MIDNIGHT SPECIAL
Gala-Magazin in Kooperation mit der Berliner Aids-Hilfe
UTE LEMPER: WIEDER IN BERLIN Die Diva über ihre Rückkehr ins Theater des Westens nach 26 Jahren
HIV-PRÄVENTION: JUGEND, FORSCH Die „Youthworker“ klären Gleichaltrige auf – und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund
K C DRU CH! VON S O T FRIRS O F PETRED-CA UTE ABEND: ? UF HE A R D T I EM SIND SI
FOTO: BRIGITTE DUMMER
Liebe Gäste, wie schön, dass Sie heute bei uns zu Gast sind! Als Erinnerung an KÜNSTLER GEGEN AIDS – DIE GALA 2018 hat Berlins queeres Stadtmagazin SIEGESSÄULE dieses Midnight Special vorbereitet, mit Geschichten zu unseren prominenten Gästen und Fotos des Abends – vielleicht sind auch Sie auf einem zu sehen? Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung der Berliner Aids-Hilfe! Wie Sie heute erfahren haben, sorgt sie sich seit 33 Jahren um Menschen mit HIV und Aids, sowohl bei alltäglichen Problemen als auch in Situationen, bei denen es – insbesondere bei unversicherten Menschen – selbst heute noch um Leben oder Tod gehen kann. Damit in Zukunft vielen Menschen das Schicksal einer Aidserkrankung erspart bleibt, hat die Berliner Aids-Hilfe viel vor: Bis zum Jahr 2030 soll niemand mehr in unserer Stadt an Aids erkranken! Hierzu entsteht am Hermannplatz mit dem Checkpoint BLN ein bundesweit einzigartiges Projekt zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Die Berliner Aids-Hilfe ist Teil dieses wichtigen Projekts. Der Checkpoint BLN wird im Rahmen der Initiative „Fast-Track Cities“ durch das Land Berlin finanziert. Viele andere Angebote der Berliner Aids-Hilfe sind aber nur durch Spenden und Sponsoring möglich. Auf den nächsten Seiten stellen wir Ihnen einige vor, zum Beispiel „Youthwork“, das Präventionsprojekt von jungen Menschen für junge Menschen. Sie werden sehen: Ihre großzügige Unterstützung macht Berlin ein ganzes Stück besser! Vielen herzlichen Dank sagen Judy Winter und Klaus Wowereit Schirmfrau und Schirmherr KÜNSTLER GEGEN AIDS – DIE GALA 2018
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Das Moderationsteam: Wayne Carpendale und Florian Weiss
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Vielen Dank! Die Förderer von KÜNSTLER GEGEN AIDS 2018
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Ute Lemper: „Das Thema Aids ist noch lange nicht abgeschlossen“
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HIV AWARENESS AWARD 2018: Bernard J. Butler im Porträt
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Emotionale Begleitung: Auch dank Axel fand Stephan ins Leben zurück
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Druckfrisch: die Gala-Fotos vom heutigen Abend
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Youthwork: Aufklärung, ganz ohne LehrerIn
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Gib Aids noch weniger Chancen! Die neuen Möglichkeiten der Prävention
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„Notes of Berlin“: Liebesgeständnisse auf offener Straße
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Gloria Gray: Selbstbestimmt – in jeder Hinsicht!
IMPRESSUM Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin Kontakt: Tel. 030 23 66 39-0, Fax 030 23 55 39-19
Druck: Eversfrank Berlin GmbH, Ballinstraße 15, 12359 Berlin Auflage: 2000 Exemplare
Geschäftsführung: Gudrun Fertig, Manuela Kay (V.i.S.d.P.) Redaktion: Philip Eicker Grafik und Layout: Mario Olszinski Anzeigen: Matthias Reetz (-16)
Coverfoto: Lucas Allen (lucasallen.com) Gala-Fotos vom 19.11.2018: Sven Darmer, Brigitte Dummer, Gundula Krüger, Detlef Zmeck Copyright: Special Media SDL GmbH
Alle Rechte, auch auszugsweiser Nachdruck, vorbehalten. Für unverlangt eingesendete Bilder und Texte wird nicht gehaftet. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Nachdruck von Texten, Fotos, Grafik oder Anzeigen ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages möglich. Gerichtsstand ist Berlin.
