U. Atzbach H.-P. Hündorf R. Lipp
Ulrich Atzbach Hans-Peter Hündorf Roland Lipp
Notfallsanitäter
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Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung
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Das gesamte Buch richtet sich in Inhalt und Gliederung streng nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Notfallsanitäter und wurde von erfahrenen Rettungsdienstmitarbeitern und Ausbildern für die besonderen Anforderungen der Ergänzungsprüfung konzipiert. Es ist zur selbstständigen Vorbereitung wie auch als begleitendes Lehrbuch für die Ergänzungskurse (480 und 960 Stunden) geeignet.
Notfallsanitäter
Auf die eigenständige Versorgung des Notfallpatienten und auf erweiterte und ggf. invasive Maßnahmen – und somit auf die praktische Prüfung – kann sich
der angehende Notfallsanitäter anhand von Fallbeispielen vorbereiten. Die nach Leitsymptomen bzw. -diagnosen dargestellten Maßnahmen orientieren sich am gegenwärtigen Stand einer möglichen rettungsdienstlichen Maximalversorgung und werden durch klare Versorgungsalgorithmen begleitet. Die aktuellen Empfehlungen der Ärztlichen Leiter sind darin eingeflossen.
Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung
Auf die Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter bereitet dieses Lernund Prüfungsbuch umfassend vor. In kompakten Grundlagenkapiteln findet sich das relevante Wissen zu den drei Schwerpunkten der mündlichen Prüfung: – Kommunikation, Interaktion und Beratung, – Handeln nach Qualitätskriterien und – Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwen dung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes.
Herausgeber Ulrich Atzbach Hans-Peter Hündorf Roland Lipp
Notfallsanitäter
Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung 2., aktualisierte und ergänzte Auflage
ISBN 978-3-943174-54-0
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www.skverlag.de
Notfallsanitäter
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Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung
Herausgeber
Ulrich Atzbach Hans-Peter Hündorf Roland Lipp
2., aktualisierte und ergänzte Auflage
Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2016
Anmerkungen des Verlags Die Herausgeber bzw. Autoren und der Verlag haben höchste Sorgfalt hinsichtlich der Angaben von Therapie-Richtlinien, Medikamentenanwendungen und -dosierungen aufgewendet. Für versehentliche falsche Angaben übernehmen sie keine Haftung. Da die gesetzlichen Bestimmungen und wissenschaftlich begründeten Empfehlungen einer ständigen Veränderung unterworfen sind, ist der Benutzer aufgefordert, die aktuell gültigen Richtlinien anhand der Literatur und der Beipackzettel zu überprüfen und sich entsprechend zu verhalten. Die Angaben von Handelsnamen, Warenbezeichnungen etc. ohne die besondere Kennzeichnung ®/™/© bedeuten keinesfalls, dass diese im Sinne des Gesetzgebers als frei anzusehen wären und entsprechend benutzt werden könnten. Der Text und/oder das Literaturverzeichnis enthalten Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat. Deshalb kann er für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seite verantwortlich. Aus Gründen der Lesbarkeit ist in diesem Buch meist die männliche Sprachform gewählt worden. Alle personenbezogenen Aussagen gelten jedoch stets für Frauen und Männer gleichermaßen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
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© Copyright by Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht, 2016 Satz: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht Umschlagfoto: Klaus von Frieling, Stumpf + Kossendey Druck: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn ISBN 978–3–943174–54–0
˘ Inhalt
Inhalt Vorwort Abkürzungen
I
Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung
II Weitere Ausbildung nach § 32 NotSanG 1
XIV XV
1 9
Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst
11
1.1 1.1.1 1.1.1.1 1.1.1.2 1.1.1.3 1.1.1.4 1.1.1.5 1.1.1.6 1.1.2 1.1.3 1.1.3.1 1.1.3.2 1.1.4 1.1.5 1.1.6
Grundlagen der Kommunikation Einführung Was ist Kommunikation? Sender und Empfänger Vier Seiten einer Nachricht Das innere Team Das Modell der Transaktionsanalyse Kommunikationskontext und Situationsmodell Verbale Kommunikation Nonverbale und paraverbale Kommunikation Nonverbale Kommunikation Paraverbale Kommunikation Teufelskreismodell Das Werte- und Entwicklungsquadrat Zusammenfassende Regeln
12 12 12 14 14 17 19 21 25 26 26 35 37 38 39
1.2 1.2.1 1.2.1.1 1.2.1.2 1.2.1.3 1.2.1.4 1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.2.3 1.2.2.4 1.2.2.5 1.2.2.6 1.2.2.7 1.2.2.8
Umgang mit Notfallpatienten Notfall und Psyche Belastungen nach einem Notfall Moderatorvariablen Reaktionen Notwendigkeit angemessenen psychologischen Verhaltens Angemessener Umgang mit N otfallpatienten Sich vorstellen Non- und paraverbal k ommunizieren Informationen geben Kompetenz zeigen Selbstkontrolle steigern Zuhören Für psychischen Ersatz sorgen Psychosoziale Notfallhelfer einbeziehen
42 42 42 45 47 47 47 47 48 49 50 51 52 52 52 V
˘ Inhalt
1.2.2.9 1.2.3
Umgang mit Sterbenden Fazit
53 54
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.4.1 1.3.4.2 1.3.4.3 1.3.5 1.3.5.1 1.3.5.2 1.3.5.3
Umgang mit besonderen Patientengruppen Umgang mit Kindern und Jugendlichen Umgang mit alten Patienten Umgang mit Migranten und Ausländern Umgang mit hörgeschädigten und sehbehinderten Menschen Menschen mit Hörschädigung Menschen mit Sehbehinderung Zusammenfassung Umgang mit Menschen in psychosozialen Notlagen Prävalenz und Hintergründe Verhalten gegenüber Betroffenen Fazit
55 55 57 61 62 63 68 71 72 72 74 78
1.4 1.4.1 1.4.2
Umgang mit Verstorbenen Einführung Verhalten des Rettungsfachpersonals
79 79 79
1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.5.6 1.5.7
Umgang mit anderen am Notfall Beteiligten Ersthelfer Angehörige Kollegen Ärzte Polizeibeamte Zuschauer Medienvertreter
85 85 86 87 88 89 89 90
1.6
Grundlagen einer fachbezogenen Konversation in englischer Sprache Medical English – Basic vocabulary Talking to the patient / Anamnesis (Verständigung mit dem Patienten / Anamnese) Education and agreement of the patient (Aufklärung und Einverständnis des Patienten) Übungsaufgaben
1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4
2
VI
93 93 98 102 103
Handeln nach Qualitätskriterien (orientiert an wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Rahmenbedingungen)
107
2.1 2.1.1
110 110
Rettungsdienstorganisation Der Rettungsdienst als Teil der R ettungskette
˘ Inhalt
2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.5.1 2.1.5.2 2.1.5.3 2.1.5.4 2.1.5.5 2.1.6 2.1.6.1 2.1.6.2 2.1.6.3 2.1.6.4 2.1.7 2.1.8 2.1.9 2.1.10 2.1.11 2.1.12 2.1.12.1 2.1.12.2 2.1.12.3 2.1.12.4 2.2 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.1.3 2.2.1.4 2.2.1.5 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.3.4 2.2.3.5
Aufgaben des Rettungsdienstes Rettungsdienst und Ersthelfer-Systeme Abgrenzung zu anderen Aufgaben Rettungsdienst – gesetzliche R egelungen Bundesrecht Landesrecht Einfluss des Europarechts Europaweite Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen Sonstige Rechtsvorschriften Durchführung des Rettungsdienstes Das „Trennmodell“ Übertragung der Durchführung an Dritte Auswirkung der demografischen Entwicklung Rettungsdienstbereiche, (Rettungs-)Leitstellen und Rettungswachen Technische Ausstattung von Rettungswachen Personal im Rettungsdienst Technik im Rettungsdienst Rettungsdienst und Krankenhaus Finanzierung des Rettungsdienstes Europäische Normung für den Rettungsdienst Rettungsdienst und Normung bei Krankenkraftwagen Krankenkraftwagen – DIN EN 1789 Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) – DIN 75079 Kofferaufbauten für Krankenkraftwagen – DIN 13500 Straf- und Zivilrecht Strafrecht Tun (am Beispiel der Körperverletzung und Tötung) Unterlassen Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht Unfallflucht Strafrechtliche Vorschriften zum Schutz des Rettungsdienstes Zivilrecht Rechtliche Grundlagen der medizinischen Behandlung und der Haftung im Rettungsdienst Behandlungsfehler Transportfehler Rechtsstellung von Patienten und Sorgeberechtigten Minderjährige Betreuung Öffentlich-rechtliche Unterbringung Transportverweigerung Patientenverfügung
111 113 114 116 116 119 120 122 126 126 126 127 128 128 130 130 131 132 133 134 135 136 137 140 142 142 143 145 147 149 150 151 152 154 157 159 159 162 163 165 167 VII
˘ Inhalt
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.3 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.3.5
VIII
Strassenverkehrsrecht Straßenverkehrsgesetz (StVG) Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) Allgemeine Fahrerlaubnis Fahrberechtigung für ehrenamtliche Einsatzkräfte Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Sonderrechte Sondersignale Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft)
169 169 171 171 171 175 177 178 179 184 185
2.4 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3 2.4.1.4 2.4.1.5 2.4.1.6 2.4.1.7 2.4.1.8 2.4.1.9 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.2.4 2.4.2.5
Arbeitsrecht und Arbeitsschutzrecht Arbeitsrecht und berufsrechtliche Regelungen Vertragsgestaltung Die zu leistende Arbeit Die ordentliche Kündigung Außerordentliche Kündigung Arbeitszeitgesetz Arbeitszeitverlängerung durch Arbeitsbereitschaft Betriebsverfassungsgesetz Besonderheiten im kirchlichen kollektiven Arbeitsrecht Arbeitskampf Arbeitsschutzrecht Staatliches Arbeitsschutzrecht Unfallverhütungsrecht Mutterschutzrecht Jugendarbeitsschutzrecht Schwerbehindertenschutzrecht
187 187 187 188 189 191 191 192 192 195 195 196 196 200 203 205 208
2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.2.1 2.5.2.2 2.5.2.3 2.5.2.4 2.5.2.5 2.5.2.6 2.5.2.7
Medizinproduktegesetz Gesetzliche Grundlagen Die Betreiberverordnung Zweckbestimmung Überprüfung vor jeder Anwendung Meldungen Instandhaltung, Wartung und Kontrolle Reinigung, Desinfektion, Sterilisation Einweisung und „Geräteverantwortlicher“ Dokumentation
210 210 216 216 217 217 219 220 222 224
˘ Inhalt
2.5.3 2.5.3.1 2.5.3.2 2.5.3.3 2.5.3.4 2.5.3.5 2.5.3.6 2.5.3.7 2.5.3.8 2.5.4 2.5.5
Kennzeichnung von Medizinprodukten Einmalgebrauch „Verwendbar bis ...“ „Hergestellt am ...“ „Achtung – Anleitung beachten“ Produktcharge Geräteseriennummer Bestellnummer Sterilität Rechtsfolgen Besonderheiten
224 225 225 225 226 226 226 226 226 226 229
2.6 2.6.1 2.6.1.1 2.6.1.2 2.6.1.3 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.4.1 2.6.4.2 2.6.4.3 2.6.4.4 2.6.4.5 2.6.4.6 2.6.4.7
Qualitätsmanagement im Rettungsdienst Dimensionen des Qualitätsmanagements Strukturqualität Prozessqualität Ergebnisqualität Der PDCA-Zyklus Normen für ( Qualitäts-)Managementsysteme Instrumente des Qualitätsmanagements QM-Handbuch Audits Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Kennzahlensysteme Kundenzufriedenheitsanalyse Vorschlagswesen Beschwerdemanagement
231 231 231 232 233 233 235 236 237 237 239 239 242 242 243
2.7 2.7.1 2.7.2
Wirtschaftliche und ökologische R ahmenbedingungen im Rettungsdienst Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Ökologische Rahmenbedingungen
244 244 246
2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.8.6 2.8.7
Dokumentation im Rettungsdienst Elektronische Notfallprotokolle Der Minimale Notfalldatensatz (MIND) Der MEES – Score zur Zustands- und Verlaufsbeschreibung Reanimationsdatenerfassung Modifikationen des RD-Protokolls Transportverweigerung Archivierung
249 250 254 255 255 256 256 256
IX
˘ Inhalt
3
Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes 3.1
3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3 3.1.3.4
Rechtliche Rahmenbedingungen der medizinischen Behandlung Rettungsdienstgesetze Gesetzliche Krankenversicherung Notfallsanitätergesetz sowie Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Erstversorgungskompetenz Assistenz Durchführung aufgrund Einzelfall-Delegation Durchführung aufgrund SOP-Vorgabe des ÄLRD
267 274 278 278 279
