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Surrealistisch, Magisch, Fabelhaft – Wes Anderson im Porträt

SURREALISTISCH, MAGISCH, FABELHAFT

WES ANDERSONS WERK IM PORTRÄT

TEXT: MARTINA KLARIC

Wes Andersons Filmografie umfasst in über zwanzigjähriger Schaffensphase als Filmproduzent, Regisseur und Drehbuchautor eine Vielzahl an Titeln. Das bunte Spektrum an besonderen und unverwechselbaren Filmen reicht aus, um auf stringente Art und Weise sein Oeuvre filmwissenschaftlich beschreibbar zu machen als »melancholische Komödien« par excellence und Anderson zum bedeutenden und wichtigen zeitgenössischen Filmautor zu küren.

Wes Anderson wurde mehrfach für seine filmischen Werke ausgezeichnet. Die Academy Award-Jury nominierte seine Filme bereits einige Male erfolgreich für den begehrten Oscar. So erhielt einer seiner jüngsten Filme »GRAND BUDAPEST HOTEL« (2014) vier der begehrten Büsten, u.a. in den Kategorien »Bestes Szenenbild« und »Bestes Kostümdesign«. Die Filmkritik überschlägt sich seit seinem Debüt »BOTTLE ROCKET« (1996) mit Lobgesängen, und überdies findet auch der große Filmemacher MAR-TIN SCORSESE, bekannt für Blockbuster, wie »Good Fellas« (1990) oder »Shutter Island« (2010), Gefallen an Andersons außergewöhnlichen Arbeiten, die im übervollen hollywoodschen Film-Pool zweifelsohne herausstechen.

Zwar erscheinen seine Filme unregelmäßig, jedoch bestechen sie stets durch Einfallsreichtum, viel Liebe zum Detail und Empathie für außergewöhnliche Figuren.

Da ist etwa diese gänzlich sonderbare Familie in »THE ROYAL TENNENBAUMS« (2001), deren absurde Familienkonstellation zu irrwitzigen Handlungsmomenten den letztlich tragischen Kern der Geschichte spinnt: Royal Tennenbaum, die Hauptfigur des Films, verlässt seine Familie und täuscht Jahre später eine Krebserkrankung vor, um sich mit seinen Kindern, die ihn inzwischen jedoch verachten, zu versöhnen. Als Tennenbaums Täuschung auffliegt und er diesmal unfreiwillig gehen muss, erkennt er seine Fehler und stirbt nur einige Zeit später im Kreise seiner Liebsten an einem Herzinfarkt. Ein urkomisch tristes Szenario eines allzu menschliches Schicksals, das berührt. Dann ist da zum anderen das Gebrüder-Trio in »DARJEELING LIMITED« von 2007, das nach langer Funkstille vermeintlich zufällig in einem Zug nach Indien aufeinander trifft. Die Begegnung entpuppt sich allerdings als vom ältesten Bruder heimlich geplante Zusammenkunft, welche ihn und seine Brüder zur gemeinsamen Mutter führen soll, die Leiterin eines christlichen Klosters in Indien. Und so ganz nebenbei geht es um gemeinsamen Medikamentenkonsum, spirituelle Rituale und das Verarbeiten aus den Fugen geratener Lebensumstände auf einer abenteuerlichen Reise.

FILMOGRAFIE

BOTTLE ROCKET (Kurzfilm), 1994

DURCHGEKNALLT, 1996

RUSHMORE, 1998

DIE ROYAL TENENBAUMS, 2001

DIE TIEFSEETAUCHER, 2004

DARJEELING LIMITED, 2007

DER FANTASTISCHE MR. FOX, 2009

MOONRISE KINGDOM, 2012

GRAND BUDAPEST HOTEL, 2014

ISLE OF DOGS, 2018

HOTEL CHEVALIER (Kurzfilm), 2007

»Meine Erfahrung bei der Arbeit mit Kindern ist, dass der ganze Film auf ihren Schultern ruht - also muss man warten, bis dieperfekt Personauftaucht.«

Moonrise Kingdom (2012)

WES ANDERSON & BILL MURRAY

»Ich liebe es, mit Schauspielern zu arbeiten.Das ist es, was ein Set für mich bedeutet:Es ist meine Zeit mit Schauspielern.«

Was inspiriert Wes Anderson, fragt man sich, um menschliche Eigenbrötler zu kreieren, wie etwa Max Fischer in »RUSHMORE« (1998), den keiner so richtig mag, bis auf den eigens verrückten Unternehmer mit dem entzückenden Namen Herman Blume, der Max unterstützt und beisteht. Worum geht es Anderson, wenn er mit »MOONRISE KINGDOM« (2012) einen Kinderfilm für Erwachsene dreht, der durch zwei Heranwachsende, Sam und Suzy, eine Fabel, eine Art Abhandlung über die große Liebe voller Hingabe und Entschlossenheit liefert? Dann geht es um die künstlerische Macht des Films, Veränderungen in bestehenden Denkmustern herbeizurufen und zu inspirieren. Und dann ist einfach alles fabelhaft!

Immer wieder gelingt es Anderson, brillante Parallelwelten zu erschaffen und den Zuschauer in moderne Märchen zu entführen. Mit »THE GRAND BUDAPEST HOTEL« schließlich – und hier sind sich die Kritikerstimmen durchaus einig – ist Anderson ein filmisches Meisterwerk gelungen. In dieser weiteren Tragikomödie erscheint das einst strahlende Grand Hotel als bonbonfarbenes Puppenhaus umgeben vom Setting eines wunderschönen, endlosen Sonnenuntergangs, und einem Himmel, der ab und zu betörend wehmütig schneit. Die Handlung spielt sich an einem weit abgelegenen, nie dagewesenen Ort ab, »an der östlichsten Grenze des europäischen Kontinents«, wie die Erzählstimme im Film erklärt. Ein Mord geschieht, ein Dieb taucht auf, und irgendwo verschwindet ein Gemälde, doch wer ist der Schuldige in diesem bunten Theaterstück aus Intrigen und bösartigen Zufällen?Andersons Geschichte beschwört eine längst vergesse Vergangenheit herbei, und präsentiert ein visuell surreales Kunstwerk, dessen glänzende Farbkompositionen vereinnahmen. Wie in all seinen Filmen zeigt sich auch hier Andersons unfassbare Phantasie, die keine Grenzen kennt. Indem er filmische Universen aus traumhaft-unwirklichen Bildern und noch schöneren Charakteren erschafft, in denen alles einer weit entfernten Welt zu entstammen scheint, begibt sich der Zuschauer auf wahrnehmungsverändernde Erfahrungsreisen, in denen er nicht mehr und nicht weniger auf Magisches trifft.

THE GRAND BUDAPEST HOTEL (2014)

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