ÖS T E RRE I C H
COBRA
E IN SAT Z KO M M AN D O
Einsatzkommando „Cobra“ – Österreich
Die Erinnerungen an das Attentat des palästinensischen Terrorkommandos „Schwarzer September“ während der Olympischen Spiele in München 1972 waren noch überaus präsent, als sich Österreich plötzlich ebenfalls als Ziel palästinensischer Terroristen wiederfand. Ein Jahr nach den Ereignissen in München nahmen am 28. September 1973 zwei schwerbewaffnete Terroristen der palästinensischen Gruppierung „Al-Saika“ am Grenzbahnhof Marchegg mehrere Juden als Geiseln. Der Bahnhof diente damals für die aus der UdSSR ausreisenden jüdischen Emigranten als wichtiger Anlaufpunkt auf ihrer Weiterreise nach Israel. Glücklicherweise endete die Geiselnahme unblutig. Dieses Glück blieb jedoch nicht von langer Dauer. Am 21. Dezember 1975 stürmte ein international zusammengesetztes Terrorkommando mit dem Namen „Arm der arabischen Revolution“ die OPEC-Zentrale in Wien. Das Kommando stand unter der Führung des berüchtigten, venezolanischen Top-Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, volkstümlich bekannt als „Carlos“ oder „Der Schakal“. Zwei Delegierte und ein irakischer Sicherheitsmann wurden erschossen sowie elf Minister als Geiseln genommen. Ein Befreiungsversuch der Polizei scheiterte dramatisch. Unter anderem wurde der Einsatzleiter der Polizei angeschossen und schwer verletzt. Die Polizei, die damals nicht über die adäquaten Einsatzmittel- und auch nicht über die spezifischen Einsatztaktiken verfügte, musste die Terroristen nach Verhandlungen ausfliegen lassen. Der Bedarf an speziell ausgebildeten Polizeibeamten wurde mehr als offensichtlich. Als Konsequenz aus all diesen Ereignissen wurde am 1. Januar 1978 das Gendarmerieeinsatzkommando (GEK) mit 127 Mann in Dienst gestellt. Vor allem die deutsche GSG 9 und die französische GIGN standen dem GEK beim Aufbau beratend zur Seite.
Fahnentrupp der Ehrenformation des Gendarmerieeinsatzkommandos 2021. 258
Einsatzkommando „Cobra“
In Anlehnung an die amerikanische Krimiserie „Mission: Impossible“, die im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Kobra, übernehmen Sie“ lief, verlieh ein österreichisches Printmedium in den 1970er-Jahren dem GEK das Synonym „Cobra“. Mehr und mehr setzte sich der Name „Cobra“ auch intern durch. Offiziell in den Einheitsnamen wurde „Cobra“ im Jahr 2002 übernommen und ist symbolisch auch im Einheitsabzeichen zu finden.
Struktur Seit der Gründung untersteht die Cobra dem Bundesministerium für Inneres (BMI). Dort ist sie direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit unterstellt, der die gesamte österreichische Polizei in seinem Verantwortungsbereich hat. Im Jahr 2013 wurden im Zuge einer umfassenden Organisationsreform die vier bislang autark im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums organisierten Spezialverwendungen • Einsatzkommando Cobra, • Entschärfungsdienst, • Operative Ausgleichsmaßnahmen (heute Referat für Fahndungstechnik) und die • Spezialisierte Observation … in der neuen Direktion „Einsatzkommando Cobra/ Direktion für Spezialeinheiten (EKO Cobra/DSE)“ zusammengeführt. Das Hauptquartier des EKO Cobra befindet sich seit Oktober 1992 in der Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt, rund 30 Kilometer südlich der österreichischen Bundeshauptstadt Wien. Dort hat auch die militärische Spezialeinheit des Bundesheeres, das Jagdkommando, ihren Sitz. Bei der Errichtung der fünf EKO Cobra-Standorte in Wiener Neustadt, Wien, Graz, Linz und Innsbruck sowie der drei operativen Außenstellen in den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg wurde der Vor-
