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from ChemieXtra 4/2021
by SIGWERB GmbH
FAU-Forschende knacken molekularen Stickstoff mit Kalzium
Chemikerinnen und Chemiker weltweit sind ständig auf der Suche, den in der Luft enthaltenen elementaren Stickstoff, kurz N2, mit einfachen Mitteln für chemische Reaktionen verfügbar zu machen. Das gestaltet sich schwierig, denn Stickstoff ist ein wenig reaktionsfreudiges Gas mit einer Dreifachbindung, die zu den stärksten bekannten chemischen Bindungen gehört. Ein Forschungsteam der Friedrich-
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Forscherinnen und Forscher im Labor der FAU. Alexander-Universität ErlangenNürnberg (FAU) hat nun gezeigt, dass das in der Natur häufig vorkommende Metall Kalzium in der Lage ist, die hochstabile Stickstoff-Bindung zu brechen Chemikerinnen und Chemiker suchten nach Möglichkeiten, die starke N≡NDreifachbindung zu brechen. Das Forschungsteam um Prof. Dr. Sjoerd Harder, Lehrstuhl für Anorganische und Metallorganische Chemie, konnte nun zeigen, dass das Hauptgruppenelement Kalzium dieses Kunststück vollbringen kann. Auf der Suche nach KalziumAtomen in der ungewöhnlichen Oxidationsstufe +I fanden die FAU-Forschenden nun zufällig heraus, dass das Metall mit Stickstoff reagiert – ironischerweise sollte der Stickstoff bei diesem Experiment eigentlich nur ein unreaktives Schutzgas sein. Harder und sein Team isolierten ein Molekül, in dem Stickstoff zwischen zwei Kalziumatomen eingeschlossen war, und zeigten die weitere Umwandlung zu Hydrazin. Zusammen mit theoretischen Chemikerinnen und Chemikern der Universitäten in Marburg und dem chinesischen Nanjing stellten die FAU-Forschenden fest, dass unerwartet doch d-Orbitale bei der Stickstoff-Aktivierung an Kalzium eine wesentliche Rolle spielen. Diese kontroverse, aber wichtige Erkenntnis bricht das Dogma, dass d-Orbitale für Hauptgruppenmetalle – Metalle, die im Periodensystem einer der Hautgruppen zugeordnet sind – irrelevant sind.
Medienmitteilung Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Kunststoffe lassen sich mit recht geringem Aufwand formen und ihre Eigenschaften in einem weiten Bereich steuern. Selbst die viel gescholtenen «Wegwerfartikel» spielen gerade angesichts der Bedrohung durch Coronaviren eine besondere Rolle. Wie würden wohl Biolabore und Spitäler ohne Einmalspritzen, Einmalschläuche, medizinische Beutel und Schutzmasken ihre Hygiene aufrechterhalten? Aber auf lange Sicht müssen wir eine Kunststoff-Kreislaufwirtschaft entwickeln. Eine Komponente dürften klassische Steamcracker darstellen. Denn statt Öl und Gas kann man sie bei virtuoser Temperierung auch mit Plastikabfall betreiben. Eine andere Hilfestellung geben Kleinstlebewesen. Die Zersetzung einer PET-Flasche dauert in der Natur rund 400 Jahre. Im Labor am Institut für Angewandte Mikrobiologie der RWTH Aachen schaffen es Zuchtmikroben mit ihren Enzymen in vier Tagen. Die Forscher dehnen ihre Aktivitäten inzwischen auf PolyurethanSchäume und das besonders
Bild: MCH Messe Schweiz (Basel) AG
Selbst zu klassischen Glaspipetten gibt es Alternativen aus Kunststoff. hartnäckige Polyethylen aus. Nachdem die «Abbrucharbeiter» die Kunststoffabfälle zerlegt haben, machen andere Mikroben als «Baumeister» neuen Kunststoffe daraus (z.B. Polyester). Was nicht verwertet wurde, lässt sich in den Prozess zurückführen. Wie Forscher und Ingenieure eine solche Kunststoff-Kreislaufwirtschaft Realität werden lassen, zeigt die Ilmac Basel.
