Band 5
Frank Flake, Klaus Runggaldier (Hrsg.) Band 5
Rettungsdienst kompakt 5 Akute Atemwegsnotfälle
»Akute Luftnot« gehört zu den häufigsten Einsatzmeldungen im Rettungsdienst. Atemwegserkrankungen müssen präklinisch schnellstmöglich diagnostiziert und therapiert werden. Dieser kompakte Band zeigt die rettungsdienstlichen Maßnahmen auf und ist Rettungsdienstmitarbeitern und Notärzten auch vor Ort eine schnelle Hilfe.
Gregor Naths
Gregor Naths
2., überarbeitete Auflage
2., komplett überarbeitete Auflage
Akute Atemwegsnotfälle ISBN 978-3-943174-86-1
Akute Atemwegsnotfälle
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© Copyright by Stumpf und Kossendey Verlagsgesellschaft mbH, Edewecht 2018 Umschlagfotos: Dr. Gregor Naths Satz: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht Druck: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn ISBN 978-3-943174-86-1 ISBN 978-3-938179-21-5 (Gesamtausgabe)
Band 5 (herausgegeben von Frank Flake und Klaus Runggaldier)
Gregor Naths
Akute Atemwegsnotfälle 2., komplett überarbeitete Auflage 1. Auflage unter dem Titel: Obstruktive Atemwegserkrankungen
Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH • Edewecht
Piktogramme
Erläuterung der Piktogramme
Definitionen
Tipps
Merke!
Gefahren / Probleme
4
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung der Piktogramme
4
Vorwort
9
1.
11
Die Lunge als zentrales Atmungsorgan 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
2.
COPD 2.1 2.2 2.3 2.4
3.
Anatomie 11 Physiologie und Atemmechanik 14 Lungenfunktion 17 Blutgasanalyse (BGA) 19 Grundlegende pathologische Reaktionsmuster 20 23 Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
23 25 27 28
Asthma bronchiale
33
3.1 3.2 3.3 3.4
33 35 37 40
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
4. Pneumonie 4.1 4.2 4.3 4.4
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
45 45 47 49 50 5
Inhalt
5.
Pneumothorax
53
5.1 5.2 5.3 5.4
53 55 55 59
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
6. Lungenarterienembolie 6.1 6.2 6.3 6.4 7.
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
62 63 64 67
Akute Atemwegsverlegung
71
7.1 7.2 7.3 7.4
71 72 73 74
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
8. Akutes Lungenรถdem 8.1 8.2 8.3 8.4
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
9. Pseudokrupp, Epiglottitis und akute Bronchiolitis 9.1 9.2 9.3 9.4
6
62
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
79 79 80 82 83 87 87 89 90 92
Inhalt
10. Hyperventilation/Hyperventilationstetanie 10.1 10.2 10.3 10.4
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
11. Rauchgas-/Reizgasinhalation 11.1 11.2 11.3 11.4
Pathophysiologie Symptomatik Diagnostik im Notfall Notfalltherapie
12. Nicht-invasive Beatmung im Rettungsdienst 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8
Vorbemerkungen Indikationen Kontraindikationen und Risiken Praktische Durchführung Beatmungseinstellungen Monitoring unter NIV Erfolg der NIV Weitere mögliche Einsatzgebiete der NIV in der Präklinik
13. Exkurs: Langzeitsauerstofftherapie und außerklinische Beatmung 13.1 13.2 13.3
Allgemeines Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) Außerklinische Beatmung
95 95 96 96 97 99 99 101 104 105 109 109 114 115 116 119 123 124 124
126 126 126 130
7
Inhalt
14. Wichtige Notfallmedikamente bei Atemwegsnotfällen 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9 14.10 14.11 14.12 14.13 14.14
Furosemid (Lasix®) Glyceroltrinitrat (Nitrolingual®) Heparin (Liquemin®) Ipratropiumbromid (Atrovent®) Magnesium (Mg Verla®) Midazolam (Dormicum®) Morphin Prednisolon (Solu-Decortin H®, als Zäpfchen Rectodelt®) Promethazin (Atosil®) Reproterol (Bronchospasmin®) Salbutamol (Sultanol®) S-Ketamin/Esketamin (Ketanest S®) Terbutalin (Bricanyl®) Theophyllin (Euphylong®, Bronchoretard®)
15. Algorithmen zur präklinischen Versorgung
137 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150
151
Literatur
160
Abbildungsnachweis
163
Autor und Herausgeber
164
Danksagung
165
8
Vorwort
Vorwort Seit der ersten Auflage dieses Buches, noch unter dem Titel „Obstruktive Atemwegserkrankungen“, hat sich die Notfallmedizin weiterentwickelt (erwähnt sei nur das Notfallsanitätergesetz), und auch die Therapien der verschiedenen Erkrankungen sind teils en détail, teils aber auch en gros, vorangeschritten. Gerade die nicht-invasive Beatmung ist mittlerweile in der präklinischen Notfallmedizin angekommen, wie die Überarbeitung der DIN 75079 zeigt, die ein NIV-fähiges Beatmungsgerät auf jedem notarztbesetzten Einsatzmittel fordert. Diese Entwicklungen und die Rückmeldungen aus der Leserschaft der ersten Auflage (die sich mit dem eigenen Eindruck decken) führten zu dem Wunsch, Band 5 der Reihe „Rettungsdienst kompakt“ zu überarbeiten. Ziemlich intensiv zu überarbeiten sogar. Zielgruppe der Reihe sind das Rettungsfachpersonal, d.h. Notfallsanitäter, Rettungsassistenten und Rettungssanitäter, sowie Notärzte. Aus diesem Grund wurden die in der ersten Auflage