gabe Rechnung getragen, dass jede Einsatzörtlichkeit im gesamten Bundesgebiet innerhalb von höchstens 70 Minuten erreicht werden soll. Für jeden Standort sind primäre örtliche Zuständigkeiten definiert, jedoch unterstützten sich die Standorte natürlich bei Einsatzlagen und Exekutivdiensten gegenseitig, was beinahe täglich vorkommt. Durch diese regionale Streuung der Standorte ist die Einsatz-Antrittszeit des EKO Cobra im internationalen Vergleich gesehen sehr kurz. In den Ballungszentren Österreichs sind EKO CobraKräfte schon binnen Minuten vor Ort, weil sich die Einsatzstandorte der Cobra in den größeren Städten Österreichs befinden. An jedem Standort und in den operativen Außenstellen ist die Einsatzabteilung in Form von mehreren Einsatzmo-
Angehörige des damaligen Gendarmerie einsatzkommandos (GEK) bei einer Übung Ende der 1970er-Jahre dulen organisiert. Die Anforderung von Cobra-Einsatzkräften erfolgt im Regelfall direkt von den lokalen Polizeidienststellen an die örtlich zuständige Cobra-Dienststelle. Organisatorisch ist die Direktion in drei Abteilungen und das Referat für Stabsangelegenheiten gegliedert, denen der Direktor vorsteht. In der Abteilung 1 befinden sich das Personalmanagement, die Budgetverwaltung, die Technik und Infrastrukturangelegenheiten. Die Abteilung 2 ist für die Spezialkräfte „Entschärfungsdienst“, „Observation“, „Personenschutz“, „Air-MarshalWesen“, „Fahndungstechnik“ oder „Cobra Grund- und Spezialausbildung“ zuständig. 259
SPA N I E N
UEI
U NIDAD E S PEC I AL D E IN T E RV E N C IÓ N
Unidad Especial de Intervención „UEI“ – Spanien
Am 3. Juni 1978 stellte die spanische Guardia Civil ihr erstes, eigenes Spezialeinsatzkommando vor: die Grupo Especial de Intervención (GEI). Die Ereignisse während der Olympischen Spiele in München 1972 und die zunehmende Bedrohung durch den Terrorismus der Separatistenbewegung ETA (Euskadi Ta Askatasuna) in den nördlichen Regionen Spaniens zeigten die Notwendigkeit, dass eine spezialisierte Einheit erforderlich war, die derartige Bedrohungen bewältigen konnte. Zwei spanische Offiziere absolvierten einen der ersten Grundkurse bei der französischen GIGN und kehrten danach nach Spanien zurück, um die erlernten Techniken zu modifizieren und anzuwenden und um eine neue Einheit zu erstellen. Vier Jahre später, am 3. Februar 1982, wurde durch die Generalverordnung Nr. 6 GEI in UEI (Unidad Especial de Intervención) umbenannt und vergrößert. Nach mehreren Standortverlegungen befindet sich das Hauptquartier von UEI seit Ende der 1990er Jahre in Valdemoro, einer Stadt südlich von Madrid. Dort stehen exklusive Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung, beispielsweise ein Trainingsturm, ein Innen- und Außenbereich für taktisches Schießen, ein Boing-Rumpf und Waggons für das Üben von Zugerstürmungen. Der Indoor-Schießstand kann so konfiguriert werden, dass verschiedene Szenarien trainiert werden, u.a. eine Flugzeugkabine.
UEI-Operator der „ersten Stunde“. Im Juni 1978 wurde UEI in Dienst gestellt. 312
Struktur und Aufgaben Bei der Guardia Civil handelt es sich um eine Polizeiorganisation auf nationaler Ebene mit einer Personalstärke von rund 85.000 Angehörigen. Die Besonderheit der Guardia Civil ist, dass sie neben polizeilichen auch militärische Aufgaben übernimmt. Daher untersteht sie sowohl dem Innenministerium (polizeiliche Aufgaben) als auch dem Verteidigungsministerium (militärische Aufgaben). Als Spezialeinheit innerhalb der Guardia Civil gilt diese doppelte Zuständigkeit somit auch für UEI. Der UEI-Kommandeur steht unter direktem Kommando des stellvertretenden operativen Direktors (DAO), dem ranghöchsten General der Guardia Civil.