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3 3.2.3.4 3.2.3.5 3.2.3.6 3.2.4 3.2.4.1 3.2.4.2 3.2.4.3 3.2.4.4 3.2.4.5 3.2.4.6 3.2.5 3.2.5.1 3.2.5.2 3.2.5.3 3.2.5.4 3.2.5.5 3.2.6 3.2.6.1
Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie Das ABCDE-Schema A – Airway Atemweg Grundlagen der Atemwege Erkennen von Atemwegsproblemen Freimachen der Atemwege Atemwegssicherung B – Breathing Belüftung/Atemfunktion Grundlagen von Atemstörungen Ursachen für Atemstörungen Erkennen von Atemstörungen Folgen einer Atemstörung Grundlagen des A temmonitorings Oxygenierung und Beatmung C – Circulation Kreislauffunktion und -therapie Grundlagen von Herz-Kreislauf-Störungen Erkennen von Kreislaufstörungen Techniken zur Kreislauftherapie Lebensbedrohliche Blutungen stillen Volumentherapie bei Traumapatienten Kreislaufstillstand und Reanimation D – Disability Bewusstsein und Neurologie Ursachen von Bewusstseinsstörungen Auswirkungen auf die Vitalfunktionen Erkennen von Bewusstseinsstörungen Neurologische Notfalldiagnostik Therapie der Bewusstseinsstörung E – Exposure Erweiterte Untersuchung Schnelle Trauma-Untersuchung (STU)
283 283 284 285 285 286 292 312 312 318 320 321 321 322 345 345 347 349 359 367 368 379 380 382 383 385 390 391 392
3.1.1 3.1.2 3.1.3
X
259 263 263 266
˘ Inhalt
3.2.6.2 3.2.6.3 3.2.6.4 3.2.6.5
Anamnese Notfallbezogene klinische Untersuchung Apparative Notfalldiagnostik und Monitoring Apparative Untersuchungen in der Klinik / Notaufnahme
393 397 416 440
3.3
Lebenserhaltende Massnahmen und Massnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden Leitsymptom Atemnot Algorithmus Obstruktive Atemnot Algorithmus Kardiales Lungenödem Leitsymptom Brustschmerz Algorithmus Akutes Koronarsyndrom (ACS) Algorithmus Hypertensiver Notfall Leitsymptom Schock Algorithmus Lungenarterienembolie (LAE) Algorithmus Schwere allergische Reaktion Leitsymptom Abdominelle Schmerzen Algorithmus Abdominelle Schmerzen Leitsymptom Bewusstseinsstörung Algorithmus Hypoglykämie Algorithmus Schlaganfall Algorithmus Generalisierter Krampfanfall Leitsymptom Tachy- / Bradykardie Algorithmus Lebensbedrohliche Tachykardie Algorithmus Lebensbedrohliche Bradykardie Leitdiagnose Vergiftung Algorithmus Intoxikation Leitdiagnose Verbrennungen Algorithmus Thermischer Schaden Pädiatrische Notfallversorgung Kindliches A-Problem Kindliches B-Problem Kindliches C-Problem Kindliches D-Problem Kindliches E-Problem Traumatologische Notfallversorgung A-Problem beim Trauma B-Problem beim Trauma C-Problem beim Trauma D- und E-Problem beim Trauma Muster-Algorithmen / SOP Medikamentengabe durch NotSan nach Freigabe des ÄLRD (SOP) Herz-Kreislauf-System Atmung – Asthma / COPD
450 454 454 455 457 457 460 462 462 464 466 466 468 468 471 472 474 474 475 477 477 481 481 483 483 485 486 487 488 490 490 491 492 493 495 519 519 530
3.3.1 3.3.1.1 3.3.1.2 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.4 3.3.4.1 3.3.5 3.3.5.1 3.3.5.2 3.3.5.3 3.3.6 3.3.6.1 3.3.6.2 3.3.7 3.3.7.1 3.3.8 3.3.8.1 3.3.9 3.3.9.1 3.3.9.2 3.3.9.3 3.3.9.4 3.3.9.5 3.3.10 3.3.10.1 3.3.10.2 3.3.10.3 3.3.10.4 3.3.11 3.3.12 3.3.12.1 3.3.12.2
XI
˘ Inhalt
3.3.12.3 3.3.12.4 3.3.12.5 3.3.12.6 3.3.13
4
Stoffwechsel – Hypoglykämie Neurologie Infektiologie – Sepsis Schmerz und Anästhesie Arzneimittel
Praktische Ausbildung nach § 32 NotSanG
532 533 535 536 544 567
III Mündlicher Teil der Ergänzungsprüfung nach § 18 NotSan-APrV
583
1
585
Prüfungsfragen 1.1
2
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst
586
1.2
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Handeln nach Qualitätskriterien
589
1.3
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Massnahmen sowie Massnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes
592
Musterlösungen 2.1
XII
597
Musterlösungen zum Themenbereich: Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst
598
2.2
Musterlösungen zum Themenbereich: Handeln nach Qualitätskriterien
603
2.3
Musterlösungen zum Themenbereich: Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Massnahmen sowie Massnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes
609
˘ Inhalt
IV Praktischer Teil der Ergänzungsprüfung nach § 19 NotSan-APrV
619
1
Internistische Fallbeispiele
621
2
Traumatologische Fallbeispiele
645
V Fragenpool (online)
667
669 670 680 684 687
Anhang
Literatur Abbildungsnachweis Herausgeber und Autoren Register
XIII
˘ Vorwort
Vorwort Jede Rettungsassistentin und jeder Rettungsassistent hat mit dem Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes zum 1. Januar 2014 sieben Jahre Zeit, sich zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter zu qualifizieren. Hierzu ist entweder eine staatliche Ergänzungsprüfung zu bestehen oder die „reguläre“ staatliche Prüfung zum Notfallsanitäter erfolgreich zu absolvieren. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäter gibt für den mündlichen sowie für den praktischen Teil der Ergänzungsprüfung klare Themen und Fallbeispiele vor, die Gegenstand dieser Prüfungsteile sind. Das vorliegende Buch „Notfallsanitäter upgrade“ bereitet Rettungsassistentinnen und Rettungsassis tenten auf das erfolgreiche Absolvieren der Ergänzungsprüfung vor. Seit 1977 wurde die Ausbildung zum Rettungssanitäter als Mindestqualifikation für die Tätigkeit im Rettungsdienst durch den Bund-Länder-Ausschuss Rettungswesen festgelegt. Als 1989 das Rettungsassistentengesetz in Kraft trat, konnten alle Rettungssanitäter, die eine definierte Stundenzahl im Rettungsdienst tätig waren, zum Rettungsassis tenten übergeleitet werden. Dies wurde auch in hohem Umfang genutzt. Nunmehr sieht das Notfallsanitätergesetz eine einfache Überleitung nicht mehr vor. Der Gesetzgeber hat für die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Notfallsanitäterin“ bzw. „Notfallsanitäter“ zu führen, das erfolgreiche Bestehen einer Prüfung zur Voraussetzung gemacht. Damit sind zumindest alle jüngeren Mitarbeiter im Rettungsdienst angehalten, sich innerhalb von sieben Jahren zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter zu qualifizieren. Faktisch werden derzeit in den Landesrettungsdienstgesetzen Notfallsanitäter zwar vorgesehen, sie sind bei der Besetzung der Fahrzeuge aber dem Rettungsassistenten gleichgestellt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die landesrechtlichen Regelungen mittelfristig an das Notfallsanitätergesetz angepasst werden und nur noch der Notfallsanitäter auf RTW und NEF vorgesehen wird. Gerade jetzt müssen sich diejenigen, die im Rettungsdienst langfristig tätig sein wollen, schon aus Eigeninteresse weiter qualifizieren. Das vorliegende Buch wurde von Experten, die sich mit der Thematik der Aus-, Fortund Weiterbildung im Rettungsdienst beschäftigen, zusammengestellt und verfasst. Es orientiert sich streng am Notfallsanitätergesetz und an der zugehörigen Ausbildungsund Prüfungsverordnung. Die Autoren und Herausgeber haben alle notwendigen Themenbereiche sorgfältig bearbeitet, damit die erfolgreiche Weiterqualifizierung sichergestellt ist. Die Herausgeber danken den mitwirkenden Autoren und den Mitarbeitern im S+KVerlag für die schnelle und engagierte Realisierung dieses Projektes.
Die Herausgeber
XIV
I Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung ˘
I
Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung ˘
1
˘ I. Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung
Daniel Bens, Robert Beyer, Martina Hadasch und Roland Lipp
˘ Das Notfallsanitätergesetz (NotSanG)
Mit dem Gesetz über den Beruf der Not fallsanitäterin und des Notfallsanitä ters (Notfallsanitätergesetz – NotSanG) hat der Bundesgesetzgeber das seit dem 10. Juli 1989 bestehende Rettungsassis tentengesetz abgelöst. Mit dem Erlass des Notfallsanitätergesetzes soll auf die geän derten Rahmenbedingungen und Anfor derungen in der präklinischen Notfallver sorgung reagiert werden. So sind steigende Einsatzzahlen im ge samten Rettungsdienst, aber rückläufige Zahlen im Krankentransport zu verzeich nen. Zudem wird davon ausgegangen, dass das Aufkommen an Interhospital transporten und damit die Zahl der zu be treuenden Intensivpatienten in Zukunft deutlich steigen werden. Letztlich ist aber auch durch die demografische Entwick lung mit einer Veränderung der Krank heitsbilder und Hilfeersuchen zu rechnen, sodass Notfallsituationen deutlich kom plexer werden. Um diesen Herausforderungen zu be gegnen, ist es das vorrangige Ziel des Notfallsanitätergesetzes, eine hohe Aus bildungsqualität des nicht-ärztlichen Ret tungsdienstpersonals zu gewährleisten. Denn dessen Qualifikation wird als we sentliche Voraussetzung für eine fachund bedarfsgerechte präklinische Versor gung der Bevölkerung betrachtet. Das Bundesministerium für Gesund heit setzte daher im Jahre 2008 eine Ex pertengruppe ein, die ihre Arbeit zum 31. Oktober 2011 beendet hat. Im Mai 2012 erschienen schließlich der Referenten
2
entwurf und daraus resultierend der Re gierungsentwurf für einen neuen Aus bildungsberuf im Rettungsdienst. Diese beinhalteten einige Kernelemente der bereits in der Vergangenheit geforderten Änderungen bezüglich eines zukünftigen Berufsbildes im Rettungsdienst. Zu einer öffentlichen Anhörung in der 99. Sitzung des Gesundheitsaus schusses auf Bundesebene waren am 30. Januar 2013 Sachverständige und diverse standesrechtliche Vertretungen sowohl seitens der Ärzteschaft, des Rettungs dienstes, der Gewerkschaften, der Kosten träger als auch der Hilfsorganisationen und der Feuerwehr geladen. Hierbei wur den in der zweistündigen Sitzung noch mals verschiedene Fragestellungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung von den verschiedenen Fraktionen thema tisiert. Am 27. Februar 2013 fand hier zu eine abschließende Beratung im Ge sundheitsausschuss statt, bei der noch verschiedene Änderungen Berücksich tigung fanden. Die dort erarbeitete Be schlussempfehlung über das neue Be rufsbezeichnungsgesetz wurde nach der zweiten und dritten Lesung im Bundestag einen Tag später verabschiedet. Am 22. März 2013 wurde das Notfallsanitäterge setz vom Bundesrat verabschiedet, es trat am 1. Januar 2014 in Kraft. Das NotSanG ist ein sogenanntes Be rufsbezeichnungsgesetz, als solches hat es keinen Einfluss auf die Organisation des Rettungsdienstes. Es dient nicht der Sicherstellung des Katastrophenschutzes und regelt auch nicht die Einbindung von Ehrenamtlichen in diesen Bereich. Viel mehr dient das NotSanG dem Zweck, zur Professionalisierung der präklinischen notfallmedizinischen Versorgung beizu
˘ I. Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung
tragen und hierdurch den Betroffenen bestmögliche Hilfe in Notfällen zuteil werden zu lassen. Ein Berufsbezeich nungsgesetz regelt also nicht die Berufs ausübung selbst, sondern schränkt die Berechtigung zum Tragen der jeweiligen Berufsbezeichnung ein, d. h. wer unter der Berufsbezeichnung „Notfallsanitäter“ tä tig werden will, bedarf der behördlichen Erlaubnis. Die Erlaubnispflichtigkeit ver bietet anderen Personen jedoch nicht, die im NotSanG beschriebenen Aufgaben wahrzunehmen. Es ist lediglich untersagt, diese Aufgaben unter der Berufsbezeich nung „Notfallsanitäter“ vorzunehmen, so fern keine entsprechende Erlaubnis vor liegt. Eine faktische Beschränkung der Berufsausübung findet jedoch durch die Regelungen der jeweiligen Landesret tungsdienstgesetze statt. Dadurch, dass die Landesrettungsdienstgesetze für die Tätigkeit im Rettungsdienst fordern, dass das Personal zum Führen bestimmter Be rufsbezeichnungen berechtigt ist, wird die Ausübung der Tätigkeit denjenigen vorbehalten, die die Berufsbezeichnung führen dürfen. Inzwischen haben eini ge Landesgesetzgeber (mit unterschied lichen Stichtagen) für die Tätigkeit im Rettungsdienst das Führen der neuen Be rufsbezeichnung „Notfallsanitäter“ vo rausgesetzt, indem sie beispielsweise die Besetzung von Rettungsmitteln durch Notfallsanitäter fordern. Damit ergibt sich für bisherige Rettungsdienstmitar beiter die Notwendigkeit, diese Berufs bezeichnung über die im Gesetz geregel ten Wege innerhalb einer Frist von sieben Jahren zu erwerben, sofern sie die zukünf tig dem Notfallsanitäter vorbehaltenen Tätigkeiten (in der Notfallrettung) aus üben möchten.