Medienmitteilung Ilmac www.ilmac.ch
Winzlinge im Pflanzenschutz
Jährlich entsteht durch Pilzbefall allein beim Weinanbau ein Schaden von einer Milliarde Euro. Herkömmliche Pflanzenschutzmittel sind bei der Bekämpfung grösstenteils machtlos. Eine geplante Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) soll nun die Forschung an nachhaltigen, auf Mikrotechnologie basierenden Pflanzenschutzmitteln weiterentwickeln und zur Marktreife führen. Beteiligt ist ein Team um Projektleiter Frederik Wurm, Leiter einer Gruppe am MPI-P und Professor an der Universität in Twente, und Mentorin Katharina Landfester, Direktorin am MPI-P. Die Technologie wurde in mehreren Jahren Forschung am MPI-P entwickelt. Hierfür werden poröse Kugeln mit einem Durchmesser im Bereich eines millionstel Meters eingesetzt. Diese Mikrocarrier bestehen aus dem Stoff «Lignin», welcher ein Bestandteil von Holz ist und diesem seine Festigkeit verleiht. Sie werden mit einem Fungizid – einem Pilzbekämpfungsmittel – bela-
Bild: MPI-P
Mainzer Wissenschaftler bekämpfen Pilzkrankheit bei Weinstöcken mit Nanotechnologie.
Schon wenig Druck kann im Holzschwamm eine elektrische Spannung erzeugen.
den und beispielsweise in Weinreben injiziert. Dort können sie wirkungsvoll als eine Art «Trojanisches Pferd» gegen die sogenannte Esca-Krankheit eingesetzt werden. Esca ist eine Pilzkrankheit und befällt Weinreben von innen heraus. Sie zersetzt das Lignin, was dem Stamm seine Festigkeit nimmt – die Rebe stirbt somit ab. Die injizierten und ebenfalls aus Lignin bestehenden Mikrocarrier werden ebenfalls von den Pilzen zersetzt: Das «Trojanische Pferd» wird also geöffnet, was das Fungizid freisetzt und die Pilze wirkungsvoll bekämpft.
Medienmitteilung MPI-P www.mpip-mainz.mpg.de
Strom aus dem Parkett
Forschende der Empa und der ETH Zürich haben Holz in einen Mikro-Generator verwandelt. Wenn es belastet wird, entsteht eine elektrische Spannung. So kann das Holz als BioSensor dienen – oder Energie erzeugen. Der allerneuste Clou: Damit das Verfahren ohne aggressive Chemikalien auskommt, übernehmen in der Natur vorkommende, Holzabbauende Pilze die nötige Modifikation. Dass Holz nicht nur als Baumaterial genutzt werden kann, hat das Team um Ingo Burgert an der Empa und der ETH Zürich schon öfter bewiesen. In den Forschungsarbeiten geht es häufig darum, die vorhandenen Eigenschaften von Holz so zu erweitern, dass es sich für völlig neue Anwendungsbereiche eignet. So entstand beispielsweise bereits hochfestes, wasserabweisendes oder magnetisierbares Holz. Nun hat das Team gemeinsam mit der Empa-Forschungsgruppe um Francis Schwarze und Javier Ribera ein einfaches, umweltfreundliches Verfahren entwickelt, um elektrische Spannung mit einer Art Holzschwamm zu erzeugen. Will man mit Holz eine elektrische Spannung erzeugen, kommt der sogenannte piezoelektrische Effekt ins Spiel. Piezoelektrizität bedeutet, dass durch die elastische Verformung von Festkörpern eine elektrische Spannung entsteht. Für Sensoren werden oft Stoffe verwendet, die für den Gebrauch im biomedizinischen Bereich ungeeignet sind, etwa Blei-Zirkonat-Titanat (PZT), das aufgrund des Bleis für den Einsatz auf der Haut nicht in Frage kommt. Ausserdem erschwert es eine ökologische Entsorgung von PZT und Co. Den natürlichen piezoelektrischen Effekt von Holz nutzen zu können, bietet daher bestimmte Vorteile. Weitergedacht könnte der Effekt auch zur nachhaltigen Energiegewinnung dienen. Doch zunächst muss Holz einmal die entsprechenden Eigenschaften erhalten. Denn ohne spezielle Behandlung des Holzes entsteht bei einer mechanischen Beanspruchung nur eine sehr geringe elektrische Spannung im Verformungsprozess. Vom Klotz zum Schwamm: Nachdem die starre Holzstruktur mit einer Säure (oder einem Pilz) aufgelöst wurde, bleiben flexible Zelluloseschichten übrig. Beim Zusammenpressen entsteht eine elektrische Spannung.
