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Des Knaben Wunderhorn

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DEMNÄCHST

DEMNÄCHST

GUSTAV MAHLER: DES KNABEN WUNDERHORN

VON FLORIAN HEURICH In jedem Haushalt sollten mindestens zwei Bücher stehen: die Bibel und eine Ausgabe von Des Knaben Wunderhorn. Das hat schon Johann Wolfgang von Goethe gefordert, und Gustav Mahler besass natürlich beide.

Die Welt, die Achim von Arnim und Clemens Brentano in ihrer romantischen Volksliedsammlung eröffnen, bestimmte für über zehn Jahre Mahlers Leben und Schaffen. Seine Wunderhorn-Lieder sind nicht als zusammenhängender Zyklus entstanden, sondern in loser Folge zwischen 1892 und 1901. Ganz bewusst stellt es Mahler seinen Interpreten frei, eine Auswahl aus seinen Liedern zu treffen und Reihenfolge und Dramaturgie selbst festzulegen. Neben den Soldatenliedern, den Naturbildern und den metaphysischen Liedern gibt es als vierten Liedtypus etwas, das man als Kinderlieder, Tanzlieder oder humoristische Spottlieder bezeichnen könnte. Gegen den Vorwurf, die Wunderhorn-Lyrik sei bisweilen allzu naiv, wehrte sich Mahler jedoch vehement. Vielmehr wählte er besonders hintersinnige Texte aus, die er zum Teil sogar selbst umdichtete im Sinne seines kompositorischen Konzepts. Damit gehen seine Wunderhorn-Lieder weit über eine blosse Textvertonung hinaus. Mehrere dieser Lieder sind quasi als ein Zwiegespräch von Mann und Frau konzipiert. Damit greift Mahler auf die alte Gattung der Ballade zurück mit ihrer ganz eigenen Vortragsweise.

Die Wunderhorn-Lieder in der Fassung für Singstimme und Orchesterbegleitung sind mehr als nur Orchestrierungen von vorausgegangenen Klavierliedern. Gerade durch seine Instrumentierung kreiert Mahler eine zusätzliche Bedeutungsebene. In dem Lied Wo die schönen Trompeten blasen etwa verwebt er in subtiler Klangdramaturgie ein inniges Liebeslied mit schroffer Militärmusik und verklärter Todesvision. Das grausamste der Lieder ist Revelge, ein schonungsloses Kriegsszenarium und zugleich ein Plädoyer gegen Gewalt. Makabres Kriegsbild und metaphysischer Blick ins Jenseits; jugenliches Liebesglück und Weltsatire. In seinen Wunderhorn-Liedern erschafft Mahler laut dem Bariton Thomas Hampson ein «Abbild des menschlichen Lebens in all seinen Facetten, einen ganzen Kosmos voller Humor und zugleich voller Tragik».

Dieser Text entstand ursprünglich für den Podcast ‹Starke Stücke› von BRKLASSIK. Abonnieren können Sie ihn überall, wo es Podcasts gibt.

Gustav Mahler (1860–1911)

Lieder aus Des Knaben Wunderhorn

BESETZUNG Gesang solo, 2 Flöten, Piccolo, 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Streicher

ENTSTEHUNG 1892–1898

URAUFFÜHRUNG 1970 in vollständiger Fassung

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