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Florian Weiss und Wayne Carpendale sind die Moderatoren des heutigen Abends. Die beiden harmonieren gut, denn sie sind schon zusammen mit Haien getaucht. Hier erzählen sie, warum ihnen das Thema HIV-Prävention so wichtig ist
Florian und Wayne, was sind eure Highlights des heutigen Abends? Florian: Ich persönlich freue mich ganz besonders auf das Ensemble von „Tanz der Vampire“, dem ersten Musical, das ich in meinem Leben gesehen habe. Das war erst vor ein paar Jahren im Deutschen Theater in München – seitdem bin ich Musical-Fan. Wayne: Zu meinen persönlichen Highlights zählt Dunja Rajter, die mich seit meiner Kindheit begleitet und mit der ich 2013 einen ganzen Sommer lang gemeinsam auf der Bühne stand. Und Flo und ich freuen uns natürlich auf die großartige Ute Lemper, mit der wir beide groß geworden sind. Wie kam es dazu, dass ihr die Moderation für KÜNSTLER GEGEN AIDS übernommen habt? Wayne: Als ich gefragt wurde, hab ich sofort zugesagt. Das Thema liegt mir sehr am Herzen. Und weil es bei der Gala auch in diesem Jahr wieder eine Doppelmoderation geben sollte, wollte ich das unbedingt gemeinsam mit Flo machen. Florian: Wayne hat mir noch am selben Tag eine Nachricht geschickt und mich gefragt, ob ich Lust hätte. Und ich so: „Super, wann muss ich wo sein?“ Wayne und ich haben in der Vergangenheit schon oft als Team zusammengearbeitet. Wir haben gemeinsam das Tauchen mit Haien und vor ein paar Wochen den Berlin-Marathon überlebt – ich bin mir sicher, dass wir auch einen glamourösen Abend in Berlin meistern werden. Wie und wann seid ihr mit den Themen HIV und Aids das erste Mal in Berührung gekommen? Florian: Wir finden beide, dass heutzutage viel zu wenig über Aids gesprochen wird. Abende wie die Gala sind ja dafür da, die öffentliche Aufmerksamkeit auf eine so wichtige Thematik zu lenken. Gerade bei Heteros scheint HIV weitgehend kein Gesprächsthema mehr zu sein – besonders bei jungen Leuten. Als Wayne und ich Teenager waren, war das komplett anders. Wir erinnern uns beide noch an die große Angst vor der Krankheit damals. Dazu fällt mir eine Geschichte ein: Ich bin geborener Ulmer, und dort gab es damals das Aquarium, einen legen-
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dären Club. 1985 hat Freddie Mercury dort seinen Geburtstag nachgefeiert. Da Freddie eines der ersten prominenten Opfer der Krankheit war, spricht man in Ulm bis heute darüber. Habt ihr schon einmal für einen karitativen Zweck moderiert? Florian: Schon mehrmals. Vor drei, vier Jahren habe ich beispielsweise das Jubiläum der Münchner Tafel moderiert. Außerdem bin ich im Tierschutz, vor allem im Meeresschutz, sehr aktiv und war deshalb auch schon Moderator für die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd. Wayne: Immer wieder gerne! Letztes Jahr zum Beispiel die McDonald’s Benefiz-Gala. Vor allem konzentriere ich mich aber mit meiner Frau auf unsere gemeinsame Initiative „hand2hold“, bei der wir Kinder und Jugendliche, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben oder gerade durchleben, nach München einladen. Darunter sind oft krebskranke Kinder, deren Geschwisterkinder oder Waisen. Von der Berliner AidsHilfe wissen wir, dass Kinder mit HIV immer noch große Probleme bekommen, wenn ihre Infektion bekannt wird, zum Beispiel in der Schule. Daher müssen sich diese Kinder verstecken. Das Problem dabei sind weniger die Mitschüler, die oft viel Verständnis zeigen und entspannt damit umgehen. Es sind vielmehr manche Eltern, die aufgrund ihres eigenen Unwissens völlig unbegründet in Hysterie verfallen. Auch das hat mir deutlich gemacht, wie sehr HIV nach wie vor ein Tabuthema ist. Die Moderation bestimmt den Ton eines Events. Möchtet ihr den BesucherInnen der Gala etwas Besonderes vermitteln? Wayne: Wenn du bei so einer Gala mit erhobenem Zeigefinger stehst und erzählst, wie schlimm alles ist, dann hört dir niemand zu. Gerade weil Aids immer noch ein Tabuthema ist, behaftet mit Stigmata, werden wir offen, ernsthaft, aber auch mit großer Freude durch den Abend führen. Das soll keine Aufklärungsrunde werden, sondern ein unterhaltsamer Abend, von dem hoffentlich alle im Saal den ein oder anderen neuen Gedanken zum Thema Aids mit nach Hause nehmen werden. Interview: Elliot Zehms
FOTO: ULRICH HILBEL (LINKS), MANFRED BAUMANN (RECHTS)
Glamour, Haie, Marathon
Dank Air France-KLM SA Audi AG Berliner Sparkasse B. Prosecco BRLO Craft Beer – Braukunst Berlin GmbH cinnamon GmbH – Hostessen und Promotion Culpepper Event Catering GmbH Brigitte Dummer und Kollegen EIS.de GmbH expofair GmbH Florale Welten GmbH GA German Arts GmbH Grundkonzept Financial Services GmbH Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG Hotel am Steinplatz – DG Steinplatz Hotelgesellschaft mbH
an die Förderer von KÜNSTLER GEGEN AIDS – DIE GALA 2018
i-sight-media – Martin Klinge JAZ – Jugendausbildungszentrum Berlin Julian Kamphausen – Regie und Ablaufregie K.I.S.S. Security GmbH KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH Lichtwerk Veranstaltungstechnik GmbH Ibrahim López Couture JAZ- Jugendausbildungszentrum Berlin M·A·C Aids Fund Magnus-Apotheke Mast-Jägermeister SE Mister B Berlin Atelier Jörg Nahmmacher Haare & Make-up Inga Maren Otto papagena Kartenvertriebs GmbH
SIEGESSAULE NOVEMBER 2018 • SIEGESSAEULE.DE
Berlins meistgelesenes Stadtmagazin
Die Pixelhasen Juwelier Lutz Reuer Schindler Lichtdesign – Andreas Schindler SIEGESSÄULE – Special Media SDL GmbH SORAT Hotel Ambassador Berlin SPS Sedlaczek Prüllage Schwinger Steuer berater Rechtsanwalt Partnerschaft mbB Stage Theater des Westens Studio Hamburg GmbH Tom of Finland Organic Vodka Vitec Immobilien-Management und Consulting Gesellschaft mbH Medienbüro Anke Wolf Ziegler Film GmbH & Co. KG
Stolzer Medienpartner der Künstler gegen Aids Gala 2018
Tuntenlegende im Herbst: Melitta Poppe
