Chronische Krankheit in der Jugend

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Soziale Arbeit Bachelor

Chronische Krankheit in der Jugend Auswirkungen chronischer Krankheiten w채hrend des Jugendalters

Bachelorarbeit Lara Elia

Bachelorstudiengang Z체rich, Herbstsemester 09/10


Abstract Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit den Auswirkungen chronischer Krankheiten während dem Jugendalter veranschaulicht an der chronisch entzündlichen Magen-DarmErkrankung Morbus Crohn. Im ersten Teil der Arbeit werden allgemein Grundlagen, wie Definition, Epidemiologie, Therapien etc., zu chronischen Krankheiten und spezifisch zu Morbus Crohn erläutert. Im zweiten Teil wird auf die Leitfragen eingegangen. Dabei werden die belastenden Faktoren chronischer Erkrankungen, deren Auswirkungen auf die Entwicklungsaufgaben sowie die individuellen Strategien zu deren Bewältigung diskutiert, wozu die Jugendlichen auch externe Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen können. Dazu gehören das soziale Umfeld, medizinische Fachstellen sowie Sozialberatungsstellen. So wird im dritten Teil erörtert, worin die Aufgaben der Fachstellen bestehen können und in welchen Bereichen die Soziale Arbeit unterstützend beitragen Unterstützung bieten kann.

Um die Meinung Betroffener mit einbeziehen zu können, werden abschliessend die Resultate der Online-Umfrage zu Auswirkungen des Morbus Crohn genannt und ein Fazit daraus gezogen.

Durch Einbezug verschiedenster Literatur ist ersichtlich geworden, dass chronische Erkrankungen in vielerlei Hinsicht auf die Entwicklungsaufgaben verzögernd wirken können und psychische Probleme auslösen können. Durch das frühe Erkennen kann eine Psychotherapie mit Einbezug von Eltern und Geschwistern hilfreich sein. In Fragen zu Ausbildung, Hilfsmittel, Entlastung, Finanzen und Freizeit sind die Sozialarbeitsstellen von Bedeutung, dabei ist die Pro Infirmis die bekannteste sowie eine kompetente Ansprechstelle.

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Chronische Krankheit in der Jugend

Inhaltsverzeichnis

I

EINLEITUNG ......................................................................................................9

1

Problemstellung ..........................................................................................................9

2

Bezug zum Thema.....................................................................................................10

3

Fragestellungen/ Aufbau ..........................................................................................11

4

Online-Befragung......................................................................................................11

5

Bezug zur Sozialen Arbeit ........................................................................................12

II

HAUPTTEIL......................................................................................................13

6

Grundlagen zu chronischen Krankheiten................................................................13

7

8

9

10

6.1

„Chronische Erkrankung“ ...................................................................................13

6.2

Chronisch entzündliche Magen-Darm-Erkrankung „Morbus Crohn“ ...................14

Epidemiologische Daten...........................................................................................16 7.1

Epidemiologie chronischer Erkrankungen im Allgemeinen .................................16

7.2

Epidemiologie des Morbus Crohn ......................................................................17

Diagnosestellung ......................................................................................................19 8.1

Diagnosestellung bei einer chronischen Erkrankung ..........................................19

8.2

Diagnosestellung bei Morbus Crohn ..................................................................20

Ätiologie.....................................................................................................................21 9.1

Ätiologie allgemein .............................................................................................21

9.2

Ätiologie des Morbus Crohn ...............................................................................21

9.2.1

Genetik .......................................................................................................21

9.2.2

Infektionen ..................................................................................................22

9.2.3

Immunologische Faktoren...........................................................................22

9.2.4

Ernährung...................................................................................................22

Therapien...................................................................................................................23 10.1

Therapien allgemein...........................................................................................23

10.2

Therapien bei Morbus Crohn..............................................................................24

10.2.1

Medikamentöse Therapie ...........................................................................24

10.2.2

Ernährungstherapie ....................................................................................25

10.2.3

Psychologische und psychotherapeutische Betreuung ...............................26

10.2.4

Chirurgische Therapie.................................................................................26

10.2.5

Alternative Therapien..................................................................................27 3 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

10.3 11

12

Chronische Krankheiten in der Adoleszenz............................................................27 11.1

Chronische Erkrankung und Adoleszenz............................................................27

11.2

Entwicklungaufgaben in der Adoleszenz ............................................................28

Bewältigung und Bewältigungsstrategien ..............................................................30 12.1

Coping ...............................................................................................................30

12.2

Belastungen bei gesunden Jugendlichen und derer Bewältigung.......................32

12.3

Chronische Erkrankung = psychosoziale Belastung?.........................................34

12.4

Bewältigung von Belastungen bei chronisch kranken Jugendlichen ...................35

12.4.1

Alter ............................................................................................................37

12.4.2

Geschlecht..................................................................................................38

12.4.3

Persönlichkeitsstruktur und Selbstkonzept..................................................38

12.4.4

Soziale Unterstützung.................................................................................39

12.4.5

Kritische Lebensereignisse und andere biographische Einflüsse ................40

12.4.6

Allgemeine und krankheitsspezifische Bewältigungsstrategien ...................40

12.4.7

Art der Erkrankung......................................................................................41

12.4.8

Dauer der Erkrankung.................................................................................42

12.4.9

Schwere der Erkrankung ............................................................................42

12.5 13

Copingstrategien chronisch erkrankter Jugendlicher ..........................................43

Morbus Crohn als Herausforderung ........................................................................45 13.1

Das biopsychosoziale Modell .............................................................................45

13.2

Belastende Faktoren und Auswirkungen auf die Entwicklung bei Morbus Crohn 46

13.2.1

Organische/Somatische Faktoren...............................................................47

13.2.2

Psychische Faktoren ..................................................................................47

13.2.3

Soziale Faktoren.........................................................................................48

13.2.4

Fazit zum biopsychosozialen Modell...........................................................49

13.3 14

Fazit zu Therapien .............................................................................................27

Coping bei Morbus Crohn ..................................................................................49

Unterstützungsmöglichkeiten ..................................................................................51 14.1

Familie ...............................................................................................................51

14.1.1

Eltern ..........................................................................................................51

14.1.2

Eltern Morbus Crohn Erkrankter .................................................................53

14.1.3

Geschwister................................................................................................54

14.1.4

Geschwister Morbus Crohn Erkrankter .......................................................54

14.1.5

Fazit zum System „Familie“ ........................................................................55

14.2

Soziales Umfeld .................................................................................................55

14.2.1

Schule/Ausbildung ......................................................................................55

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Chronische Krankheit in der Jugend

15

14.2.2

Peer-Group/Freunde...................................................................................56

14.2.3

Ausbildung und Freundschaften bei an Morbus-Crohn-Erkrankten .............56

Informations- und Beratungsangebote....................................................................56 15.1

Ärztliche Fachstellen ..........................................................................................57

15.2

Psychosoziale Beratung.....................................................................................58

15.2.1

Arbeit/Ausbildung........................................................................................58

15.2.2

Hilfsmittel ....................................................................................................58

15.2.3

Entlastung...................................................................................................59

15.2.4

Finanzen.....................................................................................................60

15.2.5

Freizeit........................................................................................................60

15.3

16

15.3.1

Jugendberatung..........................................................................................61

15.3.2

Sozialzentren..............................................................................................62

15.3.3

Schulsozialarbeit.........................................................................................62

15.3.4

Pro Juventute .............................................................................................62

15.3.5

Pro Infirmis .................................................................................................63

15.3.6

Lungenliga ..................................................................................................64

15.3.7

Spitalsozialberatung ...................................................................................64

15.3.8

Weitere Beratungsangebote .......................................................................65

15.4

Selbsthilfe ..........................................................................................................65

15.5

Invalidenversicherung ........................................................................................66

15.6

Angebote für Morbus Crohn Betroffene..............................................................70

15.6.1

Schweizerische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung ...............70

15.6.2

Internetangebote für Morbus Crohn Erkrankte ............................................70

15.6.3

Selbsthilfegruppen ......................................................................................71

Online-Umfrage .........................................................................................................71 16.1

Wahl der Methode..............................................................................................71

16.1.1

Eingrenzung und Stichprobe.......................................................................71

16.1.2

Vorgehen....................................................................................................72

16.2

17

Psychosoziale Beratungsstellen.........................................................................61

Fragebogenkonzept ...........................................................................................73

16.2.1

Fragebogenaufbau .....................................................................................73

16.2.2

Hypothesen ................................................................................................74

16.2.3

Pretest ........................................................................................................74

16.2.4

Rücklauf .....................................................................................................74

16.2.5

Datenaufbereitung ......................................................................................75

Ergebnisse der Umfrage...........................................................................................75

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17.1

Teilnehmende ....................................................................................................75

17.2

Altersdurchschnitt bei Ausbruch/Art der Erkrankung ..........................................75

17.3

Chronisch Kranke in der Familie ........................................................................77

17.4

Genutzte Therapien ...........................................................................................78

17.5

Genutzte Beratungsangebote ............................................................................78

17.6

Belastende Faktoren ..........................................................................................79

17.7

Bew채ltigungsstrategien ......................................................................................80

17.8

W체nsche............................................................................................................81

17.9

Erkl채rungen und Fazit ........................................................................................81

III

SCHLUSSTEIL .................................................................................................83

18

Bezugnahme auf Fragestellung und Reflexion .......................................................83

19

Fazit............................................................................................................................85

20

Schlusswort...............................................................................................................85

21

Literaturverzeichnis ..................................................................................................87 Anhang 1....................................................................................................................95 Anhang 2....................................................................................................................98

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Chronische Krankheit in der Jugend

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Kennzeichen chronischer Erkrankungen .......................................................13

Tabelle 2:

Symptome bei Morbus Crohn ........................................................................15

Tabelle 3:

Diagnostik bei chronisch entzĂźndlichen Darmerkrankungen..........................20

Tabelle 4:

Copingstrategien ...........................................................................................32

Tabelle 5:

Von den befragten gesunden Kindern und Jugendlichen genannte Alltagsbelastungen ........................................................................................33

Tabelle 6:

Von den befragten gesunden Kindern und Jugendlichen genanntes Coping von Alltagsbelastungen .................................................................................33

Tabelle 7:

Von chronisch kranken Jugendlichen genannte Belastungen ........................36

Tabelle 8:

Hilfreiche Strategien fĂźr Familien mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen .................................................................................................52

Tabelle 9:

Ăœbersicht der Eingliederungsmassnahmen nach der obligatorischen Schule 69

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Chronische Krankheit in der Jugend

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Befallsmuster von Morbus Crohn...................................................................15 Abbildung 2: Prävalenz eines langdauernden Gesundheitsproblems im Jahr 2007............17 Abbildung 3: Prävalenz für chronisch entzündliche Darmerkrankung .................................18 Abbildung 4: Inzidenz für chronisch entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen .................................................................................................19 Abbildung 5: Stresstheorie nach Lazarus & Folkman .........................................................31 Abbildung 6: Das biopsychosoziale Modell ........................................................................45 Abbildung 7: Geschlechtsverteilung der Teilnehmenden....................................................75 Abbildung 8: Von den Befragten angegebenes Alter bei Ausbruch der Erkrankung ...........76 Abbildung 9: Diagnostizierte Darmerkrankung ...................................................................76 Abbildung 10: Häufigkeit von chronisch erkrankten Familienangehörigen ............................77

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Chronische Krankheit in der Jugend

I

Einleitung

Im Juli und August dieses Jahres war in der Luzerner Ausgabe der 20 Minuten sowie im zisch.ch, der Online Ausgabe der Neuen Luzerner Zeitung, zu lesen, dass die Stadt Luzern bis zum Jahr 2015 die öffentlichen WC-Anlagen reduzieren möchte. „Die Anzahl der Anlagen wird von heute 40 auf rund 24 reduziert. Besonders öffentliche Toiletten in Aussenquartieren sind davon betroffen“ (Schläpfer, www.zisch.ch, 20.8.2009). Dieser Plan stösst bei der Schweizerischen Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung auf Unverständnis. „Hochgerechnet gebe es knapp 16'000 Stadtluzerner mit einer Darmerkrankung, rechnet die in Aarau beheimatete Vereinigung vor“ (Schläpfer, www.zisch.ch, 20.8.2009). Für chronisch Darmerkrankte, für ältere Menschen, die nicht mehr sehr mobil sind, und auch für an Blasenschwäche erkrankte Menschen sind schnell erreichbare WCs in Momenten der Not das Wichtigste überhaupt. Nun initiiert die Vereinigung der chronisch Darmerkrankten kostengünstige Ideen, mit denen alle glücklich werden könnten, um den Abbau zu verhindern.

In dieser Arbeit werden die Auswirkungen chronischer Erkrankungen auf die Entwicklung vom Jugendlichen diskutiert. Was hat nun der erwähnte Artikel mit dem Thema zu tun? Wie schon erwähnt, kann ein scheinbar harmloser Vorstoss, der von den meisten Bürgern akzeptiert wird, für chronisch Kranke einschneidend sein. Zu dieser Gruppierung können auch chronisch kranke junge Menschen gehören.

Diese Arbeit will auf diese besondere Gruppe von Jugendlichen aufmerksam machen und auf ihre Anliegen sensibilisieren. Sie soll Sozialarbeitenden genügend Informationsstoff zu chronisch kranken Jugendlichen liefern sowie eine Wegleitung für die wichtigsten Themen dieser Jugendlichen sein, damit diese auch wissen, welche Sozialarbeitsstellen sie kompetent beraten können.

1

Problemstellung

Die Jugend gilt als die Zeit ohne gesundheitliche Beschwerden. Chronische Krankheiten betreffen jedoch nicht nur Menschen im Rentenalter, sondern bereits Kinder und Jugendliche. Chronische krank sein, bedeutet lebenslang krank sein, das heisst, jede/jeder Betroffene muss einen Umgang mit der Krankheit erlernen. Selbst wenn die Krankheit nicht tagtäglich gleich stark spürbar ist und manchmal auch kaum vorhanden sein kann, ist sie ein unausweichlicher, lebenslanger Begleiter.

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Chronische Krankheit in der Jugend

Newacheck, Budetti und Halford (1986; zit. nach Warschburger, 2000, S.11) erwähnen, dass chronische Krankheiten im Kindes- und Jugendalter seit den 60er Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Dies bestätigt die Aussage von Katharina Meyer (2008, S. 57 & 68) vom Bundesamt für Statistik im schweizerischen Gesundheitsbericht 2008, die besagt, dass trotz des rapiden medizinischen Fortschritts chronische Krankheiten bei Jugendlichen zunehmen. Rund zehn Prozent der jungen Menschen in der Schweiz leiden an einer chronischen Erkrankung und die Zahl der Betroffenen nimmt stetig zu. Aufgrund dieser Entwicklung soll diese Arbeit die Probleme, die eine chronische Krankheit mit sich bringen kann, anhand der chronisch entzündlichen Magen-Darmerkrankung Morbus Crohn veranschaulicht werden.

In der Jugend durchlebt ein Mensch viele Phasen der Veränderung, denen er sich stellen muss. Während der Pubertät verändert sich die Lebenswelt eines jungen Menschen, er verändert sich körperlich, wie auch geistig und hat verschiedene Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, die je nach Ausstattung einer/eines Jugendlichen/Jugendlicher erfolgreich oder weniger erfolgreich bewältigt werden können. Eine chronische Erkrankung kann dabei hinderlich sein. Da die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen für diese Erkrankung die höchste Inzidenz (Rate der Neuerkrankungen pro Jahr in einer Bevölkerungsgruppe) aufweist, wird sich die Arbeit nur auf diese Gruppe konzentrieren (vgl. Hoffmann, Kroesen & Klump, 2009, S. 11 & 12).

Welche Auswirkungen das sein können, welche individuellen Strategien die Jugendlichen bei den verschiedenen Belastungsfaktoren anwenden und welche externen Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sind, wird im Hauptteil nach den Grundlagenkenntnissen zu chronischen Erkrankungen und spezifisch zu Morbus Crohn, diskutiert. Bei den externen Unterstützungsmöglichkeiten sollen insbesondere die Aufgaben der Sozialen Arbeit erörtert werden. Es wird aufgezeigt, in welche Themen sich diese Aufgaben gliedern, wie die Interventionen aussehen können und welche Beratungsstellen in diesem Zusammenhang im Vordergrund stehen.

2

Bezug zum Thema

Mein erstes Praktikum in der Sozialberatung der Lungenliga Aargau und meine jetzige Stelle als Sozialarbeiterin bei der Pro Infirmis Aargau konfrontier(t)en mich regelmässig mit chronischen Erkrankungen im Jugendalter. Ich habe schon mehrere junge Menschen mit chronischen Erkrankungen, wie Multiple Sklerose, Rheuma oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, bei Fragen zur Ausbildung, Freizeitgestaltung, zu Sozialversicherungen und anderen Themen begleitet, wodurch mein Interesse an diesem Thema wuchs. Durch die

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Begleitung zweier junger Frauen mit Morbus Crohn, wurde für mich die Auswirkung der Erkrankung auf das gesundheitliche Befinden, auf die Psyche, die Freizeit, die Ausbildung und einigen weiteren Bereichen sichtbar. Meine Aufgabe bestand darin, sie zu beraten und zu begleiten.

3

Fragestellungen/ Aufbau

Im ersten Teil der Arbeit werden die Begriffe „chronische Krankheit“ und spezifisch „Morbus Crohn“ definiert und Aussagen zu Epidemiologie, Diagnostik und Therapien gemacht. Danach wird die Theorie der Entwicklungsaufgaben kurz erläutert und die möglichen Auswirkungen von chronischen Erkrankungen auf die Erfüllung dieser Aufgaben, sowie weitere Herausforderungen analysiert, die chronische Krankheiten mit sich bringen können. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, braucht es individuelle Bewältigungsstrategien und externe Unterstützung, wobei hier die Soziale Arbeit ins Spiel kommt. Darauf folgend wird erläutert, welche Aufgaben der Sozialen Arbeit zukommen. Anhand der folgenden drei Leitfragen, sollen diese Fragen erläutert werden: •

Welche belastenden Faktoren chronischer Erkrankungen gibt es und welche individuellen Strategien wenden junge Menschen zu deren Bewältigung an?

Welche externen Unterstützungsangebote gibt es, um junge Menschen mit einer chronischen Erkrankung möglichst ein Leben wie das anderer Gleichaltriger zu ermöglichen?

Worin besteht die Aufgabe der Sozialen Arbeit in Zusammenhang mit chronisch kranken jungen Menschen?

Diese Fragen sollen im Hauptteil beantwortet und anhand der spezifischen Erkrankung „Morbus Crohn“ veranschaulicht werden. Im Schlussteil werden die Fragen nochmals aufgeworfen, mit den Ergebnissen verglichen und danach ein Fazit erstellt.

4

Online-Befragung

Zur Illustration habe ich eine Online-Umfrage gestartet, um die Meinung von direkt Betroffenen mit einbeziehen zu können, die in keinem der vorhandenen Bücher erläutert wird. Es ging mir darum, heraus zu finden in welchem Alter die Krankheit ausbrach, welche Auswirkungen sie auf das Leben, hauptsächlich die Pubertät, hatte sowie welche Beratungen oder Therapien ausprobiert wurden und welche Wünsche diesbezüglich bestehen. Die Ergebnisse der Befragung werden am Schluss in einem eigenen Kapitel aufgezeigt und diskutiert.

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5

Bezug zur Sozialen Arbeit

Der Bezug zur Sozialen Arbeit ist in dem Sinne gegeben, dass zu den externen Unterstützungsangeboten unter anderem Sozialarbeitsstellen gehören. Welche diese im Kanton Zürich sind, wird im Hauptteil erläutert. Mögliche Sozialarbeitsstellen sind in Fragen zu Entwicklungsverzögerungen und schulischen Problemen unter anderem die Schulsozialarbeit und Familien- und Jugendberatungsstellen oder in Fragen zu Berufsfindung, die Pro Infirmis in möglicher Kooperation mit den Invalidenversicherungsanstalten. Auch wird dargelegt, wo die Soziale Arbeit Hilfestellungen bieten kann und welche Aufgaben mit der chronisch kranken Klientin oder dem chronisch kranken Klienten erarbeitet werden können. Eine wichtige Aufgabe der Sozialarbeitsstellen ist das Erkennen von biopsychosozialen Problemen anhand einer Anamnese sowie die Triage. Wann die Triage bei chronisch Kranken in Frage kommt, wird ebenfalls im Hauptteil geklärt.

Der systemische Ansatz ist ein wichtiger Bestandteil in der Zusammenarbeit mit jungen Menschen. Die Eltern sollen nach Möglichkeit ebenfalls in die Beratung mit einbezogen werden. Auch Lehrpersonen sind in Fragen zur Schule, Ausbildung oder Berufsfindung wichtige Ansprechpersonen in der Beratung.

Für die Angehörigen soll die Beratungsstelle bei psychosozialen Fragen ebenfalls Anlaufstelle sein. Fragen von Eltern zu Umgang mit den kranken Jugendlichen, zu Freizeitangeboten sowie Fragen zu Schule und Berufsintegration können Thema sein in einer Sozialberatungsstelle. All diese Punkte werden im Hauptteil analysiert.

Zum Schluss sollen die Wünsche und Anregungen der Morbus-Crohn-Betroffenen aus der Umfrage dargelegt werden und mögliche Beratungsangebote für die Zukunft daraus abgeleitet werden.

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II Hauptteil

6

Grundlagen zu chronischen Krankheiten

Der Begriff „chronische Krankheit“ umfasst ein weites Spektrum. Eine der verbreitetsten und bekanntesten chronischen Erkrankung im Kindes- und Jugendalter ist laut WHO Asthma (www.who.int/mediacentre/factsheets/fs307/en/index.html). Jedoch gibt es noch eine Vielzahl anderer chronischer Erkrankungen, wobei hier nur auf die chronischen körperlichen Erkrankungen Bezug genommen wird. Dabei berufe ich mich auf Seiffge-Krenke, die eine Abgrenzung nach Petermann, Noeker und Bode vollzieht (1987; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 12), die „chronische Krankheiten ausschliesslich auf körperliche Erkrankungen beziehen, die viele Jahre oder lebenslang in mehr oder weniger bedrohlicher Weise das Planen, Handeln und Empfinden des Kindes und seiner Familie bestimmen“.

6.1

„Chronische Erkrankung“

Um das Ausmass und die Auswirkungen einer chronischen Erkrankung zu erläutern, muss zuerst der Begriff „chronische Erkrankung“ definiert werden. Dieser umfasst viele zahlreiche Erkrankungen mit vielen verschiedenen Symptomen, wobei diese von aussen sichtbar sein können, aber nicht sein müssen.

Schüssler (1993; zit. nach Salewski, 2004, S. 8) benennt gemeinsame Kennzeichen dieser Erkrankungen: • Eine echte Heilung ist bis heute nicht möglich • Wechselnde, zum Teil nur schwer wahrnehmbare Symptomatik • Langfristiger Verlauf, oft bis zum Lebensende • Unvorhersagbares Voranschreiten, vielfach durch wiederkehrende Krankheitsphasen gekennzeichnet • Häufig fortschreitende Verschlechterung der Symptomatik • Multikausale Verursachung Tabelle 1: Kennzeichen chronischer Erkrankungen (Schüssler, 1993; zit. nach Salewski, 2004, S. 8)

Langfristiger Verlauf bedeutet laut Eiser (1985; zit. nach Lehmkuhl, 1996, S. 36) eine Erkrankung, die seit mindestens drei Monaten besteht, wobei in der schweizerischen Gesundheitsbefragung die Frage nach einer länger dauernden einschränkenden Krankheit so abgegrenzt 13 / 98


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wird, dass diese bereits länger als ein Jahr andauern muss. So kann zwar eine klare Trennung vorgenommen werden von chronisch zu akut (= schnell und vollkommen heilende Krankheit), dies kann unter anderem auch eine Erklärung für die verschiedenen Prävalenzen in epidemiologischen Studien bieten (Warschburger, 2000, S. 20).

Nach der oben genannten Definition bedeutet es für chronisch Kranke, sich mit den verschiedensten Symptomen auseinanderzusetzen, mit einem unsicheren Verlauf umzugehen, eine mögliche Verschlechterung hinzunehmen sowie eventuell lebenslang von medizinischen Therapien und anderen Hilfsmassnahmen abhängig zu sein.

