Rettungsdienst kompakt Band 3: Reanimation aktuell

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Band 3

Klar strukturierte Handlungsabläufe für die präklinische Reanimation muss jeder im Rettungsdienst Tätige sicher beherrschen. Verständlich und praxisnah aufbereitet, stellt dieses Buch die Guidelines des European Resuscitation Council aus dem Jahr 2005 vor und ebnet damit den Weg zu einer einheitlichen Vorgehensweise.

Rettungsdienst kompakt 3 Reanimation aktuell

Frank Flake, Klaus Runggaldier (Hrsg.) Band 3

Praxiswissen

P

Thomas Semmel

Reanimation aktuell

Thomas Semmel

Reanimation aktuell

ISBN-10: 3-938179-26-0 ISBN-13: 978-3-938179-26-0

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18.01.2007 9:02:17 Uhr


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© Copyright by Stumpf und Kossendey Verlagsgesellschaft mbH, Edewecht 2006 Umschlagfotos: F. Flake und Th. Semmel Satz: Weiß & Partner, Oldenburg Druck: Dato Druck GmbH & Co. KG, Oldenburg ISBN 978-3-938179-26-0 ISBN 978-3-938179-21-5 (Gesamtausgabe)

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Band 3 (herausgegeben von Frank Flake und Klaus Runggaldier)

Thomas Semmel

Reanimation aktuell ERC-Guidelines 2005

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Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey • Edewecht

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Piktogramme

Erläuterung der Piktogramme

Definition

Tipps

Merke!

Gefahren / Problem

Der Autor des vorliegenden Buches verwendet für den Begriff »pulslose ventrikuläre Tachykardie« die Abkürzung »pVT« (in der aktuellen Fachliteratur gelegentlich auch als »PVT«, analog zu »SVT« für »supraventrikuläre Tachykardie« zu finden). 4

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Inhalt

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Einführung 1.1 Geschichte 1.2 Daten zum Herzstillstand

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Basic Life Support (BLS) 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

3

Elektrotherapie 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

4

Überlebenskette Ablauf BLS Seitenlage Atemwegsverlegungen durch Fremdkörper Einsatz eines AED

Sichere Defibrillation Anbringen der Elektroden Klebe-Pads oder Paddles? Energiestufen Defibrillation von Kindern Präkordialer Faustschlag Kardioversion und Pacing

Advanced Life Support (ALS) 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

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Klinische Reanimation Universalalgorithmus VF und pVT Asystolie und PEA Gefäßzugang / Medikamente Die »4 H« und die »HITS« – reversible Ursachen

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Inhalt

4.7 Atemwegsmanagement 4.8 Lebensbedrohliche Arrhythmien 4.9 Post-Reanimationsphase 4.10 Reanimation im Ret­tungsdienst – ein Vorschlag 5

MONA 5.1 5.2 5.3 5.4

Symptome und Diagnostik Akutmaßnahmen Reperfusion Tipps zur EKG-Ableitung

6 Reanimation von Kindern 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7

Änderungen Basismaßnahmen Atemwegsverlegung ALS – Universalalgorithmus Kinderreanimation Neugeborenen-Reanimation

Kalt und giftig – Reanimation unter besonderen Umständen 7.1 Hypothermie 7.2 Vergiftungen 7.3 Schwangeren-Reanimation

8

45 52 58 59 64 64 65 66 67 69 69 71 75 76 83 86 86 87 88

Ethische Aspekte und der Umgang mit Angehörigen 90 8.1 Ethische Aspekte der Reanimation 8.2 Umgang mit Angehörigen

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Literatur / Abbildungsnachweis

