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UMWELT

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Lichtgetriebene Natriumpumpe

Mechanismus ist aufgeklärt

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Forschenden des Paul-Scherrer-Instituts PSI ist es erstmals gelungen, eine lichtgetriebene Natriumpumpe von Bakterienzellen in Aktion aufzunehmen. Die Erkenntnisse versprechen Fortschritte bei der Entwicklung neuer Methoden in der Neurobiologie. Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden den neuen Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin «Nature».

Sebastian Jutzi 1

Natrium, das auch in handelsüblichem Kochsalz enthalten ist, spielt eine wesentliche Rolle für Lebensvorgänge der meisten Zellen. So bauen viele Zellen ein Konzentrationsgefälle zwischen ihrem Inneren und der äusseren Umgebung auf. Dazu transportieren spezielle Pumpen in der Zellmembran Natrium aus der Zelle heraus. Mithilfe eines solchen Konzentrationsgefälles nehmen beispielsweise Zellen des Dünndarms oder der Niere bestimmte Zucker auf. Auch in den Membranen von Bakterien finden sich solche Natriumpumpen. Sie zählen zur Familie der sogenannten Rhodopsine. Das sind spezielle Proteine, die durch Licht aktiviert werden. Diese transportieren beispielsweise bei im Meer lebenden Bakterien wie Krokinobacter eikastus Natrium aus der Zelle heraus. Die entscheidende Komponente des Rhodopsins ist das sogenannte Retinal, eine Form von Vitamin A. Es ist von zentraler Bedeutung für Menschen, Tiere, bestimmte Algen und viele Bakterien. In der Netzhaut des menschlichen Auges stösst Retinal beispielsweise den Sehvorgang an, wenn es unter Lichteinfluss seine Form verändert.

Blitzschnelle Aufnahmen

Forschenden des PaulScherrerInstituts PSI ist es gelungen, die Natriumpumpe von Krokinobacter eikastus in Aktion aufzunehmen und dabei die molekularen Veränderungen zu dokumentieren, die für den Natriumtransport notwendig sind. Da

Petr Skopintsev (links), Jörg Standfuss (Mitte) und Christopher Milne (rechts) an der Experimentierstation Alvra am Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL

für nutzten sie ein Verfahren, das als serielle FemtosekundenKristallografie bezeichnet wird. Dabei wird die zu untersuchende Probe – in diesem Fall eine kristallisierte Natriumpumpe – zeitversetzt erst von einem Laser und dann von einem Röntgenstrahl getroffen. Im Fall des bakteriellen Rhodopsins aktiviert der Laser das Retinal und der anschliessend auftreffende Röntgenstrahl liefert Daten über Strukturveränderungen innerhalb des gesamten Proteinmoleküls. Da der SwissFEL 100 Röntgenpulse pro Sekunde produziert, sind zeitlich hochaufgelöste Aufnahmen möglich. «Eine zeitliche Auflösung im Femtosekundenbereich erzielen wir am PSI nur mithilfe des SwissFEL», sagt Christopher Milne, der die Experimentierstation Alvra mitentwickelt hat, an der die Aufnahmen gemacht wurden. «Eine der Herausforderungen dabei ist, die Kristalle so in die Versuchsapparatur zu injizieren, dass sie punktgenau mit den Pulsen des Lasers und des Röntgenstrahls zusammentreffen.»

Pumpe in Aktion

In dem aktuellen Versuch betrugen die Zeitintervalle zwischen Laser und Röntgenstrahl zwischen 800 Femto und 20 Millisekunden. Durch jeden Röntgenpuls entsteht eine einzelne Aufnahme eines Proteinkristalls. Und so wie ein Kinofilm letztlich aus einer Vielzahl einzelner Fotos besteht, die aneinandergereiht und dann schnell abgespielt werden, so lassen sich auch die einzelnen Bilder, die mithilfe des SwissFEL gewonnen werden, zu einer Art Film zusammensetzen.

«Der Vorgang, den wir mit unserem Experiment beobachten konnten und der in etwa dem Transport eines NatriumIons durch eine Zellmembran entspricht, dauert insgesamt 20 Millisekunden», erklärt Jörg Standfuss, der die Gruppe für zeitaufgelöste Kristallografie im Bereich Biologie und Chemie am PSI leitet. «Neben der Aufklärung des Transportvorgangs konnten wir auch zeigen, wie die Natriumpumpe durch kleine Veränderungen in ihrer Struktur ihre Spezifität für Natrium erreicht.» Das stellt sicher, dass nur NatriumIonen und keine anderen positiv geladenen Ionen transportiert werden. Die Forschenden deckten mit ihren Untersuchungen ausserdem die molekularen Veränderungen auf, mit denen die Pumpe verhindert, dass die einmal aus der Zelle beförderten NatriumIonen wieder durch sie in die Zelle zurückströmen.

