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Teodora Dimitrova, Violine

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Adagietto

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LIVE AUS DEM ORCHESTERGRABEN

VON LEA VATERLAUS Teodora Dimitrova begann ihre Karriere als Geigerin an der Musikschule ihrer Heimatstadt, dem bulgarischen Sofia, bevor sie mit nur sechzehn Jahren den Schritt in die USA wagte. Dort setzte sie ihre musikalische Ausbildung fort und schloss 2010 ihr Studium an der renommierten Juilliard School in New York ab. Seit 2018 gehört sie beim Sinfonieorchester Basel dem Register der zweiten Violinen an. Gemeinsam mit anderen Orchestermitgliedern hat sie den SocialMedia-Kanal sob.unfiltered aufgebaut, der den Alltag der Musikerinnen und Musiker dokumentiert.

LV Teodora Dimitrova, wie kamst Du auf die Idee, einen Social-Media-Kanal zu betreiben, der vom Orchesteralltag aus Sicht der Musikerinnen und

Musiker erzählt? TD Die Seite sob.unfiltered baute ich gemeinsam mit meiner Orchesterkollegin Ofir Shner-Alon auf. Den Impuls dazu gab eigentlich der Lockdown im Frühjahr 2020, der bedingte, dass wir unser Publikum auf neuen Wegen erreichen mussten. Wir wollten, dass das Publikum weiterhin unsere Arbeit begleiten kann und die Möglichkeit hat, die Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters Basel auch ‹persönlich› kennenzulernen. Der Kanal ergänzt die offizielle Hauptseite des Sinfonieorchesters Basel und dokumentiert beispielsweise Backstage-Momente oder unsere Probenarbeit.

«Durch die sozialen Medien oder durch interaktive Konzertformate kann man auch jüngeren Leuten das Gefühl geben, dass sie Teil des Orchesters und des Konzerts sind.»

VORGESTELLT LV Du bist auch persönlich sehr aktiv auf den sozialen Medien. Werden

Kanäle wie Instagram für die Kommunikation zusehends unerlässlich? TD Ich denke, es ist für Kulturinstitutionen wichtig, die sozialen Medien aktiv zu bestücken. Gerade das jüngere Publikum ist auf diesem Weg am schnellsten zu erreichen. Personen dieser Altersgruppe gehen nicht unbedingt wie selbstverständlich in ein Konzert oder in eine Oper – nicht, weil es ihnen nicht gefallen würde, sondern weil sie in vielen Fällen einfach nicht wissen, was sie dort erwartet. Dieses Nichtwissen schreckt ab. Durch die sozialen Medien oder durch interaktive Konzertformate kann man auch jüngeren Leuten das Gefühl geben, dass sie Teil des Orchesters und des Konzerts sind.

LV Im Alter von nur sechzehn Jahren hast Du einen mutigen Schritt gewagt: Du gingst allein nach Amerika, um dort Violine zu studieren. Wie ist es dazu gekommen? TD Als ich in Bulgarien noch Schülerin an der Musikschule in Sofia war, besuchte ich dort einen Meisterkurs bei dem amerikanischen Gastdozenten Kevin Lawrence. Seine musikalische Herangehensweise gefiel mir so gut, dass ich ihm im Rahmen eines Stipendiums an die North Carolina School of the Arts folgte, wo ich meinen Schulabschluss machte. Mein Dozent war einst Schüler des Violinpädagogen und Juilliard-Dozenten Ivan Galamian gewesen, weshalb er auch mich zum Musikstudium an das Juilliard-Konservatorium nach New York schickte, wo ich bei Sally Thomas und Masao Kawasaki studierte. Für mich war der Wechsel nach Amerika natürlich ein riesiger Kulturschock – aber als Teenager hatte ich eine romantisierte Vorstellung von diesem riesigen Land und empfand es als aufregend, unabhängig und eigenständig zu sein. Tatsächlich waren die Regeln an der Schule in North Carolina dann aber viel strenger als zu Hause! (lacht)

LV Was hat Dich schliesslich in die

Schweiz gezogen? TD Meine erste Orchestererfahrung in der Schweiz machte ich 2008 am Verbier Festival. Für mich ging ein Traum in Erfüllung: Ich war fasziniert von diesem Ort,

TEODORA DIMITROVA

24 der künstlerischen Atmosphäre dieses Festivals und der Schönheit der Natur! Damals hätte ich aber nie geglaubt, dass ich einmal hier leben würde. Erst ein paar Jahre später beschloss ich gemeinsam mit meinem damaligen Partner, in der Schweiz etwas Neues auszuprobieren. Es war für mich zwar nicht einfach, New York zu verlassen, aber gerade nach dem Studium freute ich mich auf meine ersten Orchestererfahrungen. Ich arbeitete zuerst beim Sinfonieorchester St. Gallen und beim Berner Symphonieorchester, bevor ich 2018 zum Sinfonieorchester Basel kam.