6.2

Chronisch entzündliche Magen-Darm-Erkrankung „Morbus Crohn“

Eine klare Beschreibung von Morbus Crohn, damals mit „regional enteritis“ benannt, wurde erstmals 1932 in New York durch B. B. Crohn zusammen mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer veröffentlicht (1932; zit. nach Hoffmann, Kroesen & Klump, 2009, S. 3), welche die Erkrankung als Entzündung des Dünndarms beschrieben. Der heutige Wissensstand besagt, dass jedoch der letzte Abschnitt des Dünndarms zwar am häufigsten betroffen ist, Morbus Crohn jedoch den gesamten Verdauungstrakt von Mund bis After befallen kann. Kennzeichnend ist eine Entzündung einzelner Darmabschnitte, zwischen denen sich oft gesunde Abschnitte befinden. Dabei können alle Darmwandschichten von Entzündungen durchdrungen sein. Nach ICD-10 (Kaiser, www.dimdi.de, 2009) gehört Morbus Crohn zur nichtinfektiösen Enteritis (=Entzündung des ganzen Darmtraktes) und Kolitis (=Entzündung des Dickdarms) unter K.50-K.52. Im ICD-10 wird der Morbus Crohn nach den befallenen Stellen in die verschiedenen Typen unterteilt. Unter K.50. und folgende wird die „Crohn- Krankheit“ unter Crohn des Dünndarms, Dickdarms, sonstiger Crohn und/ oder als nicht näher bezeichnete Crohn-Krankheit definiert.

Wie in der Abbildung von Behr (Behr, 2007, www.stiftung-darmerkrankungen.de) anhand der rot gefärbten Stellen gezeigt wird, kann der Crohn verschiedene Bereiche betreffen.

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Abbildung 1:

Befallsmuster von Morbus Crohn

Die entzündlichen Vorgänge verändern das Darmgewebe, so dass die Verdauungsfunktionen des Darmes immer mehr eingeschränkt werden. Die Aufnahme von Nährstoffen und die Abgabe für die Verdauung wichtiger Enzyme werden dadurch beeinträchtigt. Nach Abklingen der Entzündungen können Narben und Verdickungen an den befallenen Stellen zurück bleiben, wodurch der Darmdurchgang enger und der Transport des Darminhalts erschwert wird (Gross, 2006, S. 5).

Vielfach entwickelt sich der Morbus Crohn langsam und verursacht die verschiedensten Beschwerden. Mögliche Symptome bei Morbus Crohn können sein (vgl. Gross, 2006, S. 7; Hoffmann et al., 2009, S. 68- 70): • Krampfartige Bauchschmerzen • Durchfälle (meist wässrig-schleimig, manchmal blutig) • Schubartiger lebenslänglicher Verlauf • Gewichtsabnahme • Leichtes Fieber • Malabsorption (schlechte Aufnahme von Nährstoffen) • Entzündungszeichen im Blut • Extraintestinale Manifestationen • Fisteln (Gänge vom Darm zu anderen Organen) Tabelle 2:

Symptome bei Morbus Crohn

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Die Symptome sind vielfältig, decken sich jedoch mit den typischen Kennzeichen von chronischen Erkrankungen. Bei Morbus Crohn ist bis heute keine Heilung möglich, die Symptomatik ist wechselnd: unvorhersagbare, wiederkehrende Krankheitsphasen, als Schübe bezeichnet, unterbrochen von Ruhephasen, Remissionen genannt. Die Ursachen sind unklar und vielfältig. Zu Beginn kann eine schwer wahrnehmbare Symptomatik auftreten, so dass eine sofortige Diagnose erschwert sein kann. Letzteres trifft unter anderem ein, wenn die extraintestinalen Manifestationen, das heisst, Symptome ausserhalb des Magen- Darm- Traktes, wie Gelenkschmerzen, Gelenkentzündungen, Augenentzündungen, Hautentzündungen und Entzündungen anderer Organe (hauptsächlich der Bauchspeicheldrüse), zuerst auftreten. Diese Beteiligungen ausserhalb des Magen-Darm-Traktes können aber auch während des gesamten Krankheitsverlaufs auftreten (Gross, 2006, S. 8- 24), was bei mehr als 40% der jugendlichen Betroffenen der Fall ist (Behrens, 2006, S. 24). Im Kindes- und Jugendalter können zudem vermehrt Wachstumsstörungen auftreten.

7 7.1

Epidemiologische Daten Epidemiologie chronischer Erkrankungen im Allgemeinen

Wie schon zu Beginn erwähnt, nehmen chronische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter zu. Je nach Autor wird von einer Prävalenz von 10% - 20% ausgegangen (vgl. Salewski, 2004, S. 9; Seiffge- Krenke, 1996, S. 11-13; Warschburger, 2000, S.11). Werden diese Daten mit der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2007 verglichen, wird deutlich, dass die Schweiz im Mittel liegt. Dort gaben 14.1% der 15- bis 24-jährigen an, an einer dauerhaften Krankheit oder einem dauerhaften gesundheitlichen Problem zu leiden. Im Jahre 1997 waren es noch 10% der jungen Menschen in der Schweiz, welche an einer länger dauernden Krankheit litten (Bundesamt für Statistik, Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002). Dabei fällt keine grosse Differenz zwischen den weiblichen und männlichen Befragten auf.

Zur Veranschaulichung dient die Tabelle aus der Gesundheitsbefragung 2007, wobei zu beachten ist, dass die Hervorhebung der Altersklasse von 15- 24 Jahren zur Verdeutlichung durch den Autor vorgenommen wurde:

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Abbildung 2:

Prävalenz eines langdauernden Gesundheitsproblems im Jahr 2007

Erkrankte unter 15 Jahren werden durch die Gesundheitsbefragungen nicht erfasst. Diese werden derzeit nur in den Registern für Patientinnen und Patienten im Kindes- und Jugendalter der Krankenhäuser bei Ein- und Austritt erfasst. Jedes Krankenhaus führt ein solches Register unabhängig von den anderen Krankenhäusern, wobei ein schweizerisches pädiatrisches Register laut Dr. med. R. I. Furlano (persönliche Mitteilung, 31.8.2009), pädiatrischer Gastroentorologe im Universitäts- Kinderspital beider Basel, in Arbeit ist.

7.2

Epidemiologie des Morbus Crohn

Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa sowie Colitis indeterminata werden zusammenfassend als chronisch entzündliche Darmerkrankungen bezeichnet. Zu diesen Erkrankungen gibt es einige Studien und die meisten davon beziehen sich auf alle chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Behrens (2006, S.16) zeigt auf, dass die Prävalenz von Morbus Crohn ungefähr 100 Erkrankte auf 100’000 Einwohner entspricht. Bei Colitis Ulcerosa sind es ca. 150 Erkrankte auf 100’000 Einwohner. In Deutschland wären es dann insgesamt knapp 200’000 Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, wovon 73000 Patienten an Morbus Crohn leiden. Bei einem Bevölkerungsanteil von 19% Kindern und Jugendlichen berechnet Behrens 37’000 Kinder und Jugendliche mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Für die Schweiz liesse sich bei einer Bevölkerung von 7.7 Millionen (Bundesamt für Statistik, Stand Dezember 2008), davon 1.34 Millionen zwischen 10 und 24 Jahren alt, also bei einem Anteil von 17.4% Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 1340 Morbus Crohn betroffene junge Menschen errechnen. Dies würde bedeuten, dass 0.1% der jungen Menschen in der

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Chronische Krankheit in der Jugend

Schweiz an Morbus Crohn leiden würden. Im Kinderspital Zürich wurden gemäss Dr. med. Ch. P. Braegger, Leiter der pädiatrischen Gastroenterologie, im Jahr 2009 bis jetzt (Stand 1. September 2009) ca. 70 junge Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn behandelt (persönliche Mitteilung, 9.9.2009).

In der Pilot Studie „Cohort Profile: The Swiss Inflammatory Bowel Disease Cohort Study (SIBDCS)“ (2008, S. 922), die von Juli 2003 bis Dezember 2004 im Kanton Waadt durchgeführt wurde, waren unter 650000 Einwohner 1016 erwachsene chronisch entzündliche Darmerkrankte, was einer Prävalenz von 206 Erkrankte auf 100000 Einwohner entspricht. Die Swiss IBD Cohort Study Group (schweizerische Studiengruppe für chronisch entzündliche Darmerkrankungen) ermittelte ungefähr 12000 Betroffene auf die gesamte schweizerische Bevölkerung, was gemäss der Studie mit anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern vergleichbar ist. Diese Studie wurde im Jahr 2009 auf die ganze Schweiz ausgeweitet, um weitere Daten zu erfassen und somit auch den Erfolg verschiedenster Therapien zu evaluieren. Ausserdem werden seit diesem Jahr auch pädiatrische Patienten in die schweizerische Inflammatory Bowel Disease Studie miteinbezogen, wobei auch psychosoziale Faktoren, wie Lebensqualität, Coping und psychisches Befinden, eruiert werden (Landolt, M., persönliche Mitteilung, 5.10.2009).

Zur Illustration dient hier das Diagramm von Behrens (2006, S. 16), wobei die Zahlen in Klammern sich auf unterschiedliche Studien beziehen:

Abbildung 3: Prävalenz für chronisch entzündliche Darmerkrankung (Behrens, 2006, S. 16)

„Die aktuelle Inzidenz für CED [chronisch entzündliche Darmerkrankung] bei erwachsenen Patienten beträgt 14-20, im Durchschnitt 18 pro 105 pro Jahr. Geschlechtsspezifische Unterschiede lassen sich nicht nachweisen“ (Behrens, 2006, S. 17), davon sind 2.5 bis 6 pro 100’000 pro Jahr Betroffene vor dem 20. Lebensjahr. Von den gesamten Neuerkrankten be18 / 98


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ginnt bei 14% - 33% die Symptomatik vor dem 20. Lebensjahr. Ausserdem erwähnt Behrens, dass vor 40 Jahren die Inzidenz um 50% tiefer war. Bei einer von Behrens für Deutschland errechneten durchschnittlichen Inzidenz von 5 pro 100’000 Kinder und Jugendliche pro Jahr, ergäbe dies auf die Schweiz angewendet ungefähr 385 neu erkrankte junge Menschen pro Jahr.

Eine Übersicht für Europa gibt diese Abbildung:

Abbildung 4: Inzidenz für chronisch entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen (Behrens, 2006, S. 17)

Wie auch durch diese Abbildung sichtbar wird, liegt die Inzidenz junger Menschen europaweit zwischen knapp mehr als 2 und 7 pro Jahr. Im nächsten Kapitel wird die Diagnosestellung der Erkrankung erörtert.

8

Diagnosestellung

Der Begriff „Diagnose“ entstammt dem griechischen Wort „diagnosis“, was „Entscheidung“ bedeutet. Uexeküll und Wiesack (2008, S. 381- 382) schreiben, dass „ ‚Krankheiten’ Interpretationsmodelle sind, und Diagnosen sind Entscheidungen zwischen den verschiedenen Interpretationen, welche die Medizin jeder Zeit in einem ‚nosologischen Katalog’ [= Klassifikation einer Krankheit] zusammenfasst.“ Diagnosen werden folglich in einem schwierigen Suchprozess erarbeitet und gestellt. Dabei muss der Arzt komplexe Abläufe interpretieren, indem er den kranken Mensch beobachtet (Uexküll und Wesiack, 2008, S. 381).

8.1

Diagnosestellung bei einer chronischen Erkrankung

Da chronische Erkrankungen vielfältig sind, werden anhand der Symptome, der Anamnese, das heisst anhand der Erhebung der medizinischen, psychischen, sozialen und biologischen Vorgeschichte der Patientin oder des Patienten, und der körperlichen Untersuchung weitere diagnostische Schritte eingeleitet, um die mögliche Erkrankung zu ergründen.

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Nach einer erstellten Diagnose kann die passende Therapie beginnen, was heisst, dass „jede wissenschaftliche Therapie daher eine Diagnose voraussetzt“ (Uexküll und Wesiack, 2008, S. 381).

8.2

Diagnosestellung bei Morbus Crohn

Eine Herausforderung für den Kinderarzt ist es, die 10 - 15% der gesunden Kinder und Jugendlichen mit chronischen Bauchschmerzen, von denen zu unterscheiden, die eine chronisch entzündliche Darmerkrankung haben. Bei Patientinnen und Patienten mit den drei Symptomen Bauchschmerzen, Durchfall, Gewichtsstillstand oder –verlust sollte abgeklärt werden, ob eine chronisch entzündliche Darmerkrankung vorliegt. Mit den heutigen Diagnosetechniken dauert es bei Kindern und Jugendlichen noch ungefähr vier bis sechs Monate, um einen Morbus Crohn festzustellen.

Die nun genannten Diagnosemassnahmen gelten sowohl für Morbus Crohn als auch für Colitis ulcerosa: • Anamnese • Körperliche Untersuchung • Laborchemische Untersuchung • Ultraschall • Totale Darmspiegelung bis zum Übergang von Dick- zu Dünndarm sowie Magenspiegelung • Radiologie/ MRT (Untersuchung in der Röhre mit bildgebenden radioaktiven oder kontrastierenden Mitteln) Tabelle 3: Diagnostik bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Behrens, 2006, S. 44)

Bei der Anamnese werden nicht nur die darmrelevanten Beschwerden, sondern auch die extraintestinalen Manifestationen sowie das Vorkommen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung in der Familie erhoben.

Darauf folgt die körperliche Untersuchung. Spezifisch bei Morbus Crohn werden die Mundhöhle nach entzündlichen Veränderungen, Haut- und Gelenkveränderungen, Tastbefund des Bauches, anale Inspektion, Körperhöhe, Gewicht und Pubertätsstadium untersucht. Darauf folgen die Stuhluntersuchung nach infektiöser oder parasitologischer Ursachen sowie die Laboruntersuchung der Entzündungsparameter im Blut. Bei den meisten Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind diese Parameter verändert.

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Zuletzt werden bildgebende Verfahren angewendet. Dazu gehört der Ultraschall, bei dem Hinweise auf verdickte Darmwände gesucht werden, die einen Verdacht zwar nicht sichern, aber erhärten können. Auch erfolgen eine Darm- und Magenspiegelung (=Endoskopie) mit Entnahme von Gewebeproben sowie eine radiologische oder kernspintomographische (=MRT) Untersuchung des Dünndarms. Werden eindeutige entzündliche Veränderung der Magen- und/oder Darmwand gefunden, bestätigt sich der Verdacht auf Morbus Crohn (vgl. Hoffman et al., 2009, S. 130- 133; Behrens, 2006, S. 44- 55).

9

Ätiologie

9.1

Ätiologie allgemein

Die Ätiologie befasst sich mit den auslösenden Ursachen einer Erkrankung. Im Folgenden sollen die möglichen Ursachen für Morbus Crohn diskutiert werden.

9.2

Ätiologie des Morbus Crohn

Die Ätiologie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist bis heute ungeklärt. Es werden genetische Faktoren, Infektionen, immunologische Faktoren und die Ernährung diskutiert. 9.2.1

Genetik

Bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa wird von einer genetischen Disposition ausgegangen, da laut Binder und Kirsner (1998; 2000; zit. nach Jantschek, 2008, S. 926) „etwa 5 bis 15% eine familiäre Häufung beider Erkrankungen erkennen lassen“. In einer Reihe von Studien mit Morbus Crohn- Patientinnen und -Patienten wurden zwischen 1.2% und 35.8%, im Durchschnitt etwa 11% betroffene Familienmitglieder eruiert. Ebenso sprechen neben der familiären Häufigkeit, die erhöhte Anzahl eineiiger Zwillinge in Zwillingsstudien sowie das erhöhte Risiko der Nachkommen, wenn beide Elternteile an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung leiden, für eine genetische Belastung (Jantschek, 2008, S. 926; Kosarz, 1994, S. 9). Da auch eine Häufung von gleichzeitigem Auftreten des Morbus Crohns mit einer chronisch rheumatischen Erkrankung namens Morbus Bechterew beobachtet wurde, bei der eine genetische Vorbelastung eine erhebliche Rolle spielt, beschäftigen sich Untersuchungen mit bestimmten HLA-Antigenen. Bei mehr als 90% der Morbus-Bechterew-Betroffenen kommt ein bestimmtes HLA- Antigen vor, weshalb Forscher vermuteten, dies könne bei Morbus Crohn Erkrankten ebenfalls der Fall sein. Die Ergebnisse bezüglich der Mitbeteiligung von HLA-Antigenen als Ursache des Morbus Crohn waren jedoch uneinheitlich, während einige Studien die Mitbeteiligung des Gens als bewie-

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sen sahen, sahen andere Studien keine Zusammenhänge. Purrmann und seine Mitarbeiter (1986; zit. nach Künsebeck, 1993, S. 28) kamen zum Schluss, dass zwar an der genetischen Veranlagung nicht mehr ernsthaft gezweifelt werden kann, dies für einen Ausbruch der Erkrankung aber nicht ausreiche, sondern weitere auslösende Faktoren vorhanden sein müssten. 9.2.2

Infektionen

Trotz verschiedenster Nachforschungen konnte der Nachweis eines infektiösen Auslösers von Morbus Crohn durch Bakterien oder Viren nicht erbracht werden. Eine mögliche Erklärung für eine infektiöse Ursache ist, dass die Schleimhaut durch den Erreger lädiert wird und zu einem Ausbruch der Erkrankung führen kann. Einen weiteren Hinweis auf einen infektiösen Auslöser geben Untersuchungen über die Zunahme von Morbus Crohn bei verbesserter Hygiene. Die Folge einer besseren Hygiene sind die möglichen Veränderungen der Keime im Magen-Darm-Trakt, welche entzündliche Reaktionen ausgelöst haben könnten. Auch folgt der erste Ausbruch der Erkrankung nicht selten auf einen Infekt des Magen-Darm-Traktes, was ebenfalls die Theorie der auslösenden Faktoren durch Infektionen bekräftigen könnte (Behrens, 2006, S. 44; Jantschek, 2008, S. 926; Kosarz, 1994, S. 10). 9.2.3

Immunologische Faktoren

In einer Reihe von Beobachtungen wurde festgehalten, dass in den befallenen Darmabschnitten veränderte Zeichen von Immunreaktionen gefunden wurden, sowie eine Störung der Zellen, die der Immunabwehr dienen. Weitere Gemeinsamkeiten mit anderen Autoimmunerkrankungen sind der chronische schubartige Verlauf wie auch das Ansprechen auf immunsuppressive (=das Immunsystem unterdrückende) Medikamente. Weiter werden die Einflüsse psychosozialer Faktoren auf das Immunsystem und folglich auf Morbus Crohn erörtert. All diese Thesen der immunologischen Faktoren sind jedoch bis heute nicht erwiesen (Jantschek, 2008, S. 926; Kosarz, 1994, S. 10- 11). 9.2.4

Ernährung

Kosarz (1994, S. 12) schreibt, dass „die erhöhte Prävalenz des Morbus Crohn in den industrialisierten Ländern vermuten lässt, dass sich ein vermehrter Konsum bestimmter Nahrungsmittel pathogen [= krankheitsauslösend] auf den Gastrointestinaltrakt [= Magen- DarmTrakt] auswirkt“. Dabei bezieht er sich auf Studien, in denen die Auswirkungen von Stabilisatoren, gehärteten Fetten, raffiniertem Zucker, Milchzucker sowie Faserstoffen diskutiert werden, im Hinblick auf eine Veränderung der Darmflora und eine toxische Wirkung von Nahrungsbestandteilen. In anderen Erhebungen lässt sich jedoch kein Einfluss dieser Stoffe

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nachweisen. So ist auch keine spezielle, auf Morbus-Crohn-Erkrankte zugeschnittene Diät bekannt.

Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass unterschiedliche Faktoren oder auch das Zusammenfallen dieser Faktoren Auslöser von Morbus Crohn sein können, wobei noch keine definitiven Beweise vorliegen.

10 Therapien 10.1

Therapien allgemein

Allgemeine universelle Therapien für chronische Erkrankungen gibt es keine. Stein et al. (1993; zit. nach Warschburger, 2000, S. 19) nennen in ihrem Kriterienkatalog für chronische Erkrankungen, folgende Möglichkeiten, um die funktionellen, aktivitätsbezogenen oder sozialen Einschränkungen zu kompensieren oder zu minimieren, was auch Zweck einer Therapie ist: •

Medikation

Spezielle Diät

Medizinische Technologie

Unterstützende Gerätschaften

Persönliche Anleitung [psychologische und soziale Beratung]

Nebst dem Erreichen und Erhalten von Remission sind weitere Ziele der Rehabilitationsmedizin, wozu unter anderem Therapien gehören, das Erlangen der Fähigkeit zur Akzeptanz und zum angemessenen Umgang mit der Erkrankung und deren psychosoziale Folgen, das (Wieder-) Erlangen von Autonomie, um im Berufs- und Alltagsleben (wieder) leistungsfähig zu sein, die Wiederherstellung oder den Erhalt von Erwerbsfähigkeit sowie die Verminderung von sozialer Abhängigkeit im Alter und Vermeidung zukünftiger Pflegebedürftigkeit. In diesem Zusammenhang wirkt es unterstützend, die Mithilfe der Patientin oder des Patienten durch Anleitung zur Selbstkontrolle und Selbstmanagement zu fördern, so dass der Therapieplan in Zusammenarbeit mit der/dem Betroffenen erstellt werden sollte (Paar, Grohmann, Kriebel, 2008, S. 541- 543). Der Erfolg einer Therapie hängt auch von deren Anwendung im Alltag ab. Diese soll schlussendlich den biopsychosozialen Gesundheitszustand chronisch erkrankter Jugendlicher soweit stabilisieren, dass sie weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

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10.2

Therapien bei Morbus Crohn

Behrens (2006, S. 62) nennt für chronisch entzündliche Darmentzündungen folgende vier Therapiemöglichkeiten: •

Pharmakotherapie [Medikation]

Ernährungstherapie

Psychologische und psychotherapeutische Betreuung

Chirurgische Therapie

Alternative Therapien [hinzugefügt v. Verf.]

Da in der Literatur auch alternative Therapien mitberücksichtigt werden, sollen diese in der Arbeit ebenfalls erwähnt werden, obwohl Behrens diese Art der Therapie nicht in seine Auflistung aufgenommen hat.

Ziele der Therapie sind die Remission, die Vermeidung von Nebenwirkungen, eine altersgerechte somatische und psychosoziale Entwicklung, um eine unbeeinträchtigte Schul- und Berufsbildung zu ermöglichen, Akzeptanz und Umgang mit der Erkrankung, um Ängste vor der Erkrankung zu mindern, sowie die Vermeidung von medikamentöser Übertherapie. 10.2.1

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie erfolgt nach Krankheitsaktivität und an die betroffenen Stellen im Darm angepasst. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen verläuft gleich wie bei Erwachsenen, nur die Dosierung ist verändert.

Im Schub, das heisst bei entzündeten Darmabschnitten, kommen Kortikosteroide, umgangssprachlich Kortison genannt, und je nachdem Antibiotika zur Anwendung. Um möglichst eine Abhängigkeit von Kortison zu vermeiden, wird nach zwei- bis vierwöchiger Behandlung mit der Höchstdosis die Dosis wöchentlich reduziert. Zur Remissionserhaltung wird eine medikamentöse Basistherapie angewendet, dazu gehören unter anderem Immunsuppressiva sowie Medikamente, die an den für Entzündungen verantwortlichen Zellen ansetzen, so genannte Biologika. Die Substitionstherapie (= Zufuhr fehlender Substanzen), um die aufgrund von Durchfällen entstandenen Mangelzustände von Vitaminen und Mineralien zu beheben, ist in Ergänzung zur medikamentösen Therapie unerlässlich (Behrens, 2006, S. 62- 73; Hoffmann et al., 2009, S. 183- 232 & S. 288- 290; Künsebeck, 1993, S. 32- 34).

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10.2.2

Ernährungstherapie

Eine spezielle Diät für Morbus Crohn existiert nicht. Bei Kindern und Jugendlichen sollte vor allem bei Beschwerdefreiheit auf eine gesunde ausgewogene Ernährung geachtet werden, wobei es sich empfiehlt, blähende Kost gering zu halten.

In Schubphasen bekommt die Elementarkost (Darm schonende zum Teil eiweissreiche oder ballaststoffreiche und nebenwirkungsfreie Trinknahrung oder Sondennahrung) eine wichtige Bedeutung. Bei der Trinknahrung erhalten die Erkrankten hochkalorische, speziell zubereitete Getränke. Bei der Sondennahrung werden die Nährstoffe direkt durch einen Schlauch in den Magen gelassen. In der Akutphase kann die Elementarkost in Form von Trinknahrung oder Sondennahrung zur Entlastung des Darms und zum Wiederaufbau der gesundheitlichen Verfassung zum Einsatz kommen. Dabei wird diese Nahrung über vier bis acht Wochen angepasst an Alter und Kalorienbedarf verabreicht. Danach erfolgt der Aufbau mit normalen Lebensmitteln.

