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Pascal Savary, Violine
MUSIK UND HOLZHANDWERK
VON LEA VATERLAUS Pascal Savary wuchs in Basel auf, wo er bei Sándor Zöldy Violine studierte. Seine ersten Berufsjahre verbrachte er auf Orchesterreisen durch die halbe Welt, bevor ihn 1986 eine Festanstellung beim Sinfonieorchester Basel wieder zurück in seine Heimat brachte. Das Material Holz fasziniert ihn nicht nur als Streicher, sondern auch beim Anfertigen von Holzgegenständen.
LV Pascal Savary, Du warst nach Deinem Studium viel unterwegs, bevor
Du beim Sinfonieorchester Basel anfingst. Wie kam es dazu? PS Ich spielte damals in verschiedenen Kammerformationen – unter anderem im damaligen Schweizer Kammerorchester und im Engelberger Kammerorchester. Die Konzertreisen führten mich nach Amerika und an Konzerthäuser innerhalb Europas und während meines Studiums sogar auf eine dreimonatige Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff! Nach der Heirat mit meiner Frau war ich schliesslich auf der Suche nach einer Festanstellung, und ich bewarb mich beim Sinfonieorchester Basel. Eigentlich hätte ich überall gerne eine Stelle gehabt, ausser in Basel, wo ich bereits aufgewachsen war und studiert hatte. Aber so spielt das Leben! (lacht)
LV Mittlerweile lebst Du in Neuchâtel.
Wie vereinbarst Du die vielen abendlichen Einsätze in Basel mit Deinem
Wohnort? PS Ich habe ein Zimmer in Basel, wo ich nach Konzerten und späten Proben bleiben kann. In strengen Konzertwochen bin ich dann hier in Basel und kann das Pendeln umgehen. An freien Tagen möchte ich die Zugfahrt aber nicht unbedingt auf mich nehmen und spiele beispielsweise lieber mit meiner Frau Quartett, anstatt hier in Basel Kammermusik zu machen.
LV Du kennst einige Deiner Kolleg*innen aus dem Orchester seit vielen
Jahren. Lernt man sich innerhalb des Orchesters gut kennen?
© Andreas Lucco PS Im näheren Umfeld, beispielsweise in der eigenen Instrumentengruppe, lernt man sich gut kennen. Man sitzt mehrere Stunden am Tag gemeinsam am Pult und im selben Register und bewältigt dieselben Probleme. Einige Registermitglieder trinken ausserdem regelmässig zusammen Kaffee – das finde ich sehr wichtig für den Zusammenhalt.
LV An welches spezielle Ereignis mit dem Sinfonieorchester Basel erinnerst Du Dich besonders gerne? PS Vor vier Jahren führten wir am Karfreitag den Karfreitagszauber – den 3. Akt aus Richard Wagners Parsifal – im Goetheanum in Dornach auf. Ich war bis anhin kein grosser Wagner-Fan, und ausserdem war es ein regnerischer und trüber Tag. Nach der aber wirklich wunderbaren Aufführung traten wir vor das Goetheanum, und es öffnete sich plötzlich die Wolkendecke, die Sonne strahlte hindurch, und ein Regenbogen zog sich über den ganzen Himmel. Ein unvergleichliches Spektakel! Da schloss ich gleich ein wenig Frieden mit Wagner.
LV Was magst Du an Deinem Beruf? PS Da gibt es viel zu erzählen: schöne, wunderbare Momente, die diesen Beruf speziell machen, aber auch Situationen, in denen man an seine Grenzen kommt. Die Vielseitigkeit der Programme, die wir beim Sinfonieorchester Basel aufführen, ist einerseits ein Geschenk, andererseits aber auch eine grosse Herausforderung. Ich spiele beispielsweise nicht so gerne zeitgenössische Musik. Ich empfinde dabei zu viel Chaos und zu wenig Harmonie. Da litt ich insbesondere früher ziemlich darunter. (lacht) Aber die ‹schöne› Musik bleibt und wird immer schöner mit zunehmendem Alter.
LV Was bedeutet für Dich ‹schöne›
Musik? PS Die grosse romantische und klassische Musik, aber auch die Musik von Johann Sebastian Bach. Ein Werk, das ich auf die berühmte ‹einsame Insel› mitnehmen würde, sind aber die Vier letzten Lieder von Richard Strauss, die 1948 entstanden und eigentlich ziemlich modern sind. Ich verehre ausserdem Glenn Goulds Einspielungen von Bachs Goldberg-Variationen. Es war das einzige Werk, das Gould zwei Mal in seinem Leben aufnahm – als allererste Aufnahme mit 25 Jahren und als letzte Aufzeichnung kurz vor seinem Tod mit 51 Jahren. Der Unterschied zwischen den Aufnahmen ist enorm: Die erste ist hochvirtuos, und die Sätze sind einzeln aneinandergereiht, während es Gould in der zweiten Aufnahme gelang, einen Bogen über das gesamte Werk zu spannen.
LV Welche Eigenschaften sollten Dirigent*innen besitzen? PS Ich mag es, wenn Dirigent*innen nur durch Zeichen vermitteln können, was sie sagen möchten. Ich mag es nicht, wenn die Proben von langen Erklärungen unterbrochen werden. Es gibt Dirigent*innen, die können durch blossen Augenkontakt oder kleinste Handbewegungen unglaublich viel zeigen.
LV Das Sinfonieorchester Basel hat die spezielle Aufgabe, neben eigenen
Sinfoniekonzertreihen auch Opernproduktionen am Theater Basel zu spielen. Welche Spielstätte magst
Du mehr? PS Ich empfinde es als grossen Vorzug, dass das Sinfonieorchester Basel beide Rollen erfüllt. Gleichzeitig birgt diese Doppelfunktion aber auch eine gewisse Gefahr, denn wir sind kein Opern-Orchester, manche Opern sind jedoch ziemlich schwer zu spielen und zeitintensiv. Ich persönlich finde es aber wunderbar, die schönen Opern Verdis, Puccinis und Mozarts spielen zu dürfen. Opern haben eine (meist hochdramatische) Geschichte, die bei jeder Aufführung neu aufgerollt wird – das ist faszinierend.
LV Was für eine Geige spielst Du? PS Ich besitze eine neuere Geige von Philippe Girardin, ein befreundeter Geigenbauer aus Neuchâtel, die ich seit etwa fünfzehn Jahren spiele, sowie eine alte italienische Geige. In den letzten Jahren hat der Geigenbau grosse Fortschritte gemacht, und es entstehen gute Nachbauten, die hervorragend klingen.
«Das Handwerk und die Bergwelt geben mir Kraft.»
LV Du bist sehr oft in den Walliser Bergen unterwegs, wo Du leidenschaftlich gerne wanderst und Ski fährst.
Was gibt es in Deinem Leben ausser der Musik sonst noch? PS Ich habe mit Hilfe eines Freundes zwei Häuser umgebaut, wobei ich viel gelernt habe. Daneben arbeite ich in meinem Atelier hinter dem Haus sehr gerne mit Holz und fertige Möbel, Verschalungen und Regale an. Das Handwerk und die Bergwelt geben mir Kraft.
LV Pascal Savary, herzlichen Dank für das Gespräch!