«Für mich ist Basel mein Zuhause, seit ich vor mehr als zehn Jahren in die Schweiz gezogen bin.»

LV Was bedeutet die Stadt Basel für

Dich? TD Für mich ist Basel mein Zuhause, seit ich vor mehr als zehn Jahren in die Schweiz gezogen bin. Auch als ich noch bei anderen Schweizer Orchestern arbeitete, wohnte ich bereits hier. Dabei finde ich immer wieder neue Wege, diese tolle Stadt zu erkunden! Basel ist durch seine Angrenzung an Deutschland und Frankreich sehr international, was die Stadt von vielen anderen Orten unterscheidet. Ausserdem liebe ich es, durch den Margarethenpark oder über das Bruderholz zu spazieren oder die schöne Altstadt beim Spalenberg auszukundschaften.

LV Neben Deiner Orchesteranstellung führst Du ein Familienleben mit zwei

Kindern. Wie vereinst Du Familie und Beruf? TD Das ist eine weitere Sache, die ich an dieser Stadt mag: Basel ist keine winzige Stadt, aber sehr kompakt und praktisch aufgebaut. Die Wege innerhalb der Stadt sind sehr effizient zu bewältigen, und man findet nahezu alles in unmittelbarer Nähe. Sogar meine Kinder können zu einigen Aktivitäten ohne Begleitung gehen, weil es hier so sicher ist. Das ist ein grosser Unterschied zu den USA, wo man von A nach B meist Stunden braucht. Früher

VORGESTELLT habe ich durch das Reisen viel Zeit verloren – jetzt kann ich diese Zeit in Dinge investieren, die mir Spass machen. Dazu gehört beispielsweise auch das Backen für meine Familie und Freunde, was neben dem Jogging eines meiner grössten Hobbys ist. Ich muss jetzt nur noch einen Weg finden, die Musik und das Backen irgendwie zu verbinden! (lacht)

«Es macht Spass zu erleben, dass aus dieser Vielfalt so ein toller Klang entstehen kann!»

LV Du bist beim Sinfonieorchester Basel als zweite Geigerin angestellt.

Was macht Euer Register aus? TD Ich mag unsere Gruppe sehr. Wir alle bringen unsere sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten ein und bilden so ein total vielseitiges und auch internationales Register. Ich glaube, nahezu jedes Mitglied hat eine andere Nationalität. Es macht Spass zu erleben, dass aus dieser Vielfalt so ein toller Klang entstehen kann!

LV Hattest Du schon einmal ein beängstigendes Erlebnis auf der Bühne? TD Oh ja! Es gab einmal eine Kammermusikaufführung, die in einem Saal mit einer sehr seltsamen Akustik stattfand. Das Stück, das ich gemeinsam mit anderen Mitgliedern aus dem Orchester im Oktett spielte, war ziemlich schwer, und wir konnten uns in diesem lauten und dröhnenden Saal gegenseitig überhaupt nicht hören. Es gab einen Moment, in dem ich mir wirklich nicht sicher war, ob wir alle an der gleichen Stelle waren! Aber wir haben es dann schliesslich trotzdem geschafft.

LV Gibt es einen Auftritt, auf den Du besonders stolz bist? TD 2013 trat ich gemeinsam mit meiner Schwester, die ebenfalls Geigerin ist, und einer bulgarischen Pianistin in der berühmten New Yorker Carnegie Hall auf. Das Rezital war mein erster Soloauftritt in einem solchen Konzertsaal. Eine besondere Erinnerung – auch weil ich gemeinsam mit meiner Schwester spielen durfte. LV Was ist Dein persönliches Erfolgsrezept? TD Ich muss immer viele Dinge gleichzeitig tun oder zumindest an zwei Dingen zur gleichen Zeit arbeiten. Eine Sache inspiriert dann die andere, und mir wird dabei nie langweilig. Würde ich mich über längere Zeit nur auf ein Projekt konzentrieren, würde mich das wohl entmutigen.

LV Teodora Dimitrova, herzlichen Dank für das Gespräch!

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