Untersuchungen von Malchow et al. und Teahon et al. (1990; 1990; zit. nach Künsebeck, 1993, S. 34) „haben gezeigt, dass Elementardiäten im Falle von Verträglichkeit im akuten Schub einen annähernd gleichen Behandlungserfolg erzielen wie medikamentöse Therapien mit Prednisolon [Cortison]“.

Auch hat eine solche Ernährungstherapie in Remissionsphasen grosse Bedeutung, wenn beim betroffenen Kind oder Jugendlichen eine chronische Mangelernährung besteht, was als eine der Hauptursachen für Minderwuchs und eine verzögerte Pubertät gilt. Bei Jugendlichen ist die orale Einnahme durch Trinknahrung, der Magensonde, welche als Schlauch durch die Nase führt, aus kosmetischen und stigmatisierenden Gründen vorzuziehen.

Des Weiteren wird der Einfluss von Probiotika auf die Darmflora diskutiert. Probiotika, den Meisten bekannt aus der Joghurt-Werbung wie Activia und Actimel, werden von der WHO (zit. nach Hofmann et al., 2009, S. 199) als, „lebende Organismen, die in geeigneter Menge verabreicht, gesundheitsfördernd auf den Wirt wirken“, definiert. Für Morbus Crohn existieren zurzeit keine professionellen Studien mit ausreichender Patientenzahl, um den positiven Effekt von Probiotika auf den Darm zu bestätigen (vgl. Behrens, 2006, S. 84- 89; Hoffmann et al., 2009, S. 199- 208 & 290- 291; Künsebeck, 1993, S. 33- 34).

Es muss beachtet werden, dass die Ernährungstherapie und somit Ernährungsveränderung an die Patientin oder den Patient angepasst werden müssen.

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10.2.3

Psychologische und psychotherapeutische Betreuung

Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen nicht primär psychisch bedingte Krankheiten sind. Psychische Probleme und emotionaler Stress können jedoch zu einem Schubausbruch beitragen. Vor allem in der sensiblen und aufwühlenden Phase der Pubertät sollte die Psychologin oder der Psychologe zum betreuenden Therapieteam gehören und zur Akzeptanz der Krankheit sowie zum Umgang damit und zur Bewältigung beitragen. Dazu gehören auch die Beratung der ganzen Familie und des sozialen Umfelds, der Support der Eltern und der Einbezug der Geschwister, um Ängsten, Rivalität und Neid Raum zu geben. Die Psychotherapie ist alters- und situationsangemessen. Behrens (2006, S. 96) schreibt zusammenfassend, dass eine „geeignete Therapieform empfohlen [wird] (Gesprächs-, Familien-, Verhaltenstherapie und traumaspezifische Psychotherapie). Ergänzend dazu haben sich u.a. Entspannungsverfahren als hilfreich erwiesen“ (Behrens, 2006, S. 92- 96; Hoffmann et al., 2009, S. 292).

Weitere psychologische Aspekte und die Auswirkung des Morbus Crohn auf die Entwicklung, Lebenswelt und das Umfeld der Jugendlichen werden in Kapitel 13 detaillierter diskutiert. 10.2.4

Chirurgische Therapie

Im Gegensatz zu früher werden heute die operativen Entfernungen von befallenen Darmabschnitten nicht mehr als Erstes in Betracht gezogen, sondern so lange wie möglich hinaus gezögert, ausser die konservative medikamentösen Therapie versagt. Hierbei handelt es sich nicht um Engstellen beseitigende Eingriffe oder Operationen an Fisteln oder Abszessen, sondern um Resektionen (operative Entfernung) von befallenen Darmabschnitten. Für Patientinnen und Patienten im Jugend- und Kindesalter liegt die Operationsrate bei 25% bis 46%, welche mit der Krankheitsdauer ansteigt. Bei Erwachsenen beträgt die Rate nach einem 10- bis 20- jährigen Verlauf 50% bis 80%.

Ein operativer Eingriff kommt nur in Frage, wenn trotz verschiedenster Therapien die Aktivität der Krankheit hoch bleibt oder es durch Entzündungen und Vernarbungen fast zu einem Darmverschluss kommt und dieser nicht endoskopisch, also mittels einem speziellen Gerät während einer Darmspiegelung, gedehnt werden kann. Auch sollte operiert werden, wenn eine hohe Krankheitsaktivität verbunden mit ausgeprägten Wachstumsstörungen vorliegt. So können vorhandene Wachstumsreserven ausgenützt werden. Bei einer erfolglosen Fistelbehandlung muss die Stelle mit der Fistel ebenso operativ entfernt werden und bei erfolglos behandelten Abszessen, bei der Gefahr eines Darmdurchbruchs oder einer Darmblutung ist eine Operation ebenfalls unumgänglich.

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Chronische Krankheit in der Jugend

Die Entfernung des befallenen Abschnitts bedeutet keine Heilung, da sich danach andere Stellen entzünden können (vgl. Behrens, 2006, S. 100- 102; Kosarz, 1995, S. 14- 15; Schmidt, 1991, S. 9- 11). 10.2.5

Alternative Therapien

Unter alternativer oder komplementärer Therapien werden die nicht konventionellen schulmedizinischen Behandlungen verstanden. Diese versuchen den Körper als Gesamtheit mit der Seele/Psyche zu erfassen. Körper und Geist sollen auf verschiedenste Art angeregt werden, sich selber zu regulieren und zu heilen, womit nicht die Symptombekämpfung im Vordergrund steht, sondern die Ursachenbekämpfung. Die alternativen Therapien gelten als wissenschaftlich nicht anerkannt und abgesichert.

30% bis 70% der Erwachsenen und Kinder/Jugendlichen wenden alternative Therapien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen an, die meisten zusätzlich zu Standardtherapien und weniger als 10% ersetzend. Die am häufigsten angewendeten Alternativtherapien sind: Homöopathie, Phytotherapie, traditionelle chinesische Medizin inklusive Akupunktur, Diäten, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel (Hoffmann et al., 2009, S. 268- 272). Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Verfahren würde hier zu weit führen. Wie ersichtlich wird, sind aber komplementäre Therapien für Betroffene durchaus von Bedeutung.

10.3

Fazit zu Therapien

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass jede und jeder Betroffene nicht dem anderen gleicht, unterschiedliche Therapien braucht und auf die Therapien anders reagiert. Je nach Krankheitsaktivität und Schwere des Morbus Crohn kommt eine andere Therapie oder Therapiekombination in Frage. Das Ziel ist hierbei, eine möglichst lange beschwerdefreie Zeit zu haben sowie den Umgang mit der Erkrankung zu erlernen und am gesellschaftlichen Leben ohne grosse Einschränkungen teilhaben zu können, vor allem in der aufwühlenden Phase der Pubertät.

11 Chronische Krankheiten in der Adoleszenz 11.1

Chronische Erkrankung und Adoleszenz

In der Adoleszenz erfolgt die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, welche unter anderem mit der Pubertät, der Phase der biologischen Veränderung, gekennzeichnet ist (Werner, 2006, S. 2). Die Adoleszenz liegt gemäss WHO (2009; zit. nach Meyer, 2009, S. 58) zwi-

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schen dem zehnten und neunzehnten Altersjahr. Vom zwanzigsten bis vierundzwanzigsten Altersjahr spricht die WHO von jungen Erwachsenen und die gesamte Altersgruppe von zehn bis vierundzwanzig wird unter dem Begriff „junge Menschen“ zusammengefasst. Während dieser Zeit der Veränderung erleben junge Menschen aufwühlende Phasen. Es folgt eine Wandlung des Körpers und die emotionale sowie auch soziale Entwicklung. Auch werden während dessen Entwicklungsaufgaben erfolgreich oder weniger erfolgreich bewältigt. Jugendliche müssen also viele Anpassungsleistungen erbringen, welche einige Jugendliche auch überfordern können. Im Folgenden werden nun die Entwicklung in der Adoleszenz, Coping sowie der Einfluss von chronischen Erkrankungen auf die Entwicklung erläutert. Dabei wird auch betrachtet, ob chronisch kranke Jugendliche über andere Bewältigungsstrategien verfügen oder wählen als gesunde Jugendliche, um schwierige Situationen zu meistern.

Um überhaupt eine mögliche Verbindung zwischen chronischer Krankheit und psychosozialer Überforderung diskutieren zu können, muss erläutert werden, wie Jugendliche allgemein mit den Anforderungen des Erwachsenenlebens fertig werden und ob dies bei chronisch Kranken unterschiedlich verläuft. Dies wird unter anderem anhand der Entwicklungsaufgaben diskutiert, mit denen sich alle Jugendlichen, ob gesund oder krank, konfrontiert sehen.

11.2

Entwicklungaufgaben in der Adoleszenz

Der Mensch entwickelt sich ein Leben lang und muss mit den verschiedensten Herausforderungen des Lebens fertig werden. Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit Theorien zur physischen und psychischen Entwicklung eines Individuums. Entwicklungsprozesse bilden die Grundlage für Sozialisationsprozesse, beziehungsweise für die Auseinandersetzung des Individuums mit seiner sozialen und materiellen Umwelt (Hurrelmann, 2002; zit. nach Werner, 2006, S. 12).

Dabei gilt es in der Entwicklung bestimmte Anforderungen, sogenannte kritische Lebensereignisse, zu meistern. „Unterschieden wird zwischen normativen, d. h. vorhersehbaren, erwartungsgemässen (z. B. Einschulung, Pubertät, Berufseintritt, Pensionierung) und nicht normativen, d. h. nicht vorhersehbaren, erwartungswidrigen Lebensereignissen (z.B. Krankheit, Arbeitslosigkeit, Krieg)“ (Werner, 2006, S. 21). Die Entwicklungsaufgaben zählen zu den normativen Lebensereignissen, die jede und jeder Jungendliche bewältigen muss. Die verschiedenen Entwicklungsaufgaben hängen zusammen, so dass das Bewältigen oder Nichtbewältigen einer Aufgabe Auswirkungen auf die nächste hat. Entwicklungsaufgaben sind sowohl zeitabhängig, was bedeutet, dass sie in einem gewissen Alter erledigt werden sollten, als auch kulturabhängig (Rothgang, 2009, S. 98). Havighurst (1976; zit. nach Rothgang, 2009, S. 97) definiert eine Entwicklungsaufgabe folgendermassen: 28 / 98


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Eine ‚Entwicklungsaufgabe’ ist eine Aufgabe, die in oder zumindest ungefähr zu einem bestimmten Lebensabschnitt des Individuums entsteht, deren erfolgreiche Bewältigung zu dessen Glück und zum Erfolg bei späteren Aufgaben führt, während das Misslingen zu Unglücklichsein, zu Missbilligung durch die Gesellschaft und zu Schwierigkeiten mit späteren Aufgaben führt. Werner (2006, S. 22) nennt noch einen weiteren Aspekt der erfolgreichen Bewältigung und zwar, dass diese nicht nur zu grösserer Bewältigungskompetenz, sondern auch zu einem Gefühl der Selbstwirksamkeit führt. Ein Scheitern kann jedoch eine erhöhte Vulnerabilität hervorrufen und somit einen Risikofaktor für die weitere Entwicklung darstellen.

Rothgang führt die drei Quellen nach Havighurst (1976; zit. nach Rothgang, 2009, S. 97) aus, aus denen Entwicklungsaufgaben entstehen. Diese sind: „Körperliche Reifung, den Druck des kulturellen Prozesses auf das Individuum, die Wünsche, Ziele und Werte der entstehenden Persönlichkeit, wobei sie in den meisten Fällen durch eine Kombination dieser drei zusammenwirkenden Faktoren entstehen.“

Für diese Arbeit sind nur die Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz von Interesse. Diese sind gemäss Werner nach physischem, sozialem und emotionalem und kognitivem Bereich gegliedert:

Physischer Bereich •

Akzeptieren der körperlichen Veränderungen und der eigenen Erscheinung

Sozialer und emotionaler Bereich •

Ablösung von den Eltern: • Emotionale Ablösung • Auszug aus dem Elternhaus • Finanzielle Unabhängigkeit erlangen/autonome Existenzsicherung

Beziehungen und Freundschaften zu Gleichaltrigen aufbauen

Entdecken der Sexualität • Entdecken der eigenen Sexualität, Aufnahme erster intimer Beziehungen • Entwickeln der sexuellen Identität • Bei schwulen bzw. lesbischen Jugendlichen: ev. coming out

Bedürfnisgerechte und ressourcengerechte Gestaltung der freien Zeit

Entwicklung eines bedürfnis- und ressourcengerechten Konsumverhaltens

Übernahme sozialer Verantwortung/soziales Engagement

Entwicklung einer eigenen Identität

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Individuelle Ausgestaltung der männlichen bzw. weiblichen Geschlechterrolle

Kognitiver Bereich •

Berufswahl und Berufsausbildung

Entwicklung einer persönlichen Zukunftsperspektive

Aufbau eines eigenen Wertesystems

Diese normativen Lebensereignisse können eine Herausforderung darstellen, dadurch aber, dass andere Adoleszente sie auch durchleben, kann aber untereinander ein Austausch darüber stattfinden, wie damit umgegangen oder wo Hilfe geholt werden kann.

Eine chronische Erkrankung stellt ein nichtnormatives Lebensereignis dar, und der Austausch mit Gleichgesinnten, vor allem mit Gleichaltrigen, gestaltet sich hier schwieriger. Die jungen Betroffenen haben weniger Vorbilder, die erfolgreich mit den Anforderungen derselben Erkrankung umgegangen sind, und nicht-betroffene Familienangehörige und Freunde können keine umfassende, befriedigende Hilfestellung bieten, weshalb die kranken Jugendlichen eine möglichst grosse Auswahl an Bewältigungsstrategien benötigen.

12 Bewältigung und Bewältigungsstrategien In diesem Teil der Arbeit wird die Bewältigung von normativen und nicht normativen Stressoren betrachtet. Jede und jeder Jugendliche benötigt dazu ein Repertoire an Bewältigungsstrategien, sogenanntes Coping.

12.1

Coping

Zimbardo und Gerrig (2004, S. 574) beschreiben Coping wie folgt: Coping bezieht sich auf den Prozess, mit inneren oder äusseren Anforderungen umzugehen, welche als einschränkend erlebt werden oder welche die Ressourcen eines Menschen übersteigen. Das Coping kann behaviorale [=das Verhalten betreffend], emotionale oder motivationale Reaktionen und Gedanken umfassen. Stressoren werden von den einzelnen Personen unterschiedlich bewertet. Während einer die Situation als stressreich definiert, kann ein anderer die gleiche Situation als alltäglich deuten. Wieso Stress so unterschiedlich wahrgenommen wird, erklärt die Theorie von Lazarus und Folkman (1984; zit. nach Salewski, 2004, S. 25- 28; Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 574- 579). Stress gilt hier als Resultat des Austausches zwischen Mensch und Umwelt. Der Stressor wird in einer primären Bewertung als irrelevant, günstig oder stressrelevant eingeschätzt. Wird eine Situation als stressrelevant beurteilt, folgt eine sekundäre Bewertung, bei der Ressourcen eingeschätzt und Möglichkeiten zum Umgang damit abgewogen werden; die her30 / 98


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ausfordernde Situation wird mit den eigenen Bewältigungsmöglichkeiten abgeglichen. Steht die erwägte Bewältigungsoption nicht zur Verfügung, wird eine Neueinschätzung vorgenommen. Die Stresssituation wird wieder durch den Vergleich mit den Merkmalen der Situation und den eigenen Handlungsmöglichkeiten bewertet. Die Situation wird als schädlich/verlustbringend, bedrohlich oder herausfordernd eingestuft. Um sie zu bewältigen, müssen entweder die stresserzeugenden Bedingungen angegangen (problemorientiertes Coping) oder die Gefühle, die durch die stressige Situation entstanden sind, verändert werden (emotionsorientiertes Coping). Zimbardo und Gerrig (2004, S. 575) erklären das problemorientierte Coping wie folgt: „Diese Methode umfasst alle Strategien des direkten Umgangs mit dem Stressor, ob durch sichtbare Handlung oder durch realistische Aktivitäten der Problemlösung.“ Das emotionsorientierte Coping zielt hingegen auf „die Verbesserung der durch die Belastungssituationen hervorgerufenen negativen Emotionen“ ab (Salewski, 2004, S. 26).

Häufig ist eine Abgrenzung der beiden Copingstrategien nicht möglich, da bei vielen Bewältigungsstrategien beide zur Anwendung kommen. Die folgende Abbildung von Lazarus und Folkman zur Stresstheorie dient als Veranschaulichung:

Abbildung 5: Stresstheorie nach Lazarus & Folkman (1984; zit. nach Salewski, 2004, S. 25)

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Zimbardo und Gerrig (2004, S. 576) führen zu diesen Copingstrategien verschiedene Unterkategorien auf: Art der Copingstrategie

Beispiel

Problemorientiertes Coping Verändere den Stressor oder den Bezug

- Kampf (die Bedrohung zerstören, beseitigen oder abschwächen)

dazu mithilfe direkter Handlungen und/ oder - Flucht (sich von der Bedrohung entfernen) problemlösender Aktivitäten - Suche nach Kampf- oder Fluchtmöglichkeiten (leugnen, verhandeln, Kompromisse schliessen) - Künftigen Stress vermeiden (sich so verhalten, dass die eigene Widerstandsfähigkeit wächst oder die Stärke des erwarteten Stresses abnimmt) Emotionsorientiertes Coping Verändere dich selbst mithilfe von Aktivitäten, durch die man sich besser fühlt, ohne jedoch den Stressor zu verändern.

- Aktivitäten, die am Körper ansetzen (Einsatz von Medikamenten gegen die Angst, von Entspannungen und Biofeedback) - Aktivitäten, de am Geist ansetzen (geplante Ablenkung, Fantasien, Gedanken über sich selbst) - Therapie zu Regulierung der bewussten und unbewussten Prozesse, die zu zusätzlicher Angst führen

Tabelle 4: Copingstrategien (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 576)

Ein grosses Repertoire an Copingstrategien ist für chronisch kranke Jugendliche besonders wichtig, da sie über mehr Belastungen berichten als gesunde Jugendliche, wie sich im Folgenden noch zeigen wird. Als Grund führt Salewski (2004, S. 27) „das Zusammenwirken von allgemeinen entwicklungsbedingten und krankheitsbezogenen Belastungen“ auf.

12.2

Belastungen bei gesunden Jugendlichen und derer Bewältigung

Um überhaupt eine Aussage darüber treffen zu können, ob chronisch Kranke anders mit Alltagsproblemen umgehen, muss zuerst aufgezeigt werden, wie gesunde oder nicht allzu stark belastete Jugendliche mit Alltagsproblemen interagieren.

Sorensen (1993; zit. nach Salewski 2004, S. 20 & 21) hat Kinder und Jugendliche innerhalb von sechs Wochen zu ihren Belastungen im Alltag und deren Bewältigung befragt und diese Antworten in drei Gruppen unterteilt:

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Situationsbezogene Belastungen

Selbstbezogene Belastungen

Belastungen durch andere Personen, z. B. durch:

Schule

Enttäuschungen

Freunde

häusliche Pflichten

körperliche Symptome

Geschwister

Unterbrechungen der aktuellen Tätigkeit

unangenehme Gedanken und Gefühle (Angst, Kontrollverlust)

Eltern

Organisationsprobleme

Sorge um das Wohlergehen der Familienmitglieder

Umweltbelastungen

Lehrer

Arztbesuche

Andere Familienmitglieder

Wahrnehmung persönlicher Verantwortung für negative Ereignisse

Tabelle 5: Von den befragten gesunden Kindern und Jugendlichen genannte Alltagsbelastungen (Sorensen, 1993; zit. nach Salewski, 2004, S. 20)

Kognitiv- verhaltensbezogene Bewältigung

Kognitiv- intrapsychische Bewäl- Interpersonale Bewältigung; tigung Hilfesuche bei

Abwarten/Aushalten

Aktive Problemlösung

emotionaler Ausdruck (weinen, schreien)

Ablenkung

Umdeuten der Situation („So- tun- als- ob“)

Aggression

Vermeidung

Rebellion

Manipulation/Täuschung

Ausüben von beruhigenden, „regressiven“ Handlungen (Daumenlutschen oder Nägelbeissen)

Unfähigkeit, angesichts einer belastenden Situation (zum Beispiel eine unvorbereitete Klassenarbeit) zu denken oder zu handeln

Gefühle und Bewertungen als Folge der Belastung (Trauer, sich dumm fühlen)

Mutter

Freunden

kognitives Umdeuten der Situation

beiden Eltern

Übernahme persönlicher Verantwortung für das Auftreten des Stressors

Abgabe von Kontrolle an externale Instanzen (beten, dass ein Ereignis eintritt bzw. nicht eintritt)

Tabelle 6: Von den befragten gesunden Kindern und Jugendlichen genanntes Coping von Alltagsbelastungen (Sorensen, 1993; zit. nach Salewski, 2004, S. 21)

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Chronische Krankheit in der Jugend

Salewski benennt für ältere Jugendliche im Bereich der interpersonalen Bewältigung noch die Hilfesuche bei Lehrpersonen und anderen Erwachsenen, denn an der Befragung nahmen nur jüngere Jugendliche teil. Die Rubrik „kognitiv-verhaltensbezogene Bewältigung“ kann ausserdem mit der Informationssuche in verschiedenen Medien ergänzt werden. In jedem der drei Bereiche finden sich aktive Umgangsarten, um mit der Belastung umzugehen sowie auch Gefühle und Gedanken zur Belastung.

Des Weiteren schreibt Salewski, dass bei Jugendlichen das Bewältigungsverhalten auch von der Persönlichkeit und dem Selbstkonzept abhängt. Als Beispiel dienen junge Menschen mit einer emotional labilen Persönlichkeitsstruktur, die häufiger eine ausweichende und problemmeidende Strategie wählen (vgl. Salewski, 2004, S. 18- 21).

12.3

Chronische Erkrankung = psychosoziale Belastung?

In diesem Kapitel soll nun der Vergleich von den gesunden Jugendlichen zu den chronisch Erkrankten erfolgen. Salewski (2004, S. 10) spricht von zwei Ausgangspositionen: 1. Man geht davon aus, dass die Betroffenen durch die eintretenden Veränderungen in der Jugend überfordert werden, weil ihr Leben sowieso durch vielfältige krankheitsbedingte Belastungen gekennzeichnet ist. (…) 2. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Jugendliche mit einer chronischen Erkrankung besondere Fertigkeiten im Umgang mit Belastungen erwerben. Auf diese Weise können sie sich leichter an die neuen Lebensumstände des Jugendalters gewöhnen, so dass sie keine Nachteile gegenüber gesunden Gleichaltrigen haben. (…) Seiffge-Krenke (1996, S. 34) nennt einige epidemiologische Übersichten, in denen gezeigt wird, dass eine erhöhte psychosoziale Krankheitshäufigkeit bei chronisch kranken Jugendlichen anzutreffen ist, vor allem wurden Verhaltensauffälligkeiten im Vergleich mit gesunden Jugendlichen festgestellt. Auch berichten Blanz und Eiser (1994; 1990; zit. nach Salewski, 2004, S. 10) von einem „Zusammenhang zwischen körperlicher Krankheit und psychischer Auffälligkeit“. Dieser ist nicht nur bei lebensbedrohlichen Erkrankungen festzustellen, sondern auch bei Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Spina Bifida. In Studien dazu von Key et al. und Mullins et al. (2001; 2000; zit. nach Salewski 2004, S. 10) „berichten betroffene Jugendliche über ein höheres Mass an depressiven Symptomen“.

Es gibt jedoch auch Untersuchungen, die keine Zusammenhänge zwischen chronischer Erkrankung und psychischen Auffälligkeiten feststellten (Gortmaker et al. 1993; Jacobson et al. 1997; zit. nach Salewski, 2004, S. 11). Thompson und Gustafson (1996; zit. nach Mackner & Crandall, 2005, S. 1391) betonen, dass die Forschung wiederholt gezeigt hat, dass psycho-

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Chronische Krankheit in der Jugend

soziale Faktoren wie das Funktionieren einer Familie viel mehr aussagen bezüglich Verhaltens- und emotionalen Auffälligkeiten als der Faktor „chronische Erkrankung“. Psychische Probleme bei chronisch kranken jungen Menschen können folglich nicht auf Anhieb mit der chronischen Krankheit in Verbindung gebracht werden, sondern andere psychosoziale Faktoren müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden.

