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Yulia Kopylova, 2. Konzertmeisterin

«MOZART IST ZU LEICHT FÜR KINDER UND ZU SCHWER FÜR ERWACHSENE»

VON LEA VATERLAUS Yulia Kopylova stammt aus der sibirischen Metropole Nowosibirsk und kam für das Musikstudium zunächst nach Hannover und dann nach Berlin. Im angesehenen Gustav Mahler Jugendorchester, das einst unter der Leitung von Claudio Abbado stand, wurde sie 2013 zur Konzertmeisterin gewählt. Seit 2018 ist sie nun 2. Konzertmeisterin beim Sinfonieorchester Basel. Im Interview spricht die junge Geigerin über ihre Rolle als Konzertmeisterin im Orchester, die Beständigkeit von Mozarts Musik und ihre Liebe zur Kulturstadt Basel.

LV Yulia Kopylova, das erste Sinfoniekonzert dieser Saison steht ganz im

Zeichen eines musikalischen Austauschs mit Mozart. Was macht Mozarts Musik aus? YK Mozart ist einer der wichtigsten Komponisten, die wir haben. Es ist ein Glück, dass er in seiner kurzen Lebenszeit so viel geschrieben hat. Mozarts Musik ist immer modern, immer frisch und passt somit in jede Zeit. Ich liebe Mozart sehr, denn seine Musik ist lebendig, liebevoll und energiegeladen. Allerdings heisst es nicht umsonst: «Mozart ist zu leicht für Kinder und zu schwer für Erwachsene», denn seine Musik ist auch zerbrechlich und transparent. Von den meisten Musikerinnen und Musikern werden deshalb Werke von Mozart als Referenzstücke verlangt, beispielsweise bei Probespielen für die Aufnahme in ein Orchester. Ein paar Takte reichen aus, um viel über den Musiker oder die Musikerin auszusagen.

LV Als Konzertmeisterin bist Du an der

Schnittstelle zwischen dem Dirigenten oder der Dirigentin und dem Orchester. In diesem Programm kommt zusätzlich noch eine Solistin dazu.

Wie hält ein Konzertmeister oder eine Konzertmeisterin diese verschiedenen ‹Dialoge› zusammen? YK Wir Konzertmeister transportieren die Bewegungen und damit die physische

VORGESTELLT Energie des Dirigenten und des Solisten ins Orchester und auch ins Publikum. Das erfordert von uns eine klare Körpersprache. Ein grosser Teil unserer Arbeit beinhaltet auch den sozialen und psychologischen Aspekt, denn man muss mit unterschiedlichen Persönlichkeiten gut umgehen können. In einer Konzertsituation, in der Dirigent, Orchester und Solist involviert sind, kommunizieren am besten alle mit allen.

«Alle Musikerinnen und Musiker tragen dazu bei, den Klang des Orchesters zu verändern.»

LV In welchen Momenten greifst Du in das Probegeschehen ein? YK Wenn es etwas zu sagen gibt, ist es meine Aufgabe, dies zu übernehmen. Der Konzertmeister oder die Konzertmeisterin vermittelt auch Vorschläge aus den hinteren Reihen des Orchesters, damit die Kommunikation ein wenig organisierter ist. Wir Konzertmeister treffen dann eine gemeinsame Entscheidung und geben diese an den Dirigenten oder die Dirigentin weiter. Dirigenten bringen oft ihr eigenes Notenmaterial mit, und es ist ihnen wichtig, dass alles so umgesetzt wird, wie es dort vorbereitet ist. Als Quintett – also jeweils die Stimmführer aus erster und zweiter Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass – können wir die Bogenstriche aber meistens noch ändern.