Die Übergangsbestimmungen vom Ret tungsassistenten zum Notfallsanitäter re gelt § 32 des Notfallsanitätergesetzes.
§ 32 Übergangsvorschriften (1) Eine Ausbildung zur Rettungsassisten tin oder zum Rettungsassistenten, die vor Außerkrafttreten des Rettungsassistenten gesetzes vom 10. Juli 1989 (BGBl. I S. 1384), das zuletzt durch Artikel 19 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686) ge ändert worden ist, begonnen worden ist, wird nach den Vorschriften des Rettungs assistentengesetzes abgeschlossen. Nach Abschluss der Ausbildung erhält die an tragstellende Person, wenn die Vorausset zungen des § 2 Absatz 1 Nummer 2 und 3 vorliegen, die Erlaubnis, die Berufsbezeich nung „Rettungsassistentin“ oder „Ret tungsassistent“ zu führen. (2) Eine Person, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes eine mindestens fünfjährige Tä tigkeit als Rettungsassistentin oder Ret tungsassistent nachweist, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Ab satz 1 Nummer 2 und 3 die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Notfallsanitäterin“ oder „Notfallsanitäter“ zu führen, wenn sie innerhalb von sieben Jahren nach In krafttreten dieses Gesetzes die staatliche Ergänzungsprüfung besteht. Satz 1 gilt entsprechend für eine Person, die bei In krafttreten des Gesetzes 1. eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Rettungsassistentin oder Rettungsassis tent nachweist und zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung an einer weiteren Ausbildung von 480 Stunden teilgenommen hat oder 2. eine geringere als eine dreijährige Tätig keit oder, bei Personen nach Absatz 1, keine Tätigkeit als Rettungsassistentin oder Rettungsassistent nachweist und zur Vorbereitung auf die Ergänzungs prüfung an einer weiteren Ausbildung von 960 Stunden teilgenommen hat.
3
˘ I. Hintergrundinformationen zum NotSanG und zur weiteren Ausbildung
Die weitere Ausbildung kann in Vollzeit form, Teilzeitform oder berufsbegleitend absolviert werden. Eine Person nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2, die an keiner weiteren Ausbildung teilnimmt, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Ab satz 1 Nummer 2 und 3 die Erlaubnis nach § 1 Absatz 1, wenn sie innerhalb von sie ben Jahren nach Inkrafttreten dieses Ge setzes die staatliche Prüfung besteht.
Eine „automatische“ Überleitung, wie es sie 1989 vom Rettungssanitäter zum Ret tungsassistenten gegeben hat, ist vom Gesetzgeber ausgeschlossen worden. Um den gestiegenen Anforderungen in der Notfallrettung nachzukommen, wird die erforderliche Qualifikation stattdessen in jedem Fall durch eine Prüfung kontrol liert (sog. Ergänzungsprüfung). Der unter schiedlichen Berufserfahrung wird aber durch eine Staffelung der Zulassungs voraussetzungen Rechnung getragen (s. Abb. 1). Rettungsassistenten mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung können die
Ergänzungsprüfung ohne weitere Vor aussetzungen ablegen. Ihre Kollegen mit mehr als drei, aber weniger als fünf Jah ren Berufstätigkeit haben eine weitere Ausbildung von 480 Stunden nachzuwei sen. Bei Rettungsassistenten mit weni ger als drei Jahren Erfahrung erhöht sich die Stundenzahl auf 960 Stunden. Darü ber hinaus haben alle Anwärter die Mög lichkeit, die „reguläre“ staatliche Ausbil dungsprüfung abzulegen. Die einzelnen Modalitäten und Themen für die Berufs ausbildung und die jeweiligen Prüfungen regelt die Ausbildungs- und Prüfungsver ordnung.
˘ Die Ausbildungs- und Prüfungs verordnung für Notfallsanitäter (NotSan-APrV)
Die Ausbildungs- und Prüfungsverord nung für Notfallsanitäterinnen und Not fallsanitäter (NotSan-APrV) ergänzt das Notfallsanitätergesetz und wurde vom Bundesministerium für Gesundheit er arbeitet und nach Zustimmung des Bun
Gesundheitliche Eignung und keine Annahme zur Unzuverlässigkeit > 5 Jahre als RettAss
mind. 3 Jahre als RettAss
< 3 Jahre als RettAss und Azubi
Teilnahme an Ausbildung 480 h zur Vorbereitung
Teilnahme an Ausbildung 960 h zur Vorbereitung
Ergänzungsprüfung (in < 7 Jahren) Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Notfallsanitäter Abb. 1 ˘ Übergang vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter 4
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst ˘
1 Kommunikation,
Interaktion und Beratung im Rettungsdienst ˘
1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6
Grundlagen der Kommunikation Einführung Verbale Kommunikation Nonverbale und paraverbale Kommunikation Teufelskreismodell Das Werte- und Entwicklungsquadrat Zusammenfassende Regeln
12 12 25 26 37 38 39
1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3
Umgang mit Notfallpatienten Notfall und Psyche Angemessener Umgang mit Notfallpatienten Fazit
42 42 47 54
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5
Umgang mit besonderen Patientengruppen Umgang mit Kindern und Jugendlichen Umgang mit alten Patienten Umgang mit Migranten und Ausländern Umgang mit hörgeschädigten und sehbehinderten Menschen Umgang mit Menschen in psychosozialen Notlagen
55 55 57 61 62 72
1.4 1.4.1 1.4.2
Umgang mit Verstorbenen Einführung Verhalten des Rettungsfachpersonals
79 79 79
1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.5.6 1.5.7
Umgang mit anderen am Notfall Beteiligten Ersthelfer Angehörige Kollegen Ärzte Polizeibeamte Zuschauer Medienvertreter
85 85 86 87 88 89 89 90
1.6
Grundlagen einer fachbezogenen Konversation in englischer Sprache Medical English – Basic vocabulary Talking to the patient / Anamnesis (Verständigung mit dem Patienten / Anamnese) Education and agreement of the patient (Aufklärung und Einverständnis des Patienten) Übungsaufgaben
1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4
93 93 98 102 103 11
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung ˘ 1.1 Grundlagen der Kommunikation
1.1
Grundlagen der Kommunikation
Rike Richwin und Harald Karutz
1.1.1 Einführung Neben der kompetenten Durchführung medizinischer Maßnahmen ist Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil des rettungsdienstlichen Handelns. Professionell kommunizieren zu können, stellt eine wichtige Schlüsselqualifikation von Rettungsdienstmitarbeitern dar. Mittlerweile hat sich auch die Ansicht durchgesetzt, dass der kommunikative Umgang mit Betroffenen ebenso wie die medizinische Patientenversorgung nicht der Beliebigkeit überlassen werden darf, sondern eine bestimmte, wissenschaftlich begründete Struktur und Vorgehensweise verlangt. Kommunikationstheoretisches Fachwissen und eine fundierte praktische Kommunikationskompetenz tragen in erheblicher Weise dazu bei, Notfallgeschehen erfolgreich zu bewältigen.
1.1.1.1
Was ist Kommunikation?
Sucht man nach einer grundsätzlichen Beschreibung von „Kommunikation“, stößt man in der Fachliteratur auf unzählige unterschiedliche Definitionen. Bei einer recht oberflächlichen Betrachtungsweise ist z. B. von einem Informationsaustausch bzw. einer Informationsübertragung die Rede. Ein allgemein gültiges Begriffsverständnis gibt es jedoch nicht. Im Folgenden wird deshalb lediglich eine ausgewählte Sichtweise erläutert, die für das rettungsdienstliche
12
Handeln besonders relevant erscheint. Ausgegangen wird dabei immer von interpersonaler, also zwischenmenschlicher Kommunikation, die im unmittelbaren „face-to-face“-Kontakt stattfindet. Sobald sich mindestens zwei Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufhalten, findet eine solche Kommunikation statt – ob die Beteiligten dies wünschen und beabsichtigen oder nicht. Der bekannte Wissenschaftler Paul Watzlawick hat darauf hingewiesen, dass man in solchen Situationen eben nicht nicht kommunizieren kann. Sobald Menschen einander wahrnehmen, ergibt sich immer auch Kommunikation, selbst dann, wenn jemand nichts sagen sollte: – Zum einen hat auch das Schweigen einen Mitteilungscharakter: Es kann beispielsweise zum Ausdruck bringen, dass jemand im Augenblick nicht sprechen möchte. Ebenso kann es aber bedeuten, dass jemand zu einem bestimmten Thema nichts beitragen kann. – Zum anderen findet Kommunikation keineswegs nur durch gesprochene oder geschriebene Worte statt, sondern auch durch Gerüche, Mimik, Gestik bzw. Bewegung und Körperkontakt. Erst wenn keinerlei gegenseitige Wahrnehmung mehr möglich ist, kann auch keine Kommunikation mehr stattfinden. Bezogen auf den Rettungsdienst bedeutet das: Kommunikation ist immer relevant. Es gibt keinen Einsatz und keinen einzigen Patientenkontakt, bei dem eine angemessene und professionell geführte Kommunikation nicht von Bedeutung wäre.
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung ˘ 1.1 Grundlagen der Kommunikation
Wichtig zu wissen ist außerdem, dass jede Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat. Beide Aspekte beeinflussen einander wechselseitig. So wird eine Information, je nachdem, von wem man sie erhält, u. U. unterschiedlich aufgenommen. In einer Konfliktsitua tion stimmt man z. B. eher demjenigen zu, den man auch mag und dem man sich verbunden fühlt. Demgegenüber lehnt man Argumente eines Menschen, den man unsympathisch findet, manchmal ab, obwohl sie rein sachlich betrachtet eigentlich die eigene Zustimmung finden müssten. Auch bei Einsätzen des Rettungsdienstes können solche Mechanismen von Bedeutung sein: – Ein Notarzt widerspricht dem Therapievorschlag eines Notfallsanitäters: Nicht etwa, weil der Vorschlag an sich unsinnig oder falsch ist, sondern nur aufgrund einer Störung auf der Beziehungsebene. – Ein Notfallsanitäter hört einem Kollegen im Einsatz überhaupt nicht zu: Nicht, weil die Äußerungen des Kollegen irrelevant sind, sondern einfach deshalb, weil der Notfallsanitäter seinen Kollegen nicht leiden kann usw. An diesen Beispielen wird deutlich, dass sich eine belastete Beziehung zwischen zwei Menschen stets auch auf die inhaltliche Ebene auswirken wird. Die Sicherstellung einer optimalen Patientenversorgung kann alleine dadurch gefährdet sein. Ebenso wie sich der Beziehungsas pekt auf die Interpretation von und den Umgang mit Informationen auswirkt, trägt der Austausch von Informationen – umgekehrt – allerdings auch zur Beziehungsgestaltung bei. Die Entstehung von Freundschaften im Kollegenkreis kann
hier z. B. als ein positives Beispiel angeführt werden. Die Bedeutung von Inhalts- und Beziehungsaspekt einer jeden Kommunikation sollte ein Notfallsanitäter sich daher stets vor Augen führen.
Eine weitere elementare Feststellung zur Kommunikation bezieht sich auf die Art des Informationsaustauschs: Wenn zwei Kommunikationspartner miteinander „auf Augenhöhe“ kommunizieren, bezeichnet man dies als symmetrische Kommunikation. Besteht zwischen den Kommunikationspartnern jedoch ein Hie rarchiegefälle oder z. B. auch ein starker Wissensunterschied, handelt es sich um komplementäre Kommunikation. Beide Varianten der Kommunikation sind mit Besonderheiten verbunden: Bei einer prinzipiell gleichberechtigten Beziehung zwischen zwei Menschen (z. B. zwei gleich qualifizierten und gleich erfahrenen Notfallsanitätern) muss u. U. immer wieder neu ausgehandelt werden, wer sich bei Unstimmigkeiten bzw. in Prozessen einer Entscheidungsfindung durchsetzen wird. Dafür kann ein Austausch untereinander relativ offen und unkompliziert ablaufen: Beide Beteiligten befinden sich „auf einer Ebene“. Bei einer von Ungleichheit der Kommunikationspartner geprägten Beziehung (z. B. zwischen einem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten oder zwischen einem Notfallsanitäter und einem Notarzt) gibt es in der Regel klare Rollenvorgaben, die sich auch darauf beziehen, wer wem etwas zu sagen hat und wie man dies tun „darf“. Das kann Entscheidungsfindungen erleichtern, andererseits aber auch die Kommunikation insgesamt er-
13
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung ˘ 1.1 Grundlagen der Kommunikation
schweren. Ein Notfallsanitäter traut sich z. B. nicht, einen Notarzt auf einen drohenden Behandlungsfehler hinzuweisen, weil er meint, dass ihm dies schlichtweg nicht zustehe. Treten derartige Kommunikationsschwierigkeiten auf, sollten die Beteilig ten dies möglichst rasch auf einer „Meta ebene“ ansprechen und sich zunächst darum bemühen, die Art ihrer Beziehung und daraus abzuleitende Konsequenzen zu thematisieren. Unmittelbar in einer Notfallsituation werden solche Klärungsprozesse sicherlich nicht möglich sein, sie können aber im Rahmen einer Supervision aufgegriffen werden. 1.1.1.2
Sender und Empfänger
Häufig werden Kommunikationspartner als Sender und Empfänger, mitunter auch als Produzent und Rezipient bezeichnet (Abb. 1). Dies ist jedoch eine künstliche und auch nicht ganz zutreffende Unterscheidung: Jeder Sender ist gleichzeitig immer auch ein Empfänger, da er sich z. B. selbst hören oder seine Gesten selbst wahrnehmen kann. Ebenso ist jeder Empfänger gleichzeitig immer ein Sender, da beim Zuhören nonverbale Kommunikationssignale wie z. B. Kopfnicken, Kopfschütteln oder andere mimische und ges tische Signale ausgesendet werden.