Gründe, die zu diesen widersprüchlichen Ergebnissen geführt haben können, sind die Konstruktion der Fragestellung und/oder dass nicht nur spezifisch Jugendliche, sondern auch Kinder befragt wurden. Dabei stellt sich die Frage, wieso überhaupt erwartet wird, dass chronisch kranke Jugendliche auf allen Ebenen eine grössere Belastung aufweisen sollen als gesunde. Sie können in gewissen Bereichen durchaus grössere Probleme haben als gesunde Gleichaltrige, dies muss aber nicht alle psychosozialen Bereiche tangieren (Salewski, 2004, S. 11).

12.4

Bewältigung von Belastungen bei chronisch kranken Jugendlichen

Als nächstes sollen deshalb die Belastungen chronisch Kranker diskutiert werden.

Chronisch kranke Jugendliche haben nebst den Entwicklungsaufgaben nichtnormative Lebensereignisse zu bewältigen, die aufgrund ihrer Erkrankung auftreten und zu den Alltagsbelastungen hinzukommen.

Diese können weitere Belastungen mit sich ziehen, indem sie die Entwicklungsaufgaben verändern oder erschweren. Als Beispiel hierfür dient die Studie mit chronisch kranken Jugendlichen von Meijer et al. (2000; zit. nach Salewski, 2004, S. 23) die zeigt, dass chronisch erkrankte Jugendliche aufgrund ihrer Krankheit „die Aufnahme und Pflege von Freundschaftsbeziehungen … als schwierig empfinden“.

Salewski zufolge ist die Trennung von Alltagsbelastung und Krankheitsbelastung eher schwammig, da die Belastungen oft zusammenhängen und ineinander verlaufen. Eine Trennung sei erst nötig, wenn die Bewältigungsstrategien kranker Jugendlicher mit denen gesunder verglichen werden sollen, wie dies bei den Untersuchungen von Seiffge-Krenke et al. von 1996 und Seiffge-Krenke und Nieder von 2001 (1996; 2001; zit. nach Salewski, 2004, S. 24) der Fall war. Im Jahr 1996 wurde bei diabeteskranken und gesunden Jugendlichen festgestellt, dass die diabeteskranken „ein Bewältigungsmuster mit geringer Aktivität, wenig Suche nach sozialer Unterstützung sowie über ein geringes Ausmass an Reflexion über ihre Probleme“ zeigten, und das fast in allen Problembereichen. Dies bestätigte sich 2001, als die diabeteskranken Jugendlichen wieder einen weniger aktiven Bewältigungsstil aufwiesen und 35 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

selbst weniger über mögliche Lösungsansätze für ihre Alltagsprobleme nachdachten. Dies fiel vor allem in den Bereichen „Schule“, „Gleichaltrige“, „anderes Geschlecht“ und „Freizeit“ auf. Dies zeigt, dass chronisch kranke Jugendliche durchaus höhere Alltagsbelastungen haben als gesunde Jugendliche und in gewissen Bereichen auch eine andere Bewältigungsart wählen.

Nebst der Bewältigung von Alltagsbelastungen sind die Bewältigungen von Belastungen in Zusammenhang mit der Erkrankung relevant. Salewski hat hierzu eine Tabelle erstellt, in der sie diverse Studien zu Belastungen von chronisch kranken Jugendlichen zusammenfasst.

Schulische und ausbildungsbezogene Leistungseinbussen

Körperliche Belastungen durch die Erkrankung

Emotionale Befindlichkeits- störungen

Attraktivi-tät

Einschränkungen in der Freizeit

Fehlzeiten Folgeaffektive Verringegeringes aufgrund der schäden Störungen rung durch Spektrum an Krankheit durch Be(Angst, De- sichtbare Freizeithandlungspressivität) krankheitsmöglichUnwissenmassnahbedingte keiten (z. B. heit von men Ärger, Wut, Verändekeine BeLehrAggression rungen schäftigung personen geringere mit Tieren) und Mitschü- körperliche geringes lern LeistungsSelbstwertWahl der fähigkeit gefühl, AbUrlaubsorte Leistungslehnung der eingestress als sichtbare eigenen schränkt möglicher körperliche Person Auslöser von VerändeSymptomen rungen (z. B. der Haut, der Konzentrati- Gelenke) onsprobleme aufgrund von psychoSchlafsomatische mangel und Beschweraktueller den unabSymptomatik hängig von der GrundAusschluss erkrankung von schulbezogenen Aktivitäten (z.B. Schulsport oder Klassenfahrten) Tabelle 7: Von chronisch kranken Jugendlichen genannte Belastungen (Salewski, 2004, S. 35)

Soziale Belastun-gen

Materielle Belastun-gen

Ablehnung durch andere (durch Ausdruck von Ekel, Hänselei, Angst vor Ansteckung etc.)

teure Heilund Pflegemittel Kosten für besondere Wohneinrichtung, Kleidung etc.

Ausschluss von Gemeinschafts- aktivitäten Rückzug, Einsamkeit Probleme bei der Schliessung freundschaftlicher und sexueller Beziehungen

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Chronische Krankheit in der Jugend

Die in der Tabelle genannten Belastungen aufgrund der Krankheit zeigen, dass die meist genannten in Zusammenhang mit den Entwicklungsaufgaben stehen. Wie weiter oben in der Studie mit Diabeteserkrankten werden auch hier vor allem die Bereiche „Schule, „Gleichaltrige“, „anderes Geschlecht“ und „Freizeit“ genannt. Salewski (2004, S. 34) fasst dies folgendermassen zusammen: Bei chronisch kranken Jugendlichen zeigen sich die „daily hassles“ der Krankheit darin, dass sie den normalen Alltagsablauf behindern und Lebensbereiche einschränken, in denen gesunde Jugendliche die Aktivitäten entwickeln, die sie ihren Entwicklungszielen näher bringen. Abschliessend schreibt Seiffge-Krenke (1996, S. 218 & 219), dass empirische Studien gezeigt haben, dass eine chronische Krankheit einen Einfluss auf die Erfüllung der Entwicklungsaufgaben haben kann. Die Erfüllung von Entwicklungsaufgaben wird durch den Ausbruch einer chronischen Krankheit in der Jugend hinausgezögert oder verhindert. So wird zum Beispiel die Ablösung von den Eltern schwieriger, da die/der Jugendliche aufgrund der Erkrankung im Mittelpunkt steht, die elterliche Sorge grösser ist und sich auch die Rollen in der Familie verändern. Auch die Aufnahme von Freundschaften zu Gleichaltrigen gestaltet sich schwieriger und bleibt unvollständig, da Behandlungen und Einschränkungen der Erkrankung die Teilnahme an Schul- und Freizeitaktivitäten behindern. Die Aufnahme sexueller Kontakte findet gemäss Studien verspätet statt und die berufliche Planung kann von der Erkrankung beeinflusst werden.

Weitere relevante Studien befassen sich mit der Krankheitsbewältigung junger Menschen. Die analysierten Studien von Seiffge-Krenke und Barth aus dem Jahr 1990 und die Studien von Hanl aus dem Jahr 1995 liefern Resultate dazu. Seiffge-Krenke vollzieht eine Strukturierung der Faktoren, die den Gesundheitszustand und die Krankheitsverarbeitung beeinflussen, nach entwicklungspsychologischen, personalen, sozialen, lebensgeschichtlichen und krankheitsbezogenen Determinanten. Diese Faktoren werden in den nächsten Unterkapiteln genauer betrachtet. 12.4.1

Alter

Das Alter ist ein gut untersuchter Faktor für das Bewältigungsverhalten chronisch kranker junger Menschen. Zwar ist es auch für Erwachsene nicht einfach, chronisch zu erkranken, und sicherlich kommt es auch da darauf an, in welcher Phase die Erkrankung auftritt, doch sind Jugendliche, denen die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters noch bevorstehen, ganz anders betroffen von einem kritischen Lebensereignis wie einer chronischen Erkrankung. Seiffge-Krenke (1996, S. 25) fasst mehrere empirische Studien zusammen, die aufzeigen, dass durch eine chronische Erkrankung „die Bewältigung wichtiger Entwicklungsaufgaben hinausgezögert oder verhindert wird“. Giambra (1974; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 37 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

25) nennt die erhöhte Tagtraumrate und die Phantasieneigung Jugendlicher, Norell (1984; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 25) die „abnehmende Enthüllungsbereitschaft gegenüber Erwachsenen und ihre generelle Tendenz, sich von Erwachsenen abzulösen und sich ihrer Peergruppe stärker zuzuwenden“, beziehungsweise die erhöhte Risikobereitschaft, die schwere Konsequenzen auf die Behandlung und die Erkrankung haben kann, als mögliche zusätzliche Probleme dieser Altersgruppe. Dabei wurde auch festgestellt, dass mit zunehmendem Alter eine grössere Belastung und Fehlanpassung stattfindet. Als Beispiel dafür werden Studien mit an Sichelzellenanämie (Erkrankung der roten Blutkörperchen) und Rheuma erkrankten Jugendlichen zitiert. Diese haben Verhaltensprobleme sowie wegen mehr Schulfehltage soziale Probleme und Schulprobleme. Autoren wie Perrin, Ayoub und Willet, Sanger, Copeland und Davidson, Wallander et al. (1993; 1991; 1988; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 26) fanden keine Verbindung zwischen Alter und Fehlanpassung an die Erkrankung. 12.4.2

Geschlecht

Untersuchungen zur unterschiedlichen Verarbeitung von chronischen Krankheiten der beiden Geschlechter lassen sich ebenfalls finden. So entdeckten Hofmann und Becker (1973; Seiffge- Krenke, 1996, S. 26), dass junge Männer „Beeinträchtigungen ihrer Kraft und körperlichen Möglichkeiten besonders schwer verarbeiten“, junge Frauen hingegen nach Zeltzer, Kellermann, Ellenberg, Dash und Rigler (1980; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 26) eher mit zunehmendem Alter unter Veränderungen des Äusseren, die sie unattraktiv machen, leiden. Weitere Studien zur geschlechtsspezifischen Verarbeitung zeigen auf, dass weibliche Jugendliche mehr zu psychosomatischen Beschwerden neigen und Probleme mit sich selber ausmachen, wobei männliche Jugendliche gegen aussen gerichtete Verhaltensweisen offenbaren. In Studien mit krebskranken und diabetischen Jugendlichen zeigten die weiblichen Adoleszenten eine bessere Krankheitsanpassung als die männlichen. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass weibliche Jugendlichen ein besseres soziales Netz haben und einfacher Freundschaften knüpfen als männliche und somit mehr Halt haben, was ihnen den Umgang mit der Erkrankung erleichtert (vgl. Seiffge- Krenke, 1996, S. 26 & 27; Warschburger; 2000; S. 167- 169). Es sind aber auch Untersuchungen vorhanden, die keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellten. 12.4.3

Persönlichkeitsstruktur und Selbstkonzept

Nur wenige Studien haben die Persönlichkeitsstruktur in Verbindung mit einer chronischen Erkrankung untersucht, auch wurde die Persönlichkeitsstruktur jeweils unterschiedlich definiert. Korski (1982; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 27) untersuchte jugendliche Diabetiker,

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Chronische Krankheit in der Jugend

mit dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsmerkmal der Unfähigkeit, eigene Gefühle richtig wahrzunehmen und zu deuten, mit unreifer Abwehr einhergeht.

Das Selbstkonzept ist ebenso wichtig für die Bewältigungsstrategien. Ein positives Selbstbild zum Beispiel „geht einher mit guter Therapiemitarbeit bei rheumatoider Arthritis (Litt, Cuskey & Rosenberg, 1982; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 27). Howe, Feinstein, Reiss, Molock und Berger (1993; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 27) fanden in einer Untersuchung verschiedener chronischer Erkrankungen bei Jugendlichen keinen grossen Unterschied im Selbstkonzept zwischen den verschiedenen Erkrankungen, jedoch war das Selbstkonzept allgemein nicht sehr positiv, was auch in diversen anderen Studien bestätigt wurde. Eine Studie mit an Cystischer Fibrose (Stoffwechselerkrankung), Morbus Crohn und Hämophilie (Störung der Blutgerinnung) erkrankten Jugendlichen von Schmitt und Kurlemann (1993; zit. nach Lehmkuhl, 1996, S. 65 & 66) ergab ein gesamthaft positives Ergebnis. Eine Interpretation findet sich gemäss Schmitt und Kurlemann in der Selbstkonzeptforschung, die besagt, dass jeder Mensch versucht ein positives Selbstkonzept zu entwickeln und dieses trotz schwieriger Verhältnisse zu wahren. 12.4.4

Soziale Unterstützung

Wenn Jugendliche nicht auf die Unterstützung ihres sozialen Umfeldes, hauptsächlich der Familie, zurückgreifen können, wird die Belastung durch die Erkrankung ihre personalen Ressourcen sowie ihre Anpassungsfähigkeit übersteigen. Gemäss Studien von Rosman und Baker und Wertlieb, Hauser und Jacobson (1978; 1986; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 28) erschweren unklare Rollen und/oder Konflikte in der Familie sowie mangelnde Problemlösekompetenzen der oder dem Jugendlichen den Umgang und die psychosoziale Anpassung mit und an die Erkrankung. Positive Faktoren innerhalb der Familie, wie die offene Kommunikation von Gefühlen und eine gute Organisation, tragen wiederum zu einer besseren Krankheitsverarbeitung bei und gelten als Schutzfaktoren für eine gute Adaption der/des Erkrankten. Die positive Auswirkung der familiären Unterstützung führt zu einer Verminderung von psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten. Ein weiterer positiver Faktor für die innerfamiliären Bewältigungskompetenzen und die psychosoziale Anpassung chronisch kranker junger Menschen ist das Einkommen, da mit mehr finanziellen Ressourcen auch mehr medizinische Möglichkeiten ausgeschöpft werden können (Wallander et. al. 1988; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 28). Bei niedrigem soziökonomischem Status verstärkten sich gemäss Studien von Gutstadt et al., Hamlett et. al, Epstein et. al. (1989; 1992; 1996; zit. nach Warschburger 2000, S. 171) und anderen die Verhaltensprobleme, Schulschwierigkeiten und Probleme der Sozialkompetenz. Hierzu finden sich aber auch gegenteilige Forschungsergebnisse.

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Chronische Krankheit in der Jugend

Die soziale Unterstützung kann auch durch das Umfeld erfolgen, dazu gehören der Umgang mit Gleichaltrigen sowie die Schule. Viele Fehlzeiten in der Schule können „manchmal durch besondere Selbständigkeit und einen Verzicht auf Freizeitaktivitäten kompensiert werden“ (Petermann, Bode & Schlacker, 1990: zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 29). Beeinträchtigungen, Fehlzeiten sowie lange medizinische Behandlungen haben einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Freundschaften zu Gleichaltrigen. Die Jugendlichen fühlen sich ausgegrenzt und isoliert (Toeller, 1990; Wallander et al., 1988; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 29). Dabei wäre diese ausserfamiliäre soziale Unterstützung aus entwicklungspsychologischer Sicht sehr wichtig, damit die Entwicklungsaufgaben „Ablösung von den Eltern“ und „Entwicklung von Freundschaften zu Gleichaltrigen“ erfolgreich bewältigt werden können. 12.4.5

Kritische Lebensereignisse und andere biographische Einflüsse

Die chronische Erkrankung und ihre Auswirkungen sind ein massiver Einschnitt im Leben eines jungen Menschen. Alltägliche Stressoren und kritische Lebensereignisse haben einen Einfluss auf den Gesundheitszustand, was auch durch Untersuchungen belegt wurde (Brand, Johnson & Johnson, 1986; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 29). Die Auswirkung der Stressoren auf die Erkrankung und deren Bewältigung werden durch gewisse Faktoren verstärkt (zum Beispiel durch das Alter) oder abgeschwächt (durch familiären Support). 12.4.6

Allgemeine und krankheitsspezifische Bewältigungsstrategien

Hierbei stehen hauptsächlich die Aspekte der allgemeinen Krankheitsanpassung und der Anpassung aus medizinischer Sicht im Vordergrund, sowie Abwehrmechanismen als eine Art des Copings von Jugendlichen. Gemäss verschiedenen Studienergebnissen zu Copingverhalten erkrankter Jugendlicher wurden am häufigsten Verleugnung und Rationalisierung als Strategien gewählt (Jacobson, Hauser, Wertlieb, Wolfsdorf, Orleans & Vieyra, 1986; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 30). Die Verleugnung ist in allen Ebenen vorzufinden, sowohl im Umgang mit der Krankheit als auch in der Zusammenarbeit zwischen Betroffenen, Eltern und Arzt. Weitere Strategien sind emotionale und kognitive Bewältigungsversuche. Die genannten Strategien kristallisierten sich trotz unterschiedlicher Erkrankungen, sozialer, lebensgeschichtlicher Unterschiede und individuellen Ressourcen bei einer Vielzahl der jugendlichen Teilnehmer heraus. Krankheitsspezifische Belastungen haben jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Bewältigungsprozesse. Als Beispiel dient hier die Studie an gesunden Jugendlichen und Jugendlichen, die an verschiedenen Erkrankungen litten. Nur die Asthmatiker wiesen dabei eine mangelnde emotionale Ausdrucksbereitschaft auf (Basler & Florin, 1985; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 31). Vorwiegend wurde aber in Studien die psycho-

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Chronische Krankheit in der Jugend

soziale Anpassung sowie das kooperative Verhalten der Erkrankten gegenüber den Ärzten untersucht und weniger die unterschiedlichen Copingstrategien. 12.4.7

Art der Erkrankung

Die Art der Erkrankung gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Krankheitsverarbeitung. Stein und Jessop (1982; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 18) sowie Garrison (1996; zit. nach Salewski, 2004, S. 14) vertreten jedoch in ihrem nicht-kategorialen Ansatz, dass die Tatsache, überhaupt eine chronische Erkrankung zu haben, ein viel wichtigerer Aspekt für das Belastungs- und Bewältigungserleben darstellt, als die Art der Erkrankung. Sie betrachten die chronisch kranke Jugendliche als eine homogene Gruppe, die sich mit ähnlichen Problemen auseinander setzen muss, unabhängig von der individuellen Erkrankung.

Warschburger (2000, S. 163) und Seiffge-Krenke (1996, S. 31) gehen davon aus, dass gewisse Erkrankungen belastender sind und mehr Anpassung benötigen als andere. So schränken Krankheiten mit neurologischen Beeinträchtigungen die Bewältigungsmöglichkeiten ein und führen dadurch zu Problemen im Umgang mit der Krankheit. Howe et al., Sanger et al. und Seigel et al. (1993 ; 1991 ; 1990 ; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 31) fanden keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Krankheiten bezüglich der emotionalen Befindlichkeit und des Selbstbildes. Eine weitere Studie von Howe et al. (1993; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 31) mit Jugendlichen, die an neurologischen Erkrankungen, zystischer Fibrose, Diabetes und juveniler Arthritis litten, fand mehr Verhaltensprobleme bei Jugendlichen mit einer neurologischen Erkrankung. Dieses Ergebnis stützt auch die Untersuchung von Pumariega, Pearson und Seilheimer (1993; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 31 & 32), die unter Jugendlichen mit neurologischen Erkrankungen ein grösseres Risiko feststellten, psychische Problemen zu entwickeln. Ein weiterer Punkt betrifft die Sichtbarkeit der Krankheit. Saddler, Hillman und Benjamins, wie auch Wolman et al. (1993; 1994; zit. nach Warschburger, 2000, S. 163) eruierten keine Unterschiede betreffend der Belastung und der psychosozialen Anpassung bei sichtbaren und nicht-sichtbaren Krankheiten. Wallander et al. (1988; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 32) fanden sogar bei Jugendlichen mit orthopädischen Erkrankungen, wie juvenile Arthritis, eine bessere oder zumindest genau so gute Anpassung, wie bei Jugendlichen mit anderen nicht-sichtbaren Krankheitsbildern und gesunden Jugendlichen. Eine mögliche Erklärung ist, dass Jugendliche aufgrund der Sichtbarkeit, mit der Erkrankung konfrontiert werden und davon profitieren können. Während eine unsichtbare Krankheit eher verheimlicht und so auch eine Konfrontation vermieden werden kann, welche einen Risikofaktor darstellen. Studien zu Jugendlichen mit sichtbaren Hauterkrankungen haben jedoch Gegenteiliges gezeigt. Die Sichtbarkeit wird als Stressor und Risikofaktor aufgeführt, und die Belastung steigt an, da die Krankheit für alle sichtbar ist und die Attraktivität

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mindert, was ein entscheidender Faktor für die soziale Integration Jugendlicher darstellt (Kaptein, 1990; Koblenzer, 1988; Lerner et al. 1991; zit. nach Warschburger, 2000, S. 163 & 164). Die Sichtbarkeit kann so stigmatisierend wirken.

Gründe für die Ergebnisunterschiede können die unterschiedlichen Variablen sein, die von einander abhängig gemacht werden (vgl. Seiffge- Krenke, 1996, S. 31 & 32; Warschburger, 2000, S. 163 & 164). 12.4.8

Dauer der Erkrankung

Eine weitere Determinante stellt die Dauer der Erkrankung dar. Es gibt bislang keine Studien, welche die Krankheitsdauer mit psychosozialen Belastungsproblemen in Zusammenhang bringen. La Greca et al. (1990; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 32) stellten „keinen Zusammenhang zwischen der Krankheitsdauer und der physiologischen Anpassung bei Jugendlichen“ fest, wobei sich aber generell ein Trend bei jungen Menschen mit Diabetes zeigt, „dass mit zunehmender Krankheitsdauer die metabolische Kontrolle schlechter wurde“. Es scheint jedoch, dass nicht die Dauer alleine dafür verantwortlich ist, sondern das zunehmende Alter, hormonelle Veränderungen und das ungenaue Befolgen von medizinischen Therapien. Mrazek et al. (1998; zit. nach Warschburger, 2000, S. 162) untersuchten bei asthmatischen Kindern und Jugendlichen nicht die Dauer der Erkrankung, sondern das Alter in dem die Krankheit ausbrach. Solche, die einen frühen Krankheitsbeginn hatten, verhielten sich auffälliger. Ähnliches kam bei Kindern und Jugendlichen mit Neurodermitis zu Tage (Fegert et al. 1996, 1997; zit. nach Warschburger, 2000, S. 162). Als Gründe könnten die Überforderung und das nicht wirkungsvolle Copingverhalten der Eltern junger Kinder aufgeführt werden, was das Bewältigungsverhalten der Kinder und Jugendlichen wiederum negativ beeinflusst (vgl. Seiffge-Krenke, 1996, 32 & 33; Warschburger, 2000, S. 161- 163). 12.4.9

Schwere der Erkrankung

Zu den entscheidensten Bewältigungsfaktoren zählt die Schwere der Krankheit. O’Malley, Kocher, Foster und Slavin (1979; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 33) haben in ihren Studien „darauf aufmerksam gemacht, dass sich die psychische Fehlanpassung als um so gravierender erweist, je schwerer die Krankheit ist“. Zur Bestätigung tragen auch weitere Studien mit verschiedenen Krankheitsgruppen bei. Der Schweregrad wird anhand der Laborwerte, der Symptomatik und des Einflusses der Krankheit auf das Ausführen von altersgemässen Alltagsaktivitäten (wie viele Schulfehltage) sowie der biopsychosozialen Belastungen durch die Krankheit bestimmt.

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Wie bereits erwähnt, kann die Sichtbarkeit verbunden mit einer Stigmatisierung durch die Umwelt starke Verunsicherung und Verhaltensstörungen auslösen. Aber auch die NichtSichtbarkeit kann Probleme mit sich bringen, da die Konfrontation als Auslöser für die Verarbeitung fehlt.

Mehrere Studien zu verschiedensten chronischen Krankheiten haben einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Erkrankung und einer schlechten Krankheitsbewältigung und –anpassung ausgewiesen (Brown et al. 1992; Billings, Moos, Miller & Gottlieb, 1987; Greenberg et al. 1989; MacLean et al., 1992; Patterson et al. 1993; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 33 & 34). Zwei weitere Untersuchungen haben ergeben, dass umso länger ein Krankenhausaufenthalt ist, umso höher scheint die psychosoziale Belastung zu sein. Eine andere Studie fand diesbezüglich keinen Zusammenhang (Graetz & Shute, 1995; Holden et al., 1997; Nelms, 1989; zit. nach Warschburger, 2000, S. 158). Als Verdeutlichung zum Faktor „Krankheitsschweregrad“ werden zwei Studien zu Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen herangezogen, die zeigen, dass je schwerwiegender eine Erkrankung ist, desto mehr emotionale und körperliche Probleme, wie Ängste und Depressionen, treten auf. Auch hatten sie mehr Fehltage in der Schule, Leistungsprobleme und konnten weniger an sozialen Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden und der Familie teilnehmen. Ähnliches wurde bei asthmakranken Jugendlichen vorgefunden. Jedoch thematisieren Perrin et al. (1989; zit. nach Warschburger, 2000, S. 160) hohes Belastungserleben auch bereits bei leichter und mittlerer Symptomatik, je nach Ausstattung der/ des Betroffenen und deren/ dessen Umfeldes (vgl. Seiffge- Krenke, 1996, S. 33 & 34; Warschburger, 2000, S. 156- 161).