noch intensiv dargelegten klinischen Grundlagen und klinischen Therapien von Asthma und COPD rigoros zusammengestrichen und nur das Notwendigste beibehalten. Weiterhin besteht in einem Schwerpunktbuch zum Thema Atemwegserkrankungen kein Bedarf für die zigste Erklärung, wie ein EKG geklebt oder Temperatur gemessen wird. Dafür gibt es hinreichend Standardwerke auf dem Markt. Intention der Neuauflage ist, Band 5 zu einer kompakten Darstellung der relevanten Atemwegsnotfälle insgesamt zu machen. In einem Kurzüberblick werden Pathophysiologie, Klinik, Diagnostik und Notfalltherapie der 10 wichtigsten Krankheitsbilder dargelegt. Auf die nicht-invasive Beatmung im Rettungsdienst wird gesondert eingegangen, da diese immer wichtiger wird. Weil die Zahl von Patienten mit vorhandener Langzeitsauerstofftherapie oder häuslicher nicht-invasiver Beatmung immer mehr zunimmt, wurde dieses Kapitel aus der ersten Auflage „hinübergerettet“, 9
Vorwort
aber auch aktualisiert und überarbeitet. Eine Übersicht der wichtigsten Notfallmedikamente und – als Beispiel für den Notfallsanitäter – die Algorithmen zu den wichtigsten Atemwegsnotfällen (herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Ärztlichen Leiter Schleswig-Holsteins) runden das Buch ab.
10
Ich wünsche Ihnen eine einsichtsreiche Lektüre und erfolgreiche Einsätze bei „Akuten Atemwegsnotfällen“! Dr. Gregor Naths Schwarzenbek November 2017
COPD
2. COPD 2.1 Pathophysiologie Fallbeispiel Herr Wolfrum ist 51 Jahre alt und raucht Zigaretten, seit er damals mit 16 Jahren seine Maurerlehre begonnen hat. Der morgendliche Raucherhusten gehört seit mehreren Jahren zu seinem Leben wie der Gang zum Zigarettenautomaten. Seit einigen Monaten aber merkt er, dass er nicht mehr so belastbar ist wie früher. Die Luft wird schon beim Spazierengehen knapp. Vor drei Tagen hat er sich eine Erkältung eingefangen. Nun ist es fünf Uhr morgens, er sitzt aufrecht im Bett, bekommt kaum noch Luft. Seine Frau wählt den Notruf. COPD ist die Abkürzung für Chronic Obstructive Pulmonary Disease. COPD ist eine chronisch-entzündliche kontinuierlich fortschreitende Erkrankung der Bronchien und des Lungengewebes. Hauptauslöser sind exogene Noxen, an allererster Stelle das inhalative Tabak-
Abb. 6: Typischer Auslöser für COPD: Zigarettenrauchen
rauchen, gefolgt von der Exposition gegenüber Gasen, Dämpfen und Stäuben aus der Umgebung. Hier sind in erster Linie berufliche oder auch verkehrsbedingte Quellen (Feinstaub!) zu nennen. In Entwicklungsländern steht nach dem Rauchen die Verbrennung von Biomasse in schlecht belüfteten Hüt Hütten an zweiter Stelle. Selten gibt es vererbte Formen der COPD (Alpha-1-Antitryp (Alpha-1-Antitrypsin-Mangel). COPD ist häufig. Man geht davon aus, dass 10 – 15% chroder Deutschen an einer chro nischen Bronchitis leiden. vierthäufigsCOPD ist so die vierthäufigs te Todesursache weltweit. 23
COPD COPD = progredient verlaufende, nicht vollständig reversible Verengung der Atemwege auf dem Boden einer chronischen Entzündung durch inhalative Noxen.
Die langjährige Einwirkung von Noxen führt am Bronchialepithel im Rahmen der chronischen Entzündung zu einer Verdickung der Schleimhaut, zu einer vermehrten Produktion von zähem Schleim und einem Umbau der Schleimhaut mit Verlust an Becherzellen. Der Schleim dient als Nährboden für wiederkehrende Infekte, welche den Teufelskreis der Entzündung weiter
anheizen. Schließlich führt die Entzündung zur Instabilität der Bronchialwände mit Kollaps der Bronchien bei der Ausatmung (Obstruktion). Die resultierende unvollständige Ausatmung führt zur Überblähung der Lunge („Trapped Air“) mit Verschlechterung der Atemmechanik und Überlastung der Atemmuskelpumpe. Weiterhin kommt es zur Zerstörung der Alveolarsepten mit Ausbildung eines Lungenemphysems mit Reduktion der Gastaustauschfläche und ebenfalls Lungenüberblähung. Bei Patienten mit Erschöpfung der Atemmuskulatur und dadurch chro-
Chronische Entzündung • zu viel Sekret • zu zähes Sekret Infektexazerbationen • vermehrtes Anheizen der Entzündung
Sekretretention • Unfähigkeit des Abhustens • Sekret staut in den Bronchien
Bakterienwachstum • Sekret als Nährboden Abb. 7: Teufelskreis der COPD 24
COPD
nisch erhöhten pCO2-Werten im Blut stellt sich irgendwann der Atemregler im Stammhirn um. Nicht mehr ein pCO2-Anstieg löst einen Atemzug aus, sondern ein pO 2 -Abfall ist der letzte Atemanreiz. Demzufolge ist Vorsicht bei einer externen Sauerstoffgabe geboten – der Trigger für den Atemimpuls wird ggf. nicht mehr erreicht. J e na c h d e m , we lc h e pathologischen Veränderungen im Vordergrund stehen, unterscheidet man bei der COPD ... • den bronchitischen Phän o t y p ( f r ü h e r : „ B lu e Bloater“) mit führender Obstruktion, Schleimbildung, häufigen Exazerbationen und zunehmendem Versagen der Ventilation (Anstieg des pCO2) und • den emphysematösen Phänotyp (früher: „Pink Puffer“) mit führender Emphysembildung, Überblähung, eher weniger Exazerbationen und zunehmendem Versagen der Oxygenierung (Abfall des pO2).
