Rettungsdienst kompakt 3: Reanimation aktuell

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Qualitativ hochwertige Basismaßnahmen der Reanimation wie die Thoraxkompression sind für das Überleben der Patienten wichtig. Verständlich und praxisnah aufbereitet, stellt dieses Buch die Guidelines des European Resuscitation Council aus dem Jahr 2010 vor und ebnet damit den Weg zu einer einheitlichen Vorgehensweise.

Band 3 Rettungsdienst kompakt 3 Reanimation aktuell, 2. Aufl.

Frank Flake, Klaus Runggaldier (Hrsg.) Band 3

Thomas Semmel

Thomas Semmel

2., überarbeitete Auflage

2., überarbeitete Auflage

Reanimation aktuell ISBN: 978-3-938179-89-5 · www.skverlag.de

Reanimation aktuell


Rettungsdienst kompakt Band 3

Reanimation aktuell ERC-Guidelines 2010


Band 3 (herausgegeben von Frank Flake und Klaus Runggaldier)

Thomas Semmel

Reanimation aktuell ERC-Guidelines 2010

2., Ăźberarbeitete Auflage

Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey • Edewecht


Piktogramme

Erläuterung der Piktogramme

Definition

Tipps

Merke!

Gefahren / Problem

Der Autor des vorliegenden Buches verwendet für den Begriff »pulslose ventrikuläre Tachykardie« die Abkürzung »pVT« (in der aktuellen Fachliteratur gelegentlich auch als »PVT«, analog zu »SVT« für »supraventrikuläre Tachykar­ die« zu finden). 4


Inhalt

Inhaltsverzeichnis Vorwort

7

1

8

Einführung 1.1 Geschichte 1.2 Daten zum Herzstillstand

2

Basic Life Support (BLS) 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

3

Elektrotherapie 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

4

Überlebenskette Ablauf BLS Seitenlage Atemwegsverlegungen durch Fremdkörper Einsatz eines AED

Sichere Defibrillation Anbringen der Elektroden Klebepads oder Paddles? Energiestufen Defibrillation von Kindern Präkordialer Faustschlag Kardioversion und Pacing

Advanced Life Support (ALS) 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Klinische Reanimation Universalalgorithmus VF und pVT Asystolie und PEA Gefäßzugang / Medikamente Die »4 H« und die »HITS« – reversible Ursachen

8 9 11 11 12 18 18 20 24 24 26 27 29 30 30 31 33 33 36 40 41 42 44 5


Inhalt

4.7 Atemwegsmanagement 4.8 Lebensbedrohliche Arrhythmien 4.9 Post-Reanimationsphase 4.10 Reanimation im Ret­tungsdienst – ein Vorschlag 5

ACS 5.1 5.2 5.3 5.4

67 Symptome und Diagnostik Akutmaßnahmen Reperfusion Tipps zur EKG-Ableitung

6 Reanimation von Kindern 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7

Änderungen Basismaßnahmen Atemwegsverlegung ALS – Universalalgorithmus Kinderreanimation Neugeborenen-Reanimation

Kalt und giftig – Reanimation unter besonderen Umständen 7.1 Hypothermie 7.2 Vergiftungen 7.3 Schwangeren-Reanimation

8

46 54 60 64

67 68 69 71 72 72 74 78 80 86 89 89 90 91

Ethische Aspekte und der Umgang mit Angehörigen 93 8.1 Ethische Aspekte der Reanimation 8.2 Umgang mit Angehörigen

93 94

Literatur / Abbildungsnachweis

96

Autor / Herausgeber

97

6


Vorwort

Vorwort ERC Guidelines 2010 – was hat sich verändert? Noch keine fünf Jahre ist es her, dass die erste Auflage dieses Buches erschienen ist und schon ist eine Neuauflage notwendig. Die aktuellen Reanimationsleitlinien sind am 18. Oktober 2010 erschienen, aber so umfangreich wie die Änderungen in den Guidelines 2005 sind sie nicht. Fraglich ist nur, ob alle bisher die Empfehlungen der »alten« Guidelines auch wirklich befolgt haben. Aktuelle Untersuchungen beispielsweise zur Qualität der Thoraxkompression lassen Zweifel aufkommen. Vielleicht gelingt es uns dieses Mal zu verdeutlichen, wie wichtig eine qualitativ hochwertige Thoraxkompression für das Überleben von Patienten mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist. Vielleicht gelingt es uns dieses Mal hervorzuheben, wie wichtig in einer solchen Situation gut ausgebildete Laien sind. Denn nur mit ihrer Hilfe ist es den professionellen Rettern möglich, Menschen wiederzubeleben und ihnen ihre volle Lebensqualität zurückzugeben.