A LITTLE RESPECT Eure Eminenz: Melitta Poppe wird 70 Dein Körper, deine Regeln: Richtiger Umgang mit Grenzen Schwul oder lesbisch? Streit um Wohnprojekt geht weiter
siegessäule.de
BERLINS MEISTGELESENES STADTMAGAZIN
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6 FOTOS: ERIC RICHMAN (LINKS), BRIGITTE DUMMER (RECHTS)
Geliebtes Stück meiner Geschichte Für KÜNSTLER GEGEN AIDS kehrt Ute Lemper ins Theater des Westens zurück, wo ihre Karriere vor über 25 Jahren begann, auf dem Höhepunkt der Aids-Krise. Ein Gespräch mit dem Film- und Bühnenstar über ein besonderes Haus und sein jahrzehntelanges Engagement für Menschen mit HIV Frau Lemper, wissen Sie noch, wann für Sie Aids in Ihrem persönlichen Umfeld angekommen war? Ute Lemper: Das war gleich 1983. Ich war gerade vom Wiener Max-Reinhardt-Seminar direkt für „Cats“ ans Theater an der Wien engagiert worden. Unser Ensemble war international zusammengesetzt: Deutsche, Österreicher, Briten, Amerikaner. Und natürlich waren auch viele schwule Männer darunter. Aids wurde in dieser Truppe damals sehr schnell krasse Realität. Einige der Tänzer wussten bereits von ihrer Infektion und erkrankten, und ich musste sehr bald lernen, mit dem Sterben umzugehen. Wie haben Sie das erlebt? Ich habe sehr viele traurige Erinnerungen an diese Zeit. Wir hatten beispielsweise einen wunderbaren und wunderschönen Tänzer aus den Staaten im Ensemble. Er war bisexuell und hatte sich in eine österreichische Kollegin verliebt. Sie wurden ein Paar – und plötzlich waren beide aus dem Ensemble verschwunden. Wie wir später erfahren haben, sind beide innerhalb weniger Monate gestorben. Das hat mich damals sehr mitgenommen. Auch aus meinem „Cabaret“-Ensemble in Paris habe ich viele durch Aids verloren, nicht zu vergessen Gregg Burge. Er war mein Bühnenpartner in meiner ersten Soloshow. Deshalb liegt mir das Thema seit nunmehr 35 Jahren so am Herzen. Die Situation für Menschen mit HIV hat sich dank der medizinischen Erfolge komplett gewandelt. Mit HIV kann man heute ein fast ganz normales Leben führen ...
Für immer mit Berlin verbunden: Ute Lemper posiert im Dezember 1993 in einem Backstage-Wagen der ein Jahr zuvor eröffneten Bar jeder Vernunft
Es ist zum Glück das eingetreten, wonach wir uns zu Beginn der Epidemie so sehr gesehnt haben: HIV kann behandelt werden! Aber das Thema Aids ist deshalb noch lange nicht abgeschlossen. Es gibt noch so viele Regionen in der Welt, wo es an Aufklärung, an medizinischer Versorgung und manchmal auch an der Unterstützung für die Hilfsorganisationen mangelt. Darin sehe ich jetzt die Hauptarbeit im Kampf gegen Aids.
Die Gala im Theater des Westens ist für Sie auch so etwas wie eine Rückkehr. Als Sie dort 1984 mit „Peter Pan“ auf der Bühne standen, nahm Ihre Karriere gerade Fahrt auf. Die Uraufführung des Musicals „Der blaue Engel“ 1992 geriet dann zum Produktionsdesaster. Ist das Haus dadurch für Sie belastet? Nein, wir sind ja mit der Produktion drei Monate später ins Hamburger Schauspielhaus gezogen, und dort wurde sie keineswegs so verrissen wie in Berlin. Die Uraufführung stand allerdings unter keinem guten Stern. Marlene Dietrich war zehn Tage zuvor in Friedenau zu Grabe getragen worden. Eine geplante Ehrengala im Deutschen Theater wurde vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen unter fadenscheinigen Gründen abgesagt, weil er Angst vor Randale von Rechtsradikalen hatte. Und Regisseur Peter Zadek hatte sich bei den Endproben kurzerhand krankgemeldet. Da kamen eine ganze Menge Schicksalsschläge zusammen, die sich gegen die Produktion richteten. Unglücklicherweise war ich die Hauptprotagonistin und wurde als schwarzes Schaf auserkoren. Aber ich habe das alles gut verarbeitet. Ich bin weder abergläubisch, noch ist das Theater des Westens deshalb für mich stigmatisiert. Im Gegenteil: es ist ein geliebtes Stück meiner Geschichte, und das Haus ist und bleibt tief in meinem Herzen verankert. Interview: Axel Schock
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FOTO: TANJA SCHNITZLER
„Wir müssen mehr füreinander da sein“ 2011 hat Bernard J. Butler die Tradition der „Candlelight Memorials“ nach Berlin gebracht, um an die zu erinnern, die an Aids gestorben sind. Für sein langjähriges Engagement erhält er den HIV Awarness Award 2018 „Wie erfreulich der medizinische Fortschritt auch ist – wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen“, sagt Bernard J. Butler – und der charmante Sänger der Bands Duotone und Mo44 kommt aus den USA. 1983 begleitete er seinen später an Aids verstorbenen Cousin Jason zum ersten Candlelight Memorial in San Francisco. „Jasons letzter Wunsch an mich war, dass ich mich weiter um Menschen kümmern solle, so wie ich ihm geholfen hatte“, erzählt Bernard: „Dieses Versprechen habe ich nie vergessen.“ Der Trauerzug durch den Castro District inspirierte Menschen weltweit und war mehr als eine Gedenkveranstaltung: für die Betroffenen ein Forum, für Außenstehende eine Möglichkeit, Solidarität zu zeigen, ein Zeichen gegen die Stigmatisierung von Menschen mit HIV – und nicht zuletzt ein Anstoß, um Mehrheiten für
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eine bessere Versorgung von HIV-Patienten zu organisieren. „In den USA gab es damals keine Unterstützung für Menschen mit HIV und Aids“, erinnert sich Bernard: „Es war eine düstere Zeit. Wir mussten uns alles selbst erkämpfen.“ In dieser Tradition hat Bernard 2011 das Candlelight Memorial in Berlin etabliert. Seitdem versammeln sich immer am dritten Sonntag im Mai BerlinerInnen, um derer zu gedenken, die an Aids gestorben sind. Seit 2016 findet auch der traditionelle Trauerzug der Berliner Aids-Hilfe am selben Wochenende statt. Jedes Jahr bemüht sich Bernard um ein vielfältiges Programm: Im vergangenen Jahr gab er ein Charity-Konzert zugunsten der HIV-Kindertagesklinik der Charité. Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einer Gedenkfeier in der Kapelle des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs.