Die UEI nimmt in ganz Spanien sowie auf besondere Anordnung im Ausland die folgenden Aufgaben gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag wahr: • Intervention bei Geiselnahmen und Entführungen • Festnahme von Schwerkriminellen und Terroristen • Intervention bei gefährlichen oder bedrohlichen, geistig verwirrten oder besonders aggressiven Personen • Personenschutz von Würdenträgern und VIP • Intervention bei Straftaten, die eine hochspezialisierte und schnelle Reaktion erfordern.
Unidad Especial de Intervención „UEI“ – Spanien
2008
2009 2016
2016 2018
Der EU-Rat genehmigt mit dem Beschlusspapier 2008/616/JI die engere Zusammenarbeit europäischer Antiterror-Einheiten, von der auch UEI profitiert UEI wird Mitglied des ATLAS-Forum „Verhandlungen“ UEI wird Mitglied des ATLAS-Forums „Innovationen“ (ehemals Drohnen-Projekt). besuchte Felipe VI., König von Spanien, die UEI-Einrichtung in Valdemoro UEI feiert das 40-jährige Dienstjubiläum.
Auswahl und Training UEI führt jedes Jahr eine acht Monate dauernde Grundausbildung für angehende Operator durch. Voraussetzung für die Teilnahme ist das Bestehen eines einwöchigen Auswahlverfahrens. Dieses umfasst psychische und physische Prüfungen, Verhaltenstests unter Stress und das Lösen von anspruchsvollen Aufgaben allein oder im Team. Die Durchfallquote liegt bei rund 90%. „Hot breaching“: Der Zugang mit Hilfe von Sprengstoff.
Erfolgreiche Aspiranten beginnen dann die Grundausbildung, die auf den Dienst in UEI vorbereitet. Die Inhalte sind: • Fitnesstraining • Kampfsport und Selbstverteidigung • Schießen mit Kurz- und Langwaffen • Präzisionsschießen • Häuserkampf • maritime Einsatztaktiken • Personenschutz • Fallschirmspringen (Automatik). Die Grundausbildung bildet für die Operator den Ausgangspunkt, um ihre Fähigkeiten kontinuierlich auszubauen und zu optimieren. UEI unterhält sehr gute Beziehungen zu nationalen Eisenbahngesellschaft RENFE (Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles) sowie zur Fluggesellschaft Iberia. Hierdurch können regelmäßige Übungen mit den entsprechenden Transportmitteln durchgeführt werden. In den 1980er- und 1990er-Jahren verbesserte UEI die Kompetenzen in Bezug auf maritime Einsatzlagen nachhaltig. Gemeinsame Übungen mit
der spanischen Marine sind seither ebenso Standard wie auf Passagierfähren/-schiffen. UEI ist zudem Mitglied der maritimen Expertengruppe im ATLAS-Verbund. Nach der Grundausbildung müssen die Operator spezielle Funktionen in ihren Einsatzeinheiten übernehmen und hierfür die erforderlichen Lehrgänge absolvieren. UEI bietet intern Fortbildungen zum Präzisionsschützen an oder an externen Ausbildungseinrichtungen zum Entschärfer, Taucher, Sanitäter, Verhandler, Kommunikationstechniker oder Bootsführer.
Bewaffnung Jeder Operator der UEI verfügt über drei persönliche Waffen: • Glock 17, Kaliber 9 × 19 mm • HK MP5 A3, Kaliber 9 × 19 mm • HK 417, Kaliber 7,62 × 51 mm NATO. Neben diesen Grundwaffen verwenden die Präzisionsschützen die Accuracy International AXMC im Kaliber .308 und .338 Win. und Barrett Kaliber 50. Bei Interventionen werden einsatzabhängig zusätzliche Waffen eingesetzt, beispielsweise B&T GL06 Granatwerfer, Kaliber 40 mm, diverse Schrotflinten der Herstellerfirmen Mossberg und Remington oder die Maschinenpistole P90 des Herstellers Fabrique Nationale (FN) Herstal im Kaliber 5,7 × 28 mm.
Unidad Especial de Intervención (UEI) Land:
Spanien
Gründungsjahr:
1978
Beitritt ATLAS-Verbund: 2001 Homepage:
318
www.guardiacivil.es