Fortschritte in Optogenetik und Neurobiologie

Da Konzentrationsunterschiede von Natrium auch bei der Reizleitung von Nervenzellen eine besondere Rolle spielen, besitzen Neuronen ebenfalls leistungsfähige Natriumpumpen in ihrer Membran. Strömt vermehrt Natrium in das Zellinnere, wird ein Reiz weitergeleitet. Das überschüssige Natrium in der Zelle transportieren diese Pumpen anschliessend wieder nach aussen. Da die Natriumpumpe von Krokinobacter eikastus durch Licht getrieben wird, können Forschende sie nun für die sogenannte Optogenetik nutzen. Mit dieser Technologie werden Zellen, in diesem Fall Nervenzellen, genetisch so verändert, dass man sie durch Licht steuern kann. Dabei wird die Pumpe mithilfe molekulargenetischer Verfahren in Nervenzellen eingebaut. Wird sie dann durch Licht aktiviert, kann ein Neuron beispielsweise keine Reize mehr weiterleiten, da dafür eine Steigerung der Natriumkonzentration in der Nervenzelle notwendig wäre. Das verhindert aber das bakterielle Rhodopsin, indem es unablässig Natrium aus der Zelle heraustransportiert. Aktive Natriumpumpen inaktivieren also ein Neuron. «Wenn wir verstehen, was genau in der Natriumpumpe des Bakteriums abläuft, kann das helfen, die Experimente in der Optogentik zu verbessern», sagt Petr Skopintsev, Doktorand in der Gruppe Zeitaufgelöste Kristallografie. «Beispielsweise lassen sich damit Varianten des bakteriellen Rhodopsins identifizieren, die effektiver arbeiten als die Form, die man üblicherweise in Krokinobacter findet.» Zusätzlich erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse darüber, wie einzelne Mutationen die Ionenpumpen so verändern können, dass sie anschliessend andere Ionen als Natrium transportieren.

Kontakt Dr. Jörg Standfuss PaulScherrerInstitut Forschungsstrasse 111 CH5232 Villigen PSI +41 56 310 25 86 joerg.standfuss@psi.ch www.psi.ch

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Die Forschenden beobachteten eine starke genetische Abstufung zwischen Ost- und Westeuropa, der dem Übergang zwischen kontinentalem und ozeanischem Klima entspricht.

Wie die Drosophila Europa im Flug eroberte

Des Biologen liebstes Haustier

Ein internationales Forschungsteam unter der Co-Leitung der Universität Freiburg hat die erste europaweite Studie zur Evolution der kleinen Fruchtfliege Drosophila durchgeführt, die stets auf überreifem Obst anzutreffen ist. Die Forschenden stellten zwischen West- und Osteuropa einen starken genetischen Unterschied fest und fanden Anzeichen, die einen Teil der Anpassungsprozesse bei dieser Art offenbaren.

Die Drosophila melanogaster oder Essigfliege ist der Liebling der Genetikerinnen und Genetiker. Sie wird seit langem in der Biologieforschung eingesetzt, insbesondere in der Genetik. Dank ihr wissen wir mehr über die molekulare Funktionsweise von viel komplexeren Organismen wie beispielsweise dem Menschen. Drosophila-Populationen sind weit verbreitet und vermehren sich sehr schnell – ein Weibchen legt innerhalb von zehn Tagen rund 500 Eier. Sie sind deshalb ideal, um in beschleunigter Geschwindigkeit die Evolution in Zeit und Raum zu beobachten.

Ein genetisches «Kontinuum» bei Fruchtfliegen

Die Drosophilae kamen nach der letzten Eiszeit von Afrika nach Europa und lieben genau wie Menschen den Geruch von Alkohol. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie auf ihrer Wanderschaft in die Fussstapfen des Homo sapiens getreten

Die typischen roten Augen der Taufliege können durch eine von Thomas Morgan (siehe Kasten) entdeckte Mutation auf dem X-Chromosom ihre Leuchtkraft verlieren und erscheinen in einem milchigen Weiss.