Dieses Buch stellt die Empfehlungen des European Resuscitation Councils aus dem Jahr 2010 in kompakter Form dar und gibt Tipps für das Vorgehen im rettungsdienstlichen Einsatz. Das strukturierte Vorgehen und die Einhaltung der aktuellen Empfehlungen können unseren Patienten eventuell das Überleben sichern. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die jährlich stattfindenden europaweiten Kurse des European Resuscitation Council zum Thema Advanced Life Support für Erwachsene und Kinder (weitere Informationen unter: www.erc.edu). Mein Dank gilt den beiden Herausgebern, Frank Flake und Professor Klaus Runggaldier, es macht einfach Spaß mit Euch zusammenzuarbeiten. Danken möchte ich auch meiner Familie, die mich seit vielen Jahren bei meiner Arbeit unterstützt und häufiger einmal ein Wochenende auf mich verzichten muss. Danke auch an meine Fotomodelle Christian Häfner und Jan Hempfling. Thomas Semmel Gründau, im Oktober 2010 7


Sichere Defibrillation

3 Elektrotherapie Etwa 25 – 30% aller Patienten mit einem plötzlichen Herztod haben ein Kammerflimmern. Bis allerdings das erste EKG aufgezeichnet wird, hat sich der Rhythmus oft in eine Asys­ tolie verändert. Die CPR mit einem frühen Einsatz eines Defibrillators kann die Überle­ bensrate dieser Patienten auf 49 – 75% steigern. Mit jeder Minute, die eine Defibrillation verzögert wird, sinkt die Über­ lebensrate um 10 – 12%. Mit jeder Minute, die eine Defibrillation ver­ zögert wird, sinkt die Überlebensrate um 10 – 12%.

3.1 Sichere Defibrillation Der Einsatz eines Defibrilla­ tors gehört heute zu einer der selbstverständlichen Maßnah­ men des Rettungsfachperso­ nals. Halbautomatische und manuelle Geräte stehen dabei gleichermaßen zur Verfügung. Die Anwendung der Geräte ist häufig relativ einfach, aber gerade dies kann zu leichtfer­ tigem Umgang mit den Defibrillatoren führen. Eine hun24

dertprozentige Beherrschung der Geräte und insbersondere der sichere Umgang mit der Defibrillation ist für alle Betei­ ligten lebenswichtig. Ausbilder müssen bei jeder Schulung auf die Gefahren einer Defibrillation hinweisen und die sichere Anwendung schulen. Der sichere Umgang mit einem Defibrillator ist für alle Beteiligten lebenswichtig. Schu­ lungen müssen auf die Gefahren beim Arbeiten mit Defibrillatoren hinweisen.

Jährlich ereignen sich einige Fälle von Eigendefibrillati­ onen mit mehr oder weniger schwerem Ausgang. Beim Ein­ satz von halbautomatischen Geräten darf schon in der Ana­ lysephase niemand den Pati­ enten berühren. Bewegungen des Patienten können zu einer Unterbrechung der Analyse oder zu Fehlinterpretationen führen. Viele halbautoma­ tische Geräte geben diesbe­ züglich Sprachaufforderungen ab, dennoch ist es wichtig, dass der Anwender Umste­ hende deutlich auffordert,


Sichere Defibrillation

den Patienten nicht zu berüh­ ren. Was für die Analysephase gilt, gilt für die Defibrillation umso mehr. Eine vom Anwen­ der deutlich ausgesprochene Warnung, wie z.B. »Achtung, Defibrillation; Achtung, alle weg vom Patienten« ist obli­ gat und muss durch einen schnellen Blick vom Kopf bis zum Fuß des Patienten gesi­ chert werden. Ein Blick zum Anwender selbst und ein letzter Blick auf den Monitor vor der Schockauslösung, mit der verbalen Warnung: »Ach­ tung, Schock!« ist ebenfalls unbedingt notwendig. All Der Anwender muss vor der Analyse und Schockabgabe eine deutliche verbale Warnung der Umstehenden und eine optische Kontrolle vornehmen!