Zusammenfassend zeigt sich, dass in den genannten Studien weniger das Copingverhalten, sondern viel mehr die Belastung und die Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund stehen. Chronisch kranke Jugendliche scheinen im Vergleich zu gesunden tatsächlich eine erhöhte psychosoziale Auffälligkeit aufzuweisen, und die Krankheit an sich wirkt schon belastend für die Betroffenen wie auch für ihre Familien (Gortmaker et al., 1990; Stein & Jessop, 1982; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 34).

12.5

Copingstrategien chronisch erkrankter Jugendlicher

Im diesem Abschnitt werden die wenigen Untersuchungen zu Coping durchleuchtet. Diese Bewältigungsstrategien entstehen aufgrund der Auseinandersetzung mit den oben erwähnten Belastungen.

Eine erfolgreiche Bewältigung von Belastungen kann nach Salewski (2004, S. 38) allgemein anhand der Kriterien „dem Wohlbefinden förderlich/abträglich“, „die Gesundheit verbessernd/ 43 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

verschlechternd“ und „Auswirkungen auf das Sozialverhalten“ gemessen werden. Spezifisch für das Jugendalter nennt sie die Kriterien „Wohlbefinden“ und „Abwesenheit psychischer Störungen“. Und erläutert, „welche Bewältigungsstrategien chronisch erkrankte Jugendliche anwenden und worauf sie in welcher Art wirken“ (Salewski, 2004, S. 41).

Als Beispiel dienen nierenkranke, an Diabetes und an Neurodermitis erkrankte Jugendliche, wobei Salewski am Schluss im Vergleich zu anderen Studien ein Fazit für alle chronische kranken Jugendlichen zieht.

Bei den Nierenerkrankten wurde in der Studie als häufigste Copingstrategie das Dissimulieren (kognitiv), Herunterspielen, Verleugnen, Bagatellisieren oder Ignorieren der Krankheit genannt. Darauf folgten die kognitive Strategie der Problemanalyse (Auseinandersetzung mit der Erkrankung und ihren Folgen für die Zukunft), die Strategie der emotionalen Entlastung (Ausdruck positiver und/oder negativer Gefühle in Zusammenhang mit der Krankheit), die Strategie der Selbstbeherrschung (kognitiv), des Isolierens/ Unterdrückens (emotional), dem Nicht-Zulassen von Gefühlen, und zum Schluss die Akzeptanz der Krankheit (kognitiv). Die einzige genannte handlungsbezogene Strategie war der soziale Rückzug. Am häufigsten wurden kognitive Strategien genannt, am zweithäufigsten die emotionalen und nur am Rande handlungsbezogene.

Die diabetischen Jugendlichen nannten ebenfalls hauptsächlich kognitive Copingstrategien. Die soziale Unterstützung wurde selten für die Bewältigung genutzt. Weitere genannte Taktiken waren die Verheimlichung des Diabetes, die Verdrängung, Vermeidung und der soziale Rückzug. Seiffge-Krenke (1996, S. 106 & 107) betont ebenfalls bei an Diabetes erkrankten Jugendlichen die geringe Reflexion des zu bewältigenden Problems sowie die Modellfunktion der Eltern bei Copingprozessen. Je aktiver die Eltern sind, desto aktiver sind auch die Jugendlichen bei der Suche und Anwendung von Copingstrategien.

Die Untersuchung an Jugendlichen mit Neurodermitis wurde mit einer Studie an Dyalise-, Multipler-Sklerose- und Herzinfarktpatientinnen und -patienten verglichen. Die an Neurodermitis Erkrankten wiesen weniger aktive problemorientierte Bewältigungsmuster, weniger Religiosität und Sinnsuche, aber mehr depressive Verarbeitung auf als die Vergleichsgruppe. Dasselbe Ergebnis zeigte eine Gegenüberstellung von Jugendlichen mit Neurodermitis und Asthma. Erstere waren wiederum passiver und depressiver in ihrem Copingverhalten.

Als Fazit für alle chronisch erkrankten Jugendlichen gilt, dass sie selten handlungs- und lösungsorientierte Strategien wählen. Rückzug, Verdrängung und Auseinandersetzung mit den 44 / 98


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emotionalen Folgen stehen im Vordergrund. Zwei mögliche Erklärungsansätze dafür sind, dass die passiven und depressiven Strategien dazu führen, dass die Jugendlichen über weniger Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit verfügen, oder die Strategien sind dem Alter und den Möglichkeiten der Jugendlichen angepasst, da die Eltern und Ärzte immer noch mehr Einfluss auf den Umgang mit der Krankheit bezüglich Medikamenteneinnahme und weiteren medizinischen Therapien haben (vgl. Salewski, 2004, S. 37- 48; Seiffge-Krenke, 1996, S. 106- 115).

13 Morbus Crohn als Herausforderung In den nächsten Kapiteln sollen nun anhand des biopsychosozialen Modells die belastenden Faktoren, die Auswirkungen auf die Entwicklungsaufgaben und die Bewältigungsstrategien von an Morbus Crohn erkrankten Jugendlichen vergleichsweise betrachtet werden.

13.1

Das biopsychosoziale Modell

Abbildung 6:

Das biopsychosoziale Modell

In den 1970er Jahren hat sich in der Psychiatrie die Überzeugung manifestiert, dass sowohl biologische, als auch psychologische und soziale Faktoren einen Menschen und seine Gesundheit beeinflussen. „Das biopsychosoziale Modell verbindet die körperliche Gesundheit mit dem seelischen Zustand und der Umwelt“ (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 582). Die Arbeit in der Psychiatrie wurde dadurch auch für andere Professionen, wie die Soziale Arbeit, geebnet und interessant (vgl. Grabert, 2007, S.12-15).

Das biopsychosoziale Modell besagt, dass die menschliche Entwicklung ein multidimensionales Geschehen ist, da die biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen. So spielen sich auch chronische Krankheiten, wie Morbus Crohn, auf

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allen drei Ebenen ab: zum Beispiel die genetische Disposition sowie somatische Einflüsse auf der biologischen Ebene, die Persönlichkeit und der Verhaltensbereich gehören auf der psychischen Ebene und die Interaktionen mit dem Umfeld, wie Familie und Freunde, sowie die Teilhabe an sozialen Systemen sind auf der sozialen Ebene. Bei der Ätiologie, Krankheitsentwicklung und Behandlung von chronischen Krankheiten spielen folglich sowohl biologische als auch psychologische und soziale Faktoren eine Rolle.

Diese Ebenen sind miteinander vermischt und beeinflussen sich gegenseitig, so dass die Trennung der drei Faktoren nur künstlich ist und der besseren Orientierung dient (vgl. Knölker, Mattejat & Schulte-Markwort, 2002, S.23; Bosshard, 2008, S.155).

Im Folgenden sollen anhand des biopsychosozialen Modells die Auswirkungen von Morbus Crohn auf die daran erkrankten Jugendlichen behandelt werden.

13.2

Belastende Faktoren und Auswirkungen auf die Entwicklung bei Morbus Crohn

Auch bei Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Darmentzündungen wird eine höhere Rate psychischer Auffälligkeiten beschrieben. Bei dieser Gruppe finden sich hauptsächlich emotionale Störungen (Rutter, Tizard, 1987; zit. nach Behrens, 2006, S. 36). Nach Studien von Moody, Eaden und Mayberry (1999; zit. nach Behrens, 2006, S. 36) „führen chronisch entzündliche Darmerkrankungen nicht nur zu einer erheblichen körperlichen Beeinträchtigung, sondern auch zu psychosozialen Veränderungen innerhalb von Familie und erweitertem Lebensraum“. Wood et al. (1987; zit. nach Huse-Kleinstoll, 1996, S. 270 & 271) berichten, dass die psychischen Auffälligkeiten unabhängig von der Krankheitsaktivität auftreten. Betroffene Jugendliche zeigten im Vergleich zu ihren gesunden Geschwistern mehr Angstsymptome, Depressionen und Rückzugsverhalten. MacPhee, Hoffenberg und Feranchak (1998, S. 10) ziehen in ihrer Studie zur Lebensqualität von an Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa erkrankten Jugendlichen das Fazit, „adolescents with recent onset IBD [= Inflammatory Bowel Desease] do not follow a normative developmental pattern“. Behrens (2006, S. 36 & 37) betont die zwei Seiten der Erkrankung und schreibt, dass Herausforderungen zu positiven Reifungsschritten, aber auch zu Verzögerungen in der Entwicklung sowie zu psychischen und sozialen Störungen führen können. In den nächsten Kapiteln werden diese Aussagen genauer durchleuchtet. Anhand des biopsychosozialen Modells sollen die Auswirkungen des Morbus Crohns auf die Entwicklung und die Auswirkungen der Krankheitsbelastungen auf der organischen/somatischen, psychischen und sozialen Ebene betrachtet werden.

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13.2.1

Organische/Somatische Faktoren

Gesunde Kinder und Jugendliche setzen sich selten mit Krankheiten auseinander, ihr Selbstbild ist von einem vitalen Körpererleben und guter Leistungsfähigkeit geprägt. Dieses Bild ist bei an Morbus Crohn erkrankten jungen Menschen bedroht. Zu den somatischen/körperlichen Belastungsfaktoren von Morbus Crohn gehören die vielen Durchfälle, die diagnostischen Eingriffe sowie die körperlichen positiven und negativen Reaktionen auf medikamentöse Massnahmen. Morbus Crohn kann während eines schlimmen Schub oder aufgrund von Nebenerscheinungen der Erkrankung zur Hospitalisierung führen sowie auch zu operativen Eingriffen, wie Darmresektionen oder dem Anlegen eines künstlichen Darmausgangs. Bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn kann noch eine verzögerte körperliche Entwicklung dazu kommen. Diese somatischen Belastungsfaktoren sowie die allgemein reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, wie Müdigkeit und verminderte Konzentrationsfähigkeit, wirken sich auf das soziale Leben und auch auf das psychische Befinden aus. Die Jugendlichen sehen sich somit im somatischen Bereich mit der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit konfrontiert (vgl. Behrens, 2006, 36- 38; Scheib, 2000, S. 122). 13.2.2

Psychische Faktoren

Die psychischen Faktoren sind, wie auch bei den anderen Faktoren, stark von der sozialen und somatischen Ebene abhängig. Verschiedenster Literatur zufolge besteht ein Wechselspiel zwischen psychischen Problemen aufgrund von Morbus Crohn und psychische Probleme als möglicher Auslöser eines Morbus Crohn. Scheib und Behrens, die Studien mit erkrankten Jugendlichen durchgeführt und diese mit anderen Erhebungen verglichen haben, nennen beide psychische Störungen und Depressionen als Folge der Belastung durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Andere Untersuchungen belegen ausserdem, dass die Erkrankung und ihre Konsequenzen zu einem veränderten Selbstbild und Selbstwert bei jungen Menschen führen. Diese entwickeln Ängste, mit ihren Freundinnen und Freunden nicht mithalten zu können und bei schulischen Leistungen zu versagen. Sie werden dadurch blockiert, aktive Ressourcen zu entwickeln, und ziehen sich zurück, was wiederum den Selbstwert senkt. Sie müssen Anpassungen an medizinische Institutionen vollbringen sowie auch mit Veränderungen des Körpers umgehen und fühlen sich dabei in ihrer körperlichen Integrität, ihrem Wohlbefinden und Selbstkonzept bedroht. Aufgrund der Krankheit ist auch die Berufswahl eingeschränkt, da sie mit der Krankheit kompatibel sein muss. Folgen können Depressivität, Affektverarmung und/oder psychische Störungen sein. Die Jugendlichen werden aufgrund der Krankheit erneut abhängig von den Eltern, was ebenfalls ihr Selbstwertgefühl negativ beeinflusst. Die Erhebung von MacPhee et al. (1998, S. 10 & 11) bestätigt, dass die Jugendlichen sich aufgrund ihres geschwächten Selbstwerts viel mehr auf „parental ‚rescue’“ berufen, anstatt selbst Strategien zur Bewältigung des belastenden Umstandes zu ent47 / 98


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wickeln. Aufgrund der starken Abhängigkeit von den Eltern sowie aus Angst vor Liebesverlust trauen sich die Jugendlichen weniger, die pubertären, für die Ablösung wichtigen Machtkämpfe mit den Eltern zu führen, was wiederum eine Verzögerung im Erfüllen wichtiger Entwicklungsaufgaben nach sich zieht (vgl. Behrens, 2006, S. 36- 41 & 92- 95; Scheib, 2000, S. 126- 129; Sudeck, 1995, S. 14- 17). Dies alles erschwert den Jugendlichen die Entwicklung der eigenen Identität. 13.2.3

Soziale Faktoren

In Untersuchungen wurde beobachtet, dass oft dem Ausbruch einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung bei Kindern und Jugendlichen eine Lebensveränderung im Sinne eines kritischen Lebensereignisses, wie Ortswechsel oder Verlust von nahe stehenden Personen, voraus ging. Dies wurde mit einer erhöhten Trennungsempfindlichkeit erklärt. Dazu passen die Studienergebnisse, dass zwei Drittel der an Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa erkrankten Kinder und Jugendliche „einen ungewöhnlich starken familiären Zusammenhang aufweisen, hochloyal miteinander umgehen und sehr um Harmonie und Konfliktvermeidung bemüht sind“ (Wirsching, 1982; zit. nach Behrens, 2006, S. 38). Sie müssen jedoch mit einer veränderten Rolle in der Familie und im Freundeskreis zu Recht kommen, was eine geistige und psychische Auseinandersetzung sowie Folgen mit sich bringt. Scheib (2000, S. 122) bestätigt diese Ergebnisse und betont, dass sich Morbus-Crohn-Erkrankte mit der Bedrohung vertrauter Rollen und Aktivitäten in der Familie sowie mit der Veränderung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen auseinander setzen müssen. Die Erhebung zur „Quality of Life in Adolescents with Inflammatory Bowel Desease“ von MacPhee et al. (1998, S. 9) belegt, dass durch die chronisch entzündliche Darmerkrankung die Entwicklung der Jugendlichen verändert wird. Sie suchen Halt im erweiterten Familienkreis und weniger unter Gleichaltrigen, so dass die Entwicklungsaufgabe „Beziehungen und Freundschaften zu Gleichaltrigen aufbauen“ durch die Erkrankung Morbus Crohn verzögert werden kann. Dazu sagen McPhee et al: „These data demonstrated reliance on family support that contrasts with adolescents’ more typical orientation toward peers.” Weitere soziale Auswirkungen der Erkrankung sind sozialer Rückzug und Isolation, was zu Verlust von Freundschaften und dem langsamen Verlieren des Anschlusses in der Schule führen kann. Diese Aussagen werden durch die Erhebungen von Wirsching und Wood et al. (1984; 1989; zit. nach Behrens 2006, S. 40) bestätigt, die dies als stärkeren Zusammenhalt in der Familie mit gleichzeitiger Abgrenzung zum Umfeld benennen. Aufgrund der Abgrenzung und der verzögerten körperlichen Reife finden auch die Aufnahme intimer Beziehungen und sexueller Erfahrungen sowie auch die Ablösung vom Elternhaus verzögert statt. Diese sozialen Faktoren hängen stark mit den somatischen Belastungen, wie starke Durchfälle, Malnutrition oder Krankenhausaufenthalte, zusammen und können zu psychischen Belastungen führen.

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13.2.4

Fazit zum biopsychosozialen Modell

Als Fazit kann gesagt werden, dass eine Trennung der drei Ebenen sich sehr schwierig gestaltet, da die Faktoren stark miteinander vermischt sind und einander bedingen und/oder auslösen. Die Erkrankung Morbus Crohn ist sehr vielfältig ist und spielt sich nicht nur auf der somatischen Ebene ab. Sie bringt verschiedenste Belastungen mit sich und hat Auswirkungen auf die Entwicklung. Verlaufsstudien berichten jedoch, dass die Jugendlichen mit der Zeit die Defizite trotz Ausfallzeiten durch Schübe aufholen, später meist gut integriert sind und in ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn durch die Erkrankung kaum beeinträchtigt werden (Behrens, 2006, S. 41).

13.3

Coping bei Morbus Crohn

Die Anwendung von Bewältigungsstrategien in belastenden Situationen tragen dazu bei, dass die kranken Jugendlichen später gut integriert sind. Das Gefühl, die Krankheit beeinflussen zu können, ein positives Selbstwertgefühl sowie das Ausmass des Informiertseins über die Krankheit beeinflussen das psychische Wohlbefinden positiv und können die Bewältigungsmöglichkeiten der Erkrankten verbessern (Olbrich & Ziegler, 1982; zit. nach Scheibler, 2000, S. 123). Behrens (2006, S. 92) bekräftigt dies folgendermassen: Bewältigung hängt mit dem Selbstkonzept und der Kontrollüberzeugung sowie der Vorstellung von der Erkrankung zusammen. Bewertungsprozesse und Bewältigungsversuche stehen im steten Wechselspiel, da sich die psychischen und sozialen Situationen ständig ändern und unter Umständen eine Neubewertung mit veränderten Bewältigungsmustern erfordern. Dies bekräftigt die Stresstheorie von Lazarus und Folkman (1984; zit. nach Salewski, 2004, S. 25), die besagt, dass nach der primären und sekundären Einschätzung der stressreichen Situation aufgrund eingeschränkter oder veränderter Möglichkeiten eine Neubewertung erforderlich ist. Bei einer chronischen Krankheit wie Morbus Crohn kommt diese Theorie speziell zum Tragen, da sich das Krankheitsbild verändert und nicht immer gleich ausgeprägt ist.

Die Studie von Normann und Kordy (1991; zit. nach Friebel, 1995, S. 135) besagt, dass die Schwere der Erkrankung und eines Schubes keinen Einfluss auf die Art der Strategien zur Bewältigung und Verarbeitung von Stress haben.

Untersuchungen zufolge (Kordy & Normann, 1992; zit. nach Behrens, 2006, S. 41), sind die gängigsten Bewältigungsstrategien bei jugendlichen an Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn Erkrankten: •

Bagatellisieren der Erkrankung

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Verweigerung, der Anerkennung der Krankheit

Verweigerung von medizinischen Behandlungen

Verleugnung der Erkrankung

Die genannten Strategien gehören zu den kognitiven Vorgehensweisen. Kordy und Normann (1992; zit. nach Federschmidt, 1993, S. 130) beobachteten, dass diejenigen Erkrankten, die hauptsächlich die Copingstrategien „Bagatellisieren und Wunschdenken“ anwendeten, „den ungünstigsten Krankheitsverlauf aufwiesen“. Eine weitere Copingstrategie, welche von den Jugendlichen genannt wird, ist die gedankliche Beschäftigung mit der Krankheit. Dabei setzen sich die betroffenen Jugendlichen mit Fragen nach dem Grund der Erkrankung und den möglichen Auswirkungen auf die Zukunft auseinander. Diese Art der kognitiven Bewältigungsstrategie wird als günstig für den Krankheitsverlauf beschrieben.

Die Untersuchung von MacPhee et al. (1998, S. 6- 11) hat gezeigt, dass die Jugendlichen sich die Copingstrategien der Eltern zum Vorbild machen, und diese sogar bei Stressoren in Verbindung mit der Erkrankung anwenden. Dies bestätigt die Ergebnisse von Erhebungen mit Jugendlichen, die verschiedenste chronische Erkrankungen aufwiesen, und sich ebenfalls stark am Vorbild der Eltern orientierten. Je aktiver die Eltern umso aktiver sind folglich die Jugendlichen.

Eine Anpassung an die neue Situation und somit die Bewältigung der krankheitsbedingten Stressoren sind ausserordentlich wichtig. Gelingt es der/dem kranken Jugendlichen nicht, sich an die veränderten körperlichen und sozialen Bedingungen anzupassen und die Erkrankung in das Selbstkonzept zu integrieren, kann sie/er psychische Störungen entwickeln.

Hilfreich ist das Entwickeln von Strategien, die den Umgang mit der Erkrankung und ihren Folgen erleichtern. Bessere Strategien als Verweigern, Verleugnen oder Bagatellisieren sind das Stärken des Selbstkonzeptes durch Auseinandersetzung mit der Krankheit und Akzeptanz der Krankheit. Dies führt zu einer besseren Anpassung an die Erkrankung, was wiederum zur Stärkung des Selbstkonzeptes beiträgt. Behrens empfiehlt, psychotherapeutische Unterstützung und Support für die Eltern. Sie könnten Hobbies in Bereichen fördern, die von der Krankheit nicht beeinflusst werden, am Besten in Gruppen mit Gleichaltrigen (vgl. Behrens, 2006, S. 92- 97; Friebel, 1995, S. 132- 137).

Auch die an Morbus Crohn erkrankten Adoleszenten wenden folglich am ehesten kognitive Copingstrategien an und orientieren sich an den Eltern. Das familiäre und soziale Umfeld

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kann bei der Akzeptanz und im Umgang mit der chronisch entzündlichen Darmerkrankung hinderlich und/oder hilfreich sein.

14 Unterstützungsmöglichkeiten In diesem Kapitel sollen die Unterstützungsmöglichkeiten zunächst für chronisch kranke Jugendliche und anschliessend spezifisch für Morbus Crohn Erkrankte benannt werden. Dazu zählen die Familie und das soziale Umfeld, wie Freunde und Schule.

14.1 14.1.1

Familie Eltern

Wie bereits erläutert wurde, sind die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen für die erkrankten Jugendlichen. Sie können ihre chronisch kranken Kinder positiv beeinflussen, aber auch hinderlich sein. Die Krankheit ist in zweifacher Hinsicht ein Stressor für die Familie: Sie kann zu Krisen im Familiensystem führen, und die Familie muss sich gleichzeitig mit den täglichen Krankheitsbelastungen auseinandersetzen und diese bewältigen. Dafür sind die persönlichen Bewältigungsstrategien jedes einzelnen Familienmitglieds sowie auch das Unterstützungssystem innerhalb der Familie von Bedeutung. Um so mehr sich die Familienmitglieder über die Definition des Stressors als Herausforderung oder Bedrohung einig sind und um so schneller sie sich auf eine Strategie einigen können, um so besser können sie bei der Bewältigung des Stressors am gleichen Strang ziehen (vgl. Salewski, 2004, S. 66- 72). Petermann et al. (1987; zit. nach Salewski, 2004, S. 73) nennen psychosozial belastende Faktoren für das Familiensystem und vor allem für die Eltern eines chronisch kranken Kindes oder Jugendlicher/Jugendlichen. Dazu gehören, um einige zu nennen:

1. Alltagsbewältigung, soziale Rollen und Bindungen: •

Häufiges Thematisieren der Erkrankung in der Familie

Notwendigkeit einer Neudefinition der Rollen in der Familie

Erziehungs- und Umgangsprobleme mit dem kranken Kind

Gesunde Geschwister nicht vernachlässigen

2. Behandlungsregime, Krankheitsmanagement: •

Organisation der Behandlung des Kindes

Überwachung des Kindes bei der Anwendung von medizinischen Massnahmen

Entscheidungen über die Behandlung führen zu müssen

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3. Emotionale Probleme: •

Erleben von Abhängigkeit gegenüber Ärzten

Enttäuschung/Wut über das kranke Kind

Schuldgefühle über negative Gefühle dem Kind gegenüber

Selbstbeschuldigungen für die Ursachen der Krankheit

Um diese Belastungen und alle weiteren belastenden, die Krankheit betreffenden Merkmale wahrzunehmen und zu verarbeiten, ist die Kommunikation innerhalb der Familie etwas vom Wichtigsten. Je besser das Familienklima und je stärker das Zusammengehörigkeitsgefühl sind, desto höher ist das Wohlbefinden des/der erkrankten Jugendlichen und umso besser werden stressreiche Situationen verarbeitet, was auch die Studie von Hauser, Bell und O’Conner (1994; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 136 & 137) mit 121 erkrankten Jugendlichen und ihren Familien bestätigte. Hinderlich können Eltern sein, wenn sie die Kontrollfunktion, vor allem über die medizinische Behandlung, nicht mit der Zeit der oder dem erkrankten Jugendlichen überlassen können und in allen emotionalen Belangen überinvolviert sind, was die Entwicklung der Selbstbestimmung behindert und auch Entwicklungsaufgaben, wie die Ablösung von den Eltern und Zuwendung zu Peer-Groups, verzögert. Hürter (1994; zit. nach Salewski, 2004, S. 104 & 105) hat eine Liste für Familien mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen erstellt. Diese nennt hilfreiche und/oder erforderliche Verhaltensänderungen, die wiederum zu erfolgreichen Strategien führen oder solche sind: • Flexible Rollenverteilung, Neudefinition von Rollen • Aufrechterhaltung der Kommunikation in der Familie • Stützung der Unabhängigkeit und Selbstachtung der Familienmitglieder • Bewahrung der familiären Grenzen (Erhalt der Generationengrenzen) • Bewahrung der Unterstützung und des Zusammenhaltes in der Familie • Gemeinsame Definition eines Sinnes der Krankheit für die Familie • Erhalt und Ausbau sozialer Unterstützung • Erschliessung weiterer Ressourcen (z. B. professioneller Hilfen) • Kontrolle des Ausmasses an Veränderung durch den Stressor • Aktive Suche nach Informationen • Kreatives Problemlöseverhalten • Moderate Leugnung und Abwehr der Bedrohung Tabelle 8: Hilfreiche Strategien für Familien mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen (Hürter, 1994; zit. nach Salewski, 2004, S. 104 & 105)

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Anhand der Liste ist erkennbar, dass die Strategien durch eine offene Kommunikation zum Erfolg führen. Wenn die Kommunikation trotz der Belastungen der Erkrankung aufrechterhalten werden kann, dann gelingt ein erfolgreiches Familienleben. Das Aufrechterhalten der familiären Grenzen und das Stützen der Unabhängigkeit jedes Mitglieds lassen die Krankheit nicht zum wichtigsten Thema in der Familie werden und andere familiäre Themen verdrängen.