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Autor / Herausgeber

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Vorwort

Vorwort Ende 1990 begeisterten mich neue Konzepte von erweiterten Maßnahmen bei Reanimationen, wie Defibrillation, Intubation und die Gabe von ausgewählten Medikamenten. Und so waren meine Erwartungen an klar strukturierte und einheitliche Handlungsabläufe für die Reanimation für alle Mitarbeiter im Rettungsdienst hoch. Doch meine Tätigkeit als Ausbildungsleiter Rettungsdienst und der Kontakt mit Auszubildenden, die von Rettungsdienstschulen aus dem gesamten Bundesgebiet kommen, hat in den letzten Jahren etwas anderes gezeigt: Nur wenige halten sich an die Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC) und ziehen stattdessen eigene Rezepte vor, obwohl das strukturierte Vorgehen und die Einhaltung der aktuellen Empfehlungen den Patienten nachweislich häufiger das Überleben sichern. Dieses Buch soll dazu beitragen, das große Ziel einer einheitlichen Vorgehensweise zu erreichen. Es stellt die Emp-

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fehlungen des ERC aus dem Jahr 2005 in kompakter und praxisorientierter Form dar und gibt Tipps für das Vorgehen im rettungsdienstlichen Einsatz. Eine tabellarische Übersicht der wichtigsten Medikamente im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation rundet den Inhalt ab. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die Kurse des ERC. Europaweit werden jedes Jahr Kurse zum Advanced Life Support für Erwachsene und auch für Kinder angeboten. Weitere Informationen sind unter www. erc.edu abrufbar. Mein Dank gilt den Herausgebern Frank Flake und Dr. Klaus Runggaldier für das in mich gesetzte Vertrauen und die wertvollen Anregungen. Danken möchte ich besonders meiner Familie für ihr Verständnis und ihre Unterstützung. Dank auch an meine beiden Fotomodelle, Christian Häfner und Jan Hempfling. Thomas Semmel Gründau, im November 2006 7

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Geschichte

1 Einführung Wer steckt eigentlich hinter Empfehlungen wie den neuen Guidelines zur Reanimation 2005? Welcher Weg war bis zu der Fertigstellung der Guidelines zu beschreiten, und aus welchem Grund gibt es sie überhaupt? Das folgende Kapitel beantwortet diese Fragen und führt den Leser in die Thematik des Buches ein. 1.1 Geschichte Im Jahr 1993 wurde das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) begründet, um internationale wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen im Zu­sam­menhang mit der kar­ dio­pulmonalen Reanimation zu sichten und daraus Empfehlungen abzuleiten. Das ILCOR stellt den weltweiten Verband aller Gremien dar, die sich mit der kardiopulmonalen Re­animation beschäftigen. Zum ILCOR gehören u.a. die American Heart Association (AHA), das European Resuscitation Council (ERC), die Heart and Stroke Foundation of Canada (HSFC) und noch einige andere mehr.

Die Entwicklung der Guidelines 2005 begann bereits im Jahr 2003. Hier wurden von dem ILCOR Arbeitsgruppen u.a. zu den Themen Basic Life Support (BLS) und Advanced Life Support (ALS) gebildet. Im Januar 2005 fand in Dallas (Texas) die »International Consensus on Science Conference on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Science with Treatment Recommendations« statt. An dieser Konferenz nahmen 380 Wissenschaftler aus 18 Ländern teil. Im Rahmen der Konferenz wurden die »2005 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations« (CoSTR) aufgestellt. Aus diesen internationalen Empfehlungen leiten sich nun die Empfehlungen des ERC zur Wiederbelebung ab. Sie sind den Voraussetzungen in Europa, unter anderem in Bezug auf Ausstattung und Ausbildung der beteiligten Institutionen und Berufsgruppen, angepasst. Die Guidelines