Schematisch lässt sich ein Kommunikationsprozess dennoch vereinfachend so beschreiben, dass eine Person eine Nachricht an einen Empfänger sendet. Dabei wird die Nachricht vom Sender individuell „codiert“, d. h. in eine bestimmte sprachliche Form gebracht und vom Empfänger „decodiert“, also (höchst subjektiv!) interpretiert und in einer bestimmten Art und Weise verstanden. Anschließend erfolgt eine wie auch immer geartete, kommunikative Rückmeldung. Schon an diesen Hinweisen wird deutlich, dass zwischenmenschliche Kommunikation ausgesprochen störungsanfällig ist. Zahlreiche Modelle und Theorien tragen jedoch dazu bei, die Entstehung von Kommunikationsstörungen aufzudecken und zu erklären. Einige ausgewählte Modelle und Theorien werden nachfolgend – stark vereinfacht – dargestellt. 1.1.1.3
Vier Seiten einer Nachricht
Eines der bekanntesten und am häufigsten verwendeten Kommunikationsmodelle wurde von dem Hamburger Psychologen Friedemann Schulz von Thun entwickelt. Dieses Modell fokussiert darauf, dass jede Nachricht, die zwischen zwei Personen ausgetauscht wird, (mindestens) vier „Seiten“ enthält (Abb. 2):
Einfaches Kommunikationsmodell: Sender – Empfänger
Sender
Codierung
Nachricht
Dekodierung
Rückmeldung
Abb. 1 ˘ Einfaches Kommunikationsmodell: Sender – Empfänger 14
Empfänger
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung ˘ 1.3 Umgang mit besonderen Patientengruppen
1.3
Umgang mit besonderen Patientengruppen
1.3.1 Umgang mit Kindern und Jugendlichen Bernd gasch und Frank Lasogga Kinder reagieren – wie auch Erwachsene – bei Notfällen sehr unterschiedlich. Dies hängt auch mit ihrem Temperament zu sammen. Kinder, die im Alltag sehr tem peramentvoll sind, verhalten sich auch bei einem Notfall so. Sind sie ansonsten sehr ruhig, bleiben sie auch bei einem Notfall eher ruhig. Einige Kinder machen etwa bei einem Notfall „dicht“, sie sind kaum noch ansprechbar und zeigen kaum Reaktionen.
Die oben dargestellten Verhaltenswei sen gelten somit prinzipiell auch für Kin der und Jugendliche. Es gibt jedoch einige zusätzliche Besonderheiten. So sind Kin der sehr stark vom Verhalten der Bezugs personen, also beispielsweise der Eltern, der Lehrer, aber auch des Rettungsdienst personals abhängig. Bleiben die Bezugs personen ruhig, bleiben auch Kinder ru hig. Umgekehrt werden sie nervöser, wenn Rettungsdienstmitarbeiter unruhig und hektisch agieren. Der Einfluss der Be zugspersonen wird jedoch geringer, je äl ter die Kinder bzw. Jugendlichen werden. Wenn Eltern nicht anwesend sind, sollten sie so schnell wie möglich her beigerufen werden. Sie wirken in der Re gel beruhigend auf ein Kind, wenn sie
Abb. 23 ˘ Anwesenheit eines Elternteils vermittelt Sicherheit. 55
1 Kommunikation, Interaktion und Beratung ˘ 1.3 Umgang mit besonderen Patientengruppen
selbst ruhig bleiben, ggf. sollten sie dem entsprechend instruiert werden. Ansons ten ist bei ihnen wie in Kapitel 1.5.2 Angehörigebeschrieben zu verfahren. Erläutern Sie Ihrer Maßnahmen altersgerecht und ausführlicher als bei Erwachsenen. Die Anwesenheit von Eltern oder anderen Bezugspersonen wirkt in der Regel beruhigend (insbesondere bei kleineren Kindern).
Da sehr viele Rettungsdienstmitarbeiter es als außerordentlich belastend emp finden, wenn ein Kind einen Notfall er lebt und sie dem Kind unbedingt helfen möchten, kümmern sich gerade bei Kin dern häufig sehr viele Helfer um das Not fallopfer. Dies kann beim Kind selbst wie derum zu Ängsten führen. Besser ist es, wenn sich nur ein Helfer um das Kind kümmert und dies die ganze Zeit über derselbe Helfer ist.
Kinder und Jugendliche haben, je jün ger sie sind, noch weniger Erfahrungen und Kenntnisse im Umgang mit Notfällen und dem Vorgehen von Rettungsdienst mitarbeitern. Daher ist es hilfreich, wenn ihnen die Maßnahmen sogar ausführ licher als Erwachsenen erläutert werden. Gerade jüngere Kinder erkennen nicht im mer eine Hilfeleistung als solche. Aller dings sollten Kinder nicht belogen werden. Vielfach wird eine derartige Lüge durch schaut, und dies kann zu einem generellen Misstrauen gegenüber Helfern führen. Kinder und Jugendliche verfügen über weniger Coping-Strategien als Erwachse ne. Dies gilt insbesondere für Notfallsitu ationen. Je jünger Kinder sind, desto we niger haben sie selbst Erfahrungen mit Notfällen, und sie haben auch weniger darüber und über angemessene Verhal tensweisen gehört. Deshalb sollten ihnen umso stärker Hinweise gegeben werden, wie sie sich verhalten können. Mädchen
Abb. 24 ˘ Kinder auf Maßnahmen angemessen vorbereiten 56
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘
2 Handeln nach
Qualitätskriterien (orientiert an wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Rahmenbedingungen)
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8 2.1.9 2.1.10 2.1.11 2.1.12
Rettungsdienstorganisation Der Rettungsdienst als Teil der Rettungskette Aufgaben des Rettungsdienstes Rettungsdienst und Ersthelfer-Systeme Abgrenzung zu anderen Aufgaben Rettungsdienst – gesetzliche Regelungen Durchführung des Rettungsdienstes Technische Ausstattung von Rettungswachen Personal im Rettungsdienst Technik im Rettungsdienst Rettungsdienst und Krankenhaus Finanzierung des Rettungsdienstes Europäische Normung für den Rettungsdienst
110 110 111 113 114 116 126 130 130 131 132 133 134
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Straf- und Zivilrecht Strafrecht Zivilrecht Rechtsstellung von Patienten und Sorgeberechtigten
142 142 151 159
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Straßenverkehrsrecht Straßenverkehrsgesetz (StVG) Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und FahrzeugZulassungsverordnung (FZV) Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft)
169 169 171
Arbeitsrecht und Arbeitsschutzrecht Arbeitsrecht und berufsrechtliche Regelungen Arbeitsschutzrecht
187 187 196
2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2
177 178 185
107
2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5
Medizinproduktegesetz Gesetzliche Grundlagen Die Betreiberverordnung Kennzeichnung von Medizinprodukten Rechtsfolgen Besonderheiten
210 210 216 224 226 229
2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4
Qualitätsmanagement im Rettungsdienst Dimensionen des Qualitätsmanagements Der PDCA-Zyklus Normen für (Qualitäts-)Managementsysteme Instrumente des Qualitätsmanagements
231 231 233 235 236
2.7 2.7.1 2.7.2
Wirtschaftliche und ökologische Rahmenbedingungen im Rettungsdienst Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Ökologische Rahmenbedingungen
244 244 246
2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.8.6 2.8.7
Dokumentation im Rettungsdienst Elektronische Notfallprotokolle Der Minimale Notfalldatensatz (MIND) Der MEES – Score zur Zustands- und Verlaufsbeschreibung Reanimationsdatenerfassung Modifikationen des RD-Protokolls Transportverweigerung Archivierung
249 250 254 255 255 256 256 256
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘
Hans-Peter Hündorf Dieses Kapitel beinhaltet den Themenbereich 6 der Anlage 1 der Ausbildungsund Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Konkret heißt es dort: 6. Handeln im Rettungsdienst an Qualitätskriterien ausrichten, die an rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen orientiert sind Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen a) die rechtlichen Rahmenbedingungen des Rettungsdienstes einschließlich der für seine Organisation und Durchführung relevanten Vorschriften der Landesrettungsdienstgesetze sowie des Katastrophenschutzes zu kennen b) die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die medizinische Behandlung zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten c) die relevanten Rechtsvorschriften aus dem Straf- und Zivilrecht, aus dem Straßenverkehrsrecht sowie aus anderen einschlägigen Rechtsgebieten, insbesondere dem Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten d) Qualitätsmanagement- und Dokumentationssysteme im Rettungsdienst zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten. Dies sind die zu unterrichtenden Inhalte der Ausbildung zum Notfallsanitäter/zur Notfallsanitäterin, aber auch die Inhalte der durchzuführenden Lehrgänge vor einer Ergänzungsprüfung. In der Vollzeitausbildung werden hierfür 100 Stunden
veranschlagt, für die Ergänzungslehrgänge nach § 32 werden für die 480-StundenAusbildung 20 Unterrichtsstunden und für die 960-Stunden-Ausbildung 40 Unterrichtsstunden vorgesehen. Rettungsassistenten, die bereits fünf und mehr Jahre im Rettungsdienst tätig sind, müssen sich diese Inhalte in vollem Umfang selbst aneignen bzw. noch einmal wiederholen und ihr diesbezügliches Wissen auf den aktuellen Stand bringen, denn im mündlichen Teil der Ergänzungsprüfung können diese Inhalte abgefragt werden. Die Herausgeber und Autoren haben in diesem Kapitel den aktuellen Stand zu den oben genannten Inhalten zusammengestellt, um damit eine solide Grundlage für das in der Ergänzungsprüfung notwendige Wissen für das Selbststudium bereitzustellen.
Hinweis: Neben den in den Kapitel 2.2 bis 2.6 beschriebenen Gesetzen und Verordnungen sollte der Notfallsanitäter ebenso die folgenden rechtlichen Rahmenbedingungen kennen: – Krankenhausrecht – Katastrophenschutzgesetz (KatSG) – Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie Hygieneverordnungen und Gesundheitsschutz – Rechtsmedizinische Aspekte ... Hinzu kommen die jeweils spezifischen Landesregelungen (Landesrettungsdienstgesetze usw.)! Die folgenden Kapitel konzentrieren sich auf Gesetze und Regelungen, die durch das Notfallsanitätergesetz oder aktualisierte Fassungen wesentlichen Änderungen unterworfen sind.
109
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
2.2
Straf- und Zivilrecht
Michael R. Ufer und Alexandra Ufer Das Strafrecht sanktioniert verbotenes Verhalten. Das Zivilrecht bestimmt die bürgerlich-rechtlichen Pflichten und Möglichkeiten der Personen untereinander. Die beiden wichtigsten Gesetze sind: – das Strafgesetzbuch (StGB) (s. Kap. 2.2.1) und – das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) (s. Kap. 2.2.2). BGB und StGB sind im Internet abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de
2.2.1 Strafrecht Die für das Rettungsdienstpersonal wichtigsten strafrechtlichen Bestimmungen sind im StGB enthalten. Daneben finden sich Strafvorschriften in besonderen Gesetzen (sog. Nebenstrafrecht), zum Beispiel im Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Unterhalb des Strafrechts wird abweichendes Verhalten als Ordnungswidrigkeit geahndet. Maßgebend ist insoweit das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Die Rettungsdienstgesetze der Bundesländer enthalten hierzu zahlreiche Ordnungswidrigkeitentatbestände. Auch in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ist geregelt, dass derjenige eine Ordnungswidrigkeit begeht, der zum Beispiel missbräuchlich Sondersignale verwendet (s. Kap. 2.3.4). Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf das Strafrecht. Die Beurteilung, ob sich ein Täter strafbar gemacht hat, hängt von folgenden Voraussetzungen ab:
142
– Verwirklichung des gesetzlich normierten Straftatbestandes (Tatbestandsmäßigkeit), – Fehlen von Rechtfertigungsgründen (Rechtswidrigkeit) und – Vorwerfbarkeit (Schuld). Nur wenn der Tatbestand einer Strafvorschrift erfüllt ist, kommt eine Strafbarkeit überhaupt in Frage. Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht (§ 15 StGB). Vorsatz wird im Wesentlichen mit „Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale“ beschrieben. Vorsatz liegt allerdings auch bereits dann vor, wenn der Erfolg des Handelns (hier: Schaden) oder Unterlassens vom Täter billigend in Kauf genommen wird. Fahrlässigkeit ist durch die Verletzung der gebotenen Sorgfalt gekennzeichnet. Neben der Täterschaft, die auch gemeinschaftlich erfolgen kann, sind strafbar auch die Anstiftung, die Beihilfe und die mittelbare Täterschaft (§§ 25 bis 27 StGB). Ist der Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, entfällt gleichwohl eine Bestrafung, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen. Wichtige Rechtfertigungsgründe sind: – die beachtliche Einwilligung des Inhabers des verletzten Rechtsguts, soweit diese nicht bereits die Tatbestandsmäßigkeit beseitigt, – dessen mutmaßliche Einwilligung im Falle, dass der Rechtsgutträger seinen Willen nicht äußern kann, – die Notwehr (§ 32 StGB),
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
– der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) und – die Pflichtenkollision. Wichtige Entschuldigungsgründe sind: – die Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB), – der entschuldigende Notstand (§ 35 StGB) und – der übergesetzliche entschuldigende Notstand, der auch als entschuldigende Pflichtenkollision bezeichnet wird.