In der Realität bewegen sich die Patienten meistens zwischen einem der beiden Extreme. 2.2 Symptomatik Die COPD beginnt meistens schleichend, zunächst noch ohne Obstruktion der Atemwege, als chronischer produktiver (Schleimbildung) Husten, v.a. morgens. Dieser „Raucherhusten“ wird von den Patienten oft als „ganz normal“ angesehen und sorgt erst einmal nicht für einen Arztkontakt, obwohl schon eine chronische Bronchitis vorliegt. Chronische Bronchitis = produktiver Husten an den meisten Tagen der Woche über mindestens drei Monate eines Jahres in zwei aufeinander folgenden Jahren.
Schreitet die bronchiale Entzündung mit Obstruktion der Atemwege und emphysematösem Umbau der Lunge fort, kommt es nebst Husten und Auswurf zu zunehmender Atemnot (Dyspnoe), die sich zunächst erst bei stärkerer Belastung, später auch bei leichterer Belastung und schließlich 25
COPD
in Ruhe manifestiert. Die Belastungsdyspnoe führt dazu, dass die Patienten Anstrengungen vermeiden, was zu einer muskulären Dekonditionierung führt, welche wiederum die Belastbarkeit reduziert. Akute Infekte der Bronchien (viral, bakteriell) oder andere exogene Faktoren, wie die Einwirkung von Stäuben oder auch nur ein Wetterwechsel, können die chronische Entzündung akut „anfeuern“ und die Symptomatik in kurzer Zeit deutlich verschlechtern: Es kommt zur Exazerbation der COPD. COPD-Exazerbation = akute Verschlechterung von Atemwegssymptomen (Husten/ Auswurf/Luftnot), die eine Änderung oder Intensivierung der Therapie notwendig macht.
Jede Exazerbation erhöht die Sterblichkeit eines Patienten mit COPD. Selbst nach Überstehen der akuten Verschlechterung wird sich die Lungenfunktion meistens nicht mehr auf den Status quo ante erholen. Mit fortschreitendem Schweregrad und somit Fortschritt der 26
Destruktion im Bronchialsystem nehmen auch die Häufigkeit und die Schwere der Exazerbationen zu, da die Reserven immer geringer werden. Nach einer Exazerbation beträgt die mittlere Überlebenszeit 3,6 Jahre! Die Exazerbation der COPD ist ähnlich zu werten wie der Herzinfarkt eines Patienten mit KHK!
Die COPD ist nicht alleine ein pulmonales Problem. Die chronische bronchiale Entzündung führt zu einer systemischen Inflammationsreaktion und damit zur Beeinträchtigung des ganzen Körpers. Patienten mit COPD leiden signifikant häufiger zusätzlich an Koronarer Herzkrankheit (KHK), Lungenembolien, Herzinsuffizienz, Pneumonien, Osteoporose, Schlafapnoesyndrom oder Depression. Nicht jede Dyspnoe bei einem Patienten mit COPD ist automatisch e i n e Exa ze r b at i o n ! Denke an Herzinfarkt, Lungenembolie, Pneumonie!
COPD
2.3 Diagnostik im Notfall Akute Exazerbationen einer COPD sind in ca. 50% der Fälle so leicht, dass eine Krankenhauseinweisung nicht nötig ist. Viele Patienten warten aber mit dem Einschalten fremder Hilfe, also des Hausarztes, der Klinik
oder eben des Rettungsdienstes, bis alle Kompensationsmechanismen aufgebraucht sind. Der Rettungsdienst trifft dann auf schwer eingeschränkte Patienten mit entsprechender Therapiebedürftigkeit.
Tab. 1: Vorgehen nach ABCDE-Schema bei COPD Airway
• Inspektion der Atemwege • Freimachen/-halten • insbes. Frage nach Verschleimung
Breathing
• Bestimmung der Atemfrequenz • Inspektion des Brustkorbs (sog. Fassthorax, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, thorakale Einziehungen?) • Auskultation (Zeichen der Spastik i.S.v. Giemen und Brummen, abgeschwächtes Atemgeräusch, Rasselgeräusche i.S.v. Pneumonie?) • ggf. Perkussion (hypersonorer Klopfschall bei Emphysem, abgeschwächt z.B. bei Pneumonie oder Pleuraerguss)
Circulation
• Bestimmung von Pulsfrequenz und -qualität (Rhythmusstörung?) • Rekapillarisierungszeit, dabei auch auf Zyanose und Uhrglasnägel (als Zeichen einer chronischen Hypoxämie) achten
Disability
• Kontrolle des Bewusstseins (AVPU, Agitiertheit?) • v.a. Frage nach Bewusstseinstrübung durch mögliche Hypoxämie
Exposure/ Environment
• Temperaturmessung (Fieber?)