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Daten zum Herzstillstand

2005 werden von allen renommierten Experten und medizinischen Fachgesellschaften als die bisher effektivsten Maßnahmen und als die am einfachsten zu erlernenden Interventionen im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation, basierend auf dem derzeitigen Stand der Forschung, bezeichnet. 1.2 Daten zum Herzstillstand Der plötzliche Herzstillstand ist verantwortlich für mehr als 60% der Todesfälle bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass in über 80% der außerhalb einer Klinik stattgefundenen Herzstillstände bei Erwachsenen mutmaßlich eine kardiale Erkrankung zugrunde liegt. Nicht-kardiale internistische Ursachen werden in einer etwa 21.000 Patienten umfassenden Studie mit 8,6% angegeben. Hierzu gehören u.a. Lungenerkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Krebs, gastrointestinale Blutungen und Lungenembolie. Nicht-internistische Ursachen sind das Trauma (3,1%) sowie Drogenüberdosierungen (1,9%) und andere. Ertrin-

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kungsunfälle machen lediglich 0,5% der Todesfälle aus. Stromunfälle und der Blitzschlag kommen mit 0,1% noch seltener vor. Jährlich werden außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstände von Rettungsdiensten in Europa mit einer Häufigkeit von 38 pro 100.000 Einwohnern behandelt. Kammerflimmern als vorgefundener Rhythmus des Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand hat hierbei eine Inzidenz von 17 pro 100.000 Fällen. Ein Drittel aller Patienten, die einen Myokardinfarkt erleiden, stirbt, bevor es eine Klinik erreichen kann, die meisten Patienten sterben innerhalb einer Stunde nach Symptombeginn. Kammerflimmern oder eine pulslose ventrikuläre Tachykardie sind die häufigsten vorgefundenen Rhythmen. Die einzige wirksame Therapie ist die frühe Defibrillation. Hierunter ist aber keinesfalls nur die so genannte Frühdefibrillation mittels halbautomatischen Defibrillatoren zu verstehen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Patient mit Strom behandelt wird. Auf welche Weise das geschieht, ob mit konventionellen oder 9

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Daten zum Herzstillstand

halbautomatischen Geräten, ist irrelevant. Mit jeder Minute, die zwischen dem Herz-Kreislauf-Stillstand und der Defibrillation vergeht, sinkt die Überlebensrate um 7 – 10%. Ein Drittel aller Pati­ enten mit Myokard­ infarkt stirbt, bevor es die Klinik erreicht. Bei solchen Einsätzen gilt: ständige Rea­ nimationsbereitschaft!

Nur gut trainierte Rettungs­ teams können einen HerzKreislauf-Stillstand effektiv

behandeln. Eine sehr gute Kenntnis der Algorithmen ist dabei erforderlich, um alle notwendigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen. Es sollte ohne Stress vorausschauend gearbeitet und der Einsatzablauf vorab geplant werden. Die effektivste Methode ist sicher die Prävention des Herz-Kreislauf-Stillstandes. Dafür ist es notwendig, lebensbedrohliche Situationen zu erkennen und umgehend zu behandeln. Die Beurteilung von Patienten spielt hierbei eine wichtige Rolle.

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Überlebenskette

2 Basic Life Support (BLS) Ohne die Durchführung von Basismaßnahmen hat auch die Anwendung erweiterter Maßnahmen wenig Sinn. Mit den neuen Guidelines wird die hohe Bedeutung optimal ausgeführter und nur kurz für die Durchführung erweiterter Maßnahmen unterbrochener Basismaßnahmen deutlich. Eines ist sicher, jeder Patient mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand profitiert von optimal ausgeführten Thoraxkompressionen mehr als von einem zu schnell und ungenau durchgeführten ALS-Algorithmus.

Ohne erfolgreiche und gute Basismaßnahmen gelingt keine Reani­ mation, daher sind die Basismaßnahmen auch für profes­ sionelle Rettungsdienstmitarbeiter immer das erste Mittel der Wahl.