Beispiel Hinter einer verschlossenen und auf andere Weise nicht zu öffnenden Tür liegt eine verletzte, hilflose Person. Ihr kann nur Hilfe zuteil werden, wenn die Wohnungstür unter Inkaufnahme einer Beschädigung aufgebrochen wird. Das Rettungsdienstpersonal entschließt sich, die Tür mit Gewalt zu öffnen, wodurch diese beschädigt wird. Nach § 303 StGB wird bestraft, „wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört“. Hier ist bereits der Tatbestand der Sachbeschädigung nicht erfüllt, weil die Sachbeschädigung nicht rechtswidrig war. Sie war nämlich zur Rettung eines höherwertigen Rechtsgutes (Leben, Gesundheit) gerechtfertigt. Auch kann von der mutmaßlichen Einwilligung des Hauseigentümers ausgegangen werden.
Allgemein kommt es in der Praxis des Rettungsdienstes immer wieder zu Notstandssituationen, in denen die Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter notgedrungen in Kauf genommen werden muss, um den Rettungsauftrag zu erfüllen. Deshalb kommt dem allgemeinen Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB wesentliche Bedeutung zu. Zu beachten sind jedoch stets die Abwägungspflicht und die Angemessenheit der eingesetzten Mittel.
§ 34 StGB: Rechtfertigender Notstand Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn er bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahr, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Im Zusammenhang mit dem neuen Notfallsanitätergesetz hat der Bundesgesetzgeber in den Gesetzesmotiven ausgeführt, dass die Ausbildungszielbestimmung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) NotSanG als Auslegungshilfe für Fälle des rechtfertigenden Notstandes dienen können soll, in denen der Notfallsanitäter invasive Maßnahmen am Patienten durchführt (BT-Drs 17/11689, S. 21; s. Kap. 3.1.3). Nach den Begehungsformen kann eine Tat durch aktives Tun (s. Kap. 2.2.1.1) oder durch Unterlassen (s. Kap. 2.2.1.2) begangen werden. 2.2.1.1
Tun (am Beispiel der Körperverletzung und Tötung)
Gemäß § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) wird bestraft, wer einen anderen vorsätzlich körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Eine höhere Strafe droht gemäß § 340 StGB demjenigen, der als Amtsträger, z. B. als Feuerwehrbeamter, während der Ausübung des Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen lässt.
143
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
Beispiele – Ein auf der Trage liegender und noch nicht angeschnallter Patient beleidigt die RTW-Besatzung, die daraufhin die Trage umkippt. Der Patient fällt auf den Boden und zieht sich eine Unterarmfraktur zu. Die Notfallsanitäter haben den Tatbestand der gemeinschaftlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt. Sie haben billigend in Kauf genommen, dass sich der Patient beim Herunterfallen von der Trage verletzt. Die Körperverletzung ist nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt, weil der Angriff auf die Ehre der Notfallsanitäter, zumal durch einen Kranken, nicht das Zufügen einer Verletzung rechtfertigt. – Schläge durch einen Rettungssanitäter in das Gesicht einer psychisch kranken Patientin können nicht als Überprüfung und Anregung der Vitalfunktionen der Patientin gerechtfertigt werden (LG Hannover, Rettungsdienst 2001, S. 168).
Die Körperverletzung einer anderen Person kann gemäß § 229 StGB auch fahrlässig erfolgen.
Beispiel Das Rettungsdienstpersonal versäumt es, den Patienten auf der Trage anzugur ten. Beim Transport rutscht der Patient von der Trage und zieht sich eine Gesichtsverletzung zu. Die Körperverletzung war fahrlässig, weil beim Transport die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Der KTW-Besatzung war es nämlich möglich, den Patienten anzuschnallen. Sie hat durch den Transport ohne Angurten des Patienten auch gegen die einschlägigen Dienstanweisungen verstoßen (z. B. § 26 Abs. 2 der Bayerischen Musterdienstanweisung für den Rettungsdienst, www. beck-online.de)
144
Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Tod eines Patienten verursacht wurde. Hier kommt eine Bestrafung nach § 212 StGB(Totschlag) oder § 222 StGB (fahrlässige Tötung) in Betracht.
Beispiele – Die Notärztin zieht fahrlässig den auch um das Kinn gelegten Kopf-Druck-Verband des blutenden und intubierten Notfallpatienten zu fest und erdrosselt ihn hierdurch. Die Notärztin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt (s. den von Heide et al. in Rechtsmedizin 2004, S. 37 dargestellten Fall). – Eine Rettungsassistentin transportierte eine nicht angegurtete ältere Patientin in einem Rollstuhl eine abschüssige Rampe vorwärts hinab. Dabei winkelte sie den Rollstuhl nach hinten auf die großen Räder der Hinterachse an. Dann setzte sie durch Vorkippen des Rollstuhls diesen zu zügig wieder auf die Vorderräder, sodass die Patientin vorwärts ungebremst aus dem Rollstuhl fiel. Die hierbei erlittenen Verletzungen führten in Verbindung mit einer Lungenentzündung infolge der Bettlägerigkeit zum Tod der Patientin. Die Rettungsassistentin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt (LG Hagen, Rettungsdienst 2010, S. 1088).
Schwieriger wird die Beurteilung von fehlerhaft durchgeführten invasiven Heil eingriffen am Notfallort oder auf dem Transport, die nachweislich zu einer Schädigung des Patienten geführt oder diesem Therapiechancen genommen haben (z. B. Fehlintubation mit Kieferverletzung). Invasive Heileingriffe stellen sich tatbestandsmäßig nach der gegenwärtigen Rechtslage grundsätzlich als Körperverletzung (§ 223 StGB) dar, die nur durch die Einwilligung oder mutmaßliche Einwilli-
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
gung des Patienten, der zuvor aufzuklären ist, gerechtfertigt werden. In der Situation der Notfallrettung als Teilaufgabe des Rettungsdienstes ist häufig eine Aufklärung nicht möglich, weil die Zeit fehlt, das Handeln dringlich und/oder der Patient bewusstlos ist. Häufig kann deshalb nur auf die mutmaßliche Einwilligung des Patienten zurückgegriffen werden (s. auch §§ 630d Abs. 1 Satz 4, 630e Abs. 3 BGB; s. Kap. 2.2.2). Der Patient willigt (mutmaßlich) jedoch nur in kunstgerecht durchgeführte Heileingriffe ein. Nicht sorgfältig durchgeführte Maßnahmen sind von der Einwilligung nicht gedeckt. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Rettungsdienstpersonal im Einzelfall Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, spielen die Umstände der Notfallsituation eine erhebliche Rolle. Eine Verweigerung der Einwilligung in die Hilfeleistung und in Heileingriffe hat das Rettungsdienstpersonal grundsätzlich zu beachten, es sei denn, der Patient befindet sich in einem Zustand, der die Willensfähigkeit ausschließt, z. B. Volltrunkenheit, psychiatrische Erkrankung etc. Der Suizidversuch stellt sich im Allgemeinen als psychiatrischer Notfall dar, der Zwangsmaßnahmen rechtfertigt. Die Weigerung eines Kindes genügt nicht. Willensfähige Patienten, die dringend der sofortigen Behandlung bedürfen, die se jedoch ablehnen, sind vom Arzt über die Folgen ihrer Verweigerung eingehend und dringlich aufzuklären (s. Kap. 2.2.3.4). Einen besonderen Tatbestand stellt die „Aussetzung Hilfloser“ nach § 221 StGB dar. Danach wird bestraft, wer einen Menschen in eine hilflose Lage versetzt oder in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist, und ihn
– dies gilt für beide Fälle – dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung aussetzt. Dieser Tatbestand ist insbesondere bei Krankentransporten von hilflosen Patienten in ihre Wohnung zu beachten, wenn dort die Betreuung nicht gewährleistet ist.
Beispiel Eine Altenpflegerin hatte entgeltlich die Betreuung einer bettlägerigen, nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmten 95-jährigen Frau mit wechselhaftem Gesundheitszustand übernommen. Es war jederzeit mit einem plötzlichen Herzversagen oder einem weiteren Schlaganfall zu rechnen. Dennoch verließ die Altenpflegerin die Patientin und ließ sie über 14 Stunden allein. Hier wurde die Altenpflegerin wegen Aussetzung bestraft, weil sie der Patientin mit ihrem Verhalten Rettungschancen im Falle einer plötzlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und eines jederzeit möglichen Herzversagens oder Schlaganfalls entzogen hätte (OLG Zweibrücken, NJW 1998, S. 841).
2.2.1.2
Unterlassen
Strafbar kann sich auch machen, wer untätig bleibt, obwohl er zu einer Handlung verpflichtet war. § 13 StGB stellt das Unterlassen mit dem Tun gleich, wenn der Täter einen „Erfolg“ (hier: Schaden), der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, nicht abwendet, obwohl er rechtlich dafür einzustehen hat, dass die Verletzung des Rechtsguts nicht eintritt. Voraussetzung dafür, dass eine Bestrafung wegen Körperverletzung oder Tötung, begangen durch Unterlassen, in Betracht kommt, ist eine Garantenstellung des Täters.
145
2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
Notarzt und Rettungsdienstpersonal haben eine solche Garantenstellung aufgrund tatsächlicher Gewährsübernahme für die bedrohten Rechtsgüter Leben und Gesundheit des Patienten eingenommen. Das entstehende Obhutsverhältnis ist wesentlich von der Pflicht bestimmt, den Patienten vor weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu bewahren (BGH, Beschluss v. 25.4.2001 – 1 StR 130/01, www.bundesgerichtshof.de).
Beispiele – Die RTW-Besatzung erhält über Funk die Weisung, mit Sondersignalen zu einem internistischen Notfall zu fah ren. Die Besatzung folgt dieser Weisung nicht und fährt vorher noch zum Mittagessen. Der Patient verstirbt. Eine Obduktion ergibt, dass der Patient bei rechtzeitigem Eintreffen des RTW gerettet worden wäre. Die RTWBesatzung hat sich hier zumindest der fahrlässigen Tötung, begangen durch Unterlassen nach §§ 222,13 StGB, schuldig gemacht. Hat sie den Tod des Patienten bei ihrer Entscheidung, erst zum Mittagessen zu fahren, billigend in Kauf genommen, kommt sogar eine vorsätzliche Tötung, begangen durch Unterlassen nach den §§ 212, 13 StGB, in Betracht. – Ein Krankenhausarzt unterlässt es aus sachwidrigen Gründen, die in jahrelangen Streitigkeiten mit einer anderen Klinik und dem Rettungsdienst liegen, einen dringend notwendigen Intensivverlegungstransport für die vital bedrohte Patientin anzuordnen. Dass als Konsequenz dieses Verhaltens tödliche Folgen für die Patientin eintreten können, nimmt er billigend in Kauf. Hier erfolgte eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts (BGH, Urteil vom 7.12.2005 – 1 StR 391/05, www.bundesgerichtshof.de).
146
Die Garantenstellung umfasst auch die Pflicht des Notfallsanitäters, gegen einen Kollegen einzuschreiten, der den Patienten schlägt.
Beispiel Ein Rettungssanitäter beleidigt einen betrunkenen Patienten. Es kommt zwischen ihm und dem Patienten zu einer Schlägerei im RTW, in deren Folge der Patient später an Einrissen im Dünndarm verstirbt. Auch der zweite Rettungssanitäter des Fahrzeugs wurde hier mit dem Vorwurf angeklagt, gegen die ihm obliegende Obhutspflicht aus seiner Garantenstellung verstoßen zu haben, indem er den Patienten nicht vor Schlägen seines Rettungssanitäter-Kollegen geschützt hat (BGH, Beschluss vom 25.4.2011 - 1 StR 130/01, www.bundesgerichtshof.de).