Thomas Hunt Morgan und die weissen Drosophila-Augen Thomas Hunt Morgan (1866–1945) erhielt 1933 den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckungen über die Rolle der Chromosomen in der Vererbung. Eine der ersten wichtigsten Erkenntnisse während seiner Arbeit, war die rezessive und geschlechtsabhängige Vererbung der Mutation, die bei TauBild: gemeinfrei fliegen zu weissen Augen führt. Er stellte fest, dass die Genmutation auf dem X-Chromosom liegen muss. Wie bei den Menschen hat das Weibchen zwei X-Chromosomen (homogametisch) und das Männchen ein X- und ein Y-Chromosom (heterogametisch). Ist die Mutter Trägerin der Mutation auf beiden X-Chromosomen, wird die Mutation immer bei allen männlichen Nachkommen exprimiert. Ist nur der Vater Träger des Gendefekts, wird dieser bei keinem Nachkommen ersichtlich.

sind. Sie sind überall zu finden: auf überreifen Früchten, auf Weinbergen und sogar in Bars! Das Projekt zur Erstellung einer detaillierten genetischen Karte der Drosophila-Population in Europa begann 2014 auf Anregung von Thomas Flatt, Professor am Departement für Biologie der Universität Freiburg, Dr. Josefa González von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona und Dr. Martin Kapun von der Universität Zürich. Die Ergebnisse liessen nicht lange auf sich warten: «Interessante Informationen über die Evolutionsdynamik wurden schnell gewonnen», sagt Flatt. «Genau wie beim Menschen finden wir in den verschiedenen genetischen Varianten kontinuierliche Gradienten und nicht einzelne, isolierte Gruppen.» Die Forschenden beobachteten eine starke genetische Abstufung zwischen Ost- und Westeuropa, der dem Übergang zwischen kontinentalem und ozeanischem Klima entspricht. Bei vergleichbaren Studien am Menschen liessen sich die genetischen Spuren unserer Migrationen durch die Zeitalter verfolgen. Auch diese Studie bietet eine Art molekulare Naturgeschichte und damit geradezu eine beschreibende Grundlage, auf der die Wissenschaftler weitere Forschungen aufbauen wollen. Diese Studie zeigte, dass sich vorteilhafte genetische Variationen rasch über den Kontinent ausbreiten. «Es muss sich um einen Anpassungsprozess ans Klima handeln», sagt Flatt. Bemerkenswerterweise entstand diese Anpassungsvariante nicht als Folge von Neumutationen – einem der Faktoren, der die Evolution der Arten beeinflusst – sondern war bereits bei einer sehr kleinen Anzahl der Fruchtfliegen in der ursprünglichen afrikanischen Population vorhanden. «Sexuelle Fortpflanzung und genetische Vermischung begünstigen daher die Erhaltung von Minderheitsvarianten», folgert Thomas Flatt, «und das kann sich später als nützlich erweisen». Die gleichen Fragen stellen sich im Übrigen auch für den Menschen. So war z. B. die Entstehung der Laktosetoleranz für die Entwicklung der Viehzucht in Europa und Asien entscheidend. Es ist jedoch noch nicht bekannt, ob sie auf eine vorteilhafte Neumutation zurückzuführen ist oder auf bereits vorhandene Variationen, die jedoch bei einer Minderheit der aus Afrika eingetroffenen Bevölkerungen bereits vorhanden war.

Dutzende von Forschungsteams in 16 Ländern

Eine Studie dieser Grössenordnung wäre ohne breite internationale Zusammenarbeit nicht möglich gewesen. Thomas Flatt und seine Kollegen brachten Dutzende von Fachpersonen aus 16 Ländern zusammen, um in 15 europäische Länder zu reisen und Drosophilae zu sammeln. «Dank dieser gemeinsamen Anstrengung konnten wir das Genom von Drosophila-Populationen sequenzieren und Variationen in ihrem genetischen Code analysieren», sagt Flatt. Am Ende brachte die Veröffentlichung der Ergebnisse 45 Autorinnen und Autoren zusammen. Dieses Konsortium (European Drosophila Population Genomics Consortium, DrosEU) hat insgesamt 6 Terabyte an genetischen Informationen gesammelt. Künftig will das Wissenschaftskonsortium nicht nur das Genom mit den physischen Merkmalen der Fruchtfliege in Verbindung bringen, sondern auch die Fluktuation der genetischen Variation von einem Jahr zum nächsten an den gleichen Standorten aufzeichnen. Wird es dadurch eines Tages möglich sein, die «Gesetze» der Evolution herauszuarbeiten? «Gesetze würde ich nicht sagen, denn die Zufälle der Geschichte spielen auch in der Evolution eine sehr wichtige Rolle», korrigiert Thomas Flatt. «Aber es gibt Grundsätze, Pseudogesetze, die wir immer wieder sehen». Und diese kleinen alkoholabhängigen Fliegen erlauben uns einen Zugang dazu.

Originalpublikation Kapun et al., «Genomic analysis of European Drosophila melanogaster populations reveals longitudinal structure, continentwide selection, and previously unknown DNA viruses», Molecular Biology and Evolution (2020), https://academic.oup.com/ mbe/advance-article/doi/10.1093/molbev/msaa120/5837682

Quelle: Unicom Kommunikation & Medien, eine Dienststelle der Universität Freiburg www.unifr.ch

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