Die Idee, den Gedenktag nach Deutschland zu bringen, kam Bernard bei einem Vortrag über Kinder mit HIV. „Die Schicksale haben mich sehr bewegt“, erzählt er: „Ich hatte den Sinn meines Lebens wiedergefunden und beschloss aktiver zu werden.“ Der gebürtige New Yorker strahlt Wertschätzung und Liebe aus. Genau die wünscht er sich auch von der Gesellschaft: „Wir müssen anfangen mehr füreinander da zu sein“, betont Bernard: „Wir sind aufeinander angewiesen – es ist ein Geben und Nehmen.“ Für diese Initiative und sein Engagement für das Café Viktoria im Auguste-Viktoria-Klinikum erhält Bernard J. Butler den HIV Awareness Award 2018 der Berliner Aids-Hilfe. Wer hat den HIV Awareness Award 2019 verdient? Senden Sie Ihre Vorschläge jederzeit an: jury@berlin-aidshilfe.de
Gassi gehen, Schnitzel essen, weiterleben
Viele Menschen fühlen sich trotz HIV topfit, dank guter Medikamente. Stephan nicht. Das Virus hat ihn fast blind gemacht, weil es zu spät diagnostiziert wurde. In den schlimmsten Phasen stand ihm Axel bei – als Emotionaler Begleiter der Berliner Aids-Hilfe.
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Die Alte Waldschänke in Tegel ist fast so etwas wie das Stammlokal von Axel und Stephan*. Hier kommen sie öfter her, wenn sie mit ihren Hunden unterwegs sind. Beide lassen es sich schmecken, scherzen mit der Kellnerin. Man kennt sich. Als Stephan vor vier Jahren aus NordrheinWestfalen nach Berlin kam, hätte er niemals gedacht, dass er hier so gut gelaunt sitzen würde: Damals litt er unter Depressionen, war abgemagert, konnte kaum laufen. „Meinen Umzug habe ich am Krankenbett geplant“, erinnert sich der 47-Jährige. Axel hatte sogar mit dem Schlimmsten gerechnet, als ihn die Berliner Aids-Hilfe als Emotionalen Begleiter an Stephan vermittelte. „Anfangs hieß es, ich ,übernehme’ Stephan im März, im Dezember könnte er schon tot sein“, erzählt Axel. Das ist bald drei Jahre her. Stephan nennt Axel liebevoll „meine Sterbebegleitung“. Eigentlich, witzelt er, habe Axel keinen tollen Job gemacht: „Ich bin ja noch da.“ Beide lachen. Stephan war lange in der Gastronomie tätig und hat viel durchgemacht. Infolge seiner HIV-Infektion hatte er eine lebensgefährliche Hirnhautentzündung, die ihn fast komplett erblinden ließ. Wegen Folgeerkrankungen wurde er 61-mal operiert und hat zwei Chemotherapien überstanden. „Er ist ein Kämpfer“, sagt Axel. Stephan ergänzt: „Du kennst doch mein Motto: Ich will nicht sterben, ich will mein Leben zurück!“
FOTOS: TANJA SCHNITZLER
Axel (Foto) unterstützt Stephan dabei, seine Krankheit auszuhalten. Die beiden Hundehalter haben sich gleich gut verstanden. Aufs Foto wollte Stephan nicht mit drauf. Zu Axels Füßen liegt sein Hund Ede
Die Emotionale Begleitung ist ein Angebot der Berliner Aids-Hilfe für Menschen mit HIV und Aids. Ehrenamtliche BegleiterInnen helfen ihnen einmal pro Woche dabei, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Im Vordergrund stehen Gespräche und die gemeinsame Freizeitgestaltung. Eine Begleitung ist zunächst auf die Dauer von einem Jahr angelegt. Die Berliner AidsHilfe sucht laufend BegleiterInnen, unter anderem für regelmäßige Besuche zu Hause, im Krankenhaus oder in Haft. berlin-aidshilfe.de/angebote/begleitung/emotionale-begleitung
Als Stephan zur weiteren Behandlung nach Berlin zog, hat er die Berliner Aids-Hilfe kontaktiert und gefragt, ob ihn jemand begleiten könne. Sozialarbeiter Thomas Oh unterstützt ihn seitdem und hat obendrein die Emotionale Begleitung durch Axel organisiert. Axel, von Beruf Lehrer, hatte von einem Bekannten erfahren, dass die Aids-Hilfe immer Ehrenamtliche für die Begleitung von Einzelpersonen sucht. „Ich hatte damals auch eine private Krise“, erzählt der 57-Jährige, „und wollte gerne etwas machen, was gesellschaftlich möglichst sinnvoll ist.“
„Die Hilfsbereitschaft ist unfassbar“ Nach einem Einführungsseminar für seinen „neuen Job“ lernte er dann Stephan kennen. Schon bei der ersten Begegnung war beiden klar, dass sie zusammenpassen, „fast wie bei einem Liebespaar“, sagt Axel. Über die Jahre ist zwischen den beiden eine Freundschaft gewachsen. Sie telefonieren fast täglich, treffen sich ein- bis zweimal pro Woche. Da beide einen Hund haben, gehen sie oft gemeinsam Gassi und danach ein Schnitzel essen. Bei aller Zuneigung, die zwischen Stephan und Axel entstanden ist: die Emotionale Begleitung ist eine professionell organisierte, psychosoziale Unterstützung für Menschen, die es hart getroffen hat. Die Berliner AidsHilfe lässt ihre Emotionalen Begleiter deshalb nicht allein: Auch Axels Gruppe trifft sich alle