27
COPD
Die meisten Patienten mit COPD wissen um ihre Erkrankung und können mehr oder weniger genaue Angaben zu ihrer Vorgeschichte und Medikation machen. Im Umfeld des Patienten deuten Zigarettenpackungen und Rauchgeruch, diverse vorhandene Inhalatoren oder eine bereits vorhandene Langzeitsauerstofftherapie auf eine COPD hin. Die Ersteinschätzung (Primary Survey) erfolgt nach dem ABCDE-Schema in kritischer oder nicht-kritischer Patient (s. Tab. 1). Hinweise auf einen kritischen COPD-Patienten: schwere Ruhedyspnoe, Atemfrequenz > 35/min, persistierende schwere Hypoxämie, Bewusstseinstrübung, Koma, Arrhythmien, Kreislaufinsuffizienz, Nichtansprechen auf die Notfalltherapie.
An das ABCDE-Schema bzw. parallel hierzu schließt sich die Anamnese an, für die das bekannte SAMPLE-Schema benutzt werden kann (s. Tab. 2). Ergänzend werden spätestens nach Durchgang des ABCDE-Schemas ein 4-Kanal-EKG (nach Bedarf 28
auch 12-Kanal!) angelegt und Blutdruck sowie Blutzucker gemessen. 2.4 Notfalltherapie 2.4.1 Basismaßnahmen • Lagerung: bei nicht bewusstseinsgetrübten Patienten Oberkörperhochlagerung zur Entlastung der Atemmuskulatur und zum besseren Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Aufstützen der Arme seitlich, Kutschersitz). Einsatz der Lippenbremse, um bei der Exspiration einen positiven Druck aufzubauen, was den Kollaps der kleinen Atemwege reduzieren soll („intrinsischer PEEP“). • Wärmeerhaltung: sollte selbstverständlich sein. • Sauerstoffgabe: vorsichtig titrierte Sauerstoffgabe mit einer Zielsättigung von 88 – 92%. Bei der Sauerstoffgabe ist bei Patienten mit COPD besondere Vorsicht an den Tag zu legen! Zu hohe Sauerstoffdosen können bei fortgeschrittener COPD aufgrund der Umstellung der Atemregulation zur Atemdepression und damit CO2-Retention/Narkose führen.
COPD Bei schwerer akut exazerbierter COPD sollte die Sauerstoffsättigung bei 88 – 92% liegen, höhere Werte können gefährlich werden.
2.4.2 Erweiterte Maßnahmen • Venöser Zugang und langsam laufende kris-
talloide Infusion zum Offenhalten. • Nicht-invasive Beatmung: Die NIV wird intensiv in Kapitel 12 behandelt, sie ist State of the Art bei respiratorischer Insuffizienz im Rahmen der exazerbierten COPD. Die NIV verbessert den Gasaus-
Tab. 2: SAMPLE-Schema bei COPD
Symptomatik • • • • Allergie
Art der Beschwerden? Was führt? Zeitliche Entwicklung? Schwere der Dyspnoe?
• Bekannt? • Ausweis vorhanden?
Medikamente • Welche Medikamente, v.a. Inhalatoren, vorhanden? • Häufigkeit der Nutzung eines Notfallsprays in letzter Zeit? • Langzeitsauerstoff vorhanden (welche Flussrate, wie häufig täglich genutzt)? • Weitere Vorerkrankungen, v.a. kardialer Art? Patientengeschichte Letzte Nahrungsaufnahme
Ereignisse in Bezug auf den Notfall
• COPD bekannt? Wie lange schon? • Letzte Exazerbation? • An Facharzt (Pneumologe) angebunden? Welcher? (Daten notieren!) • relevant bei Bewusstseinstrübung wg. möglicher Intubation
• Infekte in der letzten Zeit? • Umstellung von Medikamenten, insbesondere von Inhalatoren? • Aktueller Rauchstatus? 29
COPD
tausch, reduziert die Atemarbeit, verkürzt die Dauer des anschließenden stationären Aufenthaltes und verbessert das Überleben. Indikationen zum Einsatz der NIV bei akut exazerbierter COPD: – schwere Dyspnoe mit klinischen Zeichen der zunehmenden atemmuskulären Erschöpfung wie Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Schaukelatmung, thorakale Einziehungen; – persistierende Hypoxämie trotz Sauerstoffgabe; – (respiratorische Azidose mit pH < 7,35 bei pCO2 > 45 mmHg; erfordert Blutgasanalyse). • Invasive Beatmung (bei Narkoseeinleitung): Wird notwendig bei Versagen oder Unmöglichkeit der NIV, wenn folgende Kriterien vorliegen: – Bewusstlosigkeit oder durch reine Sedierung nicht zu beherrschende Agitation, – Atemstillstand, – Aspiration oder massives Erbrechen, 30
