![](https://assets.isu.pub/document-structure/220930114704-9cbd0eb0bc401e7fa299325dffce02a5/v1/2d0fdb624657a29459c8df2598a9faee.jpeg?width=720&quality=85%2C50)
3 minute read
Aziz Shokhakimov, Leitung
VON CHRISTOPH GAISER Musik hat Aziz Shokhakimov von Anfang an begleitet – die Eltern des 1988 geborenen Usbeken waren beide musikalisch aktiv.
Shokhakimov begann seine Ausbildung am Uspenskij-Musikgymnasium in seiner Heimatstadt Taschkent, an derselben Schule, die der Pianist Yefim Bronfman in den 1960er-Jahren besucht hatte. Shokhakimov spielte Geige und Bratsche, er sang aber auch leidenschaftlich gerne, vor allem neapolitanische Lieder wie O sole mio oder Santa Lucia. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk verriet Shokhakimov, dass seine Mutter den Dirigenten Vladimir Neymov ermunterte, sich Tonbandaufnahmen vom Gesang ihres Sohnes anzuhören. Neymov war beeindruckt und lud den jungen Aziz ein, mehrere Konzerte mit seinem Orchester zu singen. Als sich der Stimmbruch bemerkbar machte, schlug Neymov dem Elfjährigen vor, sich während der sängerischen Zwangspause mit Ensembleleitung zu beschäftigen. Offenbar stellte sich der junge Mann alles andere als ungeschickt an – bereits mit 13 Jahren durfte er ein Konzert des Usbekischen Nationalorchesters dirigieren. Im selben Jahr erfolgte die Ernennung zum Assistenzdirigenten des Orchesters, und 2006 – Shokhakimov war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt – wurde er Chefdirigent des Klangkörpers. Im Jahr darauf erfolgte sein Operndebüt an der Usbekischen Nationaloper mit Bizets Carmen. Nun ist es so, dass viele grossartige Musiker*innen im Verborgenen wirken, wenn sie in einem Land tätig sind, das westliche Musikliebhabende, aber auch Agent*innen nicht ‹auf dem Schirm› haben. Hier kann in aller Regel ein Erfolg bei einem internationalen Wettbewerb Wunder bewirken – und so bescherte der Gewinn des Mahler-Dirigentenwettbewerbs in Bamberg im Jahre 2010 Shokhakimov einen geradezu explosiven Anstieg der Aufmerksamkeit. Die Semperoper (und damit die Staatskapelle Dresden), die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die Düsseldorfer Symphoniker sowie das Verdi-Orchester aus Mailand luden den Wettbewerbsgewinner für Vorstellungen und Konzerte ein, und der Grundstein für eine bemerkenswerte Karriere war gelegt. 2015 nahm Shokhakimov die Position des Ersten Kapellmeisters an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg an, neben einer Neuproduktion von Pique Dame dirigierte er dort Vorstellungen von Madama Butterfly, Salome und Tosca. Viel beachtet wurde auch sein Erfolg beim Young Conductors Award der Salzburger Festspiele im August 2016. Für das Preisträger*innenkonzert
mit dem RSO Wien kehrte er im Folgejahr an die Gestade der Salzach zurück und stand 2019 schliesslich bei der Festspieleröffnung in der Felsenreitschule am Pult des Mozarteumorchesters, mit Patricia Kopatchinskaja als Solistin. Inzwischen hat Shokhakimov bei vielen wichtigen Orchestern in Europa sein Debüt gegeben. Im Juni 2021 sprang er kurzfristig für Sir John Eliot Gardiner beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ein. In Nordamerika hat er bereits die Orchester in Houston, Toronto und Salt Lake City dirigiert. Eine weitere Sprosse auf der Karriereleiter wird er im Februar 2023 erklimmen, wenn er an der Opéra National de Paris die musikalische Leitung einer Neuproduktion von Lucia di Lammermoor übernimmt.
Seit 2017 ist Shokhakimov Chefdirigent des Tekfen Filarmoni Orkestrası. Der in der Türkei beheimatete und privat finanzierte Klangkörper bemüht sich um den musikalischen Dialog von Orient und Okzident und bringt Musiker*innen aus den Anrainerstaaten des Schwarzen Meers und Zentralasiens zusammen. 2021 endete Shokhakimovs Kapellmeisterzeit in Düsseldorf/ Duisburg, seit Beginn der Saison 2021/22 ist er nun Chefdirigent des Orchestre Philharmonique de Strasbourg. Neben etlichen Konzerten übernimmt Shokhakimov jedes Jahr die musikalische Leitung einer Neuproduktion an der dortigen Opéra National du Rhin. In der ersten Spielzeit war dies Walter Braunfels’ Oper Die Vögel, in der aktuellen Saison wird es Rimski-Korsakows Le coq d’or sein. Beide Werke zeigen, dass Shokhakimov ein besonderes Interesse für farbenreiche, präzis ausgearbeitete Partituren hegt. Und so ist es folgerichtig, dass bei seinem Basler Debüt neben Tschaikowskis Violinkonzert sowohl Debussys La Mer als auch Anders Hillborgs schillernder Sound Atlas auf dem Pult liegen werden.