fuhr und dabei Millionen von Menschen über HIV/Aids aufklärte. Heiner Schulze

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.30–20.00 Uhr Sonnabend 9.00–16.00 Uhr Viktoria-Luise-Platz 9 10777 Berlin Fon 030-21 96 72 26 Fax 030-21 96 72 27 www.apoviktoria.de

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Aktiv gegen Armut Immer noch gibt es erwerbslose positive Menschen, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Wir sprachen mit Claus Eschemann über ein Thema, das stärker in die öffentliche Wahrnehmung rücken muss

sich jeden Monat aufs Neue mit den Ämtern auseinandersetzen. „Der bürokratische Aufwand erschöpft die Leute. Hier beginnen wir zu helfen“, erklärt Claus Eschemann. Ein Drahtseilakt. Um sich gänzlich von den Ämtern zu befreien, müsste ein alleinstehender Mensch mit einer Grundsicherung von 900 Euro wenigstens das gleiche verdienen. „In der Steuerklasse I wären das ungefähr 1600 Euro brutto. Das ist schwer zu erreichen und in Teilzeitkonstellationen erst recht nicht“, so Claus Eschemann. „Den Schritt von langjähriger Erwerbspause zu Vollzeitarbeit wagen nur wenige.“ Diese Bedingungen schrecken viele Menschen ab. Daher ist die Motivation entscheidend: „Der Wunsch nach Veränderung und gesellschaftlicher Teilhabe muss im Vordergrund stehen, denn wirtschaftlich können sich nur wenige verbessern.“ RentnerInnen haben gegenüber Arbeitslosen, die beim Jobcenter gemeldet sind, zusätzlich den Nachteil, dass sie nicht durch Vermittlungsgutscheine unterstützt werden. Das gleicht die BAH mit Coaching aus. Ein Ehrenamtlicher hilft bei der Berufsorientierung und bei Bewerbungen. „Aus Sicht der BAH ist es dringend zu unterstützen, wenn Menschen ihr Leben verändern wollen und mit einer Idee zu uns kommen.“ Paula Balov

FOTO: EMMANUELE CONTINI

Ungefähr zwei Drittel der Menschen mit HIV in Deutschland sind erwerbsfähig. Aus medizinischer Sicht gilt HIV als gut behandelbar und bringt kaum Einschränkungen im Arbeitsleben mit sich. Erwerbsminderungsrente gibt es selten. Für diejenigen, die sie bereits beziehen und zurück ins Arbeitsleben wollen, ist der Weg allerdings steinig. Es gilt Zuverdienstgrenzen zu beachten – und kommt das Grundsicherungsamt ins Spiel, wird die Rechnerei noch komplizierter. Die BAH unterstützt Betroffene bei diesem Dilemma. „Gemeinsam finden wir heraus, wie sie sich am besten verhalten können und begleiten sie beim Ämterverkehr“, berichtet Claus Eschemann, Referent für die sozialrechtliche Beratung der Berliner Aids-Hilfe. Weniger kompliziert ist es für diejenigen, die eine auskömmliche Rente beziehen – da sind „nur“ die Zuverdienstgrenzen eine Hürde. Sie hängen davon ab, wie viel jemand vorher verdient hat. Überschreitet er die Grenze auch nur um zehn Euro, verliert er mindestens ein Viertel der Rente. Wer jedoch keine auskömmliche Rente hat, erhält ergänzende Grundsicherung. In diesem Fall muss das Einkommen sowohl bei der Rentenversicherung als auch beim Grundsicherungsamt angegeben werden. Wer unterschiedliche Einkommenshöhen erzielt, darf




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