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Die Angst vor dem neuen EU-Pharmapaket
from ChemieXtra 6/2023
by SIGWERB GmbH
Luca Meister
Interpharma sieht in der Überarbeitung der allgemeinen EUArzneimittelvorschriften Chancen und Risiken. Doch unter dem Strich erwartet der Verband für die Schweiz schwerwiegende Konsequenzen. Mit einer umfassenden Strategie versucht die EU als Standort für die Pharmaindustrie attraktiver zu werden, einen schnellen und gleichberechtigten Zugang zu Medikamenten zu ermöglichen, ungedeckten medizinischen Bedarf anzugehen und die Versorgungssicherheit zu stärken. Die Strategie zielt auf eine engere Zusammenarbeit und Harmo - nisierung innerhalb der EU im Arzneimittelmarkt ab.
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Der Schweiz fehlt heute eine solche übergeordnete Strategie mit konkreten Massnahmen, was zu einem Standortnachteil führen kann. Es besteht das Risiko, dass neue Hindernisse entstehen, die den Zugang zu innovativen Arzneimitteln verzögern, oder den Export von Medikamenten erschweren. Gemäss Interpharma, dem Verband der forschenden Pharmaindustrie in der Schweiz, muss die Schweiz die Revision der EU genau prüfen und jene Massnahmen, die auch zur Verbesserung der Attraktivität des Standortes Schweiz tauglich sind, auch einführen. Elemente, die schädliche Auswirkungen auf die Innovationskraft des Standortes haben könnten, sollte die Schweiz nicht übernehmen und sich stattdessen einen Wettbewerbsvorteil schaf fen.
Auswirkungen auf bilaterale Beziehungen
Ein Problem sieht Interpharma in den möglichen Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen. Einige Teile des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Anerkennung von der Konformitätsbewertungen (MRA) im Pharmabereich verweisen inhaltlich und rechtlich auf die bestehenden Vorschriften. Wenn die überarbeiteten allgemeinen EU-Arzneimittelvorschriften in Kraft treten, müssen diese Teile des MRA aktualisiert werden, um rechtsgültig zu bleiben. Da aber die bestehenden Abkommen nicht mehr aktualisiert werden, könne dies zum Problem für den Produktionsstandort Schweiz werden.
Kritisch sieht der Verband auch die vorgeschlagene Schwächung des geistigen Eigentums. Die Medikamentenentwicklung ist ein Hochrisikogeschäft, das im Schnitt zwölf Jahre dauert und über zwei Milliarden Franken kostet. Ohne einen starken Schutz des geistigen Eigentums sinkt die Bereitschaft von Risikokapitalgebern, in Forschung und Entwicklung zu investieren. Aktuell ist jedoch noch vieles unklar und eine vertiefte Prüfung erforderlich.
Deutsche VCI und VFA ebenfalls besorgt
Mit Skepsis betrachtet auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) das am 26. April von der EU-Kommission vorgestellte Pharmapaket. Haupt- geschäftsführer Wolfgang Grosse Entrup sagt: «Statt die Innovationskraft der Arzneimittelhersteller zu boostern, hemmt die EU-Kommission die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen und deutschen Pharmastandorts.»
Darüber hinaus vermisst der deutsche Verband der forschenden Pharmaunternehmen (VFA) für die Industrie einen grossen Wurf, um im Wettbewerb mit den USA und China zu bestehen.
Wie Interpharma erachtet auch der VCI den Aufwand zur Entwicklung neuer Medikamente in Deutschland und Europa als gewaltig. Kritisch sieht der Verband, dass der Unterlagenschutz für Arzneimittel eingeschränkt werden soll. Damit wären die im Zulassungsverfahren erforderlichen Daten zeitlich nur noch unzureichend geschützt. Eine Verlängerung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. «Reduziert sich der Schutzzeitraum, demotiviert dies die Unternehmen, die kostenintensive Forschung für neue Medikamente weiterhin in Deutschland zu betreiben», betont Grosse Entrup.
Nach Auffassung des VCI hat sich die EU-Kommission zwar bemüht, wichtige Probleme anzugehen, zum Beispiel bei der Versorgung mit Antibiotika. Auch die Bürokratie bei der EU-Zulassung von Medikamenten soll verschlankt werden. Hier sieht der VCI richtige Ansätze. Doch das Gesamtpaket muss noch genauer beurteilt werden.