Medienmitteilung Empa www.empa.ch
Zellen als Computer
Wissenschaftler der ETH Zürich sind dran, informationsverarbeitende Schaltsysteme in biologischen Zellen zu entwickeln. Sie haben nun zum ersten Mal in menschlichen Zellen eine Oder-Schaltung entwickelt. Diese reagiert auf unterschiedliche Signale. Biologische Zellen sollen dereinst mit künstlichen genetischen Programmen ausgestattet werden, die ähnlich funktionieren wie elektronische Systeme. Solche neuprogrammierten Zellen könnten in unserem Körper medizinische Aufgaben wahrnehmen, etwa Krankheiten diagnostizieren oder therapieren. Eine Anwendung wären veränderte Immunzellen, die Tumorzellen bekämpfen. Da Tumorzellen unterschiedliche genetische Ausprägungen haben, müsste in den bekämpfenden Zellen zum Beispiel folgendes biochemisches Programm laufen: «Bekämpfe eine andere Zelle, wenn sie vom Typ X oder Y oder Z ist». In der Mathematik und der Elektronik wird eine solche Funktion als Oder-Gatter bezeichnet. «Man braucht sie bei Entscheidungsprozessen immer dann, wenn mehrere Sachen zum gleichen Ergebnis führen, wenn man mit unterschiedlichen Inputs zur gleichen Zeit umgehen muss», erklärt Jiten Doshi, Doktorand in der Gruppe von ETH-Professor Yaakov Benenson am De-
In ihrer Forschung bringen ETH-Wissenschaftler mathematische und elektronische Ansätze der Informationsverarbeitung in biologische Systeme.
partement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel. Doshi und Benenson haben zusammen mit Kollegen zum ersten Mal in menschlichen Zellen ein sogenanntes Oder-Gatter entwickelt. Also eine molekulare Schalteinheit, die ein biochemische Output-Signal abgibt, wenn sie eines von zwei oder mehreren biochemischen Input-Signalen misst.
Medienmitteilung ETH www.ethz.ch
Messen nach Farben
Jeder kennt den pH-Wert als Mass für den Säuregehalt, etwa im Boden oder in Gesichtscremes oder in Cola. Viele erinnern sich aus ihrer Schulzeit aber auch an die Indikatorstreifen, die mit einem Farbwert je nach Wasserstoffionen-Konzentration arbeiteten: Prof. Dr. Andrea Springer vom Bocholter Studienbereich Bionik hat jetzt eine neuartige pH-Wert-Messung entwickelt, die wieder auf Farben als Indikatoren zurückgreift: ein kolorimetrischer pH-Sensor für Online-Messungen. Projektname: «KOLOpHon», «KOLO» steht für die Farbe, das pH natürlich für den Säuregrad und das «on» für die Online-Messwerterfassung übers Internet. Die derzeit leistungsstärksten pH-Mess-Sensoren bestehen aus einer elektrischen Glaselektrode, der eine Referenzelektrode zur Messung an die Seite gestellt wird: «Diese Messgeräte sind jedoch wegen
Mit einem Labor-Teststand wurden Muster-pH-Wert-Lösungen angesetzt und mit Licht durchstrahlt, um die Farbwerte auf der Gegenseite als Mass für den pH-Wert zu nutzen. des Glases bruchempfindlich. Ausserdem können sie austrocknen und müssen häufig überprüft werden, ob sie normgerecht arbeiten oder nicht. Deshalb können sie nicht fest verbaut werden. Andrea Springer wollte eine robuste Alternative finden, die ähnlich wie ein pH-Messstreifen mit einem Universalindikator funktioniert und quantitative Farbwerte liefert. Am Ende der Entwicklungsreihe, die jetzt noch in der Testphase ist, soll der Sensor in einen Bach oder in einen Ackerboden eingebaut werden können und den Säurewert dauerhaft online an ein Messnetz melden. Ganz so weit sind die Wissenschaftler noch nicht. Zunächst haben sie einen Laborteststand gebaut und in Küvetten Lösungen gefüllt, die definierte pHWerte. Die rechteckigen, durchsichtigen Küvetten als Messglas haben sie dann von einer Seite mit LED-Licht bestrahlt und mit einer Kamera das Licht aufgezeichnet, welches auf der gegenüberliegenden Küvettenseite austrat. Die damit erhaltenen Rot-Gelb-Blau-Farbwerte nutzten die Wissenschaftler zur Kalibrierung des Sensors. Der nächste Schritt wird sein, die Indikatorlösung und die Messlösung räumlich voneinander zu trennen, sodass kein Indikator mehr zugegeben werden muss, sondern es ausreicht, den Sensor mit dem Medium, dessen pH-Wert gemessen werden soll, in Kontakt zu bringen.
Medienmitteilung Westfälische Hochschule www.w-hs.de