– ausgeprägte therapierefraktäre Verschleimung, – gastrointestinale Blutung, – relativ: hämodynamische Instabilität, – relativ: vital bedrohliche Herzrhythmusstörungen. Es sollte dann ein möglichst großlumiger Endotrachealtubus (8.0 oder größer) eingesetzt werden, um eine ausreichende Ventilation zu ermöglichen und der Klinik eine wahrscheinlich notwendige Bronchoskopie zu erleichtern. Zu den Beatmungsparametern siehe Kapitel 12. 2.4.3 Medikamentöse Therapie • Inhalative Bronchodilatatoren: Kurz wirksame Beta-2-Agonisten (Short Acting Beta-2-Agonists, SABA) und/oder kurz wirksame Anticholinergika (Short Acting Muscarinic Antagonists, SAMA) sind die Mittel der ersten Wahl. Die Applikation erfolgt entweder m it t e l s Ve r n e b e lu n g über Inhalationsmaske
Pneumothorax
5. Pneumothorax 5.1 Pathophysiologie Fallbeispiel Samstagnachmittag, Fußballspiel der Kreisliga bei Kaiserwetter. Es sieht gut aus, die Heimmannschaft führt 1 : 0. Bisher hat sie den gegnerischen Mittelstürmer gut unter Kontrolle gehabt, aber jetzt setzt er zu einem seiner gefürchteten Sprints an. Innenverteidiger Carsten wirft sich ihm in den Weg. Kein Foul, aber der Aufprall ist schon heftig. Pfiff. Carsten bleibt die Luft weg. Und sie kommt nicht wieder. Er bleibt sitzen. Der Schiedsrichter schaut nach ihm, ruft dann die Sanis auf das Spielfeld ... Wie in Kapitel 1 dargelegt ist die Lunge über eine hauchdünne Flüssigkeitsschicht durch Adhäsionskräfte an der Brustwand angelegt. Nur so lässt sich die notwendige Verschiebbarkeit für die Atemexkursionen sicherstellen. Der Druck im Pleuraraum ist schon in Atemmittellage negativ (-8 cm H2O) und wird bei Inspiration noch negativer. Kommt es nun zu einer Luftleckage, irrelevant, ob von außen durch die Thoraxwand oder von innen dur c h di e Lungenoberfläche, strömt Luft dem Druckgefälle folgend in den
Pleuraraum ein. Der negative Druck gleicht sich der Umgebung an, und der Lungenflügel kollabiert: Es kommt zum Pneumothorax. Der kollabierte Lungenflügel nimmt nicht mehr an Ventilation und Gasaustausch teil. Pneumothorax = pathologische Luftansammlung im Pleuraraum mit Kollaps des betroffenen Lungenflügels.
Ein Pneumothorax kann t r au m a t i s c h au f t r e t e n (stumpfe oder spitze Gewalteinwirkung), iatrogen (z.B. bei Punktion von zentralen 53
Pneumothorax Der klassische Patient mit einem PSPT ist jung, männlich, hochgewachsen, schlank und oftmals Raucher.
Abb. 12: Röntgenbild Pneumothorax rechts (Pfeile)
Venen) oder auch spontan ohne ersichtlichen Grund bzw. aufgrund eines eigentlich harmlosen Geschehens (Hustenanfall, schweres Heben, Bagatelltrauma). Tritt der Pneumothorax spontan bei bisher Lungengesunden auf, handelt es sich um einen primären Spontanpneumothorax (PSPT), bei Patienten mit vorgeschädigter Lunge (COPD, Emphysem o.Ä.) um einen sekundären Spontanpneumothorax (SSPT). Bei den spontanen Formen kommt es oft über einen plötzlichen kleinen Einriss der Lungenoberfläche oder eine Ruptur einer kleinen subpleuralen Blase (Bleb) zum Luftübertritt von der Lunge in den Pleuraraum. 54
Der reine Pneumothorax ist per se noch nicht lebensbedrohend. Gefährlich wird es, wenn über einen Ventilmechanismus immer mehr Luft in den Pleuraraum hineingelangt, diese aber nicht herauskann. Die zunehmende Luftmenge im Pleuraraum führt zu einer Verdrängung der intrathorakalen Strukturen (Lunge, Herz, große Gefäße) zur Gegenseite und zur zunehmenden Drucksteigerung im Thorax. Beide Mechanismen behindern immer stärker die Ventilation des verbliebenen Lungenflügels und den venösen Rückfluss zum Herzen, was zum Schock (obstruktiver Schock) führt. Ein Spannungspneumothorax liegt vor. Spannungspneumothorax = Pneumothorax mit Ventilmechanismus, der zur zunehmenden Behinderung des venösen Rückflusses und damit zum Schock führt.
Pneumothorax Ohne schnellstmögliche Entlastungspunktion führt der Spannungspneumothorax zum Schock und dann zum Tod.
defrei, kommt es im Verlauf zu zunehmender Dyspnoe, Tachykardie, Blutdruckabfall, oberer Einflussstauung und Sättigungsabfall.
5.2 Symptomatik Die klinische Symptomatik variiert breit vom asymptomatischen kleinen Pneumothorax bis hin zum lebensbedrohlichen Spannungspneumothorax mit eintretender Reanimationspflicht. Klassisch, aber nicht obligat, ist die akut einsetzende Dyspnoe variabler Ausprägung, verbunden mit Husten und/oder atemabhängigem Thoraxschmerz. Beim primären Spontanpneumothorax kann der Patient möglicherweise etwaige Auslöser angeben wie eine Hustenattacke, ein Heben schwerer Gegenstände oder ein Bagatelltrauma wie im Fallbeispiel.
