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FOKUS
Innovationen für eine bessere Zukunft
Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
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Kunststoffrecycling ist ein komplexes Thema. Das lässt sich allein daran erkennen, wie vielfältig die technischen und logistischen Innovationen aus der Branche sind. Der Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist lang und steinig – aber auch spannend.
Studien zeigen, dass 2019 Recyclingkunststoffe häufiger zum Einsatz kamen als zuvor und als Rohstoff für neue Kunststoffprodukte immer wichtiger werden. Wie Plastics Europe berichtet, wurden in Deutschland 13,7 Prozent der Kunststoffverarbeitungsmenge durch Rezyklate gedeckt; zwei Jahre zuvor lag der Anteil noch bei 12,3 Prozent. Die Rezyklatmenge stieg seit der letzten Erhebung 2017 pro Jahr um rund fünf Prozent, was wiederum einen Rückgang bei der Einsatzmenge neuer Kunststoffe zur Folge hatte. Diese verringerte sich im selben Zeitraum um 2,5 Prozent. Kunststoffrezyklate kommen dabei in quasi allen Segmenten des Marktes zum Einsatz: bei hoch technischen Anwendungen wie dem Fahrzeugbau oder Elektrogeräten sowie besonders häufig im Baubereich (ca. 43 Prozent), in Verpackungen (ca. 24 Prozent) und der Landwirtschaft (ca. 11 Prozent). Die Kunststoffwertschöpfungskette trägt somit dazu bei, natürliche Ressourcen mittels Kreislaufführung zu schonen und die Rohstoffversorgung der Zukunft zu sichern. Dies spiegelt sich auch bei den Zahlen zum Recycling generell wider, wo ebenfalls Zuwächse zu verzeichnen sind. Von den in Deutschland angefallenen Kunststoffabfallmengen wurden im Jahr 2019 rund 2,9 Mio. t werkstofflich recycelt. Damit stieg die werkstoffliche Recyclingmenge im Zwei-Jahres-Vergleich um 3,2 Prozent, was vor allem auf den Anstieg bei Post-Consumer-Abfällen zurückzuführen ist.
Mehr Tempo erforderlich
Allerdings sieht PlasticsEurope zahlreiche Hürden, die das Kunststoffrecycling erschweren: sei es die fortschreitende Deponierung kunststoffhaltiger Siedlungsab-
Recycling ist ein komplexes Thema. Es kommt nicht nur auf die Stoffströme an, sondern auch auf die zahlreichen Verfahren, mit denen Abfälle wieder in den Werkstoffkreislauf überführt werden können.
fälle in einigen Teilen Europas, schwierige Marktbedingungen für Rezyklate oder sich teilweise widersprechende gesetzliche Regularien zum Beispiel beim Verbraucher- und Umweltschutz. Dabei braucht es ein schnelles Wachstum bei den Rezyklatmengen, um die Nachhaltigkeitsziele von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und die damit einhergehende Marktversorgung mit Sekundärrohstoffen besser erfüllen zu können.
Stoffstrombild auf einen Blick
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr gut 20 Mio. t Kunststoff erzeugt, darunter etwa zwei Millionen Tonnen Rezyklate. Zur Herstellung von Kunststoffprodukten wurden 14 Millionen Tonnen eingesetzt, wovon wiederum 1,9 Mio. t aus Rezyklaten bestanden. Die Kunststoffabfallmenge betrug rund 6,3 Mio. t, wovon 46,4 Prozent werkstofflich, weniger als ein Prozent rohstofflich und 52,8 Prozent energetisch verwertet wurden.
Digitale Plattform für europäisches Recycling
In der Kunststoffbranche gibt es viele Akteure, die an innovativen Lösungen arbeiten, um diese Zahlen weiter zu verbessern – hin zu einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen. Im Rahmen der EU-Kunststoffstrategie hat sich die Europäische
Kommission verpflichtet, die Verwendung von Recycling-Kunststoffen bis 2025 auf 10 Mio. t zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Circularise Plastics Group einen «Offenen Standard für Nachhaltigkeit und Transparenz» eingeführt, der auf der Blockchain-Technologie und ZeroKnowledge-Proofs basiert. EuPC führte das Instrument More ein (Monitoring Recyclates for Europe, Überwachung von Rezyklaten für Europa), um die Verwendung von Rezyklaten durch Verarbeiter zu erfassen. More soll sicherstellen, dass Verarbeiter, die in More die entsprechenden Angaben machen, durch einen gemeinsamen Ansatz eine zuverlässige und konsistente Erfassung der Verwendung von Rezyklaten erzielen. Die in More gemeldeten Mengen nehmen monatlich zu, und in den kommenden Jahren werden neue Kunststoffverarbeitungs-Unternehmen dem System beitreten.