das darf allerdings nur wenig Zeit in Anspruch nehmen. Leider verlängert die Verwen­ dung einer Standardanaly­ sefunktion eines semiauto­ matischen Defibrillators die »Pre-Schock-Pause« unge­ mein. Viele Geräte benötigen für Analyse und Aufladen bis zu 30 Sekunden. Die Thorax­ kompression soll aber in der

Abb. 12: Sichere Defibrillation

Aufladephase fortgesetzt wer­ den und nur für einen kurzen Sicherheitscheck und die Schockabgabe unterbrochen werden. Dies setzt allerdings die Verwendung von manuel­ len Defibrillatoren bzw. Gerä­ ten, die eine Thoraxkompressi­ on während der Analysephase zulassen, voraus. Ausrufe wie »Achtung, Schuss!« oder »Wir grillen jetzt!« sollten unter­ bleiben, sie sind unprofes­ sionell und hinterlassen bei anwesenden Angehörigen einen negativen Eindruck. Vor der Schock­abgabe ist Sauer­ stoff vom Patienten zu entfer­ nen, da schlecht aufgebrachte Paddles in Verbindung mit Sauerstoff zu einer Entzün­ dung führen können. 25


Anbringen der Elektroden

Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen Patienten durch die genannte Kombination schwe­ re Verbrennungen erlitten haben. Sauerstoffmasken und Beatmungsbeutel müssen daher vor der Schockabgabe mindestens 1 Meter weit vom Patienten entfernt werden. Ist der Patient mit einem Endo­ trachealtubus, einer Larynx­ maske, einem Kombitubus oder einem Larynx-Tubus ver­ sorgt und der Sauerstoff hier­ an konnektiert, kann Sauerstoff während der Schockabga­ be am Patienten bleiben.

Um 100%ige Sicherheit zu gewährleisten, ist Sauerstoff während der Defibrillation generell vom Patienten zu entfernen. Wird dies in jedem Training geübt, ist die Durchführung eine Selbstverständ­ lichkeit und das Maß an Sicherheit für Patienten und Anwender steigt erheblich.

3.2 Anbringen der Elektroden Um einen Patienten defibrillieren zu können, ist der Oberkörper des Patienten zu entkleiden. In vielen Situati­ onen reicht es sicher, nur die Vorderseite des Oberkörpers zu entkleiden. Sind allerdings

sternale Elektrode: rechts parasternal unterhalb der Klavikula

apikale Elektrode: auf Höhe von V6 in der mittleren Axillarlinie

Abb. 13: Elektrodenposition 26


Klebepads oder Paddles?

metallverstärkte Bekleidungs­ stücke im Spiel, sollten diese komplett entfernt werden. Starke Brustbehaarung kann zu schlechtem Elektroden­ kontakt führen, hierdurch erhöht sich zum einen der Widerstand, zum anderen die Brandgefahr. Deshalb sollte Brustbehaarung mit einem Rasierer entfernt werden, dadurch darf sich aber die Defibrillation nicht unnötig verzögern.

Abb. 14: Klebepads

Unabhängig davon, ob kon­ ventionelle DefibrillatorPaddles oder Klebepads ver­ wendet werden, muss die rechte Elektrode rechts neben dem Sternum unterhalb der Klavikula und die linke Elek­ trode in der mittleren Axillar­ linie auf Höhe des 5. ICR (Inter­ kostalraum, Zwischenrippen­ raum) platziert werden.

Gerätes positioniert werden. Alternative Elektrodenposi­ tionen sind z.B. die beidsei­ tig laterale Position oder die Links-Anterior/Posteriorposi­ tion der Elektroden.

Trä g t d e r Pa t i e nt e i n e n im­plantierten Schrittmacher oder einen automatischen implantierbaren Defibrilla­ tor (AICD), sollten die Elek­ troden nicht direkt darüber platziert werden, da dies zu Schädigungen führen kann. In diesem Fall kann die betref­ fende Elektrode unterhalb des

3.3 Klebepads oder Paddles? Für die Defibrillation stehen zum einen konventionelle Defibrillator-Paddles, zum anderen so genannte Klebe­ pads zur Verfügung.