5.3 Diagnostik im Notfall Präklinisch kann die Diagnose eines Pneumothorax nicht definitiv gesichert werden. Die Anamnese, die klinische Symptomatik und die erhobenen Befunde können die Verdachtsdiagnose allerdings erhärten. Ein vorliegendes Thoraxtrauma sollte immer den Verdacht auf einen möglichen Pneumothorax lenken!
Kein Symptom ist per se typisch für einen Pneumothorax!
Der Spannungspneumothorax bietet im Verlauf ein dramatischeres Bild. Manchmal initial noch beschwer-
Bei jedem zweiten bis dritten polytraumatisierten Patienten liegt ein begleitendes Thoraxtrauma vor!
Auskultatorisch lässt sich auf der Seite des Pneumothorax je nach dessen Größe ein abgeschwächtes Atemgeräusch nachweisen, die Perkussion ergibt einen hypersonoren (= hell klingenden) Klopfschall. Allerdings sind beide Verfahren, gerade an Unfallstellen mit ihrer Geräuschkulisse, oft nur bedingt verwertbar. Die 55
Pneumothorax
Tab. 13: Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Pneumothorax nach Thoraxtrauma Dyspnoe
Thorakaler Schmerz
Abgeschwächtes AG
Wahrscheinlichkeit
+
+
+
> 99%
+
-
+
98%
-
+
+
89%
-
-
+
61%
+
+
-
40%
Palpation des Thorax nach Trauma weist knöcherne Instabilitäten nach. Auf Hämatome/Prellmarken bzw. Wunden ist bei der Inspektion zu achten. Die Kombination aus den drei Befunden Dyspnoe, atemabhängiger Thoraxschmerz und abgeschwächtes Atemgeräusch nach Thoraxtrauma macht das Vorliegen eines Pneumothorax zu > 99% wahrscheinlich.
Besondere Vorsicht ist geboten bei intubierten und mit Überdruck beatmeten Patienten mit Thoraxtrauma. Bei diesen Patienten sind engmaschige klinische und apparative Kontrollen erforderlich, ob sich ein Spannungspneumothorax entwickelt. Apparativ auffällig sind steigender Beatmungsdruck unter Beatmung, abfallender exspiratorischer CO 2-Wert bei der
Tab. 14: Sonografische Befunde bei Pneumothorax • Aufhebung des Lungengleitens • fehlender Lungenpuls (Dopplersonografie erforderlich) • grobe Wiederholungsechos („Strickleiter“) • Nachweis des Lungenpunktes (Übergang gesunde Lunge zu Pneumothorax) • fehlender Pleuraspalt 56
Pneumothorax
Abb. 13: Pneumothorax in der Sonografie (rechts), gesunde Lunge (links)
Tab. 15: Vorgehen nach ABCDE-Schema bei Pneumothorax Airway
• Inspektion der Atemwege • Freimachen/-halten • HWS-Immobilisation bei Trauma
Breathing
• Bestimmung der Atemfrequenz • Inspektion und Palpation des Brustkorbs (Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, thorakale Einziehungen, instabiler Thorax, Wunden, Prellmarken, Einflussstauung?) • Auskultation (abgeschwächtes Atemgeräusch?) • ggf. Perkussion (hypersonorer Klopfschall) • ggf. Entlastung (Punktion/Thoraxdrainage, s.u.)!
Circulation
• Bestimmung von Pulsfrequenz und -qualität (flacher Puls?) • Rekapillarisierungszeit (verlängert bei Zentralisation, dabei auch auf Zyanose achten)
Disability
• Kontrolle des Bewusstseins (AVPU, Agitiertheit?) • v.a. Frage nach Bewusstseinstrübung
Exposure/ Environment
• Wärmeerhalt
57
Pneumothorax
Kapnografie, fallende Sauerstoffsättigung und wie o.g. Blutdruckabfall, Tachykardie und zunehmende Einflussstauung. Keiner dieser Befunde alleine ist spezifisch für einen Spannungspneumothorax, sondern es können natürlich auch andere Ursachen vorliegen.
thorax!
Unter Überdruckbeatmung bei Thoraxtrauma droht jederzeit ein Spannungspneumo-
Verbessert werden kann die präklinische Diagnostik des Pneumothorax durch den vermehrten Einsatz der präklinischen Sonografie. Hiermit kann der geschulte Anwender im Vergleich zur gesunden Seite typische Befunde erheben (s. Tab. 14/ Abb. 13). An das ABCDE-Schema anschließend bzw. parallel hierzu verläuft die Anamnese nach SAMPLE-Schema. Ergänzend werden spätestens nach Durchgang des
Tab. 16: SAMPLE-Schema bei Pneumothorax Symptomatik
• Art der Beschwerden? • Wie entstanden? • Traumamechanismus?
Allergie
• Bekannt? • Ausweis vorhanden?
Medikamente
• Welche Medikamente vorhanden?
Patientengeschichte
• Weitere Vorerkrankungen, insbesondere Lungenerkrankungen? • Erstes Ereignis? • Rauchstatus?
Letzte Nahrungsaufnahme
• relevant wg. möglicher Intubation oder Thoraxdrainage
Ereignisse in Bezug auf den Notfall
• (Bagatell-)Trauma? • Hustenanfall? • Besondere Belastung?