2.1 Überlebenskette Dass eine Kette nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied, ist hinlänglich bekannt. Der Patient mit Herz-KreislaufStillstand braucht jedes Glied der Überlebenskette und nur wenn alle Kettenglieder sehr stark sind, steigen auch die

Frühes Entdecken

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Frühe CPR

Frühe Defibrillation

Adäquate Therapie in der Postreanima­ tionsphase

Abb. 1: Überlebenskette 11

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Überlebenskette

Chancen des Patienten, den Herz-Kreislauf-Stillstand zu überleben. Das frühe Entdecken des Herz-Kreislauf-Stillstandes und die frühe Aktivierung des Rettungssystems stellen das erste Glied der Kette dar. Und gerade hier ist Deutschland noch weit vom Status »optimal« entfernt. Viel mehr Menschen müssen davon überzeugt werden, dass Erste Hilfe wichtig und einfach zu erlernen ist. Hier kann sicher das Personal im Rettungsdienst, aber auch Mitarbeiter in den Kliniken und in Arztpraxen wertvolle Unterstützung leisten. Patienten und deren Angehörige sollten auf die Bedeutung der Ersten Hilfe angesprochen und dazu animiert werden, entsprechende Kurse zu besuchen. Eine solche, möglichst umfassende Motivation zur Ersten Hilfe ist deshalb so wichtig, weil sich die meisten Herz-Kreislauf-Stillstände im häuslichen bzw. familiären Umfeld ereignen. Das zweite Kettenglied betrifft die Basismaßnahmen. Frühe Thoraxkompressionen, und im Idealfall auch die Beatmung durch Umstehende, können zu

einer Verdopplung der Überlebensrate führen. Die frühe Defibrillation, die gleichzeitig Kettenglied Nummer drei darstellt, verbreitet sich immer mehr in Deutschland. Dass das Rettungsfachpersonal defibrilliert, gehört bereits seit Jahren zum Standard der Versorgung. Das vierte Kettenglied beschreibt die Postreanimationsphase, also die Versorgung nach überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand. Sie hat zum Ziel, eine normale Hirnfunktion, einen stabilen Herzrhythmus und eine normale Hämodynamik zu erreichen. Diese Phase beginnt selbstverständlich nicht erst in der Klinik, sondern schon außerhalb der Klinik an der Einsatzstelle. 2.2 Ablauf BLS »So einfach wie möglich«, so kann der neue Algorithmus zur Laien-Basisreanimation getrost beschrieben werden. Und fast ebenso einfach ist der Algorithmus für professionelle Helfer. Einen großen Stellenwert hat die Eigensicherung der Hel-

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Ablauf BLS

fer erlangt. Der Mitarbeiter im Rettungsdienst kennt die Eigensicherung von Unfallstellen, weiß, dass z.B. beim Vorhandensein von Atemgiften ein gefahrloses Herantreten an die Einsatzstelle nicht möglich ist. Aber wer rechnet schon unmittelbar mit Gefahren für Leib und Leben beim Einsatzstichwort »Reanimation« oder »leblose Person«? Auch von unerwarteter Seite kann mitunter eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Helfer ausgehen, beispielsweise durch einen anwesenden Hund. Eigenschutz bzw. Eigen­ sicherung ist an jeder Einsatzstelle notwendig, egal ob Verkehrsunfall oder Reanimation in einer Woh­ nung. Was für den professionellen Helfer gilt, hat selbstverständlich auch für den Laienhelfer Gültigkeit.

Ist die Notfallstelle als sicher eingestuft, kann der Helfer an den Patienten herantreten. Schon bei der ersten Annäherung ist es sinnvoll, den Patienten laut anzusprechen. Reagiert der Patient nicht, kniet sich der Helfer neben den Patienten, rüttelt diesen

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vorsichtig an den Schultern und spricht den Patienten ein weiteres Mal an. Reagiert der Patient, sollte der Laie ihn in der vorgefundenen Position belassen und betreuen, sofern keine weitere Gefahr droht. Ist weitere Hilfe erforderlich, muss diese natürlich herbeigeholt werden. Reagiert der Patient wiederum nicht, ist laut nach Hilfe zu rufen. Falls weitere Personen anwesend sind, ist ein Einzelner gezielt und mit einem konkreten Auftrag anzusprechen: z. B. »Hallo, Sie mit der roten Jacke, rufen Sie bitte die 112 an und bestellen Sie den Rettungsdienst hierher!« Ein ungerichteter Ruf in die Menge verhallt oft ungehört. Umstehende direkt ansprechen und klare Handlungsanweisun­ gen geben!