Diese Unterlassungstaten, die nur von Garanten begangen werden können und den Nachweis der Ursächlichkeit der Unterlassung für die Verletzung des betroffenen Rechtsgutes erfordern, werden als unechte Unterlassungsdelikte bezeichnet. Davon zu unterscheiden sind echte Unterlassungsdelikte. Das in diesem Zusammenhang wichtigste Delikt ist die unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB. Die Straftat kann von jedermann begangen werden, und ein ursächlicher Schaden ist nicht Tatbestandsvoraussetzung. § 323c StGB: Unterlassene Hilfeleistung Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
3 Medizinische Diagnostik,
Therapie und lebenserhaltende Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes ˘
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6
Rechtliche Rahmenbedingungen der medizinischen Behandlung Rettungsdienstgesetze Gesetzliche Krankenversicherung Notfallsanitätergesetz sowie Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie Das ABCDE-Schema A Airway – Atemweg B Breathing – Belüftung/Atemfunktion C Circulation – Kreislauffunktion und -therapie D Disability – Bewusstsein und Neurologie E Exposure – Erweiterte Untersuchung
263 263 266 267 283 283 284 312 345 379 391
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.10 3.3.11 3.3.12 3.3.13
Lebenserhaltende Maßnahmen und Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden Leitsymptom Atemnot Leitsymptom Brustschmerz Leitsymptom Schock Leitsymptom Abdominelle Schmerzen Leitsymptom Bewusstseinsstörung Leitsymptom Tachy- / Bradykardie Leitdiagnose Vergiftung Leitdiagnose Verbrennungen Pädiatrische Notfallversorgung Traumatologische Notfallversorgung Muster-Algorithmen / SOP Medikamentengabe durch NotSan nach Freigabe des ÄLRD (SOP) Arzneimittel
450 454 457 462 466 468 474 477 481 483 490 495 519 544
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.2 Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie
3.2 Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie Andreas Flemming und Hans-Peter Hündorf Notfallsituationen erfordern ein zügiges, prioritätenorientiertes und standardisiertes Handeln. Seit vielen Jahren hat sich dabei in Klinik und Präklinik weltweit das ABCDE-Prinzip bewährt. Es beinhaltet sowohl die prioritätenorientierte Untersuchung als auch Richtlinien für die standardisierte Versorgung von Notfallpatienten. Die alphabetische Reihenfolge betont die Abfolge der Untersuchungs- und dann der Behandlungsmaßnahmen. Alle Notfallpatienten werden grundsätzlich nach diesem Schema untersucht und behandelt. Durch die Festlegung der Untersuchungsreihenfolge wird gewährleistet, dass vitale Probleme schnellstmöglich als solche erkannt und nach Priorität versorgt werden (Behandlungsreihenfolge). Bei den Untersuchungsmethoden werden einfache Techniken (Atmung prüfen) durch erweiterte Techniken (Pulsoxymetrie, Auskultation, ggf. Perkussion) ergänzt. Das gleiche gilt für die Kreislaufkontrolle (Pulskontrolle, Rekapillarisierungszeit), die durch Blutdruckwerte und ggf. EKG zur Diagnostik und Überwachung ergänzt wird. Die initiale ABC-Überprüfung sollte nicht mehr als 10 Sekunden beanspruchen, damit nötigenfalls eine Reanimatonssituation erkannt und mit der CPR begonnen wird. Behandle zuerst, was zuerst schadet (tötet)!
Dies bedeutet, dass immer mit einfachen Maßnahmen (Sauerstoffinhalation, Beutel-Masken-Beatmung, extraglottischer Tubus, Entlastungspunktion) begonnen wird und dann erfolgs- und situationsabhängig auch komplexe (erweiterte) Maßnahmen (Intubation, invasive Beatmung, Thoraxdrainage) eingesetzt werden. In notfallmedizinischen Algorithmen (s. Kap. 3.3) müssen diese Prioritäten ebenfalls abgebildet sein. Bei allen neu auftretenden Problemen bzw. bei Verschlechterung des Patientenzustandes wird sofort das ABCDE-Schema wiederholt, um eine eventuelle Vitalbedrohung einzuordnen bzw. auszuschließen und schnellstmöglich erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Auch im Verlauf sollen alle Maßnahmen entsprechend dem ABCDE-Schema regelmäßig kontrolliert werden (Verlaufsbeurteilung). Die Übergabe eines Notfallpatienten sollte ebenfalls nach dieser Struktur erfolgen. Dies erleichtert die Zusammenarbeit an allen Schnittstellen und ermöglicht eine zielgerichtete und zeitgerechte Weiterversorgung.
3.2.1 Das ABCDESchema Das ABCDE-Schema betont die Prioritäten der notfallmedizinischen Versorgung und sichert bei korrekter Anwendung einen standardisierten Untersuchungs- und Versorgungsablauf. Hierbei stehen die Vitalfunktionen Atmung AB und Kreislauf C im initialen Fokus, da deren Einschrän-
283
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.2 Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie
kung oder gar Fehlen sofort lebensbedrohend sind. Die Erfassung von D (Disability/Bewusstsein und Neurologie) und E (Exposure/Examination – Umgebung und weitere Untersuchung sowie Wärmeerhalt) vervollständigen das Schema. Bei einem generalisierten Trauma-Mechanismus kann direkt nach der Kontrolle der oberen Atemwege, der Atmung und der Kreislaufsituation ABC eine fokussierte und schnelle Trauma-Untersuchung (FTU/STU) erfolgen. Diese dient dem frühzeitigen Erkennen von lebensbedrohlichen Verletzungen mit hoher Transportpriorität. Eine vollständige oder gezielte Untersuchung erfolgt unter E.
Die Anwendung des Primary Survey erfolgt nach den immer gleichen Vorgaben: – Die Störung, die am schnellsten zum Tode führt, wird auch zuerst behandelt. – Relevante Störungen müssen immer erst behoben werden, bevor man zum nächsten Buchstaben übergeht. – Behandle zunächst effizient und schnell; später im Bedarfsfall auch maximal invasiv. – Erkannte vitalbedrohliche Störungen sind umgehend innerhalb des Teams zu kommunizieren. – Das ABCDE stellt auch den roten Faden für eine sich ständig wiederholende Reevaluation dar.
– Airway = Atemweg: Kontrolle und Sicherung der oberen Atemwege. – Breathing = Belüftung/Atmung: Sicherstellung einer ausreichenden Sauerstoffversorgung der Lungen. – Circulation = Kreislauf: Sicherung einer ausreichenden Organund Gewebeperfusion. – Disability = Bewusstsein und Neurologie: Kontrolle und Einschätzung der neurologischen Funktionen. – Exposure/Examination = Umgebung und erweiterte Untersuchung sowie Wärmeerhalt: Suche nach begleitenden Verletzungen und Erhalt einer normalen Körpertemperatur sowie Schmerzbekämpfung.
Das ABCDE stellt eine sinnvolle Abfolge der Beurteilung und Sicherstellung bzw. Wiederherstellung der Vitalfunktionen dar.
Beim Primary Survey – so eine andere Bezeichnung für das ABCDE – handelt es sich also um ein Beurteilungs- und Managementsystem, das inzwischen von sehr vielen nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlen wird.
284
3.2.2 A – Airway Atemweg Der Buchstabe A steht im Englischen für den Begriff Airway (Atemweg). Ziel der Untersuchung und Notfallmaßnahmen ist es, einen verlegten oder bedrohten Atemweg zu erkennen, diesen freizumachen, anschließend freizuhalten und abschließend zu sichern. Bei generalisiertem Traumamechanismus oder bei Bewusstseinstrübung mit unklarem Traumamechanismus oder direktem Hinweis auf Kopf- bzw. Halswirbelsäulenbeteiligung soll frühzeitig durch ein weiteres Teammitglied die manuelle Immobilisierung der Halswirbelsäule (HWS) erfolgen. Diese wird situationsabhängig um eine technische Immobilisierung (HWS-Schiene) erweitert.
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.2 Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie
3.2.2.1
Grundlagen der Atemwege
Die Atemwege können in einen oberen und einen unteren (tiefen) Anteil geglie dert werden, wobei der Kehlkopf die Grenzregion darstellt. Die Atemwege dienen dem Gastransport und enden an der Gasaustauschfläche (Alveolen = Lungenbläschen) und nehmen als gasleitendes System somit an der sogenannten äußeren Atmung teil (alveolärer Gasaustausch). Die Luftbewegung wird durch Einsatz der Atem- und Atemhilfsmuskulatur gewährleistet. Eine Verlegung oder ein Verschluss der Atemwege kann innerhalb kurzer Zeit zur Einschränkung der Gasaufnahme (Sauerstoff) und Gasabgabe (Kohlendioxid) führen. In der Folge kommt es zur Hypoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) und zur zellulären Hypoxie (Sauerstoffmangel in der Zelle). Je nach Empfindlichkeit des Zellgewebes (Hypoxietoleranz) kommt es innerhalb unterschiedlicher Zeitfenster zur Zellschädigung mit Funktionseinschränkung oder zum Zelltod mit Funktionsverlust. Besonders schnell bedroht sind das zentrale Nervensystem (ZNS) und das Herz. Innerhalb von Minuten kann hier eine schwere Gewebehypoxie zum Versagen dieser wichtigen Organe führen. Diese Funktionsstörungen erkennen wir beispielsweise am Bewusstseinsverlust (Hypoxie im ZNS) oder an Herzrhythmusstörungen bzw. folgendem Kreislaufversagen (Hypoxie am Herzen). Die verschiedenen Gewebe des mensch lichen Körpers sprechen unterschiedlich empfindlich auf einen Sauerstoffmangel an, wobei Gehirn und Herz sehr schnell und anfällig auf diese bedrohliche Situa tion reagieren.
Die geringe Hypoxietoleranz macht deutlich, wie wichtig die Sauerstoffversorgung ist und welchen zentralen Stellenwert auch die Kreislauffunktion einnimmt. Dies betont nochmals den prioritäten orientierten Ansatz des ABCDE-Prinzips. 3.2.2.2
Erkennen von Atemwegsproblemen
Normalerweise ist die Atmung akustisch nur als sehr leises inspiratorisches bzw. exspiratorisches Geräusch wahrnehmbar – jedes abweichende Geräusch muss deshalb diagnostisch hinterfragt werden. Somit ist beim wachen, sprechenden Patienten ohne pathologische Geräusche von einem freien Atemweg auszugehen, und es kann sich sofort die Beurteilung der Atemfunktion (B) anschließen. Folgende Probleme können bei bewusstseinsgetrübten Patienten den Atemweg oder die Atmung beeinträchtigen und müssen erkannt bzw. verhindert werden (s. Abb. 3). – Zurückfallen der Zunge: Durch die Erschlaffung der Zungenmuskulatur fällt die Zunge zurück und kann somit – vor allem bei einem Patienten in Rückenlage – die Atemwege verlegen (A-Problem). – Ausfall der Schutzreflexe: Durch den Ausfall von Husten-, Schluck- und Würgereflex kann es zum Eindringen von Fremdkörpern und Flüssigkeiten in die Luftwege kommen (A-Problem). – Regurgitation: Durch die Erschlaffung des Schließmuskels der Speiseröhre kann es zum passiven Rückfluss (Regurgitation) von Mageninhalt in den Mund-Rachen-Raum kommen (A-Problem).
285
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.2 Erweiterte medizinische Diagnostik und Therapie Gefahren bei Bewusstseinsstörungen Lunge
1
Zwerchfell
Magen
Luftröhre 3
2
4
Mageninhalt
Speiseröhre
Abb. 3 ˘ Gefahren bei Bewusstseinsstörungen: Verlegung der Atemwege durch Zurücksinken des Unterkiefers und Erschlaffung der Zungenmuskulatur (1), Zurücklaufen von Mageninhalt = Regurgitation (2), Eindringen von Mageninhalt und anderen Flüssigkeiten in die Atemwege = Aspiration (3), Abschwächung oder Ausfall von Schutzreflexen (Husten, Schlucken) (4) – Aspiration: Bei erloschenen Schutzreflexen ist das Eindringen von Mageninhalt oder anderen Flüssigkeiten in die Atemwege möglich (A-Problem). Bereits bei der Ersteinschätzung erkennt der Untersucher eine begleitende Zyanose und/oder Dyspnoe, ggf. Husten oder zusätzlich einen veränderten Bewusstseinszustand (agitiert oder < wach). Eine veränderte Bewusstseinslage kann somit auch Hinweis auf ein A- oder B-Problem sein. Die Beurteilung des Atemwegs erfolgt in engem Zusammenhang mit der Atemfunktion/Belüftung (B), wobei der initiale Einsatz des Stethoskops (Auskultation) nur bei noch vorhandener Atemtätigkeit erfolgt. Demzufolge kommt den einfachen Fähigkeiten „Sehen und Hören“ in der Erstbeurteilung des Atemwegs eine große Bedeutung zu. Die teilweise Verlegung des Atemwegs führt bei noch vorhandener Atmung zu
286
pathologischen Atemgeräuschen (z. B. inspiratorischer Stridor, Gurgeln), bei bewusstseinsklaren Patienten zusätzlich zum Hustenreiz als Schutzreflex. Schon bei der Ersteinschätzung sollen zusätzlich Hinweise auf das Notfallereignis erkannt werden (plötzliches Ereignis, Nahrungsaufnahme, Kleinspielzeug etc. ). Zusätzlich kann zum Teil eine verstärkte Zwerchfellaktivität oder der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur beobachtet werden. Bei Verdacht auf ein Bolusgeschehen müssen geeignete Sofortmaßnahmen begonnen werden. 3.2.2.3
Freimachen der Atemwege
Falls die Beurteilung der Atemwege Hinweise auf eine Verlegung ergibt, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Atemweg freizumachen. Hierbei gilt der Grundsatz, dass einfache und schnelle Maßnahmen sofort durchgeführt und
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3 Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden
3.3.11 MusterAlgorithmen / SOP Ulrich Atzbach und Andreas Flemming Die nachfolgenden Algorithmen sollen eine einheitliche Schulungsgrundlage für Notfallsanitäter darstellen. Bei Medikationen und Besonderheiten sind immer die regionalen Protokolle (SOP, Algorithmen etc.) des zuständigen ÄLRD verbindlich, nur hierdurch lässt sich die Aktualität und regionale Anpassung gewährleisten. Die pharmakologischen Grundlagen müssen bekannt sein und beachtet werden (s. Kap. 3.3.12). Alle Algorithmen basieren auf dem Algorithmus „Ersteindruck und standardisierte Erstuntersuchung (ABCDE-Schema)“. Grundsätzlich sind Leitlinieninhalte eingearbeitet worden. Algorithmen müssen regelmäßig auf Aktualität geprüft und angepasst werden. Vor Einsatz „erweiterter Techniken“ und „Medikationen“ ist der aufklärungsfähige Patient situationsbezogen aufzuklären. Alle gelben Felder enthalten Medikamentenbeispiele bzw. invasive (erweiterte) Techniken. Schraffierte gelbe Felder unterliegen weiteren Besonderheiten (BtM etc.), welche regional definiert und beachtet werden müssen. Die Notarztnachalarmierung bei Notwendigkeit erweiterter Maßnahmen unterliegt regionalen Vorgaben sowie der Verfügbarkeit im Einsatzfall. Die unterlassene NA-Nachalarmierung bedarf einer sinnvollen Begründung basierend auf einer kritischen Einzelfallabwägung.