Unterstützungsmöglichkeiten seitens der Familie und vor allem seitens der Eltern lassen sich in emotional, instrumentell und informationell gliedern. In Familien mit chronisch kranken Jugendlichen kann die emotionale Unterstützung in Form von Trost und Aufmunterung erfolgen, instrumentelle durch konkrete Hilfe, wie Zubereiten einer speziellen Diät, und informationelle durch Beschaffen von Informationen bezüglich der Erkrankung. Die Eltern spielen bei diesen Unterstützungsarten die Hauptrolle. Zusätzlich ist ihre Wärme und emotionale Nähe wichtig und hilfreich zur Verarbeitung von krankheitsbedingten Belastungen (Cauce et al. 1994; Salewski, 2004, S. 78). Es gilt eine Balance zu finden zwischen Unterstützung bieten und den Jugendlichen freie Hand in ihren Verpflichtungen zu lassen (vgl. Salewski, 2004, S. 70- 80; Seiffge-Krenke, 1996, S. 125- 146; Warschburger, 2000, S. 172- 178). 14.1.2

Eltern Morbus Crohn Erkrankter

Studien zum Support von Eltern Morbus-Crohn-Erkrankter bestätigen die im allgemeinen Teil erläuterten Bedingungen und Möglichkeiten. Behrens bringt es auf den Punkt, indem er stichwortartig die Aufgaben der Eltern als Unterstützungseinheit nennt: •

Emotionale Zuwendung

Angemessenes Mass an Lenkung und Kontrolle

Förderung sozialer Integration

Auch bei diesem spezifischen Krankheitsbild ist eine offene Kommunikation hilfreich, vor allem in belastenden Situationen. Die Erkrankten müssen sich durch die Eltern ermutigt fühlen, über Gefühle und Ängste zu sprechen, aber auch die Eltern müssen sich vor einer Überbehütung in Acht nehmen (Behrens, 2006, S. 39 & 40, 92- 95). Da sich die Jugendlichen, wie bereits erwähnt, an den Copingstrategien der Eltern orientieren (MacPhee, Hoffenberg & Feranchak, 1998, S. 9), müssen diese sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Ansonsten gelten die im allgemeinen Teil genannten Unterstützungsmöglichkeiten und Strategien auch für Eltern von Morbus-Crohn-Erkrankten, denn nicht die Art der Krankheit, sondern eine chronische Krankheit im Allgemeinen ist ein Stressor für das Familiensystem.

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14.1.3

Geschwister

Geschwister stellen wichtige Bezugspersonen dar. Untersuchungen zum Verhalten von Geschwistern chronisch Kranker brachten zu Tage, dass diese eher Verhaltensauffälligkeiten aufwiesen als die Geschwister von Gesunden. Unter anderem wurde beobachtet, dass die gesunden Kinder „die Defizite“ des kranken Kindes durch überkompensieren auszugleichen und so den Eltern zu gefallen versuchen, da das erkrankte Kind mehr Platz einnimmt als das gesunde. Andere Studien stellten keine Unterschiede zwischen Geschwistern von erkrankten und gesunden Jugendlichen fest. Gallo et al. (1992; zit. nach Seiffge- Krenke, 1996, S. 166 & 167) betonen, dass viel mehr das Familienklima den Zusammenhalt oder die Rivalität der Geschwister prägt. Was die Eltern vorleben, wird von den Geschwistern und den Erkrankten kopiert.

Die Eltern müssen bei der Notwendigkeit von mehr Zuwendung gegenüber der oder dem Erkrankten dies den gesunden Kindern erklären, damit es für sie nachvollziehbar ist und nicht zu andauernder Eifersucht und Frustration führt. Die gesunden Geschwister müssen ebenfalls die Möglichkeit haben, ihren Ärger und ihre Enttäuschung über die Situation zu äussern.

Gemäss Studien scheinen die Beziehungen zu Geschwistern für die chronisch Erkrankten eine bedeutende Rolle zu spielen und im negativen Fall zu Verhaltensproblemen der Erkrankten zu führen. Die Eltern müssen die gesunden Kinder in die Problematik und Betreuung der Erkrankten einbeziehen, damit die Geschwister sich gegenseitig unterstützen und sich als Vertrauensperson dienen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass im Gegensatz zu Geschwisterbeziehungen zwischen gesunden Jugendlichen, sich die Geschwister erkrankter Jugendlicher mit den Betroffenen stärker verbünden, enger zusammenwachsen und für diese eine Stütze bei belastenden Situationen sein können (vgl. Salewski, 2004, S. 114- 118, Seiffge- Krenke, 1996, S. 159- 170). 14.1.4

Geschwister Morbus Crohn Erkrankter

Behrens (2006, 40 & 41) betont dieselben Bedingungen für an Morbus Crohn Erkrankte. Damit keine Rivalität und Aggressionen dem Morbus-Crohn-Erkrankten gegenüber entstehen und das kranke Kind keine Eifersucht entwickelt gegenüber der körperlichen Unversertheit des gesunden Geschwisters, bedingt es offener Kommunikation von den Eltern, wie auch Einbezug der gesunden Geschwister. So können Geschwister als Halt in schwierigen Situationen dienen und sich gegenseitig unterstützen.

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14.1.5

Fazit zum System „Familie“

Eltern wie auch Geschwister bieten chronisch kranken Jugendlichen wichtigste Unterstützung und Halt. Dabei muss die Kommunikation aufrechterhalten werden, damit Strategien entwickelt werden können und die Krankheit nicht ins Zentrum der Familie rückt. Weitere Supportmöglichkeiten für das Familiensystem sind externe Unterstützungsangebote. Diese Angebote und ihre Möglichkeiten werden wir im nächsten Kapitel genauer beschreiben.

14.2 14.2.1

Soziales Umfeld Schule/Ausbildung

Schulfehltage sind die am häufigsten von Lehrerinnen und Lehrern genannten Folgen einer chronischen Erkrankung junger Menschen. Die Befragung von Nurmi (1991; zit. nach Salewski, 2004, S. 36) ergab, dass Jugendliche „schulische Leistung“ und „berufliche Zukunft“ zu den bedeutsamen Themen im Jugendalter zählen und Einschränkungen in diesen Bereichen zu den gewichtigsten Belastungsfaktoren zählen.

Brook und Galili (2001; zit. nach Salewski, 2004, S. 36) befragten Lehrerinnen und Lehrer zu chronischen Erkrankungen. Fast 42% glaubten, dass chronisch Kranke schlechtere Leistungen erbringen und fast 84% fanden, dass chronisch Kranke bessere Noten erhalten sollten, um die Einschränkungen und Fehlzeiten zu kompensieren. Dies ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass jede Lehrerin und jeder Lehrer schon einmal mit chronisch kranken Jugendlichen zu tun gehabt haben müssen, da jede und jeder zehnte Jugendliche chronisch krank ist. Treffen nun diese Jugendlichen auf unwissende Lehrpersonen, die chronisch Kranke grundsätzlich für weniger leistungsfähig halten, können das Verhalten und die Einstellung der Lehrpersonen die Jugendlichen bezüglich ihrer Leistungen zusätzlich verängstigen und verunsichern, anstatt ihnen das Selbstvertrauen zu geben, gleich gut sein zu können wie die anderen. Es ist somit nötig, dass Lehrpersonen über chronische Krankheiten im Allgemeinen und über eine spezifische Erkrankung im entsprechenden Fall informiert werden und sich auch selbstständig informieren. Die Schule kann eine wichtige Rolle für die Integration der Erkrankten einnehmen, indem zwar auf die Jugendlichen Rücksicht genommen wird, ohne sie aber anders zu behandeln oder ihre Leistungen zu unterschätzen (Warschburger, 2000, S. 96- 100 & 117- 119; Salewski, 2004, S. 36 & 37).

Chronisch kranke Jugendliche sind auch in ihrer Berufswahl eingeschränkt, da diese die Belastungen der Erkrankung nicht verstärken soll. Lehrpersonen sollten Seiffge-Krenke zufolge darauf bedacht sein, Betroffene früh genug an die Berufsberatung zu verweisen, damit diese

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kompetente Hilfe in der Wahl des Arbeitsbereiches erhalten (vgl. Seiffge-Krenke, 1996, S. 202- 210). 14.2.2

Peer-Group/Freunde

Aufgrund der vielen Schulfehltage chronisch kranker Jugendlicher und den häufigen Krankenhausaufenthalten wird in Untersuchungen immer wieder betont, dass es diesen Jugendlichen schwieriger fällt, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen, da ihnen die Zeit fehlt und/oder sie sich stigmatisiert fühlen und sich zurück ziehen. Chronisch Kranke selbst gaben an, dass sie sich sozial benachteiligt und ausgeschlossen fühlen. Sie könnten je nach Erkrankung kaum oder nur mit besonderen Vorkehrungen an Schulausflüge, Parties, Einladungen zu Übernachtungen bei Freundinnen und Freunden et cetera teilnehmen, was die Aufnahme von Beziehungen zu Gleichaltrigen und den Ausbau von Autonomie einschränkt und verzögert. La Greca (1992; zit. nach Seiffge-Krenke, 1996, S. 181) konnte jedoch belegen, dass auch für chronisch Kranke Gleichaltrige und Freunde als Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung wichtig sind. Das Thematisieren der Krankheit im Freundeskreis kann die Teilnahme an solchen Aktivitäten erleichtern, in dem die Gleichaltrigen mithelfen, besondere Vorkehrungen zu treffen, wie zum Beispiel Mithilfe bei der Zubereitung einer speziellen Diät. Dies erhöht im Freundeskreis die Akzeptanz der kranken Jugendlichen sowie die Sensibilität für ihre speziellen Bedürfnisse. Gemäss La Greca waren die Freunde bemüht, die Aktivitäten auf die Bedürfnisse des Erkrankten anzupassen und abzustimmen (Warschburger, 2000, S. 96- 100 & 117- 119; Salewski, 2004, 35 & 36; Seiffge- Krenke, 1996, S. 181- 186). 14.2.3

Ausbildung und Freundschaften bei an Morbus-Crohn-Erkrankten

Bei jungen Menschen mit Morbus Crohn lassen sich grundsätzlich keine Unterschiede zu anderen chronisch Kranken finden. Speziell zu erwähnen ist die Malnutrition als Folge des Morbus Crohn, welche die körperliche Entwicklung der Jugendlichen verzögert. Dieser Umstand sowie die Überbehütung der Eltern erschweren die Aufnahme von Freundschaften, da sich die Jugendlichen minderwertig fühlen. Die Berufssuche und –wahl und die Zukunftsplanung werden durch die Krankheit ebenfalls belastet. Betroffene und ihre Eltern sollten die Freunde und die Schule über die Krankheit aufklären und so allfällige Vorurteile und Ängste nehmen. Somit kann die Integration in der Schule und in die Peergroup gelingen.

15 Informations- und Beratungsangebote Neben der Unterstützung durch die Schule und Freunde, existieren zahlreiche externe Angebote, wie Informations- und Beratungsstellen.

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Für chronisch erkrankte Jugendliche und ihre Familien finden sich in Zürich verschiedenste Beratungs- und Unterstützungsangebote. Neben ärztlichen Fachstellen sind auch die Sozialarbeitsstellen zu nennen, die in allen psychosozialen Fragen in Bezug zur Krankheit Unterstützung bieten. Im Kanton Zürich finden sich sowohl Sozialberatungsstellen, die auf Jugendliche spezialisiert sind, als auch Stellen speziell für chronisch Erkrankte. Weitere Angebote sind spezialisierte Vereinigungen sowie das Internet mit Informationsseiten, Chats und Foren zu bestimmten Krankheiten und Krankheitsgruppen. Hilfe für erkrankte Jugendliche, vor allem betreffend Berufsberatung und beruflicher Integration, sowie medizinische Hilfsmittel und Massnahmen, bietet ausserdem die schweizweite Invalidenversicherung.

Im Folgenden werden zuerst die ärztlichen, danach die psychosozialen Angebote und zum Schluss auf bestimmte Krankheiten spezialisierte Fachstellen, sowie auch die Angebote im Rahmen der Selbsthilfe, wie zum Beispiel Selbsthilfegruppen oder das Internet, erläutert.

15.1

Ärztliche Fachstellen

Zu den ärztlichen Fachstellen gehören die Fachärzte für bestimmte Krankheitsbilder, wie Rheumatologen für rheumatische Erkrankungen aller Art, Pneumologen für Erkrankungen der Atemwege, Bronchien und Lungen oder auch Gastroenterologen für Krankheiten des Magen- Darmtraktes und der dazugehörigen Organe, wie Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse. Junge Patientinnen und Patienten und ihre Eltern erhalten dort kompetente medizinische Beratung.

Chronische Krankheiten können jedoch auch zu psychischen Problemen führen und die Eltern können sich überfordert fühlen und nicht wissen, wie mit der Diagnose und der Krankheit umzugehen. Wird dies vom behandelnden Arzt erkannt, wird dieser die Betroffenen und deren Familie an einen Psychotherapeuten weiter verweisen.

In Psychotherapien wird mittels verschiedener Methoden und Behandlungstechniken das Erleben, Fühlen, Denken und Verhalten von Menschen beeinflusst und in eine gewünschte Richtung verändert. Für die Arbeit mit den betroffenen Jugendlichen und deren Eltern wird vorzugsweise auf Verhaltens-, Gesprächs- und Familientherapien zurückgegriffen. Die Therapie erfolgt im Einzel- oder im Gruppensetting. Die fachlich geleitete Gruppentherapie kann für chronisch kranke Jugendliche wie auch für deren Geschwister und Eltern hilfreich sein, um zu erkennen, dass sie mit ihren Fragen und Problemen nicht alleine sind, sowie um hilfreiche Tipps zu erhalten. Das Ziel solcher Therapien ist, Verständnis für die Erkrankung von allen Familienmitgliedern, Akzeptanz wie auch einen Umgang mit der Erkrankung und ihren Folgen zu erlangen, sowie aktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Geschwister dürfen 57 / 98


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dabei nicht ausser Acht gelassen werden, sondern müssen altersgerecht über die Krankheit aufgeklärt und in die Therapie miteinbezogen werden. Nebst den genannten Therapien gibt es bei schwerwiegenden psychischen Problemen aufgrund der Krankheit, wie Depressionen und Angststörungen, die Möglichkeit einer Pharmakotherapie. Diese wird von der behandelnden Psychotherapeutin/ vom behandelnden Psychotherapeuten nach gründlicher Abklärung verschrieben. Sie soll den Jugendlichen die Ängste nehmen und ihren Selbstwert aufbauen. Spezialisiert auf Kinder und Jugendliche ist der Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst (KJPD) im Kanton Zürich, der medizinische und psychologische Abklärungen leistet und Beratungen und Therapien für Kinder und Jugendliche im ambulanten, halbstationären und stationären Bereich anbietet.

15.2

Psychosoziale Beratung

Zu diesem Typ der Unterstützung gehören die Sozialarbeitsstellen, die eine vollumfassende Beratung für psychosoziale Anliegen bieten. Für chronisch kranke Jugendliche und ihre Eltern sind vor allem die Bereiche Ausbildung, Hilfsmittel, Entlastung, Finanzen und Freizeit relevant. 15.2.1

Arbeit/Ausbildung

Je nach dem, wie alt die/der Jugendliche ist und wie stark die chronische Krankheit sie/ihn beeinflusst, ist eine Beratung und Unterstützung betreffend der Ausbildung und des Berufswunsches wichtig. Fragen können sich um allgemeine Berufsberatung drehen oder die Anpassung eines Arbeitsplatzes oder einer Schule an die Bedürfnisse der oder des Erkrankten, die Übernahme der Kosten von Übergangslösungen/Erstausbildung respektive Umschulung/Weiterbildung oder Taggelder in Zusammenhang mit Sozialversicherungen sowie Arbeitsplätze im geschützten Rahmen betreffen. 15.2.2

Hilfsmittel

Bei chronisch kranken Jugendlichen sehen sich Sozialarbeitende auch oft mit der Frage nach einer Kostenübernahme medizinischer Hilfsmittel und Massnahmen konfrontiert. Dies beinhaltet: •

Abklärungen zu medizinischen Hilfsmitteln

Abklärungen zu Therapien

Abklärungen bezüglich möglicher Kostenträger

Finanzielle Unterstützung

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Chronische Krankheit in der Jugend

Die betreuenden Sozialarbeitenden organisieren dafür die Zusammenarbeit der Betroffenen und ihren Familien mit anderen Fachstellen, wie der Schweizerischen Hilfsmittelzentrale. Welche Hilfsmittel durch die IV-Stelle bezahlt werden, lässt sich in der Verordnung zur Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) nachlesen.

Bestimmte Therapien werden von der Invalidenversicherung übernommen. Diese stehen auf einer detaillierten Liste, die bei der Invalidenversicherung angefordert werden kann. Andere Therapien müssen anderweitig finanziell abgesichert werden. Die Kostenübernahme kann mithilfe der Sozialarbeitenden geklärt werden. Auf der Internetseite www.ahv-iv.info werden die Massnahmen folgendermassen beschrieben: Die IV übernimmt alle zur Behandlung der anerkannten Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Massnahmen. Zudem übernimmt sie einige wenige Behandlungen von erworbenen Leiden. Diese medizinischen Massnahmen können von der IV jedoch nur bis zum Erreichen des 20. Altersjahres erbracht werden. Anders als die Krankenkassen übernimmt die IV die vollen Kosten ohne Selbstbehalte oder Franchisen. Welche Erkrankungen zu den Geburtsgebrechen gezählt werden und welche Ausnahmen möglich sind, steht in der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV). Alle weiteren nicht auf der Liste aufgeführten Erkrankungen und Therapien müssen über die Krankenkasse finanziert werden, falls sie auf der internen Liste dieser aufgeführt sind. Alle Therapien und medizinischen Behandlungen für den Morbus Crohn werden nicht über die Invalidenversicherung bezahlt, auch wenn Kinder schon früh davon betroffen sind, da die Krankheit nicht als Geburtsgebrechen oder eine der Ausnahmen anerkannt wird. Hier greift die Krankenkasse, so dass die Selbstbehalte durch die Eltern getragen werden müssen. Die Sozialarbeitsstelle kann in solchen Situationen Abhilfe schaffen. Wenn die Familie nur über ein knappes Budget verfügt oder die Therapie durch die Krankenkasse nicht gedeckt wird, können die Sozialarbeitenden ein Gesuch für Kostenübernahme bei einer Stiftung einreichen. Gewisse Stiftungen sind nur für bestimmte Erkrankungen gedacht, wie die Stiftung der Rheumaliga oder die Stiftung für Multiple-Sklerose-Betroffene. Andere Stiftungen haben ihren Zweck breiter formuliert, so dass Gesuche für Therapien und Erkrankungen aller Art eingereicht werden können. 15.2.3

Entlastung

Eltern können durch die aufwendige Pflege eines erkrankten Kindes oder einer/eines Jugendlichen an ihre Belastungsgrenzen stossen. Für ihre medizinische Entlastung gibt es die Spitex. Spitex ist ein Sammelbegriff für verschiedene spitalexterne Angebote der Gesundheitsversorgung, die insbesondere die Hilfe und Pflege zu Hause ermöglicht und unterstützt. Im Kanton Zürich bieten verschiedene Organisationen solche Leistungen an. Die Kosten59 / 98


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übernahme erfolgt durch die Invalidenversicherung oder die Krankenkasse. Abklärungen zum passenden Angebot und zu den Kosten können von Sozialarbeitenden vorgenommen werden. Für Kinder und Jugendliche gibt es speziell die Kinderspitex. Eine Übersicht zu verschiedenen Spitexorganisationen im Kanton Zürich gibt diese Seite: www.spitexzh.ch. 15.2.4

Finanzen

Wie bereits erläutert, klären bei finanziellen Engpässen die Sozialarbeitenden Unterstützungsmöglichkeiten ab. Weist eine Familie ein zu kleines Budget auf, kann der Gang zur Sozialhilfe angezeigt sein. Die Sozialarbeitenden bieten Hilfe beim Ausfüllen der Formulare sowie bei Abklärungen. Ist das Budget aufgrund der vielen medizinischen Massnahmen und Therapien der/des betroffenen Jugendlichen belastet, hat die Sozialarbeit die Möglichkeit ein Gesuch zur Entlastung einzureichen. Leistungen von Sozialversicherungen sind hier ein Hauptthema. Absolviert eine chronisch kranke Jugendliche/ein chronisch kranker Jugendlicher eine Ausbildung durch die Invalidenversicherung, hat er ab dem 18. Lebensjahr das Recht auf Taggelder. Sechs Monate danach können zusätzlich Ergänzungsleistungen beantragt werden, falls das Einkommen nicht existenzsichernd ist. Die Betroffenen und ihre Eltern werden von den Sozialarbeitenden auf diese Leistungen hingewiesen und Fragen in Verbindung damit werden von den spezialisierten Beratungsstellen, wie unter anderem der Pro Infirmis, beantwortet. 15.2.5

Freizeit

Die Freizeitgestaltung ist für erkrankte Jugendliche genau so wichtig wie für gesunde. Um dabei nicht an die Leistungsgrenzen zu stossen und dadurch Frustration zu erleben, gibt es verschiedenste Angebote im Freizeitbereich für chronisch Kranke. Als bestes Beispiel dienen hier die verschiedenen Aktivitäten für asthmakranke Kinder und Jugendliche, die von rudern, schwimmen, turnen bis zu Ferienlagern reichen. Die verschiedenen Vereinigungen spezifischer Erkrankungen, wie zum Beispiel die Vereinigung Multipler-Sklerose-Betroffener oder die Schweizerische Gesellschaft für Cystische Fibrose, bieten ebenfalls diverse Aktivitäten an. So organisiert die schweizerische Vereinigung für Morbus-Crohn- und Colitis-UlcerosaErkrankte regelmässige Informationstage sowie einige Aktivitäten. Kürzlich fand ein verlängertes Wochenende für Jugendliche und junge Erwachsene statt mit der Möglichkeit zum Austausch sowie der Teilnahme an verschiedensten sportlichen und anderen Aktionen. Sozialarbeitende können zusammen mit den Jugendlichen den Bedarf und die Interessen abklären, Angebote ausfindig machen und allenfalls den Kontakt herstellen. Die Jugendlichen können dabei auch unterstützt werden, Ortsvereinen beizutreten, falls das gesundheitliche Befinden dies zulässt. Sozialarbeitende können zusammen mit den Betroffenen den Kontakt

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Chronische Krankheit in der Jugend

herstellen, die Verantwortlichen über die Krankheit aufklären und als Anlaufstelle für Fragen dienen.