LV Herbert von Karajan, eine Koryphäe des Dirigierens, sagte einmal: «Orchester haben keinen eigenen Klang, den macht der Dirigent». Wie beeinflusst Du als Konzertmeisterin den

Klang des Orchesters? YK Alle Musikerinnen und Musiker tragen dazu bei, den Klang des Orchesters zu verändern – der Dirigent aber natürlich am meisten, was diesen Beruf so besonders schwer macht. Eine Person kann den Klang von hundert Menschen ändern! Als Stimmführerin oder Stimmführer entscheidet man ebenfalls viel über den Klang. So wie der Dirigent mit einer ein-

YULIA KOPYLOVA

30 zigen Handbewegung das Orchester leitet, so kann auch der Konzertmeister durch ein bestimmtes Auftreten viel entscheiden.

LV Du hast als Konzertmeisterin bereits viel Erfahrung, unter anderem 2013 als Konzertmeisterin beim Gustav

Mahler Jugendorchester. Was ist Dir wichtig, wenn Du einen neuen Dirigenten oder eine neue Dirigentin zum ersten Mal triffst? YK Mir ist es wichtig, dass die Kommunikation von Beginn an rund läuft. Ich mag es zudem, wenn ein Dirigent oder eine Dirigentin eine klare musikalische Vorstellung hat und diese gut vermittelt. Alles ist dann logisch und klar. Dabei ist es manchmal auch schön, wenn eine Herangehensweise der eigenen Idee widerspricht und man etwas Neues vom Dirigenten oder der Dirigentin lernen kann.

«Ich mag es zudem, wenn ein Dirigent oder eine Dirigentin eine klare musikalische Vorstellung hat und diese gut vermittelt.»

LV Du stammst ursprünglich aus Russland und hast lange Zeit in Deutschland studiert. Wie kamst Du nach

Basel? YK Ein sehr persönlicher Weg führte mich nach Basel, denn mein Mann bekam eine Orchesterstelle beim Konzert Theater Bern. Ich war damals noch in München, und es war einfach zu schwierig, diese beiden Städte miteinander zu verbinden. So meldete ich mich für das Probespiel beim Sinfonieorchester Basel – und es hat geklappt!

«Es gibt keinen Ort in der Schweiz, der nicht schön ist.»

VORGESTELLT LV Was gefällt Dir an der Schweiz und an Basel besonders gut? YK Die Schweiz ist wunderschön. Es gibt keinen Ort in der Schweiz, der nicht schön ist (lacht). Zudem ist die Kulturszene in der Schweiz sehr stark, viele der wichtigen Festivals finden hier statt. Ich stamme aus einem riesigen Land und finde es deshalb fantastisch, dass es in der Schweiz so viele gute Orchester auf so kleinem Raum gibt! Die Kommunikation innerhalb der Schweiz ist wahnsinnig gut. Die Stadt Basel nimmt in der Schweizer Kulturszene eine besonders wichtige Rolle ein. Es gibt hier zahlreiche berühmte Museen und bedeutende Kunst. Ausserdem gefällt mir die Nähe der Stadt zur Natur. Der Weg von der Orchesterprobe im Stadtcasino Basel bis zur Erholung in der Natur dauert gerade mal zehn Minuten!

LV Wie lenkst Du Dich in Deiner Freizeit sonst vom Musikeralltag ab? YK Ich liebe es zu reisen. Die CoronaZeit war in dieser Hinsicht extrem schwierig. Wenn ich von einer Reise nach Hause komme, plane ich normalerweise immer gleich die nächste, was in letzter Zeit nicht möglich war. Dafür war ich im letzten Jahr viel in der Schweiz unterwegs, war wandern und bin Ski gefahren – beides als Anfängerin!

LV Das neue Saisonprogramm beschäftigt sich stark mit dem Thema der

‹Herkunft›und den Ursprüngen des

Konzertlebens im Musiksaal. Worauf freust Du Dich besonders, wenn

Publikum und Orchester wieder aufeinandertreffen? YK Ich freue mich auf den Energietausch, den Austausch von Emotionen und auf die Geräusche aus dem Publikum, sogar auf das Husten (lacht). Jedes Konzert ist anders, und wir als Orchester fühlen die Energie, die Stimmung im Saal. Wir wissen dann, ob die Musik gut ankommt oder nicht.

LV Yulia Kopylova, herzlichen Dank für das Gespräch!

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