58
Wichtige Notfallmedikamente bei Atemwegsnotfällen
14. Wichtige Notfallmedikamente bei Atemwegsnotfällen 14.1 Furosemid (Lasix®) Furosemid ist ein Schleifendiuretikum, was bedeutet, dass es in der sog. Henle’schen Schleife im Tubulusapparat der Niere die Rückresorption von Natrium, Kalium und Chlorid aus dem Urin hemmt. Die vermehrt ausgeschiedenen Elektrolyte ziehen passiv Wasser mit sich, sodass vermehrt Flüs-
sigkeit aus dem Körper über den Urin ausgeschieden wird. Der Verlust an intravasalem Volumen senkt die Füllungsdrücke im Herzen. Weiterhin führt Furosemid zu einer Weitstellung der venösen Kapazitätsgefäße vor dem rechten Herzen, was zu einer weiteren kardialen Entlastung beiträgt.
Indikation:
kardiales Lungenödem (Vorlastsenkung)
Anwendung:
intravenös (Tabletten verfügbar, aber im Notfall nicht indiziert)
Dosierung:
1 Ampulle enthält 20 oder 40 mg. Bei akutem Lungenödem 40 – 80 mg intravenös als Bolus.
Nebenwirkungen:
Blutdrucksenkung, Elektrolytstörungen, Verschlechterung der Nierenfunktion
Kontraindikationen:
bekannte Überempfindlichkeit gegen Sulfonamidantibiotika (Cotrimoxazol), anurisches akutes Nierenversagen
Bemerkung:
Bei akutem Lungenödem eher mit höherer Dosis als zu niedriger Dosis beginnen (20 mg sind zu wenig!). Bei chronisch eingeschränkter Nierenfunktion (und das ist bei herzinsuffizienten Patienten häufig der Fall) sind ebenfalls höhere Dosen notwendig, teils bis zu 250 mg. Die „großen“ Ampullen für Spritzenpumpen (250 mg) werden meistens aber nicht mitgeführt. Bei terminaler dialysepflichtiger Niereninsuffizienz ohne Restausscheidung ist Furosemid sinnlos!
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Wichtige Notfallmedikamente bei Atemwegsnotfällen
14.2 Glyceroltrinitrat (Nitrolingual®) Nitropräparate setzen am Endothel der Gefäße Stickstoffmonoxid (NO) frei, welches zu einer allgemeinen Vasodilatation führt. Neben der Erweiterung der Herzkranzgefäße (daher der Einsatz bei Angina pectoris) kommt es zu einer Dilatati-
on der venösen Kapazitätsgefäße (venöses Pooling) und der Arteriolen (Senkung des Widerstandes im Körperkreislauf ). Über beide Vorgänge werden das Herz entlastet, die Herzarbeit reduziert und der myokardiale Sauerstoffverbrauch gesenkt.
Indikation:
akutes Lungenödem
Anwendung:
sublingual, intravenös (Tabletten verfügbar, aber im Notfall nicht indiziert)
Dosierung:
1 Sprühstoß enthält 0,4 mg, eine Ampulle à 50 ml enthält 50 mg. Als Spray 1 – 2 Hübe sublingual oder in die Backentasche, ggf. Wiederholung nach 15 Minuten. Intravenös als Spritzenpumpe mit 50 mg/50 ml, 1 – 6 ml/h.
Nebenwirkungen:
Blutdruckabfall, reflektorische Tachykardie, Flush, Kollaps möglich
Kontraindikationen:
Hypotonie, Schlaganfall (wg. der unkontrollierbaren Blutdrucksenkung), vorherige (bis 48 h zuvor) Einnahme von PDE5-Hemmern (Pharmaka zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und der pulmonal-arteriellen Hypertonie wie Sildenafil [Viagra®], Tadalafil [Cialis®], Vardenafil [Levitra®]): Die gleichzeitige Einnahme kann zu therapierefraktären und lebensbedrohlichen Hypotonien bzw. Schock führen!
Bemerkung:
Nitrospray wird vielen KHK-Patienten auch als eigenes „Notfallspray“ verordnet. Manche haben daher in der Notfallsituation schon einige Hübe genommen. Weiterhin ist es empfehlenswert, vor der Applikation einen Blutdruckwert vorliegen zu haben. Bei Werten von < 110/60 mmHg ist die Anwendung nur mit äußerster Vorsicht anzuraten.
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Wichtige Notfallmedikamente bei Atemwegsnotfällen
14.3 Heparin (Liquemin®) Heparin hemmt die plasmatische Blutgerinnung (im Gegensatz zur zellulären Blutgerinnung, vermittelt über die Thrombozyten) über eine Komplexbildung mit verschiedenen Gerin-
nungsfaktoren, allen voran Antithrombin III. Heparin aktiviert AT III um das Mehrtausendfache, und dieses aktivierte AT III hemmt diverse Gerinnungsfaktoren, insbesondere Faktor II (Thrombin).
Indikation:
Lungenarterienembolie
Anwendung:
intravenös
Dosierung:
1 Ampulle à 0,5 ml enthält 5.000 IE. Bei der Therapie der akuten Lungenarterienembolie 5.000 IE als Bolus, prinzipiell dann weiter als Spritzenpumpe mit 10.000 IE/50 ml in 24 h (aufgrund der Halbwertszeit von Heparin von 90 – 120 min reicht es, wenn die Spritzenpumpe erst in der Klinik zum Einsatz kommt). In der Klinik Steuerung der Heparin-Dosis anhand der sog. partiellen Thromboplastinzeit (PTT) im Blut.