15.3

Psychosoziale Beratungsstellen

Welche spezifischen Beratungsstellen im Kanton Zürich auf die Fragen von Jugendlichen und chronisch Erkrankten spezialisiert sind, wird in den folgenden Kapiteln behandelt. Diese sozialarbeiterischen Stellen beraten zu Fragen und Problemen in mehreren Lebensbereichen, unterstützen und triagieren die Betroffenen. Die Triage ist ein wichtiger Teil der Sozialarbeit. In jeder Gemeinde oder in Gemeindeverbänden befinden sich Sozialdienste, die als erste Anlaufstelle dienen können. Nach ersten Abklärungen sollten sie bei krankheitsspezifischen Fragen, die Betroffenen und deren Familien jedoch an Fachstellen weiter verweisen. Die Stellen machen eine ganzheitliche Anamnese des Erkrankten und seiner Familie. Nach heutigen sozialarbeiterischen Methoden arbeiten fast alle Stellen systemisch, so dass das ganze relevante System der Klientinnen und Klienten erfasst und wenn möglich und nötig mit einbezogen wird. Bei medizinischen und psychiatrischen Anliegen verweisen die Sozialarbeitenden die Betroffenen an Fachärzte weiter. Häufig sind, wie schon erwähnt, Unklarheiten zu Ausbildung, Finanzen, Hilfsmittel et cetera zu klären, wobei oft die Sozialversicherungen ein Hauptthema sind. Welche spezifischen Fachstellen nun für Jugendliche, speziell für chronisch Kranke und deren Familien zuständig sind, wird im Folgenden gezeigt. Alle Kontaktdaten zu den aufgeführten Fachstellen sind im Anhang 1 zu finden. 15.3.1

Jugendberatung

Die Jugendberatung ist in Zürich zweifach vertreten: im Stadtzentrum und in Oerlikon. Sie bietet niederschwellige psychosoziale Beratung sowie psychologische Therapien bei Problemen im psychischen, sozialen, familiären und beruflichen Bereich. Das Angebot richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14- bis 25-Jahren. Familienangehörige können sich ebenfalls an die Beratungsstelle wenden. Die Beratungen sind nicht auf bestimmte Anliegen ausgerichtet, sondern bieten ganzheitliche Gespräche für junge Menschen und deren Familien. Die Beratungen sind kostenlos, basieren auf Freiwilligkeit und unterstehen der Schweigepflicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen alle über eine Zusatzausbildung in therapeutischer Beratung und arbeiten mit allgemein anerkannten psychologischen Beratungs- und Therapiemethoden.

Fachpersonen sowie andere Personen, die mit Jugendlichen arbeiten, können sich an die Beratungsstelle wenden. Die Jugendberatung bietet ausserdem regelmässig psychologisch geleitete Gruppensitzungen für den Austausch. (www.stadt-zuerich.ch/jugendberatung, 2009).

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15.3.2

Sozialzentren

Die Sozialzentren in Zürich sind auf fünf Sozialregionen verteilt. In jeder Region ist ein Sozialzentrum für die Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner zuständig. Die Zentren bieten niederschwellige Unterstützung in der Lösungsfindung bei sozialen Fragen, schwierigen Situationen und Konflikten mit Kindern und Jugendlichen, übernehmen oft auch eine Triagefunktion und ermöglichen den Zugang zu Informationen, Fachstellen sowie finanzieller Sicherung (www.stadt-zuerich.ch/sozialzentren, 2009). Sie bieten keine Beratung spezifisch für chronisch kranke Jugendliche. Dadurch dass sie sich in der Wohnregion befinden, ist der Zugang aber schnell, unkompliziert und einfach. Die Vermittlung an weitere Stellen erfolgt rasch und kompetent. 15.3.3

Schulsozialarbeit

Die Schulsozialarbeit ist seit einiger Zeit fester Bestandteil jeder Schule. Bei Problemen in der Schule oder Familie bietet sie eine gute Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler. Sie ist mit allen Fragen betreffend der Schule sowie der Anliegen von Schülerinnen und Schüler vertraut und kennt sich in angrenzenden Quartieren gut aus. Ihr steht ein Netzwerk von Institutionen, Fachstellen und Vereinen zur Verfügung, an die sie Schülerinnen und Schüler, sowie Eltern und Lehrpersonen vermitteln kann (www.stadt-zuerich.ch/schulsozialarbeit, 2009). Schulsozialarbeitende sind so auch eine gute Anlaufstelle für die Anliegen chronisch kranker Jugendlicher sowie deren Eltern. Sie können in Zusammenarbeit mit den Betroffenen einen Beitrag dazu leisten, die Lehrpersonen und Mitschülerinnen und Mitschüler über die Erkrankung aufzuklären und ihnen Vorurteile und Ängste zu nehmen, sowie in schwierigen Situationen Lösungsstrategien entwickeln. 15.3.4

Pro Juventute

Die Pro Juventute ist eine Fachstelle für alle Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren. Diese können sich zum Beispiel bezüglich Liebeskummer oder Problemen in der Familien, der Schule und/oder im Freundeskreis jederzeit an die Beratungsstelle der Pro Juventute wenden. Das Angebot ist kostenlos und anonym. Die Jugendlichen können sich per Chat, SMS und/oder Telefon an www.147.ch oder die Telefonnummer 147 wenden. Der Anruf ist kostenlos und erscheint auch nicht auf der Telefonabrechnung der Eltern. Die Fachpersonen unterstützen die Jugendlichen bei der Lösungssuche und vermitteln sie an fachkundige Fachstellen. Ausserdem bietet die Pro Juventute der Zürcher Bevölkerung Gemeinschaftszentren, um das Miteinander, das Kennenlernen und den Austausch zu fördern. In Notsituationen kann die Pro Juventute auch für finanzielle Unterstützung angefragt werden (www.pro-juventute.ch, 2009; www.147.ch, 2009).

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15.3.5

Pro Infirmis

Die Pro Infirmis ist ein Verein, der Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder psychischen Behinderungen sowie deren Angehörigen unterstützt. Ihr Kerngeschäft ist die Sozialberatung durch ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Diese ist kostenlos, schweizweit für junge Menschen und Erwachsenen mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung und ihren Angehörigen und Bezugspersonen aus verfügbar. In jedem Kanton ist mindestens eine Pro Infirmis Beratungsstelle zu finden, ausser im BaselLand und im Wallis. Dort sind die Stiftungen Mosaik und Emera zuständig, welche dieselben Angebote wie die Pro Infirmis bieten und Partnerorganisationen dieser sind. Auf ihrer Homepage

beschreibt

die

Pro

Infirmis

ihre

Sozialberatungen

(Zumbühl,

www.proinfirmis.ch/de/kantone.php?kanton=zh&sub=Angebote, 2009) wie folgt: Die professionelle Sozialberatung fördert die soziale Integration von Menschen mit Behinderung. Durch die Erschliessung persönlicher Fähigkeiten und die Vermittlung von Unterstützungsmassnahmen Dritter wird die Eigenständigkeit gestärkt. In der persönlichen Beratung gehen wir auf die individuelle Lebenssituation ein, entwickeln gemeinsam Lösungswege und unterstützen bei der Umsetzung. In Notlagen können wir auch finanzielle Überbrückungshilfe bieten. Bei komplexen Beratungssituationen mit vielen Beteiligten besteht zudem die Möglichkeit, ein Case Management einzurichten. Die Beratung ist kostenlos und vertraulich. Die Beratung kann über mehrere Jahre andauern und bei Bedarf auch in der Wohnung der Betroffenen stattfinden. Anmelden können sich die Betroffenen, ihre Angehörigen oder auch andere Beteiligte per Telefon oder mittels dem Kontaktformular auf der Homepage. Die Beratung steht auch anderen Sozialberatungen sowie Menschen offen, die mit Erkrankten oder Menschen mit Behinderungen in Kontakt stehen. Weitere Angebote der Pro Infirmis in Zürich sind (Zumbühl, www.proinfirmis.ch/de/kantone.php?kanton=zh&sub=Angebote, 2009): •

Der Bildungsklub (Kursangebote für Bezügerinnen und Bezüger einer Invalidenrente)

Zwei Wohnschulen (für das Lernen des selbstständigen Wohnens für Menschen mit leichter geistiger Behinderung)

Begleitetes Wohnen (geschulte Begleiterinnen und Begleiter unterstützen Menschen mit leichter geistiger Behinderung in deren eigenen Wohnung)

Abgabe des Eurokeys (Schlüssel für behindertengerechte WC-Anlagen)

Prisma sowie Treuhanddienst (Freiwillige begleiten und unterstützen Menschen mit einer Einschränkung bei Ausflügen, im finanziellen Bereich et cetera)

Für chronisch erkrankte Jugendliche und deren Eltern ist die Pro Infirmis, als kompetente Fachstelle für Erkrankte, besonders hilfreich. Sie erhalten Unterstützung und Begleitung in Fragen zu Freizeit, Beruf, Sozialversicherungen, Hilfsmitteln, behindertengerechtem Bauen,

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Finanzen et cetera. Für Morbus-Crohn-Erkrankte ist besonders der Eurokey interessant. Sie gehören zu den Bezugsberechtigten, da sie oft sehr dringend auf eine Toilette angewiesen sind und aufgrund der Krankheit hygienische und gut ausgestattete Toiletten benötigen. 15.3.6

Lungenliga

Die Lungenliga bietet Beratung und Betreuung bei allen Atemwegserkrankungen, wie Asthma oder cystischer Fibrose. Dazu gehört zum Beispiel die Betreuung durch Pflegefachfrauen in der Anwendung von Medikamenten und Geräten sowie in Aufklärungsfragen zur Erkrankung. Impfungen, Untersuchungen und Aufklärungen bei Tuberkulose, Tabakprävention, diverse Freizeitveranstaltungen für asthmakranke Kinder und Jugendliche sowie Erfahrungsaustauschgruppen für Menschen mit Atemwegserkrankungen gehören ebenfalls zum Angebot. Ausserdem können Atemwegserkrankte und deren Angehörige eine psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen, die ebenfalls Fragen zu Beruf, Freizeit, Finanzen et cetera klärt (www.lungenliga-zh.ch, 2009). 15.3.7

Spitalsozialberatung

Die meisten Krankenhäuser verfügen über eine Sozialberatung. In Zürich ist das Kinderspital Zürich speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet, so auch dessen Spitalsozialberatung. Die Fachleute der Spitalsozialberatung beraten Eltern und ihre Kinder, die sich stationär im Kinderspital oder Rehabilitationszentrum aufhalten, kostenlos und suchen mit ihnen geeignete

Lösungen

zu

folgenden

Themen

(Pedrotti,

www.kispi.uzh.ch/pf/Elternratgeber/Sozialdienst_de.html, 2009): •

Organisation und Vermittlung von Entlastungsmöglichkeiten während und nach dem Spitalaufenthalt

Beratung in rechtlichen und Sozialversicherungsfragen

Beratung in Krisensituationen

Unterstützung beim Umgang mit schweren und chronischen Erkrankungen und Behinderungen

Die Spitalsozialberatung, egal in welchem Krankenhaus, ist während der Hospitalisierung der Jugendlichen eine gute Anlaufstelle für Fragen zur Erkrankung, zum Umgang damit sowie zu ihren Folgen. Die Sozialarbeitenden organisieren eine geeignete Anschlusslösung für die Entlastung und Beratung bei weiteren Anliegen.

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15.3.8

Weitere Beratungsangebote

Weitere Beratungsangebote bieten bestimmte Erkrankungen spezialisierte Fachstellen. In Zürich gibt es die Beratungsstelle „Aids und Kind“ für Kinder/Jugendliche mit HIV und AIDS und deren Angehörigen, die Rheumaliga für rheumakranke Kinder und Angehörige, sowie asthma- und allergiekranke Kinder und Angehörige et cetera. Einen Überblick bietet die Homepage www.stadt-zuerich.ch/izs.

15.4

Selbsthilfe

Selbsthilfe ist, wenn ein Mensch auf eigenen Antrieb selbstständig oder in Gemeinschaft mit anderen Menschen etwas gegen seine Not unternimmt. Für chronisch erkrankte Jugendliche können folgende Arten der Selbsthilfe hilfreich sein, in dem sie ihnen Wissen über die Erkrankung und den Umgang damit vermitteln können: •

Bücher

Patientenratgeber

Informationen von Patientenvereinigungen

Internet

Selbsthilfegruppen

Im Internet finden sich zahlreiche Informationsseiten zu den verschiedensten Erkrankungen. Wikipedia ist die wohl bekannteste Homepage, daneben gibt es sprechzimmer.ch, onmeda.de, netdoktor.de und viele weitere. Nebst diesen allgemeinen Seiten sind auch viele krankheitsspezifische vorhanden, wie rheuma-online.de oder luft-zum-leben.de und weitere. Community- Seiten, wie Facebook, schülervz und studivz, verfügen über Diskussionsgruppen zu diversen Krankheitsbildern, denen man beitreten kann. Die meisten bieten zusätzlich Chats und Foren für den Austausch an. Es muss beachtet werden, dass es auch viele unseriöse Seiten gibt. Für Jugendliche kann es zumal schwierig sein, die seriösen zu erkennen, so dass Eltern und Angehörige sie bei der Suche unterstützen sollten.

Die Stiftung „Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz (KOSCH)“, die Dachorganisation der regionalen Kontaktstellen für Selbsthilfegruppen in der Schweiz, ist nebst den Fachstellen eine Anlaufstelle, um den Betroffenen bei der Suche von lokalen Selbsthilfegruppen zu helfen. Sie vernetzt und koordiniert die lokalen Selbsthilfezentren, bietet Informationen über Selbsthilfegruppen sowie Hilfe bei deren Aufbau. Schweizweit bestehen viele Selbsthilfegruppen, die sich mit verschiedenen chronischen Erkrankungen befassen. Es gibt Gruppen ohne Altersbegrenzungen, Gruppen für Jugendliche und Gruppen für

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Chronische Krankheit in der Jugend

Eltern. Betroffene können sich telefonisch oder per E-Mail bei der Dachorganisation, den lokalen Selbsthilfezentren oder bei den verschiedenen Vereinigungen informieren, ob es in ihrer Nähe eine passende Selbsthilfegruppe gibt. In Zürich gibt es das Selbsthilfezentrum „Offene Tür Zürich“, wo telefonisch oder per e- Mail Informationen zu Selbsthilfegruppen eingeholt werden können (www.offenetuer-zh.ch, 2009).

15.5

Invalidenversicherung

Wie bei den Hilfsmitteln erwähnt, werden gewisse Erkrankungen als Geburtsgebrechen anerkannt, welche dazu gehören, kann in der Verordnung zur Invalidenversicherungsgesetz über Geburtsgebrechen (GgV) nachgelesen werden. Die Invalidenversicherung übernimmt in diesem Fall medizinische Massnahmen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr. Wenn eine chronische Erkrankung eine Jugendliche oder einen Jugendlichen so stark einschränkt, dass sie oder er in der täglichen Lebensverrichtung in zwei oder mehr Bereichen dauernd auf Hilfe Dritter angewiesen ist, kann die Hilflosenentschädigung beantragt werden. Wenn infolge der Beeinträchtigung eine zusätzliche Betreuung von mehr als vier Stunden täglich nötig ist, kann der Intensivpflegezuschlag geltend gemacht werden. Werden Hilfsmittel oder bauliche Massnahmen benötigt, welche nach Verordnung zur Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) bezahlt werden, kann auch dafür ein Gesuch gestellt werden. Um solche Ansprüche geltend machen zu können, muss zuerst der Anspruch geklärt werden und danach die entsprechenden Anträge gestellt werden. In diesem Fall können Sozialarbeitende unterstützend wirken.

Sind chronisch erkrankte Jugendliche nach der obligatorischen Schule in der Berufswahl eingeschränkt, haben sie Anspruch auf Berufsberatung durch die Invalidenversicherung. Die Massnahmen der Invalidenversicherung sehen gemäss Auflistung von Hans Mangold (2009, S. 33- 35) folgendermassen aus:

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Chronische Krankheit in der Jugend

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Chronische Krankheit in der Jugend

Tabelle 9: Übersicht der Eingliederungsmassnahmen nach der obligatorischen Schule (Mangold, 2009, S. 33- 35)

Wenn eine Erkrankung während der Ausbildung oder nach Beendigung der Ausbildung ausbricht, besteht seit dem 1.Januar 2008 bei frühzeitig diagnostizierter, drohender Invalidität die Möglichkeit zur Früherfassung und Frühintervention durch die Invalidenversicherung (IV). Das heisst, dass Betroffene (oder andere Personen wie die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber, die Ärztin/ der Arzt) sich mit einer Anmeldung an die IV wenden, damit die zuständige IVMitarbeiterin/der zuständige IV-Mitarbeiter mit der betroffenen Person Kontakt aufnimmt.

Wenn sich zeigt, dass die IV zuständig ist, werden entsprechende Massnahmen ergriffen. In einem Erstgespräch, in dem die Situation der betroffenen Person umfassend abgeklärt wird,

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wird ein Plan zur beruflichen Eingliederung erstellt und die dazugehörigen Massnahmen ausgewählt. Die beruflichen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung dienen dazu, eine Ausbildung zu finanzieren oder die Erwerbsfähigkeit der/des Betroffenen zu verbessern oder zu erhalten. Analog dem IV-Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ werden Invalidenrenten erst ausgerichtet, wenn die Eingliederungsmassnahmen nicht oder ungenügend erfolgreich waren.

Wenn die Invalidenversicherung nach einer umfassenden Abklärung zum Schluss kommt, nicht zuständig zu sein, ist das regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) respektive das Sozialamt für arbeitsmarktrechtliche Massnahmen verantwortlich. Im ganzen Prozedere kann eine Begleitung durch Sozialarbeitende von Fachstellen spezialisiert auf chronisch Erkrankte, wie zum Beispiel der Pro Infirmis oder der Lungenliga, hilfreich sein (vgl. Mangold, 2009, S. 6- 60).

15.6

Angebote für Morbus Crohn Betroffene

In der Schweiz gibt es auch diverse auf die Krankheit Morbus Crohn spezifizierte Angebote. Am Aktivsten ist die Schweizerische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung. Es existieren auch für dieses Krankheitsbild Internetseiten zur Informationsbeschaffung sowie Chats und Foren. 15.6.1

Schweizerische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung

Die Schweizerische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung (SMCCV) organisiert regelmässig Informationsveranstaltungen und Aktivitäten für Betroffene und deren Angehörige. Für Jugendliche werden ebenfalls immer wieder Veranstaltungen geplant, um sich auszutauschen und Kontakte herzustellen sowie auch Tipps für den Umgang mit der Krankheit zu erhalten. In die Internetseite ist auch ein Forum integriert, das aber nur selten benutzt wird. Bei Fragen zur Erkrankung werden Betroffene und Interessierte über die Homepage auf die Seite IBD.net weitergeleitet und können dort Fragen an ein fachärztliches Team stellen. Alle News zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie verschiedene relevante Links sind online aufgeschaltet. 15.6.2

Internetangebote für Morbus Crohn Erkrankte

Neben der schweizerischen Vereinigung existieren im deutschsprachigen Raum die österreichische und deutsche Morbus-Crohn- und Colitis-Ulcerosa-Vereinigung. Die deutsche Vereinigung bietet ein gut funktionierendes Forum sowie einen Chat an, der rege genutzt wird. Eine weitere umfangreiche Homepage ist croehnchen-klub.de, ein deutschsprachiges, von einer Betroffenen gegründetes Forum für Mitbetroffene und deren Angehörige. In beiden

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Foren sind spezielle Untergruppen für Eltern und für Jugendliche vorhanden. Nebst den genannten grösseren Foren existieren noch viele kleine, die über die Google-Suche ausfindig gemacht werden können. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Tipps in den Foren und Chats von Betroffenen und Angehörigen und nicht Fachspezialisten stammen. 15.6.3

Selbsthilfegruppen

Beim Zürcher Selbsthilfezentrum und der Schweizerische Vereinigung für Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa können Informationen zu Selbsthilfegruppen in der Region eingeholt werden. In Zürich sind entsprechende Selbsthilfegruppen vorhanden. Den genauen Treffpunkt und die Zeit können beim Zürcher Selbsthilfezentrum „Offene Tür“ angefragt werden.

16 Online-Umfrage Wie zu Beginn erwähnt, habe ich zur Illustration eine Online- Umfrage gestartet, um die Meinung der direkt Betroffenen als Pendant zur Literatur berücksichtigen zu können. Im Folgenden erläutere ich mein Fragebogenkonzept unter Einbezug der Literatur zu Sozialarbeitsforschung.

16.1

Wahl der Methode

Die Sozialarbeitsforschung kennt verschiedene Methoden, die zur Anwendung kommen können. Kobi (2009, S. 32- 58) nennt die Befragung, Sekundäranalyse, Dunkelfeldstudie, Evaluationsforschung und Beobachtung. Dabei kann das ganze Spektrum von qualitativer bis quantitativer Natur zur Anwendung kommen. Schaffer (2002, S. 84) unterscheidet ausserdem drei Befragungsformen: „face-to-face“-Interview, telefonisches Interview und die schriftliche Befragung. Um innerhalb kurzer Zeit möglichst viele Teilnehmende zu erreichen, habe ich eine schriftliche quantitative Befragung mittels teilstandardisiertem OnlineFragebogen gewählt. 16.1.1

Eingrenzung und Stichprobe

Die Befragung richtete sich an alle an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) Erkrankten, die sich im Morbus-Crohn- und Colitis-Ulcerosa-Forum der Plattform studivz und des Croehnchen- Klubs bewegen. Behrens (2006, S. 16) berechnete für Deutschland eine Grundgesamtheit von knapp 200'000 Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Im studivz bewegten sich zum Zeitpunkt des Umfragestarts 1154 Mitglieder und im Croehnchen- Klub 7127 Mitglieder, wobei beachtet werden muss, dass gewisse Mitglieder in beiden Foren aktiv sind. Direkt über die Foren mit einer persönlichen Nachricht angeschrieben, wurden 54 Personen. Der Rest meldete sich auf meine Anfrage in den Foren. Insgesamt nahmen 52 Erkrankte an der Umfrage teil. 71 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

Die ersten Fragen nach Alter, Alter bei Ausbruch der Erkrankung, gemachte Therapien et cetera, sowie die letzten Fragen, nach Umgang mit Stress und Wünschen für die Zukunft richteten sich an alle. Einige Fragen, wie nach der Abnabelung von den Eltern, der ersten Beziehung sowie allen weiteren Fragen, die sich mit der Entwicklung eines jungen Menschen auseinandersetzen, betrafen nur jene, bei denen die Erkrankung vor dem 25. Altersjahr ausbrach. 16.1.2

Vorgehen

Um eine möglichst grosse Anzahl Betroffener zu erreichen, habe ich mich dafür entschieden, eine neuere Art der Umfrage zu wählen. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich im studivz und im Croehnchen-Klub viele aktiv im Forum beteiligen. Beides sind deutsche Foren, in denen sich auch vereinzelt Schweizer befinden. Im schweizerischen Forum der Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung finden sich vergleichsweise nur wenige aktive Nutzer.

Zuerst wurden die Betreiber angefragt, ob eine Umfrage im Rahmen Bachelorarbeit möglich sei, danach konnte die Umfrage frei geschaltet werden. Die Laufzeit war auf zwei Wochen begrenzt. Alle wurden darauf hingewiesen, dass die Daten vertraulich behandelt werden. Die Anonymität der Teilnehmenden war insofern gesichert, dass in den Foren sowieso mit Pseudonymen agiert wird. Dem Fragebogen wurde eine Einleitung vorgeschaltet, in welcher Zweck und Thema erläutert wurden. Bei Fragen konnte man sich direkt an mich wenden. Kobi (2009, S. 35) benennt Strategien zur Erhöhung des Rücklaufs, oder in diesem Fall zur Erhöhung der Teilnahme: •

Anmahnen, gezielte Erinnerungsaktionen

Kürzere und interessantere Fragebögen

Personalisiertes Anschreiben

Nennung einer angesehenen und wissenschaftlichen Institution

Kleine materielle Anreize

Ungefähr alle zwei Tage wurde erneut auf die Umfrage hingewiesen, um Teilnahme gebeten und somit die Rubrik in den Vordergrund gerückt, damit sie nicht von anderen Themen überlagert und übersehen wurde. Personen, mit denen ich schon früher durch die Foren Kontakt hatte, habe ich persönlich angeschrieben und sie um ihre Teilnahme gebeten. Der gebotene Anreiz war nicht materieller Natur, sondern den Betroffenen wurde versprochen, bei Interesse die fertige Arbeit zu senden. Die meisten Teilnehmer haben daraufhin per Nachricht ihr Interesse bekundet und ihre E-Mail-Adresse hinterlassen. 72 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

16.2 16.2.1

Fragebogenkonzept Fragebogenaufbau

Der Fragebogen war so konstruiert, dass die Betroffenen aus ihrer Perspektive über die Erkrankung berichteten. Die Fragen müssen unzweideutig sein, nicht zu lange und zu kompliziert, nicht mehrdimensional, keine Unterstellungen enthalten oder suggestiv sein, nicht Fachkenntnisse voraussetzen und die Antwortmöglichkeiten bei geschlossenen Fragen sollen disjunkt und erschöpfend sein. Ausserdem ist es sinnvoll, zusammengehörige Fragen in Themenblöcke zu gliedern (vgl. Kobi, 2009, S. 36).