14 Tage zur Supervision. Erfahrene Therapeuten unterstützen die Begleiter bei allen Fragen und Problemen, die sich durch ihr Ehrenamt ergeben können. Der Blick von außen hilft ihnen dabei, mit den manchmal großen Sorgen der Begleiteten zurechtzukommen. Eins-zu-eins-Treffen wie die von Axel und Stephan sind aber nur ein Teilbereich der Emotionalen Begleitung. Über 50 Ehrenamtliche machen Besuche: zu Hause, im Krankenhaus und im Gefängnis. Zudem organisieren derzeit 17 „Freunde im Krankenhaus“ das sonntägliche „Café Viktoria“ für Patienten im Auguste-Viktoria-Klinikum. „Diese Hilfsbereitschaft ist unfassbar“, sagt Stephan. Axels Beistand dürfte ein Grund sein, warum es ihm heute deutlich besser geht als vor drei Jahren. „Ich habe mich gut erholt“, sagt er und zählt auf: Er achtet auf sich, trinkt wenig Alkohol, fährt wieder Rad, geht viel in die Natur ... Auch mit dem Sehen wird es kontinuierlich besser. Axel gibt das Kompliment zurück: „Es ist ein Geben und Nehmen“, er lerne „irre viel“ von Stephan: „Wenn ich daran denke, wie Stephan gestrampelt hat, dann empfinde ich meine Probleme als Pillepalle.“ Inzwischen können sie sogar große Ausflüge planen, hier in der Alten Waldschänke: Fürs neue Jahr haben sie schon Pläne. Sie wollen mal raus aus Berlin und die Insel Sylt besuchen. Andreas Marschner
14 Prozent
der HIV-Positiven in Deutschland wissen nichts von ihrer Infektion.** Wird sie zu spät entdeckt, drohen schwere Gesundheitsschäden, die leicht zu vermeiden wären. Die Deutsche AIDS-Hilfe gibt Tipps, wie solche Spätdiagnosen vermieden werden können: kein-aids-fuer-alle.de **Schätzung des Robert Koch Instituts (2017)
* Name geändert
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ALLE AKTUELLEN GALA-FOTOS: BRIGITTE DUMMER, SVEN DARMER, GUNDULA KRÃœGER, DETLEF ZMECK
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Als Youthworker der Berliner Aids-Hilfe informieren Bela und Sasha (beide 20) junge Erwachsene über Safer Sex
FOTOS: TANJA SCHNITZLER
Nur kurz an der Tafel: Luise Ihrig hält selten Vorträge, die Jugendlichen sollen lieber schätzen, fragen, mitreden
Aufklärung – ganz ohne LehrerIn Safer Sex für die Generation YouPorn: Wie junge AktivistInnen Gleichaltrige aufklären, ohne ihnen den Spaß an der Lust zu verderben
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An einem grauen Berliner Mittwochmorgen kann man andere Sachen im Kopf haben als Sex, selbst wenn man 14 ist. Mit sehr müden Augen schleppen sich acht Mädchen in die Räume der Berliner Aids-Hilfe und fragen sich, warum sie nicht besser gefrühstückt haben. „Da, Süßigkeiten!“, ruft eine und hechtet zur Schale auf dem Empfangstresen. Ein Moment der Hoffnung, dann das leise Knacksen acht brechender Herzen: „Ach, nee. Nur Kondome.“ Andererseits: Was soll’s? Ein paar greifen trotzdem zu. Ein iPad hat die Achtklässlerinnen der HeinzBrandt-Schule in Weißensee hergeführt. Die Berliner Aids-Hilfe ist ihre erste Station beim Geocaching, einer vierstündigen Schatzsuche
mit Tablet und Handy durch Schöneberg. Ihre Klasse hat sich in Gruppen aufgeteilt, die anderen werden später auch hier landen, gerade sind sie ein paar Hundert Meter weiter bei Pro Familia oder beim Lesben- und Schwulenverband LSVD. Sie müssen Rätsel lösen, Hinweise finden und Orte entdecken wie die Regenbogen-Stele und die Gedenktafel mit dem Rosa Winkel am Nollendorfplatz. Keine LehrerInnen, nur eine Mission: etwas über Sex lernen. Und Spaß haben dabei. Dafür sorgen Menschen wie Luise Ihrig. Sie ist hauptamtliche Koordinatorin des Projekts Youthwork der Berliner Aids-Hilfe, die das Geocaching zusammen mit Pro Familia, LSVD und der schwulen Beratungsstelle
Mann-O-Meter ungefähr zwölf Mal im Jahr veranstaltet. Die Termine sind ausgebucht, meist sind es Schulklassen, immer Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 26 Jahren. Luise soll ihnen etwas über HIV erzählen, vor allem darüber, wie man sich schützt. Sie weiß, wie man junge Menschen bei Laune hält, mit ihren 31 Jahren ist sie die Älteste bei Youthwork. „Jetzt sammeln wir Körperöffnungen!“, verkündet sie den Mädchen aus Weißensee, und die lassen sich nicht lange bitten: „Mund!“ Richtig. „Scheide!“ Klar. „After!“ Logisch. „Zählen Nase und Ohren auch?“, fragt eine. Erst jetzt gibt es Gekicher, aber nur kurz. Als Nächstes sind die Körperflüssigkeiten dran. Ungefähr 20 Minuten dauert die Geocaching-Runde zu HIV, das ist nicht viel Zeit, man kann bei Youthwork auch dreistündige Workshops buchen. Das Prinzip ist aber dasselbe: spielerisch und entspannt über Safer Sex informieren. Es gibt keine Vorträge, die Jugendlichen sollen mitmachen, Schätzfragen beantworten („Wie viele Menschen in Deutschland haben HIV?“), Comicbilder von Sexpraktiken („Das soll Analsex sein?!“) dem Übertragungsrisiko zuordnen. Es darf und soll gelacht werden. Alle sind auf Augenhöhe, niemand muss Angst vor Blamage haben.