Nun sind umgehend Atemweg und Atmung zu kontrollieren. Hierzu wird der Betroffene auf den Rücken gedreht. Der Kopf wird zum Öffnen der Atemwege vorsichtig überstreckt und das Kinn angehoben. Dazu legt der Helfer eine Hand auf 13

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Ablauf BLS

die Stirn und die Fingerspitzen der anderen Hand unter das Kinn des Patienten.

Thoraxbewegungen. Außerdem hört er auf Atemgeräusche des Patienten und fühlt an seiner Wange, ob Atemluft ausströmt. Die Atemwegs- und Atmungskontrolle darf nicht mehr als 10 Sekunden in Anspruch nehmen. In den ersten Minuten nach Herz-KreislaufStillstand haben Pati­ enten häufig Schnapp­ atmung; diese nicht als normale Atmung interpretieren!

Abb. 2: Atemweg freimachen

Jetzt muss sofort die Atmung kontrolliert werden. Dazu beugt der Helfer seinen Kopf direkt über das Gesicht des Betroffenen und schaut nach

Abb. 3: Atmung kontrollieren

Atmet der Patient normal, ist er in die Seitenlage zu bringen. Hier empfiehlt das ERC die so genannte Recovery Position (Abb. 6 – 9). Falls noch nicht geschehen, muss Hilfe geholt und vor allen Dingen die Atmung kontinuierlich überprüft werden. Atmet der Betroffene nicht »normal«, das heißt sind keine Atembewegungen oder Geräusche festzustellen, soll der Helfer Umstehende anweisen, professionelle Hilfe zu holen. Falls niemand da ist, muss der Patient gegebenenfalls kurzzeitig verlassen werden, um den Notruf abzusetzen. Danach muss mit der

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Ablauf BLS

Thoraxkompression begonnen werden.

nur so hat das Herz die Chance, sich wieder komplett zu füllen.

Bei Erwachsenen keine initialen Beatmungen mehr durchführen! Die Wiederbelebung be­ginnt mit der Thoraxkompression.

Nach 30 Thoraxkompressionen folgen zwei Beatmungen. Auf ein sichtbares Heben und Senken des Thorax ist zu achten. Hebt sich der Thorax bei der Beatmung nicht, ist der Mund-Rachenraum auf Fremdkörper zu untersuchen und diese gegebenenfalls zu entfernen. Thoraxkompressionen und Beatmung sind im Verhältnis 30:2 fortzuführen, bis der Betroffene wieder normal zu atmen beginnt, professionelle Helfer die Wiederbelebungsmaßnahmen übernehmen oder der Helfer selbst erschöpft ist und die Maßnahmen nicht m e h r d u rc h f ü h re n ka n n (Abb. 4 – BLS-Algorithmus).

Der Helfer kniet sich neben den Patienten, platziert seinen Handballen in der Thoraxmitte, die andere Hand wird dar­ über gelegt. Wichtig ist, dass die Kompression nur mit dem Handballen und nur auf dem Sternum ausgeführt wird. Die Schultern des Helfers befinden sich senkrecht über dem Druckpunkt, die Arme sind durchgestreckt. Die Kraft für die Thoraxkompression kommt aus dem Rücken des Helfers. Der Brustkorb ist mit einer Frequenz von 100/min und einer Drucktiefe von 4 – 5 cm zu komprimieren. Nach jeder Kompression muss der Brustkorb komplett entlastet werden, ohne dass die Hände des Helfers den Kontakt zur Haut des Patienten verlieren. Die richtige Drucktiefe ist ge­nauso wichtig wie die komplette Entlastung des Thorax,

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Sieht sich ein Helfer nicht in der Lage, einen Patienten zu beatmen, besteht auch die Möglichkeit, nur Thoraxkompressionen durchzuführen, diese dann allerdings ohne Unterbrechung und mit einer Frequenz von 100/min. Überhaupt keine Maßnahmen einzuleiten stellt auf jeden Fall die schlechteste Alternative für den Patienten dar. 15

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Klebe-Pads oder Paddles?