Die optimale Position der Defi bri l lations­ elektroden ist entschei­ dend.

Bei der Verwendung von kon­ ventionellen Paddles muss der transthorakale Wider­ 27


Atemwegsmanagement

Die richtige Länge eines Wendl-Tubus wird von der Nasenspitze des Patienten bis zum Ohrläppchen abge­ messen. Die Anwendung von Sauerstoff stellt die wichtigste Maßnahme dar. Wann immer möglich, muss Sauerstoff gegeben werden. Sauerstoff­ masken mit Reservoirsystem erreichen bei einem Flow von 10 – 15 l/min eine inspirato­ rische Sauerstoffkonzentrati­ on von etwa 85%. 4.7.3 Beatmung Patienten mit unzureichender Spontanatmung oder mit Atemstillstand müssen umge­ hend beatmet werden. Die

Abb. 24: Modifizierter doppelter C-Griff 50

Ausatemluft eines Helfers ist zwar ausreichend, um einen Patienten kurzfristig zu beatmen, dennoch ist der frühe Einsatz von hochdosiertem Sauerstoff wichtig. Einfache Hi lfsmittel wie eine Bea t m u n g s fo l i e o d e r e i n e Taschenmaske können ange­ wendet werden. Moderne Taschenmasken ver fügen mittlerweile auch über einen Sauerstoffanschluss, sodass die Ausatemluft des Helfers zusätzlich mit Sauerstoff angereichert werden kann. Ein Vorteil bei der Verwendung einer Taschenmaske liegt im geringeren Atemwegsdruck. Dieser kann bei der Verwen­ dung eines Beatmungsbeutels sehr hoch sein und zu einer Überblähung des Magens führen. Tritt das Problem auf, dass die Beatmungsmaske nicht abzudichten ist, sollte der modifizierte doppelte C-Griff zur Anwendung kom­ men (Abb. 24). Hierzu wird die Maske mit den Daumen bei­ der Hände gegen das Gesicht abgedichtet und mit den Fin­ gern der Unterkiefer gegen die Maske gezogen. Diese Technik kann durch einen Helfer bei der Verwendung der Taschen­ maske eingesetzt werden.


Atemwegsmanagement

Bei Verwendung eines Beatmungsbeutels ist für den doppelten C-Griff ein zweiter Helfer notwendig, der auch noch den Krikoiddruck (Sel­ lick-Handgriff) durchführen sollte. Wichtig ist hierbei aller­ dings, dass die Helfer in der korrekten Anwendung des Kri­ koiddrucks trainiert sind. Ein schlecht ausgeführter Kriko­ iddruck kann größere Schwie­ rigkeiten bei der Ventilation bereiten.

Abb. 25: Beutel-MaskenBeatmung mit zwei Helfern

Sind Helfer in der Anwendung von supraglottischen Atem­ wegshilfen, wie beispielsweise dem Larynx-Tubus, trainiert, so können diese als Ersatz für eine Beutel-Masken-Beat­ mung angewendet werden und der Atemweg gilt als gesi­ chert. Nach Sicherung des Atemweges muss die Thorax­ kompression im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes so

früh wie möglich ununterbro­ chen durchgeführt werden. Die Beatmung darf dabei auf keinen Fall zu einer Hyperven­ tilation führen. Atemzugvolu­ mina von 500 – 600 ml und eine Beatmungsfrequenz von 10/min sind ausreichend. Patient unter Reanimati­ on auf keinen Fall hyper­ ventilieren!

Beatmungsgeräte können unter laufender Reanimation angewendet werden, bedür­ fen aber einer genauen Über­ wachung der Beatmung. Vie­ lerorts sind noch Beatmungs­ geräte im Einsatz, die weder über einen Stenosealarm noch über einen Diskonnektionsa­ larm verfügen. Hier bietet der Beatmungsbeutel in der Hand des erfahrenen Helfers sicher mehr Auskunft über die Quali­ tät oder über etwaige Pro­ bleme bei der Beatmung. 4.7.4 Intubation und alter­ native Atemwegssicherung Um einen Atemweg zu sichern, stehen mehrere Hilfsmittel zur Verfügung. Hierzu zählen die Larynxmaske (LMA), die ProSeal®-Larynxmaske (PLMA), der Kombitubus, der Larynx51