Nebenwirkungen:
verstärkte Blutungsneigung, selten allergische Reaktionen, Thrombozytenabfall
Kontraindikationen:
gleichzeitige bzw. kurz vorangehende Einnahme von anderen Gerinnungshemmern (Marcumar® oder sog. DOAK wie Rivaroxaban [Xarelto®], Dabigatran [Pradaxa®], Apixaban [Eliquis®], Edoxaban [Kixiana®]), vorbekannte Heparin-induzierte Thrombopenie (HIT – ein schweres Krankheitsbild, bei dem das Immunsystem mit Heparin beladene Blutplättchen angreift und zerstört)
Bemerkung:
Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS oder Clopidogrel sind keine Kontraindikation. In der Klinik existiert mit Protamin® ein Antidot gegen Heparin bei möglicher Überdosierung.
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Algorithmen zur präklinischen Versorgung
4
Akute obstruktive Atemwegserkrankung (Erwachsene)
Erweiterte Basisversorgung: • atemerleichternde Haltung • Lippenbremse • Sauerstoff 2 – 4 l/min • Wärmeerhalt
Typische Symptome: • Dyspnoe, exspiratorischer Stridor • Schonhaltung, Orthopnoe, Zyanose, Erschöpfung, Konfusion, Koma • Auskult. Giemen/Brummen, kein Atemgeräusch „silent chest“ • Sp02 < 90 %
falls nicht kontraindiziert: Salbutamol Fertiginhalat 2 Amp. à 1,25 mg in 2,5 ml (= 2,5 mg in 5 ml) mit 5 – 10 l/ min O2 vernebeln (nach 15 min wiederholbar, Stundenhöchstdosis 5 mg); falls keine ausreichende Besserung: Ipratropiumbromid Fertiginhalat 2 Amp. à 0,25 mg in 2 ml (= 0,5 mg in 4 ml) mit 5 –10 l/min 02 vernebeln (nach 30 min wiederholbar)
Kontraindikationen: • Überdosierung mit ß-Mimetika • symptomatische Tachykardie • Tachyarrhythmie • kreißende Schwangere
Nachlassen der Symptome?
(schwerer Asthmaanfall, Status asthmaticus) Prednisolon • ggf. Reproterol i.v. • ggf. Theophyllin i.v. Kurzinfusion • ggf. Magnesiumsulfat i.v. • ggf. NIV/endotracheale Intubation/Beatmung
ja
Fortsetzung der Standardbehandlung
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nein
Transport in geeignete Klinik
Algorithmen zur präklinischen Versorgung
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Akute obstruktive Atemwegserkrankung (Kind)
Erweiterte Basisversorgung: • atemerleichternde Haltung • Lippenbremse • Sauerstoff 2 – 4 l/min • Wärmeerhalt • Beruhigung unter Mithilfe der Eltern
Typische Symptome: • exspiratorischer Stridor (= intrathorakale Obstruktion) • Dyspnoe, Husten auskult. Giemen/Brummen SpO2 < 90 % • kein Atemgeräusch „silent chest“ • Schonhaltung/Orthopnoe, Zyanose, Erschöpfung, Konfusion, Koma • häufig Virusinfekt (Trigger), Fieber Kontraindikationen: • Überdosierung mit ß-Mimetika • symptomatische Tachykardie • Tachyarrhythmie Erwachsenendosis wegen geringerer resorbierter Medikamentenmenge bei Kindern (Fläche, Enge der Bronchien, Verschleimung)
falls nicht kontraindiziert: Kinder > 2 Jahre: • Salbutamol Fertiginhalat 1 Amp. à 1,25 mg in 2,5 ml plus 2,5 ml NaCl 0,9 % mit 5 – 10 l/min O2 vernebeln bei > 20 kg: • (nach 15 min wiederholbar, Stundenhöchstdosis 5 mg)
CAVE: Die Anlage eines venösen Zuganges kann zu akuter Verschlechterung der Symptomatik führen!
Prednison Supp. 100 mg rektal erwägen
Nachlassen der Symptome? ja Fortsetzung der Standardbehandlung
nein
Prednisolon i.v. (bereits rektal erhalten?) • ggf. Reproterol i.v. • ggf. Theophyllin i.v. • ggf. Magnesiumsulfat i.v. • ggf. NIV/endotracheale Intubation/Beatmung Transport in geeignete Klinik
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Band 5
Frank Flake, Klaus Runggaldier (Hrsg.) Band 5
Rettungsdienst kompakt 5 Akute Atemwegsnotfälle
»Akute Luftnot« gehört zu den häufigsten Einsatzmeldungen im Rettungsdienst. Atemwegserkrankungen müssen präklinisch schnellstmöglich diagnostiziert und therapiert werden. Dieser kompakte Band zeigt die rettungsdienstlichen Maßnahmen auf und ist Rettungsdienstmitarbeitern und Notärzten auch vor Ort eine schnelle Hilfe.
Gregor Naths
Gregor Naths
2., überarbeitete Auflage
2., komplett überarbeitete Auflage
Akute Atemwegsnotfälle ISBN 978-3-943174-86-1
Akute Atemwegsnotfälle