Elektrode rechts neben dem Sternum unterhalb der Klavikula und die linke Elektrode in der mittleren Axillarlinie auf Höhe des 5. ICR (Interkostalraum, Zwischenrippenraum) platziert werden.

tig laterale Position oder die Links-Anterior/Posteriorposition der Elektroden. Die optimale Position der Defi bri l lations­ elektroden ist entschei­ dend.

3.3 Klebe-Pads oder Paddles? Für die Defibrillation stehen zum einen konventionelle Defibrillation-Paddles, zum anderen so genannte Klebepads zur Verfügung.

Abb. 14: Klebepads

Trä g t d e r Pa t i e nt e i n e n im­plantierten Schrittmacher oder einen automatischen implantierbaren Defibrillator (AICD), sollten die Elektroden nicht direkt darüber platziert werden, da dies zu Schädigungen führen kann. In diesem Fall kann die betreffende Elektrode unterhalb des Gerätes positioniert werden. Alternative Elektrodenpositionen sind z.B. die beidsei-

Bei der Verwendung von konventionellen Paddles muss der transthorakale Widerstand durch ausreichenden Anpressdruck (Erwachsene = 8 kg; Kinder von 1 – 8 Jahren bei Verwendung von ErwachsenenPaddles = 5 kg) und durch die Anwendung eines speziellen Elektrodengels oder Gelpads reduziert werden.

Abb. 15: Konventionelle Defibrillation

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Energiestufen

Konventionelle Paddles dürfen nur zwei gemeinsame Plätze haben, nämlich in den dafür vorgesehenen Haltern am Defibrillator oder auf dem Thorax des Patienten. Um absolute Sicher­ heit zu gewährleisten, dürfen konventionelle Paddles nie gemeinsam zum oder vom Thorax des Patienten gebracht werden. Der Grund hierfür ist, dass sehr schnell versehentlich die Ladetaste gedrückt wird und die Paddles sich in geladenem Zustand in der Luft befinden.

Sowohl mit konventionellen Paddles als auch mit KlebePads ist eine Schnellableitung des EKG möglich. Daher kann die Entscheidung für eine frühe Defibrillation – bei entsprechender Schulung zu der Thematik Rhythmusdiagnostik – schnell getroffen werden. Bei der Verwendung konventioneller Paddles ist darauf zu achten, dass das Elektrodengel nicht auf dem Thorax zwischen den Elektroden verschmiert wird und sich eine Gelbrücke bildet. Dies würde die Gefahr einer Entzündung verstärken.

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Einfacher und wohl auch sicherer in der Anwendung als Paddles sind die Klebepads. Elektrodengel nicht auf die Paddles aufbringen und verreiben, sondern in optimaler Menge an der entsprechenden Position auf dem Thorax!

Der transthorakale Widerstand ist vergleichbar mit dem der richtig angewendeten konventionellen Defibrillator-Paddles und genauso effektiv. Vorteil ist, dass der Anwender den Defibrillationsschock aus einer größeren Distanz zum Patienten abgeben kann. Die Defibrillationselektroden sollten eine Größe von 8 – 12 cm im Durchmesser haben. 3.4 Energiestufen Je nachdem, welches Gerät verwendet wird, sind unterschiedliche Energiestufen vorgegeben. Bei Verwendung eines monophasischen Gerätes wird bei der Defibrillation eines Erwachsenen ab dem ersten Schock mit maximaler Energie (360 Joule) gearbeitet. Biphasische Geräte weisen, je nach Hersteller, unterschiedliche Ener27