Ungezwungener als in der Schule „Das Tolle ist, dass die Jugendlichen immer bei der Sache sind“, sagt Luise. „Die interessiert das einfach und hier können sie ungezwungener darüber sprechen als in der Schule.“ Wenn denn dort darüber richtig geredet werde. Sie sei immer wieder überrascht, wie viele Lücken einige SchülerInnen haben. Das beobachten auch Sasha Soldat und Bela Baganz, beide 20 Jahre alt und Teil des wachsenden Teams der Ehrenamtlichen bei Youthwork. Sasha studiert Amerikanistik und Gender Studies an der Humboldt-Uni und ist letztlich aus Langeweile bei Youthwork gelandet: „Ich hatte eine Phase ohne Hausarbeiten und wollte etwas tun, auf jeden Fall mit Verbindung zur Queer Community – da bin ich schnell beim Youthwork-Team hängen geblieben.“ Man habe hier wirklich das Gefühl, etwas Nützliches zu machen, sagt Sasha: „Ich habe selbst erlebt, dass man in der Schule zwar Glück, aber auch Pech mit der Aufklärung haben kann – die Leute kommen mit vielen Unsicherheiten zu uns, und die können wir ihnen nehmen.“ Bela studiert Psychologie in Potsdam und trainiert hin und wieder andere im Stand-up-Paddling. Nach einem Praktikum bei der BAH hat er sich für das Ehrenamt entschieden. „Es geht hier um Sex und um intime Dinge, da wollen die Jugendlichen einfach extrem viel darüber wissen“, sagt er. „Das war und ist bei mir ja nicht anders. Wir können helfen, den Leuten ihre Ängste zu nehmen, ihnen eine positive Einstellung zum Thema Sex zu vermitteln – das finden die immer gut.“ Die beiden zählen sich selbst zur Generation YouPorn, sind sich aber einig, dass der alltägliche Zugang zu Pornografie und anderen Sexmedien bei der Aufklärung nicht unbedingt weiterhilft. „Die meisten sind eher überwältigt von den Informationen und freuen sich, wenn wir ihnen beim Einordnen helfen“, sagt Sasha: „Das Alter fürs erste Mal geht ja statistisch gesehen mittlerweile wieder nach oben – heute ist weniger Ausprobieren und mehr Recherche vorab.“ Als Ehrenamtliche geben Sasha und Bela Workshops, nicht nur bei der Berliner Aids-Hilfe, sondern auch vor Ort in den Schulen. Beim diesjährigen Lollapalooza-Festival waren sie mit einem Infostand dabei. Ein Highlight ist auch die Teilnahme an der jährlichen Eurofurence in Berlin – ein wichtiger Termin der Furries, der wachsenden Gemeinde meist junger und oft queerer Fans von comicartigen Fellkostümen. Egal wo und wie: Youthwork soll so viele junge Menschen wie möglich erreichen. „Wie nehmen alle, wie sie sind“, fasst Bela zusammen, „dann nehmen die auch was mit.“ Daniel Sander
Gib Aids noch weniger Chancen! Sieben Bausteine gegen das Virus Spätestens 2030 soll es in Berlin keine neuen Aidsfälle mehr geben. Denn HIV hat kaum eine Chance, wenn wir alle Methoden zur Vorbeugung und Behandlung ausschöpfen. Es gibt mehr als je zuvor! Ein Überblick Safer Sex auch ohne Kondom Viele wissen es noch nicht: Heute können HIV-Positive das Virus mit Medikamenten so unterdrücken, dass sie ihre Partner auch ohne Kondom nicht anstecken können. Wer HIV-negativ ist, kann sich mit einer Pille schützen – die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) kostet im Monat 40 bis 70 Euro und soll bald von den Krankenkassen übernommen werden. „Das Kondom bleibt eine essenzielle Säule im Kampf gegen HIV“, sagt Ute Hiller, Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe, „doch Schutz durch Therapie und PrEP sind gleichberechtigte Methoden!“
Mehr testen Gute Medikamente verhindern eine Weitergabe von HIV. Je schneller Menschen von ihrer Infektion erfahren und sie behandeln lassen, desto eher lässt sich die Ausbreitung verhindern. „Deswegen muss es noch mehr Testmöglichkeiten geben“, sagt Ute Hiller, Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe. „Auch die Ärzteschaft muss weiter sensibilisiert werden, bei klaren Symptomen wird oft nicht an HIV gedacht.“ Eine neue Testmöglichkeit ist der Selbsttest für zu Hause, seit Oktober frei verkäuflich: aidshilfe.de/hiv-selbsttest
Therapie für alle Etwa 13 Prozent der HIV-Positiven in Berlin haben keinen Zugang zu Medikamenten, vor allem jene ohne Krankenversicherung: etwa Menschen ohne Aufenthaltsstatus, aus dem EU-Ausland, einige Selbstständige. Erst wenn sich schwere Symptome zeigen, haben sie Anspruch auf Therapie. „Viel zu spät!“, sagt Christoph Weber. In der neuen Clearingstelle der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof können sich Nichtversicherte beraten lassen – denn für gut die Hälfte der Betroffenen gibt es doch eine passende Versicherung. Den anderen soll ein landesfinanzierter Notfallfonds helfen.