Die meisten Bundesländer haben bis Anfang 2016 eigene, qualitativ hochwertige Algorithmen erstellt, nach denen die angehenden Notfallsanitäter geschult und geprüft werden. Diese können sich sowohl in Art als auch Umfang von den hier abgebildeten Algorithmen unterscheiden. Die Umsetzung der aktuellen notfallmedizinischen Leitlinien und die Strukturierung des Managements nach dem ABCDE-Schema haben jedoch grundsätzlich alle Algorithmen gemein. Die Algorithmen bzw. Rahmenlehrpläne in den Bundesländern können, sobald sie von den zuständigen Stellen freigegeben wurden, über das Online-Portal dieses Buches abgerufen werden. Wir empfehlen allen Lesern, sich anhand der regionalen SOP bzw. Länder-Algorithmen vorzubereiten. Dies beinhaltet gegebenenfalls auch eine Anpassung der heilkundlichen Maßnahmen, wie sie in den internistischen und traumatologischen Fallbeispielen beschrieben sind.
495
Ersteindruck und standardisierte Erstuntersuchung (ABCDE-Schema) Sicherheit und Beurteilung der Einsatzstelle
4S
- Persönliche Schutzausrüstung ausreichend? - Gefahren an der Einsatzstelle? - Entsprechen Lage und Patientenanzahl dem Alarmierungsbild? - Weitere Kräfte oder Ausrüstung erforderlich?
Sofortige Nachforderung / Rückmeldung erforderlich? Ersteindruck / Ersteinschätzung
- Gesamteindruck – vitale Bedrohung sofort erkennbar? Altersgruppe / Besonderheiten / Umgebung? - Lebensbedrohl. externe Blutung? Vorgezogene Priorität sofortige Blutstillung (C)! - Generalisierter (unklarer) Verletzungsmechanismus = Fokussierte Untersuchung! ˘
Soforttherapie nach Befund Atemweg frei und sicher?
nein
ja
B
Belüftung ausreichend?
nein
ja
C
Kreislauffunktion ausreichend? ja
D E
Stripping) zur AB-Beurteilung
nein
- Atemweg freimachen - Atemweg situationsabhängig sichern - situationsabhängige HWS-Immobilisation - -
initial hochdosierte Sauerstoffgabe assistierte / kontrollierte Beatmung Medikamenteninhalation (Leitsymp.-Algorithmus) Thoraxentlastungspunktion (nur bei vitaler Indikation, Entlastungskriterien [SOP])
- Blutstillung (lebensbedrohliche Blutung) s.o. - CPR bei Kreislaufstillstand - situationsabhängiger Volumenersatz und Katecholamintherapie - Suche nach Anzeichen für nicht stillbare (innere) lebensbedrohliche Blutung / Verletzung: z.B. schnelle Trauma Untersuchung (STU) - Ziel: Erkennen einer Transport- / Versorgungspriorität bei kritischen Patienten
Neurologie und Bewusstseinslage?
- Immer bei: < wach in der Ersteinschätzung! - GCS, Pupillen, BZ, DMS, Neurologie (CPSS, FAST etc.) - Algorithmus: Leitsymptom / Verdachtsdiagnose?
Erweiterte Untersuchung
- Eigen- + Fremdanamnese (SAMPLE, VAS, HITS, etc. ) - Wärmeerhalt situationsabhängig: - systematische / gezielte Untersuchung - Entkleidung / therapeutische Hypothermie - Monitoring vervollständigen - Asservierung von Giftstoffen - Algorithmus: Leitsymptom / Verdachtsdiagnose? - Analgesie
Versorgungsgrundsätze: Verschlechterung = ABCDE – Kontrolle und Therapie! Leitsymptom / Verdachtsdiagnose / Differenzialdiagnose = zusätzlichen Algorithmus anwenden! Alle Probleme entsprechend Priorität / Zeitfaktor behandeln! Von einfachen zu komplexen Maßnahmen!
Basis: ABCDE, (spezielle) Lagerung, Ruhigstellung, psychologische Betreuung, zeitgerechter Transport, ggf. Voranmeldung, regelmäßige Verlaufskontrolle / erneute Beurteilung (Reassessment), Dokumentation; Situationsabhängig: Notarztnachforderung, Monitoring, situationsangepasste Sauerstoffgabe, Gefäßzugang, Infusion und Medikation (ggf. Leitsymptom- oder Verdachtsdiagnose-Algorithmus).
ABC-Problem? Soforttherapie, Teameinteilung, situationsgerechter NA-Ruf!
A
S
timulation und ggf. Oberkörper entkleiden ( Schnelleinschätzung Bewusstsein: z. B. WASB
Algorithmus: A-Problem
A
Beurteilung Atemwege
Anzeichen für A-Problem im Ersteindruck: ˘ Zyanose ˘ Stridor, Nasenflügeln (Säugling), Husten ˘ Tachypnoe, Dyspnoe oder (Apnoe) ˘ Inverse Atmung (Einziehungen) ˘ Bewusstseinsstörung ˘ Panik
ja Spricht ohne Stridor?
Keine A-Soforttherapie
nein ja Anzeichen für Verlegung?
Manuelle / einfache Atemwegstechniken:
Atemweg frei?
Esmarch-Handgriff, Guedel- / Wendl-Tubus
nein Trauma d. Atemwegs oder Mittelgesichts?
nein ja Manuelle Fixation der HWS
Modifizierter Esmarch- Handgriff, einfache Atemwegstechniken
nein Weichteilverlegung obere Atemwege?
Atemweg frei?
ja
nein ja Manuelle / einfache Atemwegstechniken
Atemweg frei?
nein
ja
nein ja
Verlegung durch Flüssigkeit?
Seitenlage (falls kein Trauma)
nein Verlegung durch Fremdkörper (Bolus)?
ja
Absaugung
Atemweg frei?
ja
nein ja Algorithmus Fremdkörperentfernung
nein Teilja verlegung durch entzündlichen/ allergischen Prozess?
Atemweg frei?
ja
nein Adrenalinvernebelung, z. B. 4 mg*
nein
Kein A-Problem
* Off-Label-Use; beachte regionale Medikationsprotokolle
Atemweg frei?
ja
nein
Algorithmus Erweiterte Atemwegssicherung
B
Algorithmus: A-Problem – Erweiterte Atemwegssicherung
A
Manuelle / einfache Techniken: (modifizierter) Esmarch-Handgriff, Guedel-, Wendl-Tubus, Absaugen von Flüssigkeiten, Apnoe / Hypoventilation: Sauerstoffbeatmung mit hoher FiO2 (ideal 1,0) (BeutelMasken-Beatmung [BMV], ggf. Zwei-Hand-Technik) Bewusstseinslage: bewusstlos, keine Schutzreflexe. Bei CPR: Beachte CPR-Protokoll.
nein Atemweg frei? ja Laryngoskopie zur Fremdkörperentfernung / Absaugung und ggf. Notintubation* unter Sicht! (Lagekontrolle: Auskultation und Kapnometrie / -grafie)
EGA* (extraglottischer Atemweg)
Technik erfolgreich?**
ja
Beatmung (FiO2 1,0) fortführen, ggf. maschinelle Beatmung und Anpassung der FiO2 – regionale Protokolle –
nein
Beachte: Bei maschineller Beatmung über EGA und unsynchronisierter TK*: Gefahr der Mageninsufflation und / oder Hypoventilation.
EGA / Tubus entfernen ja BMV (mit hoher FiO2 1,0) fortführen, Situation optimieren, oxygenieren!***
BMV (noch ) möglich? nein Keine Beatmung / Atmung möglich: chirurgische Technik – beachte regionales Protokoll –
Einmaliger Wiederholungsversuch; situationsabhängig: EGA / Intubation oder alternative Intubationstechniken entsprechend regionaler Verfügbarkeit / Ausstattung / Indikation
nein
Technik erfolgreich?**
ja
Beatmung (FiO2 1,0) fortführen, ggf. maschinelle Beatmung und Anpassung der FiO2 – regionale Protokolle –
* B eachte Zeitfenster: Notintubation bei CPR: maximal 10 sec Unterbrechung der Thoraxkompressionen. Bei CPR: Falls Bolusgeschehen unwahrscheinlich ist, sofortiger EGA-Einsatz möglich, sonst initial BMV mit manuellen einfachen Techniken. ** Lagekontrolle: Auskultation und Kapnometrie / Kapnografie bei jeder invasiven Atemwegssicherung *** Nach zweimaligem Versagen erweiterter Techniken zur Atemwegssicherung: BMV fortführen, bis weitere qualifizierte Hilfe (NA) verfügbar.
1 Prüfungsfragen ˘
1.1
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst
586
1.2
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Handeln nach Qualitätskriterien
589
1.3
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes
592
III. Mündlicher Teil der Ergänzungsprüfung nach § 18 NotSan-APrV ˘ 1 Prüfungsfragen
1.1
Prüfungsfragen zum Themenbereich: Kommunikation, Interaktion und Beratung im Rettungsdienst
Harald Karutz
1.
Bitte benennen Sie die vier Seiten einer Nachricht!
7.
❍❍ A ca. 50 cm ❍❍ B ca. 350 cm ❍❍ C ca. 120 bis 350 cm ❍❍ D ca. 50 bis 120 cm.
2.
Inwiefern wird Kommunikationsverhalten vom jeweiligen Kontext beeinflusst?
3.
8.
Was bedeutet die Aussage „Man kann nicht nicht kommunizieren“?
Bitte benennen Sie drei Varianten von Kommunikation und geben Sie jeweils ein Beispiel an!
5.
Was versteht man unter einem „Verknüpfungsfehler“?
6.
Aus welchem Grund kann die Kommunikation mit Gesten in bestimmten Situationen problematisch sein?
Welche Aspekte gehören in den Bereich der nonverbalen Kommunikation?
❍❍ A Wortwahl ❍❍ B Gestik ❍❍ C Mimik ❍❍ D Proxemik ❍❍ E Räuspern ❍❍ F Grammatikalische Korrektheit.
4.
Welcher Abstand zu einem anderen Menschen beschreibt die persönliche Distanzzone?
9.
Was gehört zum Bereich der paraverbalen Kommunikation? Worauf müssen Sie im Einsatz dabei achten?
10. Bitte erläutern Sie die psychische Situation eines Notfallpatienten!
11. Bitte erläutern Sie unterschiedliche Moderatorvariablen anhand von Beispielen!
586
1 Internistische
Fallbeispiele Ë&#x2DC;
IV. Praktischer Teil der Ergänzungsprüfung nach § 19 NotSan-APrV ˘ 1 Internistische Fallbeispiele
Fall 1 – Internistischer Notfall Sie werden an einem kalten Märzmorgen zu einem Notfall in eine mittelständische Wohngegend in etwa 8 Minuten Entfernung zur Wache alarmiert. Gemäß Meldebild handelt es sich um eine Atemnot bei einem 56-jährigen Mann. Als Sie am Notfallort eintreffen, sehen Sie den Mann mit Zeichen schwerster Atemnot vornübergebeugt auf einem Stuhl sitzen.
˘ Ersteindruck
Der hagere Mann ist aschfahl und hat eine Lippenzyanose. Die Atemarbeit ist erschwert, die Atemfrequenz deutlich erhöht. Gefahren durch Personen oder Gegenstände sind für das Rettungsteam nicht zu erkennen. Der Mann bittet keuchend, man möge ihm helfen; er würde keine Luft mehr bekommen.