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Defibrillation von Kindern

giestufen auf. Der erste Schock erfolgt mit 150 – 200 Joule, alle weiteren Schocks mit einer Energie von 150 – 360 Joule. Auch für die Kardioversion (synchronisierte Defibrillation) haben sich die Energiestufen verändert. In Tabelle 2 sind die Energiestufen nach Art der Herzrhythmusstörung und der verwendeten Technologie (bi- oder monophasisch) dargestellt. Um die Unterbrechung der Thoraxkompressionen so kurz wie möglich zu halten, werden nur noch Einzelschocks abgegeben. Selbst sehr schnelle Defibrillatoren benötigen für eine dreistufige Schockserie weit über 30 Sekunden. In dieser Zeit findet zum einen kein Blutfluss statt, zum anderen hat sich gezeigt, dass beim

ersten Schock (biphasisch) eine Erfolgsrate von ca. 90% besteht. Bei persistierendem Kammerflimmern sind direkt auf den Schock folgende Thoraxkompressionen sinnvoller. 3.5 Defibrillation von Kindern Glücklicherweise ist ein HerzKreislauf-Stillstand bei Kindern selten. Kammerflimmern ist als Rhythmus in nur 7 – 15% der kindlichen Herz-KreislaufStillstände zu finden. Häufige Ursachen für ein Kammerflimmern bei Kindern und Jugendlichen sind angeborene Herzfehler, Hypothermie, traumatische Ereignisse inklusive Stromunfälle und Medikamentenüberdosierungen. Ein schneller Einsatz eines Defibrillators kann in solchen Fällen das Überleben verbessern. Die empfohlene Energie liegt

Energiestufen der Kardioversion Herzrhythmusstörung

Monophasisch

Biphasisch

Schmal-Komplextachykardie

100 Joule

70 – 120 Joule

Vorhofflattern

100 Joule

70 – 120 Joule

Breit-Komplextachykardie

200 Joule

120 – 150 Joule

Vorhofflimmern

200 Joule

120 – 150 Joule

Tab. 2

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Präkordialer Faustschlag

bei 4 Joule/kgKG, unabhängig davon, ob ein monophasischer oder biphasischer Defibrillator verwendet wird.

alen Faustschlags immer der Defibrillator angewendet werden, auch wenn dieser noch angeschlossen werden muss.

3.6 Präkordialer Faustschlag Tritt bei einem Patienten unter Monitoring ein Kammerflimmern oder eine pulslose ventrikuläre Tachykardie auf und ist kein Defibrillator in der Nähe, kann ein präkordialer Faustschlag versucht werden.

Die Anwendung eines präkordialen Faust­ schlags kann eine vor­ liegende Rhythmusstö­ rung verschlimmern, da durch den präkordialen Schlag ein elektrischer Impuls abgegeben wird. Dieser Impuls kann zu einer weiteren Instabilität des Reizleitungssystems des Herzens führen.

Für den präkordialen Schlag wird aus unge­ fähr 20 cm Höhe mit der Faust auf das unte­ re Sternumdrittel des Patienten geschlagen und die Faust nach Ausführung des Schlags sofort vom Sternum entfernt.

3.7 Kardioversion und Pacing Patienten mit bradykarden oder tachykarden Herzrhythmusstörungen und hämodynamischen Auswirkungen dieser Herzrhythmusstörung sollten im Falle einer tachykarden Herzrhythmusstörung kardiovertiert und im Falle einer bradykarden Herzrhythmusstörung mit einem transkutanen Schrittmacher versorgt werden.