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Dreimal 90, einmal null Berlin gehört zu den Fast-Track Cities, die sich drei Ziele gesetzt haben: Bis 2020 sollen 90 Prozent aller HIV-Positiven von ihrer Infektion wissen, davon 90 Prozent in Behandlung sein, und bei 90 Prozent der Behandelten soll das Virus nicht mehr nachweisbar sein. Derzeit kommt Berlin auf Werte von 89, 87 und 93 Prozent – nicht schlecht, aber in London ist man weiter. Das vierte Ziel: null Prozent Diskriminierung von Menschen mit HIV. „Wer etwa am Arbeitsplatz keine Angst vor Ausgrenzung haben muss, ist eher bereit, einen Test zu machen“, sagt Ute Hiller.
Syphilis, Hepatitis & Co. eindämmen Seit einigen Jahren melden ÄrztInnen vermehrt Fälle von sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Tripper sowie Hepatitis B und C. Beratungsstellen wie die Berliner Aids-Hilfe informieren darüber und bieten verstärkt Tests an, denn: Geschlechtskrankheiten erhöhen das Risiko, sich mit HIV anzustecken – auch wenn man sie oft gar nicht bemerkt, weil sie ohne Symptome verlaufen. In der Regel lassen sich Geschlechtskrankheiten gut mit Antibiotika behandeln.
Beratung und Behandlung aus einer Hand In Berlin entsteht nach Londoner Vorbild ein Checkpoint für schwule Männer, da diese stärker von HIV betroffen sind. Im Checkpoint BLN am Hermannplatz wird es neben klassischer HIV-Beratung auch ärztliche Versorgung geben – ein bundesweit einmaliges Konzept. „So kommen Menschen direkt nach der Diagnose in Behandlung“, sagt Christoph Weber, medizinischer Leiter des Checkpoints. Das ist wichtig, denn: „Bei vielen gibt es nach einem positiven Ergebnis eine Abwehr, deshalb trauen sie sich nicht frühzeitig zum Arzt.“
Niemanden vergessen Zu moderner Präventionsarbeit gehört auch, unterschiedliche Menschen gezielt anzusprechen. So beteiligen sich seit einiger Zeit auch trans* Männer an der schwulen Präventionskampagne „Ich weiß, was ich tu“ der Deutschen Aids-Hilfe (DAH). Und mit der neuen Aktion „Your Health“ will die DAH vor allem Geflüchtete und Eingewanderte erreichen: Die Website your-health.tips informiert in fünf Sprachen über das deutsche Gesundheitssystem und ermutigt zum HIV-Test.
