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Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll
ZUM WERK WOLFGANG AMADÉ MOZART Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll, KV 491
INSTRUMENTALE DRAMEN
VON HARALD HODEIGE Die c-Moll-Tonart, von der E.T.A. Hoffmann seinen Kapellmeister Kreisler sagen liess, sie greife wie der Tod «mit glühender Kralle» nach dem Herzen, ist in Mozarts Instrumentalwerken selten vertreten. Ihre Wahl ist daher ein besonderes Indiz für den Charakter der jeweiligen Musik – etwa in der Serenade KV 388, deren «finstere Tonart ein Unikum unter Mozarts Gesellschaftsmusik» ist, wie schon Alfred Einstein in seinem 1947 erschienenen Mozart-Buch bemerkte.
Die ausserordentliche Dramatik des c-Moll, dem Ferdinand Hand im ersten Teil seiner Aesthetik der Tonkunst von 1837 einen «Ausdruck der Wehmuth, der Trauer» bescheinigte, ist im Mozart-Konzert KV 491 besonders ausgeprägt. Bereits die ersten Takte des Kopfsatzes führen dem Hörer eine düstere Expressivität vor Ohren, die bei späteren Generationen Assoziationen an den ‹Heroen› Beethoven weckte. Es ist Mozarts grösstbesetztes Werk dieses Genres überhaupt, wobei sich die klangliche Dichte nicht nur durch das Hinzufügen eines Oboenpaars zu den Klarinetten sowie durch die beiden Trompeten und Pauken manifestiert, sondern auch durch das massive Tutti, dessen Kontrastierung mit dem Soloinstrument gelegentlich an das Satzbild der ersten Takte aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 denken lässt: Beide ‹Akteure›, Solist und Orchester, treten in einen Dialog, der an Spannung kaum zu überbieten ist. Dass der Pianist und Musiktheoretiker Charles Rosen die «grundlegende Erregung, ja fast Panik» im einleitenden Allegro hervorhob, mag verdeutlichen, in welch aussergewöhnliche Ausdrucksbereiche diese Musik vordringt.
NEUAUSRICHTUNG DES KONZERTGENRES Wie sehr Mozart an seinem unmittelbar vor der Oper Le nozze di Figaro am 24. März 1786 vollendeten c-Moll-Konzert KV 491 gefeilt hat, zeigt ein Blick in das
ZUM WERK Autograf: Die Partitur ist übersät mit Korrekturen, Verbesserungen und neu komponierten Abschnitten. Hierin unterscheidet sich das Manuskript deutlich von denen der übrigen Mozart-Konzerte: Tatsächlich wollte dem Komponisten, dem sonst Melodien und Harmonien so leicht von der Hand gingen, die Vollendung dieses Werks erst nach mehrfacher Überarbeitung gelingen. Neben zahlreichen Verbesserungen und Alternativ-Vorschlägen gibt es im 3. Satz in einigen Takten vierfach übereinandergeschriebene Korrekturen sowie vereinzelte Inkonsequenzen in der Notation von Phrasierungen und Notenwerten – eine Besonderheit, die Friedrich Blume besonders hervorhob, «weil Mozarts Handschriften sonst so pedantisch genau zu verfahren pflegen».
Neben dem Umstand, dass der Komponist wohl hauptsächlich mit Korrekturen und Proben seiner neuen Oper beschäftigt gewesen sein dürfte, mag der besondere dramatische Charakter dieses Werks die Ursache für die untypischen Korrekturen gewesen sein. Dabei ist es bezeichnend, dass sich Mozart gerade während seiner grössten Erfolge beim Publikum erlaubte, der ‹gesellschaftlichen› Gattung des Solokonzerts eine neue, ungewohnte Seite abzugewinnen. Bereits der Unisono-Beginn des einleitenden Allegro lässt an zwei bedeutende Mozart-Werke in c-Moll denken, die einem anderen Gattungsbereich angehören, nämlich an die Klavier-Fantasie KV 475 und die Klaviersonate KV 457. Der weitere Verlauf der Orchesterexposition gestaltet sich dann nach Präsentation des zweiten Themas als spannungsvoller Wechsel von Tutti- und kammermusikalischen Episoden, wobei das Solo-Klavier nicht mit einem gefälligen ‹Entrée› ins musikalische Geschehen eingreift, sondern mit einem neuen, ureigenen Thema, dem noch zwei weitere folgen.
Bedeutsamer als die komplexe und nicht leicht überschaubare Satzanlage ist die besondere Spannung zwischen chromatischer und diatonischer Motivik, von der die Musik geprägt ist. Am Ende verzichtet Mozart auf eine glanzvolle Schlussgeste und lässt das musikalische Geschehen wie zufällig im Pianissimo verklingen – ein geschickter Schachzug, durch den das ausserordentliche dramatische Potenzial dieses Kopfsatzes auf
WOLFGANG AMADÉ MOZART 19 bemerkenswerte Weise in der Schwebe gehalten wird.
Wirkte im einleitenden Allegro das Orchester als kompaktes Ganzes, verlangt Mozart im Larghetto (in dem Trompeten und Pauken pausieren) den Holzbläsern ein hohes Mass an kammermusikalischer Transparenz ab. Die instrumentale Disposition dieses Rondos ist äusserst übersichtlich, wobei in den Refrains SoloKlavier und Orchester in differenzierter Weise zusammenwirken. Das Finale, dessen fatalistisches Moll-Thema eine Reihe von Variationen durchläuft, nannte Alfred Einstein treffend einen «revolutionären, unheimlichen Geschwindmarsch»: Bis zum Erklingen der einzigen Dur-Variation zeichnet sich die Musik hier durch einen düster-beunruhigenden Charakter aus. Die harmonische Aufhellung ist allerdings nur von kurzer Dauer, da der von chromatischen Linien und unvermittelten Modulationen geprägte Satz kompromisslos in Moll ausklingt.
Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll, KV 491
BESETZUNG Klavier solo, Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauke, Streicher
ENTSTEHUNG Winter 1785-1786 in Wien
URAUFFÜHRUNG Vermutlich am 7. April 1786 im Wiener Burgtheater mit Mozart als Solist