Transparente Materialströme
Die EuPC-Strategie steht im Einklang mit der Mission von Circularise, eine Transparenz von Materialströmen zu ermöglichen und gleichzeitig den Datenschutz und die Vertraulichkeit zu wahren. Als Teil des umfassenderen Ziels dieser Zusammenarbeit wollen die Unterzeichner insbesondere die Entwicklung einer digitalen Plattform erleichtern, um die Rate der Kunststoff-Recyclingaktivitäten in Europa zu überwachen und zu testen, wie der «Offene Standard für Nachhaltigkeit und Transparenz» dafür angewendet werden kann. Dazu wollen sie neue Technologien, wie zum Beispiel Blockchain, in ihr Beobachtungssystem integrieren, um sicherzustellen, dass die More-Plattform zukunftssicher ist.
Industriestandard hat hohe Relevanz
Alle Organisationen, die hinter dieser Zusammenarbeit stehen, betrachten einen neuen Industriestandard als ein wichtiges Element in einem grösseren Rahmen: ein sicheres, gemeinsam genutztes OpenSource-Datenaustauschsystem für die globalen Wertschöpfungsketten, um die Rückverfolgung von Materialien während des gesamten Lebenszyklus über alle Beteiligten und Wertschöpfungsketten hinweg zu ermöglichen. EuPC, Circularise, Covestro und Domo Chemicals zielen darauf ab, Interessenvertreter zusammenzubringen, die zur Entwicklung der Plattformen More und Circularise beitragen können. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wollen sie in den kommenden Monaten einen Prototyp mit einer Liste von Zielunternehmen testen.
Konsumenten mit einbeziehen
Doch Recycling betrifft nicht nur Industrieunternehmen sondern auch Konsumenten. Diesem Umstand trägt der Verein PRS PET-Recycling Schweiz Rechnung: Leere PET-Getränkeflaschen werden ab sofort in der ganzen Schweiz im Auftrag von PETRecycling Schweiz durch die Post abgeholt. Der neue Service ist auf Privathaushalte ausgerichtet und wurde 2019 in fünf Gemeinden ausgiebig getestet. «Wir sind der festen Überzeugung, dass nur ein kundenfreundliches Recyclingsystem ein gutes Recyclingsystem ist», so Jean-Claude Würmli, Geschäftsführer von PET-Recycling Schweiz. «Recycling soll keine mühsame Pflichtaufgabe sein, sondern einfach, schnell und effizient erledigt werden können. Die Kooperation mit der Post als Logistikpartnerin schafft ein Angebot, das genau diesem Grundgedanken entspricht.» Weil die Post bereits heute alle Schweizer Haushalte anfährt, muss für die PETSammlung keine neue Logistik aufgebaut werden. Die Rückgabe erfolgt über 45-Liter-Sammelsäcke. Ausserdem habe der Pilotversuch gezeigt, dass die bestehenden Logistik-Kapazitäten ausreichen und keine zusätzlichen Fahrten oder Fahrzeuge gebraucht werden.
Chancen für den Klimaschutz
Recycling ist ein komplexes Thema. Es kommt nicht nur auf die Stoffströme an, sondern auch auf die zahlreichen Verfahren, mit denen Abfälle wieder in den Werkstoffkreislauf überführt werden können. Der Think Tank IN4climate.NRW kommt in seinem Diskussionspapier «Chemisches Kunststoffrecycling» zum Schluss, dass die Pyrolyse von gemischten Kunststoffabfällen die chemische Industrie sowie die Abfallwirtschaft klimafreundlicher machen kann. Im Papier zeigen die Autoren Potenziale und Entwicklungsperspektiven für NRW auf – mit dem Ziel, wissenschaftliche Grundlagen für Investitionsentscheidungen und Projektentwicklung im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu schaffen.
Mehr als sechs Millionen Tonnen Kunststoffabfälle fallen in Deutschland jährlich an, nur etwas weniger als die Hälfte kann werk- und rohstofflich genutzt werden, der Rest wird thermisch verwertet, also verbrannt. Gerade gemischte Kunststoffarten erschweren das Recycling. Hier setzt das chemische Recycling an. Bei diesem Verfahren werden die Stoffe durch hohe Temperaturen zersetzt und in kleinere Moleküle aufgespalten. Diese lassen sich im Sinne der Kreislaufwirtschaft in neue Kunststoffe oder chemische Grundstoffe überführen. Die Schätzungen gehen von bis zu zwei Millionen Tonnen Kunststoffabfall jährlich aus, der auf diese Weise wiederverwendet werden könnte.
Intelligente Materialien
Im Zusammenhang mit der Schwierigkeit, Verbundwerkstoffe zu recyceln, verfolgt die Universität Jena einen anderen Ansatz. Eine Forschungsgruppe erhielt unlängst zwei Millionen Euro zur Erforschung intelligenter, wiederverwertbarer Kunststoffmaterialien. Die sogenannten Vitrimere sind schaltbar. Das bedeutet, ihre Verarbeitbarkeit lässt sich steuern. Damit liessen sich Verbundwerkstoffe herstellen, die bei Bedarf wieder getrennt und anderweitig verwendet werden könnten. Konkrete Anwendungen gibt es noch keine, aber die Forscher versprechen sich durch die Finanzierung in den kommenden Jahren entscheidende Erkenntnisse zu dieser neuen Materialklasse.
www.plasticseurope.org www.covestro.com www.domochemicals.com www.plasticsconverters.eu www.petrecycling.ch IN4climate.NRW www.uni-jena.de