Diese Maßnahme soll nur von darin geübtem Personal durchgeführt werden. Die Chance, durch den präkordialen Fautsschlag Kammerflimmern zu beheben, ist gering und scheint nur innerhalb der ersten 10 Sekunden nach Auftreten des Kammerflimmerns erfolgreich zu sein. Ist ein Defibrillator in der Nähe, sollte statt des präkordi-

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Bei der Kardioversion wird ein synchronisierter Schock abgegeben, d.h. der Defibrillator sucht nach R-Zacken und gibt nur in dieser Phase den Schock ab. Die Energiestufen richten sich nach der Form der Herzrhythmusstörung und der Art 29

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Kardioversion und Pacing

des verwendeten Defibrillators (Tab. 2). Die Defibrillationselektroden werden wie bei der nicht-synchronisierten Defibrillation platziert. Der Einsatz eines Schrittmachers (im Rettungsdienst handelt sich dabei um den transkutanen Schrittmacher) ist bei Patienten mit bradykarden und hämodynamisch wirksamen Herzrhythmusstörungen sinnvoll. Die Anlage eines Monitor-EKG ist ebenso notwendig wie eine Analgesie und Sedierung des Patienten unter Beachtung seines hämodynamischen Status. Im Falle eines HerzKreislauf-Stillstandes hat der Einsatz des transkutanen Schrittmachers nur noch bei Vorliegen einer ventrikulären Asystolie (im EKG sind nur noch P-Wellen zu sehen) Sinn. Moderne Defibrillatoren verwenden so genannte KombiKlebepads, mit denen sowohl eine Defibrillation, Kardioversion als auch das Pacing möglich ist. Im Reanimationseinsatz können die Klebepads in der gleichen Position wie bei der Defibrillation belassen werden. Zum transkutanen

Pacing bei hämodynamisch instabilen Patienten ist die Anterior/Posterior-Position der Klebepads auf Höhe der EKG-Elektroden V2 – V3 sinnvoll. Die Anlage eines MonitorEKG ist notwendig.

Abb. 16 – 17: Pacer in Position

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Klinische Reanimation

4 Advanced Life Support (ALS) Auch wenn die optimal ausgeführten Basismaßnahmen heute den größten Stellenwert einnehmen, sind dennoch bei reanimationspflichtigen Patienten häufig weitere Maßnahmen erforderlich. Allerdings dürfen diese Maßnahmen die Thoraxkompression nur so kurz wie möglich unterbrechen. Zu den erweiterten Maßnahmen zählen die Defibrillation, die Sicherung der Atemwege und die Applikation ausgewählter Medikamente. 4.1 Klinische Reanimation Höchstes Ziel der klinischen Therapie sollte die Verhinderung eines Herz-Kreislauf-Stillstandes sein. Hat ein Patient einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten, muss dieser optimal behandelt werden. Dies gilt selbstverständlich auch für den präklinischen Bereich. Innerklinisch besteht ein großes Problem im Bereich der peripheren Stationen, dort werden Patienten häufig erst spät entdeckt. Diese zeigen gewöhnlich eine Asystolie oder pulslose elektrische

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Aktivität (PEA) und haben eine geringe Überlebensrate. Der Kreislaufstillstand ist bei diesen Patienten meist kein unvorhersehbares Ereignis, die Patienten zeigen häufig eine langsame Verschlechterung ihrer Kreislaufsituation mit nachfolgender Hypoxie und Hypotonie. Diese Zustände werden entweder nicht bemerkt oder nicht adäquat therapiert. Lediglich 20% der Patienten, die innerklinisch einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden, werden wieder lebend aus der Klinik entlassen. Studien haben gezeigt, dass das Personal häufig nicht darauf trainiert ist, lebensbedrohliche Zustände zu erkennen und umgehend zu behandeln. In vielen Kliniken sind mittlerweile Reanimationsteams etabliert, die nach entdecktem Herz-KreislaufStillstand alarmiert werden. In einigen Kliniken ist das Re­animationsteam durch ein medizinisches Notfallteam (Medical Emergency Team = 31

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Klar strukturierte Handlungsabläufe für die präklinische Reanimation muss jeder im Rettungsdienst Tätige sicher beherrschen. Verständlich und praxisnah aufbereitet, stellt dieses Buch die Guidelines des European Resuscitation Council aus dem Jahr 2005 vor und ebnet damit den Weg zu einer einheitlichen Vorgehensweise.

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