Texte: Daniel Sander
Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG Berlin-Landsberger Allee Landsberger Allee 320 10365 Berlin, Tel. 030/5 46 06-0
Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG Berlin-Schöneberg Sachsendamm 20 10829 Berlin, Tel. 030/46 04-0
Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG Schönefeld/Berlin Am Rondell 1 12529 Schönefeld, Tel. 030/37 444-02
Öffnungszeiten: Mo.– Sa. 10 –20 Uhr, www.hoeffner.de www.facebook.com/Moebel.Hoeffner
www.hoeffner.de/auszeichnungen
en mm ko l il W Zuhause
Zum Safer Sex gehören klare Ansagen unter allen Beteiligten. Diese „Notes of Berlin“ belegen: viele BerlinerInnen finden durchaus offene Worte, zumindest schriftlich
In seinem Blog „Notes of Berlin“ sammelt Joab Nist ungewöhnliche Aushänge. Ergänzend zu seinem Auftritt bei KÜNSTLER GEGEN AIDS 2018 hier noch ein paar seiner schönsten Fundstücke in Sachen Liebe, Sex und Zärtlichkeit
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FOTOS: NOTESOFBERLIN.COM
Kleiner Zettel, große Klappe
Joab Nist (35) sammelt seit 2010 Berliner Notizen
Das Biotop der Blogs wuchert gleich Schwarzschimmel. Joab Nist, studierter Kulturwissenschaftler und Medienmanager, fand trotzdem eine Lücke. In seinen „Notes of Berlin“ dokumentiert er die hiesige Zettelwirtschaft: Der Berliner, von Haus aus unverblümt und mit großer Klappe gesegnet, hinterlässt gerne Aushänge und Mitteilungen in der ganzen Stadt. Die klingen dann so: „Noch ist Bumsen keine olympische Disziplin und zieht somit keine Beifallstürme bei euren nächtlichen Vorstellungen nach sich.“ Oder „Hallo, ich bin Nelson, 9 Jahre alt und suche jemand zum Spielen. Ich wohne im Erdgeschoss.“ Diese Beispiele zeigen, welcher Klaviatur sich Joabs Blog bedient. Viele der Laubblätter urbanen Seelenlebens sind krass-komisch, andere hinreißend putzig bis tief bewegend. Joab Nist selbst beschreibt, dass die Besetzung dieser Nische alleine in Berlin möglich war, wo sich oft Zettel so lange um Pfeiler oder Laternen wickeln, bis sie irgendwann Jahresringe bilden. Er unterscheidet sich erfrischend von anderen Internet-„Größen“: ein bedachter Mann, uneitel und kein bisschen penetrant. Er ist kein Influencer, sondern ein Kurator, der den Zeitgeist auffängt und abbildet. Drei Bücher hat er nun veröffentlicht, mit bezeichnenden Titeln wie „Wellensittich entflogen – Farbe egal“. Die Erkenntnisse seines Blogs, der an die 400 000 Fans hat, verarbeitet er in einem Bühnenprogramm. Dabei geriert er sich nicht als Möchtegern-Comedian, sondern lässt mit trockenem Witz die Notizen für sich sprechen, stellt sie in klugen Kontext. Haben sich die Botschaften in den letzten Jahren verschärft? Vor allem die Wohnungsnot treibt die Menschen um, berichtet Joab. Und die Veränderungen der Kieze. Es gebe eine Sehnsucht nach Authentizität. „Wenn Berlin langweilig wird, wird es scheiße“, sagt er: „Wenn alles wegfällt, ist es nur noch hässlich.“ Deshalb lautet sein Credo: „Berlin bewahren.“ Recht hat er. Daniel Call
Selbstbestimmt – in jeder Hinsicht Mit 18 floh Gloria aus Zwiesel, um als Frau leben zu können. Längst ist sie heimgekehrt – und bekam bei der letzten Bürgermeisterwahl ein Fünftel der Stimmen. Ein Plädoyer
KÜNSTLER GEGEN AIDS ist nicht meine erste Aids-Gala. Vor fast 30 Jahren bin ich bei Münchens erster Benefizgala aufgetreten. Damals wollte kaum jemand mit den Themen HIV und Aids zu tun haben. Selbst Freunde, die betroffen waren, haben mir nichts davon erzählt. Bis zu ihrem Tod ist das Wort „Aids“ nicht gefallen. Es war eine traurige, grauselige Zeit! Mittlerweile ist so viel passiert, auch auf dem Land. Das muss man heute auf jeder Gala deutlich sagen: HIV ist nicht mehr tragisch! Die meisten meiner Freunde mit HIV nehmen ihr Medikament und führen mit dem Virus ein gutes Leben. Sie können auch ihrer Arbeit ganz normal nachgehen. Trotzdem findet HIV hier bei uns im Bayerischen Wald nicht statt. Seit acht Jahren wohne ich wieder in Zwiesel, habe aber noch keinen einzigen HIV-positiven Menschen kennengelernt. Ob es keine gibt? Oder ob es keiner sagt? Das kann auch daran liegen, dass man mit HIV lieber in die Großstadt zieht, allein wegen der Anonymität. Mit 18 bin ich damals auch aus dem Bayerwald geflohen, um als Frau leben zu können. In den 80ern waren dazu noch viel mehr Behördengänge notwendig. Dieser ganze Prozess ist eine gewaltige Belastung. Und parallel habe ich auch
noch Karriere als Künstlerin gemacht. Heute ist die Geschlechtsangleichung etwas einfacher geworden, aber noch immer viel zu viel fremdbestimmt. Wer ich bin, entscheiden nicht Ärzte, sondern nur ich selbst! Jeder weiß für sich selbst am besten, welche Identität in seiner Seele schlummert. Wir Menschen sind so vielfältig wie Sandkörner am Strand! Andererseits stört es mich manchmal bei Debatten in den Online-Foren der trans* Communitys, dass sich alles nur noch um die eigene trans* Identität dreht. Manche regen sich über jede falsche Formulierung auf, über jeden Versprecher. Da sind doch nur neue Schubladen! Wegen solcher Dinge bin ich damals aus meiner Heimat geflohen! Es wäre das Beste, wenn sich jeder zuallererst in der Kategorie „Mensch“ wiederfinden würde. Vielleicht bin ich auch zu abgehärtet, weil ich mich schon als Kind durchboxen musste. In den 70ern bin ich unter Viehhändlern und Metzgern groß geworden. Trotzdem habe ich mich durchgesetzt. Deshalb ist meine Botschaft des heutigen Abends: Lebe selbstbestimmt – in jeder Hinsicht! Das gilt für so vieles: für mein Leben, meinen Körper, meine Karriere – auch für Sex! Du allein bestimmst, mit wem du dich einlässt, was du mitmachst und wie weit du dabei gehen möchtest. Informiere dich gut und sorge für dich selbst! Dein Leben kann kein anderer für dich führen!
FOTO: RICHARD FÖHR
Gloria Gray ist Ihre Gastgeberin in der Piano Lounge von KÜNSTLER GEGEN AIDS 2018: facebook.com/gloriagrayofficial