˘ Primary-Survey
A B C D E
A Der obere Atemweg erscheint frei. Sie hören keinen inspiratorischen Stridor.
→
˘ keine Intervention!
B Bei der Auskultation erheben Sie ein deutlich verlängertes Exspirium. Die Atemfrequenz beträgt 25/min. Der SpO2-Wert liegt bei 76 %. ˘ Vernebelung von 5,0 mg Salbutamol und 0,5 mg Ipratropiumbromid mit 10 l Sauerstoff über eine hierfür geeignete Maske ˘ CPAP-Beatmung in Erwägung ziehen bei therapieresistenten, aber nicht erschöpften Patienten.
C Die Herzfrequenz liegt bei 130/min. Der Radialis-Puls ist gut tastbar aber arrhythmisch; die Rekap-Zeit liegt bei 1 - 2 Sekunden. ˘ Anlage eines venösen Zugangs mit Infusion einer kristalloiden Lösung ˘ intravenöse Steroidgabe (z. B. 100 mg Dexamethason).
D Der Patient ist wach, erscheint nur infolge des Stresses verwirrt (GCS 14 - 15). Die Pupillen reagieren isokor auf Lichteinfall. ˘ keine Intervention.
E Der Patient hat keine Schmerzen. Es liegt keine Hypothermie vor.
→
˘ keine Intervention.
Schon während des Primary Survey stufen Sie den Patienten wegen eines B-Problems als kritisch ein. Auch zirkulatorisch (C) erscheint der Patient wegen des schnellen und arrhythmischen Pulses kritisch.
622
IV. Praktischer Teil der Ergänzungsprüfung nach § 19 NotSan-APrV ˘ 1 Internistische Fallbeispiele
˘ Monitoring
Die schon während des Primary Survey angelegte SpO2-Messung zeigt kritische Werte unter 80 %. Der Blutdruck liegt anfangs bei 155/95 mmHg. Im Extremitäten-EKG zeigt sich eine Sinustachykardie von 130/min, die im zunehmenden Maße mit ventrikulären Extrasystolen durchsetzt ist. Der BZ-Wert beträgt 94 mg/dl.
˘ Fremdanamnese
Die Frau des Mannes erklärt, dass bei ihm keine Allergien bekannt seien. Einem Medikamentenplan seines Hausarztes entnehmen Sie, dass er mit Fenoterol- und Budenosid-Spray versorgt wurde. Das Steroid habe er aber nicht mehr eingenommen, weil er sich „immer so aufgeschwemmt“ fühlte (M). Er ist bekannter Asthmatiker (P). Seine letzte orale Nahrungsaufnahme bestand aus Kaffee am Morgen (L). Der Ehefrau sind keine auslösenden Faktoren bekannt. Sie weiß aber zu berichten, dass sich die Anfälle bei ihrem Mann in der Vergangenheit vermehrt bei kalter Witterung ereigneten (E).
˘ Fokussierte Körperliche Untersuchung
Akrozyanose. Patient mit mäßigem AZ, keine gestauten Halsvenen, keine peripheren Ödeme.
˘ Weiterer Verlauf – zusätzliche Therapieoptionen – Transport
Beim angegebenen Fall handelt es sich um ein klassisches internistisches B-Problem – einen Asthmaanfall. Präklinisch unterscheidet sich das Management kaum von dem einer exazerbierten COPD. Der Zustand des Patienten bessert sich nach der Einleitung der beschriebenen Therapie. Die Lippenzyanose ist rückläufig und die Atemnot lässt nach. Auskultatorisch lässt sich nur noch ein geringfügig verlängertes Exspirium bei einer Atemfrequenz von ca. 20/min erheben. Der SpO2-Wert liegt bei 91 %, die Herzfrequenz beträgt 100/min, der Blutdruck bei 140/85 mmHg. Es erfolgt ein Transport in die nächstgelegene Klinik mit Intensivüberwachung. Bei Nicht-Anschlagen der inhalativen Therapie kann noch eine systemische Gabe von b2-Mimetika (z. B. mit Reproterol 0,09 mg) oder 2 g Magnesium erfolgen. Durch den Notarzt oder im Rahmen hierfür vorgesehener separater Protokolle kann auch über eine fraktionierte Gabe von Morphin zur Anxiolyse und damit einhergehende Relaxation nachgedacht werden.
˘ Übergang zur Reanimationssituation
Der Patient verliert nach Ende des Primary Survey das Bewusstsein. Eine regelgerechte Atmung ist nicht mehr zu erkennen. Das Rettungsteam kann keinen Puls tasten. Im EKG zeigt sich grobes Kammerflimmern. Der Patient ist reanimationspflichtig. ˘ A nwendung des ALS-Algorithmus; linker Schenkel ie potenziell reversible Ursache der Reanimationssituation ist die Hypoxie. ˘ D
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IV. Praktischer Teil der Ergänzungsprüfung nach § 19 NotSan-APrV ˘ 1 Internistische Fallbeispiele
˘ Alternativer Hintergrund für das „Nur-Reanimations-Szenario“
Sie werden an einem kalten Märzmorgen zu einem Notfall in eine mittelständische Wohngegend in etwa 8 Minuten Entfernung zur Wache alarmiert. Gemäß Meldebild handelt es sich um eine Atemnot bei einem 56-jährigen Mann. Als Sie am Notfallort eintreffen, finden Sie den hageren Mann in sich zusammengesunken in einem Stuhl vor. Er ist tief zyanotisch und nicht bei Bewusstsein. Eine regelgerechte Atmung ist nicht zu erkennen, ein Pulsschlag nicht zu tasten. Im EKG zeigt sich grobes Kammerflimmern.
Fall 2 – Internistischer Notfall Sie werden an einem frühen Oktobermorgen gegen 2.00 Uhr zu einem Notfall in eine gutbürgerliche Wohngegend in etwa 5 Minuten Entfernung zur Wache alarmiert. Gemäß Meldebild handelt es sich um eine Atemnot bei einer 68-jährigen Frau. Als Sie am Notfallort eintreffen, finden Sie die Frau mit leicht erhöhtem Oberkörper im Bett liegend vor. Sie hat einen roten Kopf und ringt um Luft. Ihr Mann, der zuvor die Leitstelle alarmiert hat, steht hilflos neben ihr.
˘ Ersteindruck
Für das Rettungsteam sind in der direkten Umgebung keine Gefahren zu erkennen. Die leicht adipöse Frau hat eine massive Dyspnoe mit einer deutlich erkennbaren Lippenzyanose. Schon auf eine Distanz von 3 Metern hören Sie unverkennbar Rasselgeräusche. Die Atmung ist schnell, die Frau wirkt rast- und ruhelos, kämpft mit ihrer Panik und ist kaltschweißig. Sie weigert sich, eine von Ihnen empfohlene optimierte Sitzposition einzunehmen.
˘ Primary-Survey
A B C D E
A Der obere Atemweg erscheint frei. Sie hören keinen inspiratorischen Stridor. Die Frau kann einige Worte sprechen, was sie aber sehr anstrengt. ˘ keine Intervention!
B Bei der Lungenauskultation nehmen Sie grobblasige Rasselgeräusche über allen Lungenarealen wahr. Die Atemfrequenz beträgt 25/min. Der SpO2-Wert liegt bei 65 %. ˘ Sauerstoffgabe über Maske mit 15 l Flow. ˘ CPAP-Beatmung mit PEEP 5 in Erwägung ziehen bei therapieresistenten, aber nicht erschöpften Patienten.
C Die Herzfrequenz liegt bei 140/min. Der Puls ist kräftig und rhythmisch; die Rekap-Zeit
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liegt bei 1 - 2 Sekunden. Der Blutdruck beträgt 230/135 mmHg. ˘ Anlage eines venösen Zugangs mit langsamer Infusion einer kristalloiden Lösung ˘ 20 - 40 mg Furosemid i. v. ˘ ggf. 2 - 3 Hübe Nitro-Spray sublingual ˘ ggf. orale Nitrendipin-Gabe 5 mg oder Urapidil 5-mg-Boli i. v. langsam über 1 Minute bei therapieresistentem Verlauf.
IV. Praktischer Teil der Ergänzungsprüfung nach § 19 NotSan-APrV ˘ 1 Internistische Fallbeispiele
D Die Patientin ist wach (GCS 14 - 15), jedoch aufgrund der belastenden Situation stark
agitiert. Die Pupillen reagieren isokor auf Lichteinfall. ˘ k eine Intervention.
E Die Patientin meint, dass sie während des gesamten Geschehens keine Schmerzen hatte. ˘ k eine zusätzliche Intervention.
Schon während des Primary Survey stufen Sie die Patientin wegen eines B- und C-Problems als kritisch ein.
˘ Monitoring
Die schon während des Primary Survey angelegte SpO2-Messung zeigt nach wie vor niedrige Werte von < 80 %. Der Blutdruck fällt in den nächsten Minuten auf einen Wert von 195/110 mmHg. Die Anlage eines Mehrkanal-EKG gestaltet sich anfangs wegen der nassgeschwitzten Haut sehr schwierig. Der Oberkörper wird mit einem Handtuch abgetrocknet und es gelingt, ein Extremitäten-EKG abzuleiten, in dem sich eine Sinustachykardie von 140/min mit multifokalen VES zeigt. Der BZ-Wert liegt bei 121 mg/dl.
˘ Fremdanamnese
Der Ehemann erklärt, dass bei seiner Frau keine Allergien bekannt seien. Einem Medikamentenplan des Hausarztes entnehmen Sie, dass sie Diuretika und b-Rezeptoren-Blocker einnimmt. Offenbar kam es in den letzten Tagen zu Verwirrungen hinsichtlich der Einnahme der Medikamente (M). Bei der Frau ist eine arterielle Hypertonie bekannt (P). Ihre letzte orale Nahrungsaufnahme bestand aus einem kleinen Abendessen 8 Stunden zuvor (L). Die Atemnot habe sich vor etwa zwei Stunden plötzlich und ohne erkennbaren Grund entwickelt (E).
˘ Fokussierte Körperliche Untersuchung
Periphere Ödeme an den Beinen erkennbar. Halsvenenstauung.
˘ Weiterer Verlauf – zusätzliche Therapieoptionen – Transport
Die Dame leidet an einem weiteren gravierenden B-Problem: einem kardialen Lungenödem; ausgelöst durch eine Bluthochdruckkrise (C-Problem). Ohne eine schnelle und zielgerichtete Therapie besteht akute Lebensgefahr aufgrund der andauernden schlechten Sauerstoffversorgung und der nach wie vor kritischen Kreislaufsituation. Der Zustand der Patientin bessert sich nach Einleitung der beschriebenen Therapie. Die Frau wirkt ruhiger und sie gibt an, dass die Atemnot nachlasse. Ein Distanzrasseln besteht nicht mehr, jedoch lassen sich noch beidseits basal grobblasige Rasselgeräusche erheben. Der SpO2-Wert steigt auf 87 %. Der Blutdruck liegt nun bei 180/105 mmHg, die Herzfrequenz bei 105/min. Es sind nur noch vereinzelte VES zu erkennen. Es erfolgt ein Transport in die nächstgelegene Klinik mit Intensivüberwachung. Als weitere Option kann durch den Notarzt oder im Rahmen regionaler Protokolle eine titrierte i. v. Gabe von Morphin zur Vorlastsenkung und Anxiolyse erfolgen.
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U. Atzbach H.-P. Hündorf R. Lipp
Ulrich Atzbach Hans-Peter Hündorf Roland Lipp
Notfallsanitäter
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Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung
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Das gesamte Buch richtet sich in Inhalt und Gliederung streng nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Notfallsanitäter und wurde von erfahrenen Rettungsdienstmitarbeitern und Ausbildern für die besonderen Anforderungen der Ergänzungsprüfung konzipiert. Es ist zur selbstständigen Vorbereitung wie auch als begleitendes Lehrbuch für die Ergänzungskurse (480 und 960 Stunden) geeignet.
Notfallsanitäter
Auf die eigenständige Versorgung des Notfallpatienten und auf erweiterte und ggf. invasive Maßnahmen – und somit auf die praktische Prüfung – kann sich
der angehende Notfallsanitäter anhand von Fallbeispielen vorbereiten. Die nach Leitsymptomen bzw. -diagnosen dargestellten Maßnahmen orientieren sich am gegenwärtigen Stand einer möglichen rettungsdienstlichen Maximalversorgung und werden durch klare Versorgungsalgorithmen begleitet. Die aktuellen Empfehlungen der Ärztlichen Leiter sind darin eingeflossen.
Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung
Auf die Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter bereitet dieses Lernund Prüfungsbuch umfassend vor. In kompakten Grundlagenkapiteln findet sich das relevante Wissen zu den drei Schwerpunkten der mündlichen Prüfung: – Kommunikation, Interaktion und Beratung, – Handeln nach Qualitätskriterien und – Medizinische Diagnostik, Therapie und lebenserhaltende Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwen dung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen des Arztes.
Herausgeber Ulrich Atzbach Hans-Peter Hündorf Roland Lipp
Notfallsanitäter
Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung 2., aktualisierte und ergänzte Auflage
ISBN 978-3-943174-54-0
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