Atemwegsmanagement

Tubus (LT), die i-gel® und der Endotrachealtubus (ET). Eine definitive Atemwegssiche­ rung wird sicher nur mit dem Endotrachealtubus erreicht und dies gilt auch nach wie vor als die beste Möglichkeit der Atemwegssicherung. Die endotracheale Intubati­ on sollte allerdings nur dem Helfer vorbehalten bleiben, der darin ausreichend Erfah­ rung hat und diese Maßnah­ me häufig anwendet. Hierfür sollte die Thoraxkompression nur kurz (max. 10 sec) unter­ brochen werden, idealerweise nur dann, wenn der Tubus die Stimmritze passiert. Um eine endotracheale Intubation bei einem nicht-nüchternen Pati­ enten nach allen Regeln der Kunst durchzuführen, werden mindestens zwei Helfer benö­ tigt. Alle Notfallpatienten gel­ ten als nicht-nüchtern!

Ein Helfer führt die Intubation durch, während der andere Helfer den Krikoiddruck durchund die Blockerspritze mit­ führt, um nach erfolgreicher Intubation den Endotracheal­ 52

Abb. 26: Endotracheale Intubation mit Sellick-Handgriff

Abb. 27: Tube Chek™

tubus umgehend zu blocken. Die Anwendung des Krikoid­ druckes kann die endotrache­ ale Intubation erschweren, insbesondere bei nicht kor­ rekter Durchführung. Danach erfolgt sofort die manuelle Fixation des Tubus durch den Intubierenden mit anschließender Lagekontrol­ le. Klinische Zeichen wie das Heben und Senken des Tho­


Atemwegsmanagement

Abb. 28: Easy Cap® – Einweg-Kapnometer

rax, das Vorhandensein von »Atemgeräuschen« bei der Auskultation oder das Beschla­ gen des Tubus bei der Aus­ atmung sind keine absolut verlässlichen Zeichen für eine korrekte Tubuslage. Die Kapno­ grafie gehört zu den wirklich sicheren Tubuslagekontroll­ methoden. Die Verwendung von so genannten Ösophagus­ detektorhilfsmitteln wie dem Tube Chek™ können hilfreich sein, haben aber auch eine ein­ geschränkte Sensitivität und Spezifität. Beipielsweise in der Schwangerschaft oder bei Asthmapatienten kön­ nen auch diese Hilfsmittel falsche Ergebnisse liefern.

Seit 2007 muss auf jedem Krankenwagen Typ C gemäß EN 1789 zumindest ein CO2 Detektor vorgehalten werden (Abb. 28).

Nach Lagekontrolle muss der Endotrachealtubus aus­ reichend fixiert werden. Erst nach erfolgreicher Fixierung kann der Tubus als sicher angesehen werden. Leider nimmt dieses Vorgehen eini­ ge Zeit in Anspruch, die bei einem Team aus zwei Hel­ fern (häufig im deutschen Rettungsdienst anzutreffen) wahrscheinlich zu einer zu langen Unterbrechung der Thoraxkompression führt. Eine Alternative zur Atem­ wegs­s icherung stellt die Larynxmaske dar. Ist sie erfolgreich eingelegt, gilt der Atemweg als gesichert. Falls die Larynxmaske sofort ein­ gelegt werden kann, ist sie der Beutel-Masken-Beatmung vorzuziehen, da das Risiko einer Insufflation von Luft in den Magen reduziert ist. Dadurch lässt sich auch das Regurgita­ tionsrisiko minimie­ ren.

Abb. 29: Larynx-Tubus 53


Basismassnahmen

empfohlen. AED-Geräte, die bei Kindern in einem Alter von 1 – 8 Jahren zu verwenden sind, sollten von den Herstellern als hierfür geeignet ausgewiesen sein. Spezielle Software oder pädiatrische Defibrillationspads begrenzen die Energieabgabe der Geräte auf 50 – 75 Joule. Sind diese speziellen AED-Geräte nicht verfügbar, können auch Standard-AED-Geräte verwendet werden. 6.2 Basismaßnahmen Es gibt im Vergleich zur Reanimation von Erwachsenen nur geringe Unterschiede. Trotzdem ist es sinnvoll, den Ablauf einer Reanimation von Kindern noch einmal zu erläutern. Wie immer steht die Sicherheit des Helfers an erster Stelle. Ist die Einsatzstelle als sicher eingestuft, wird das Bewusstsein des Kindes überprüft. Der kleine Patient wird laut angesprochen und vorsichtig an den Schultern geschüttelt. Falls z.B. anhand des Unfallmechanismus der Verdacht auf eine Verletzung der HWS besteht, sollte das Kind nicht an den Schultern 74

gerüttelt werden. Reagiert das Kind auf Ansprache bzw. auf das Schütteln, sollte es, sofern es sich nicht in einer Gefahrensituation befindet, zuerst in der vorgefundenen Position belassen werden. Das Kind muss untersucht werden. Falls notwendig, wird weitere Hilfe alarmiert. Selbstverständlich ist, dass der kleine Patient in regelmäßigen Abständen neu beurteilt werden muss. Reagiert das Kind nicht, muss unbedingt um Hilfe gerufen werden. Danach wird der Atemweg geöffnet. Bei Säuglingen sollte der Kopf hierzu in der Neutralposition belassen und das Kinn vorsichtig nach vorn gezogen werden. Die Neutralposition wird am besten erreicht, wenn dem Kind ein Polster von etwa 3 – 4 cm (z.B. eine frische Windel) unter die Schulterblätter gelegt wird, dies nennt man auch die »Schnüffelposition«. Bei Kindern, die über ein Jahr alt sind, kann zum Öffnen des Atemweges der Kopf leicht überstreckt und das Kinn angehoben werden. Sehen, Hören und Fühlen sind adä-


Basismassnahmen

BLS-Algorithmus Kinder Rettungsdienst – zwei Helfer Nicht ansprechbar? nach Hilfe rufen Atemweg öffnen keine normale Atmung? 5 initiale Beatmungen keine Lebenszeichen? 15 Thoraxkompressionen 2 Beatmungen 15 Thoraxkompressionen Abb. 35: BLS-Algorithmus Kinder (2 professionelle Helfer)

quate Mittel, um die Atmung des Kindes zu überprüfen: Bewegt sich der Thorax, sind Atemgeräusche zu vernehmen und fühlt man den Atemstrom des Kindes an der Wange? Wenn das Kind atmet, sollte es in die Seitenlage gebracht werden. Bei Säuglingen und

Kleinkindern lässt sich dies z.B. gut mit einer Handtuchrolle im Rücken des Kindes errei­ chen. Somit ist gewährleistet, dass das Kind nicht wieder auf den Rücken zurückrollt. Aber auch nach Anwendung dieses einfachen Hilfsmittels ist eine kontinuierliche Überwachung des Kindes notwendig. Bei Atemstillstand oder Schnappatmung müssen sichtbare Fremdkörper aus den oberen Atemwegen entfernt werden. Danach sind 5 initiale Beatmungen abzugeben. Schon während der Beatmung des Kindes muss auf Würgen oder Husten geachtet werden, denn deren Abwesenheit oder Vor­ handensein sind wichtiger Teil der nachfolgenden Kreislauf­ beurteilung.

Zur Beatmung von Säuglin­ gen muss der Kopf in der Neu­ tralposition bleiben. Mund und Nase des Kindes sind mit dem Mund des Helfers zu ver­ schließen und danach wird die Beatmung über einen Zeitraum von 1 – 1,5 Sekunden durchgeführt. Hierbei sollte sich der Thorax des Kindes sichtbar heben und auch wie­ der senken. Gerade bei älteren Kindern, aber manchmal auch 75


Qualitativ hochwertige Basismaßnahmen der Reanimation wie die Thoraxkompression sind für das Überleben der Patienten wichtig. Verständlich und praxisnah aufbereitet, stellt dieses Buch die Guidelines des European Resuscitation Council aus dem Jahr 2010 vor und ebnet damit den Weg zu einer einheitlichen Vorgehensweise.

Band 3 Rettungsdienst kompakt 3 Reanimation aktuell, 2. Aufl.

Frank Flake, Klaus Runggaldier (Hrsg.) Band 3

Thomas Semmel

Thomas Semmel

2., überarbeitete Auflage

2., überarbeitete Auflage

Reanimation aktuell ISBN: 978-3-938179-89-5 · www.skverlag.de

Reanimation aktuell


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