Der Fragebogen war mit 22 Fragen kurz gehalten. Der erste Block nach den soziodemographischen Fragen beschäftigte sich mit dem Alter beim Ausbruch, der Dauer bis zur Diagnose und der Art der Krankheit, sowie Betroffene von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und anderen chronischen Krankheiten in der nahen und fernen Verwandtschaft. Der zweite Block enthielt Fragen zu erprobten medizinischen und alternativen Therapien und Beratungen. Der dritte Teil nannte die wichtigsten Fragen zu Einschränkungen in der Entwicklung und Entwicklungsaufgaben, sowie zu Auswirkungen auf Familie, Freunde und Schule/Ausbildung. Abschliessend, im vierten Frageblock, wurde nach dem Umgang mit Stressoren, nach der Beschaffung von Informationen und Ratschlägen, sowie nach Wünschen betreffend die Krankheit und betreffend die Zukunft gefragt.

Vor den Fragen zu den Auswirkungen auf die Entwicklung kam ein Filter zum Einsatz, der darauf hinwies, dass die folgenden Fragen nur von denen beantwortet werden mussten, welche den Ausbruch der Erkrankung bis zum 25. Altersjahr erlebt hatten.

Entgegen den Empfehlungen von Schaffer (2002, S. 94) die soziodemographischen Fragen zu Alter, Arbeit et cetera an den Schluss zu nehmen, wurden diese an den Anfang gestellt, vor allem um einen direkten Vergleich zwischen dem momentanen Alter und dem Alter bei Ausbruch der Krankheit zu haben. Um diesen Themenblock nicht auseinander zu reissen, wurden gleich alle soziodemographischen Fragen an den Anfang genommen. Nicht alle dieser Fragen wurden ausgewertet, so schreibt auch Kobi (2009, S. 35), dass nicht alle Fragen „untersuchungsrelevant sein müssen“.

Die Auswertung der Fragen dient zur Untermauerung und Illustration der Arbeit. Mir ist bewusst, dass die Umfrage aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und der Stichprobenauswahl im Vergleich zur Gesamtbevölkerung keine hohe Repräsentativität aufweist.

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16.2.2

Hypothesen

Bevor ein Fragebogen erstellt wird, muss klar sein, was damit bezweckt und was herausgefunden werden soll. Hypothesen und Ziele müssen vorab formuliert werden (Diekmann, 1998; zit. nach Kobi, 2009, S. 34). Unter anderem wollte ich bei gewissen Fragen, wie nach Mitbetroffenen in der Familie, einen Vergleich zur Literatur haben, und von den Betroffenen erfahren, was sie alles schon an Therapien ausprobiert haben. Auch richteten sich Fragen auf das Erleben der Erkrankung, da in der gefundenen Literatur kaum auf die Sicht der Betroffenen eingegangen wird. Die Hypothesen sind folgende: •

Unter den Teilnehmenden hat es solche, die chronisch Erkrankte in der nahen und entfernten Familie haben.

Neben medikamentösen Therapien hat ungefähr die Hälfte der Teilnehmenden auch andere Therapien und Beratungen genutzt.

Dreiviertel der Teilnehmenden beschaffen sich krankheitsrelevante Informationen und Ratschläge in Foren.

Die Rücksichtnahme der Eltern hat nach Ausbruch der Erkrankung zugenommen.

Der Morbus Crohn hat sich negativ auf die Entwicklung ausgewirkt und Entwicklungsaufgaben verzögert.

Der Umgang mit Stressoren ist eher passiv als aktiv.

16.2.3

Pretest

Bevor eine Umfrage gestartet wird, erfolgt der Pretest mit wenigen Personen, um Unklarheiten bei der Frageformulierung und die Dauer des Ausfüllens heraus zu finden (vgl. Kobi, 2009, S. 35). Der Fragebogen wurde von drei Personen im Vornherein ausgefüllt. Sie meldeten mir zurück, ob Fragen missverständlich, nicht richtig ausformuliert oder zu kompliziert waren. Dazu gehörten Tippfehler, Ausformulierungen, Präzisierungen, Auslassungen sowie Erweiterungen von Fragen. 16.2.4

Rücklauf

Von den 54 versendeten Fragebögen kamen 25 ausgefüllt zurück, was eine Quote von 46.3% ausmacht. Die restlichen 27 Personen haben direkt auf die Umfrage in den Foren geantwortet. Sechs ausgefüllte Fragebögen, die verspätet eintrafen, konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Nach Ende der Befragung habe ich mich per Nachricht in den Foren bei den Teilnehmenden bedankt.

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16.2.5

Datenaufbereitung

Die Daten wurden zwecks Einfachheit in eine vorbereitete Exceldatei eingegeben und dort ausgewertet. Die Datenaufbereitung beanspruchte mehr Zeit als ursprünglich dafür eingerechnet wurde. Um die Fehlerquote bei der Eingabe zu minimieren, wurde jeder Fragebogen zwei Mal durchgegangen.

17 Ergebnisse der Umfrage Es werden im Folgenden nur diejenigen ausgewerteten Antworten erläutert, die für die Hypothesen relevant sind.

17.1

Teilnehmende

Insgesamt haben 52 Personen an der Umfrage teilgenommen. Alle Teilnehmenden kommen aus Deutschland. Von den 52 Personen waren 39 Frauen und 13 Männer, was einen Anteil von 75% Frauen zu 25% Männern ausmacht. Dies erweckt den Anschein, dass mehr Frauen als Männer von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen betroffen sind, gemäss Literatur ist das Geschlechterverhältnis aber ungefähr ausgeglichen. Aus welchen Gründen gewisse Daten anders ausfielen als erwartet, wird am Schluss der Ergebnisse diskutiert.

Abbildung 7:

17.2

Geschlechtsverteilung der Teilnehmenden

Altersdurchschnitt bei Ausbruch/Art der Erkrankung

In der Online-Umfrage wurde gefragt, in welchem Alter die Teilnehmer waren, als die ersten Symptome der Erkrankung auftraten und welche Diagnose mittlerweile gestellt wurde. Einen Überblick zu den Antworten geben folgende Grafiken:

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Abbildung 8:

Von den Befragten angegebenes Alter bei Ausbruch der Erkrankung

Abbildung 9:

Diagnostizierte Darmerkrankung

Wie aus Abbildung 8 ersichtlich ist, begann die Erkrankung bei der Mehrheit zwischen dem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr. Die genaue Anzahl Betroffener vor und mit dem 20. Altersjahr beträgt 41 Personen, was fast 79% der Befragten ausmacht. Einen Ausbruch der Symptomatik vor dem 20. Lebensjahr erlebten 36 Personen, was 69% der Befragten sind. Das errechnete Durchschnittsalter lag bei 17.5 Jahren, trotz einer Person, bei der die Symptomatik bereits mit eineinhalb Jahren einsetzte. Am spätesten begann es bei einer weiblichen Person mit 29 Jahren.

Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei Erhebung bei 24.5 Jahren, die älteste befragte Person war 48-jährig. 37 ausgefüllte Fragebögen stammten aus dem studivz und 15 aus dem Croehnchen-Klub. Die Umfrage könnte somit dadurch verfälscht worden sein, dass hauptsächlich sehr junge Teilnehmende mitmachten, bei denen die Krankheit folglich auch früh ausgebrochen ist.

Abbildung 9 zeigt die Verteilung der Erkrankungen. Entgegengesetzt epidemiologischer Erhebungen waren unter den Befragten mehr Morbus Crohn Erkrankte. Eine Person, was 2%

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ausmacht, leidet gleichzeitig an Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa und eine Person verfügt über keine klare Diagnose, eine Colitis Indeterminata.

Ein weiterer Grund für das junge Durchschnittsalter der Teilnehmenden und die höhere Anzahl Morbus-Crohn-Erkrankter könnte der Einleitungstext zur Erhebung sein. Daraus wurde ersichtlich, dass ich eine Arbeit zu Morbus Crohn im Jugendalter schreibe und es mir wichtig ist, dass sich viele daran beteiligten, die schon früh mit der Diagnose konfrontiert wurden, was bewirkt haben könnte, dass sich mehr junge sowie mehr Morbus-Crohn-Betroffene angesprochen fühlten.

17.3

Chronisch Kranke in der Familie

Abbildung 10:

Häufigkeit von chronisch erkrankten Familienangehörigen

Die Forumsmitglieder wurden gefragt, ob Familienangehörige an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und/oder an anderen chronischen Krankheiten leiden. Die Frage wurde absichtlich weit gefasst, damit auch weiter entfernte Verwandte genannt wurden. Von den 16 Personen, den 29%, die mit „Ja“ antworteten, haben zwölf Personen, 21.5%, lineare Verwandte, wie Mutter, Vater oder Geschwister, und vier Personen, 7.5%, weitläufigere Verwandte, wie Cousinen, Cousins, Onkel, Tanten, die von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen betroffen sind. Bei 29% der Teilnehmenden haben Familienangehörige eine andere chronische Erkrankung, dabei wurde Diabetes mit 12.5 % am häufigsten genannt. Jedoch wurde der entsprechende Typ nicht angegeben. 7% der Befragten wiesen gleichzeitig eine CED und eine andere chronische Krankheit in der Verwandtschaft auf. Diese sind sowohl unter „mit CED“ als auch unter „andere chronische Krankheiten“ zu finden. Wieso sich in dieser Umfrage eine solch hohe Prozentzahl an Verwandten mit chronischen Darmerkrankungen finden lässt, ist unklar. Es ist zwar nicht erstaunlich, dass in diesen Familien weitere Personen mit CED gefunden wurden, was in der Literatur mehrfach bestätigt wird. Eine mögliche Erklärung wäre aber die geringe Anzahl der Teilnehmenden. Eventuell würde

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sich die Häufigkeit betroffener Familienangehöriger bei einer grösseren Stichprobenauswahl gegen unten korrigieren.

17.4

Genutzte Therapien

Die Betroffenen wurden gefragt, ob sie aktuell Medikamente einnahmen, schon einmal eine Psychotherapie gemacht und/oder ob sie schon alternative Therapien genutzt haben und wenn ja, welche.

43 Personen nahmen zum Zeitpunkt der Umfrage regelmässig Medikamente, und neun Personen nahmen keine, was gerundet 83% zu 17% ausmacht. Vier Betroffene, knapp 8%, nahmen weder Medikamente, noch haben sie je eine alternative Therapie oder Psychotherapie beansprucht.

Von 52 Personen sind 23 Personen, das heisst, 44% schon einmal in einer Psychotherapie gewesen. Welche Art von Psychotherapie wurde nicht gefragt, trotzdem wurden einmal die Verhaltenstherapie und einmal die Gesprächstherapie genannt. Alternative Therapien haben 21 Personen ausprobiert, knapp 40.5% der Befragten, davon haben 15 Personen, 29%, eine Homöopathin oder einen Homöopathen aufgesucht und sieben Personen, 13.5%, bereits zwei oder mehr komplementäre Therapien in Anspruch genommen.

Psychotherapie und alternative Therapien wurden somit nicht ganz von der Hälfte der Teilnehmenden genutzt, was meine Hypothese zwar nicht vollkommen stützt, doch hat immerhin eine grosse Anzahl der Befragten bereits andere Behandlungen neben der medikamentösen ausprobiert.

17.5

Genutzte Beratungsangebote

In einer Sozialberatung waren von 52 Teilnehmenden nur sieben Personen, was 13.5% ausmacht, vier Personen (7.7%) davon betreffend eines Antrags für einen Schwerbehindertenausweis. Einmal wurde die Sozialberatung aufgrund Fragen zu einem Rehabilitationsaufenthalt, einmal wegen allgemeinen sozialrechtlichen Fragen sowie einmal bezüglich Probleme im Studium beansprucht.

Dass die Sozialberatung kaum beansprucht wurde, könnte damit zusammenhängen, dass 35 Personen, 67.3%, sich übers Internet in Foren und auf Informationsseiten Tipps und Ratschläge holen. Neun (17.3%) gehen zu regelmässigen Treffen von Selbsthilfegruppen, vier (7.7%) besuchen Infoveranstaltungen und zwei (3.8%) gaben an, sich zusätzlich in Broschüren und Büchern zu informieren. 15 Personen wenden sich bei allen Anliegen, welche die 78 / 98


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Krankheit betreffen, nur an ihren Arzt. Die Sozialberatung scheint für die Meisten nicht oder noch nicht wichtig zu sein, da sie mit anderen Möglichkeiten an genug Ratschläge kommen. Diese Zahlen bestätigen die These, dass viele sich heutzutage krankheitsrelevante Informationen über das Internet einholen, wobei es hier nicht, wie von mir vermutet, 75% der Teilnehmenden waren.

17.6

Belastende Faktoren

Dieser Teil erläutert die Daten zu den belastenden Faktoren der Erkrankung in der Jugend sowie zu den Auswirkungen auf die Entwicklungsaufgaben. Durch den eingesetzten Filter, hätten nur 49 Personen die entwicklungsbedingten Fragen beantworten sollen, zwei davon haben aber diesen Teil nicht ausgefüllt, so dass von insgesamt 52 Teilnehmenden 47 Antworten (90.4%) diesbezüglich ausgewertet werden konnten.

Es folgt eine Auflistung genannter Auswirkungen der Erkrankung, wobei die meisten mehrere Faktoren angaben. In Klammern steht wie oft ein Faktor erwähnt wurde:

Ausbildung •

viele Fehltage (29 x)

Anschluss finden an Lernstoff schwierig (12 x)

repetieren von Semester während Schule/Studium/Lehre (11 x)

Abbruch einer Ausbildung (4 x)

Familie •

keine Auswirkung (21 x)

viel Verständnis (11 x)

stärkerer emotionaler Halt (10 x)

stärkere Unterstützung und Rücksichtnahme (9 x)

Eifersucht der Geschwister (3 x)

kein Verständnis von den Eltern (2 x)

Freundschaften •

Freundschaften verloren (16 x)

Beziehungen zu einer Partnerin oder einem Partner komplizierter geworden (11 x)

Verständnis (10 x)

vorhandene Freundschaften intensiver geworden (9 x)

Unverständnis, können/wollen nicht verstehen (7 x)

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gehänselt worden (6 x)

Akzeptanz (5 x)

Entwicklung •

keine Einschränkungen gegenüber anderen Gleichaltrigen beobachtet (23 x)

Ablösung von Eltern verspätet (13 x)

später als andere Jugendliche Beziehungen zu einer Partnerin oder einem Partner entwickelt (7 x)

später als andere Jugendliche angefangen, an Parties und Unternehmungen mit Gleichaltrigen teilzunehmen (6 x)

Pubertät verspätet (4 x)

Freundschaftsaufnahmen erschwert (4 x)

langsameres Wachstum als Gleichaltrige (3 x)

Die Vielfalt genannter Belastungen und Auswirkungen ist gross, wobei sowohl positive als auch negative Punkte genannt wurden. Die Hypothese, dass die Rücksichtnahme der Eltern zunahm, wurde nur neun Mal, 19.1%, von insgesamt 47 Antworten genannt. Viele Teilnehmende waren der Ansicht, dass es keine Veränderungen im Familiensystem gab. Gewisse Entwicklungsaufgaben scheinen verzögert worden zu sein, wie der Eintritt der Pubertät (8.5%), die Aufnahme von Beziehungen (14.9%), Freundschaften zu Gleichaltrigen (8.5%) und vor allem die Ablösung von den Eltern mit 27.7%.

17.7

Bewältigungsstrategien

In der Literatur wird erwähnt, dass im Umgang mit Stress vor allem kognitive Strategien zum Zuge kommen und seltener handlungsorientierte. Rückzug (handlungsorientiert) bei belastenden Situationen wurde 34 Mal genannt, von 65.4% aller Teilnehmenden, 11 Personen (21.2%) versuchen stressreiche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen (handlungsorientiert), 5 Personen (9.6%) versuchen diese auf der Gefühlsebene weniger an sich heran zu lassen und es „lockerer zu sehen“ (emotional), 17 Personen (32.7%) lenken sich ab und schaffen sich mit Hobbies, wie Sport, lesen, Musik hören, einen Ausgleich (handlungsorientiert) und 7 Teilnehmende (13.5%) reden mit anderen über die belastende Situation (emotional). 23.1% haben erwähnt, dass Stressoren sich schlecht auf die Krankheit auswirken und/oder einen Schub auslösen können. Drei Personen haben diese Frage mit „weiss nicht“ beantwortet.

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Die Hypothese, dass belastende Situationen nicht durch aktive Handlungen bewältigt werden, bestätigt sich hier nicht, auch wurden handlungsorientierte Strategien sogar am häufigsten genannt, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Teilnehmenden funktionierenden Strategien für sich entdeckt haben und von einem Repertoire an Copingtaktiken auswählen können.

17.8

Wünsche

Eine weitere Frage war, ob ihnen etwas gefehlt hat bis jetzt oder sie sich etwas wünschen. Es wurden kaum Vorschläge oder Wünsche genannt. 9 Personen, 17.3% wünschen sich, ihre Ärztin oder ihr Arzt hätte und würde sich mehr Zeit für ihre Anliegen nehmen und 4 Personen, 7.7%, wären froh um eine unkomplizierte E-Mail-Beratung. Alle anderen scheinen entweder zufrieden zu sein und/oder haben keine spezifischen Wünsche oder Ideen.

Es fragt sich, ob eine E-Mail-Beratung für die Sozialarbeit nicht sinnvoll wäre. Dadurch würden vielleicht mehr junge Menschen dort ihre Anfragen platzieren, und es würde die Sozialarbeit attraktiver machen, vor allem in der heutigen medialen Welt. Bei den erwähnten Beratungsstellen sind zwar E-Mail-Anfragen möglich, aber ausser bei der Pro Juventute muss bei allen Name und Adresse hinterlassen werden, was auf gewisse Jugendliche möglicherweise zu verbindlich wirkt.

17.9

Erklärungen und Fazit

Bei dieser Umfrage muss beachtet werden, dass eher junge Menschen teilgenommen haben, da sich die ältere Generation weniger im studivz, eine Plattform für Studentinnen und Studenten, aufhält. Der Croehnchen-Klub hat zwar sehr viele Mitglieder, dort haben aber weniger Personen teilgenommen. Auch stammen die von mir persönlich angeschriebenen Personen alle aus dem studivz. Zu beachten ist ebenfalls die eher kleine Stichprobenauswahl. Bei einer grösseren Auswahl würden sich Faktoren, wie Ausbreitung von CED in der Familie, wahrscheinlich gegen unten korrigieren. Auch hat die Einleitung zum Fragebogen die Teilnehmenden möglicherweise beeinflusst, da erwähnt wurde, dass es um Auswirkungen auf die Entwicklung bei Morbus Crohn geht. Dies könnte hauptsächlich Personen mit Morbus Crohn angesprochen haben, bei denen die Erkrankung früh ausgebrochen ist. Die Umfrage gibt jedoch einen guten Überblick aus der Sicht der Betroffenen und ist als Illustration zu betrachten.

Als Fazit zu dieser Online-Umfrage kann gesagt werden, dass gewisse Fakten aus der Literatur gestützt werden, wie die Genetik als Ursache oder die Anwendung verschiedener The-

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rapiearten, andere hingegen nicht, wie der grössere Anteil weiblicher Teilnehmender und Morbus-Crohn-Betroffener, die jedoch beide nach Literatur ausgeglichen sein müssten.

Deutlich wird, dass die Erkrankung Auswirkungen auf die Entwicklungsaufgaben im Bereich der Familie, Schule/Ausbildung sowie Freundinnen und Freunde hatte. Die Erkrankten haben sich jedoch im Verlauf der Zeit eine Auswahl an Copingstrategien zugelegt und wenden diese situationsangepasst an.

Im Bereich der Sozialarbeit wurde ersichtlich, dass nur sieben Teilnehmende eine Beratung beansprucht haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Teilnehmenden durch die vielen Angebote der Vereinigungen und durch das Internet sowie ihren Ärzten genug Unterstützung und Informationen haben, und/oder die Beratung könnte zu verbindlich sein. Der Wunsch nach einer anonymen, unkomplizierten E- Mail- Beratung könnte ein Hinweis dafür sein. Eine unverbindliche E-Mail-Beratung oder ein Forum könnten ein mögliches zukünftiges Projekt in der Sozialberatung sein, um diese für die jungen Menschen attraktiver und unverbindlicher zu gestalten.

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III Schlussteil Im letzten Teil der Arbeit soll nochmals auf die Fragestellung Bezug genommen und diese mit dem Hauptteil verglichen sowie Schlüsse daraus gezogen werden, vor allem für die Soziale Arbeit. Auch enthält er ein kurzes Fazit zur Umfrage und den wichtigen Erkenntnissen daraus.

18 Bezugnahme auf Fragestellung und Reflexion Die einleitenden Fragen nehmen auf die belastenden Faktoren einer chronischen Erkrankung sowie auf persönliche Strategien zu deren Bewältigung Bezug. Ausserdem wird nach externen Unterstützungsmöglichkeiten für chronisch kranke Jugendliche und nach der Aufgabe der Sozialen Arbeit in diesem Bereich gefragt.

Das Thema ist von Bedeutung, da jede und jeder zehnte Jugendliche an einer chronischen Erkrankung leidet. Anhand verschiedenster Untersuchung mit Einbezug der medizinischen, psychischen, sozialen und biologischen Vorgeschichte, wird eine Diagnose gestellt. Aufgrund dieser wird die passende Therapie begonnen. Die Therapie kann in medikamentösen, psychotherapeutischen, alternativen sowie anderen Bereichen sein. Je nach Schwere der Erkrankung und der Krankheitsaktivität, was auch beim Morbus Crohn gilt, kommt eine andere Therapie oder Therapiekombination in Frage. Die Ursachen für den Ausbruch von Morbus Crohn sind vielfältig und konnten bis heute nicht vollständig beantwortet werden. Als Ursachen werden eine genetische Veranlagung, die Ernährung, immunologische Faktoren sowie vorhergehende Infektionen diskutiert. Eine chronische Erkrankung für sich ist belastend und wirkt sich auf die Entwicklung aus. Die Entwicklungsaufgabe in der Jugend sind normative Lebensereignisse, die alle Jugendlichen bewältigen müssen. Der Austausch darüber in der Peer-Group hilft ihnen damit umzugehen, neue Strategien zu entwickeln und sich darüber auszutauschen, wo Unterstützung geholt werden kann. Eine chronische Erkrankung ist jedoch ein nichtnormatives Ereignis und der Austausch mit gleich gesinnten Jugendlichen gestaltet sich schwieriger. Die Betroffenen haben weniger Vorbilder, die erfolgreich die Anforderung der Erkrankung und die Entwicklungsaufgaben bewältigt haben. Belastungen aufgrund der Krankheit finden sich häufig in den Bereichen „Schule“, „Gleichaltrige“, „anderes Geschlecht“ und „Freizeit“. Sie stehen meist in Zusammenhang mit den Entwicklungsaufgaben. Weitere Faktoren, die den Gesundheitszustand und die Krankheitsverarbeitung beeinflussen, sind Alter, Geschlecht, Persönlichkeitsstruktur, Selbstkonzept, Soziale Unterstützung, biographische Einflüsse, Art, Dauer und Schwere der Erkrankung. Um die Anforderungen er-

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folgreich zu meistern, benötigen die Jugendliche ein grosses Repertoire an Copingstrategien. So können psychische Probleme aufgrund der Erkrankung minimiert werden. Die Copingstrategien sind entweder problem- oder emotionsorientiert und gliedern sich in kognitive, emotionale sowie handlungsrelevante Strategien. Der Unterschied von chronisch erkrankten Jugendlichen zu gesunden ist, dass chronisch Kranke hauptsächlich kognitive Strategien, wie Bagatellisieren, Verleugnen, Ignorieren der Erkrankung, wählen und selten emotionale, wie das Isolieren von Gefühlen, und kaum handlungsrelevante Strategien. Bei an MorbusCrohn-Erkrankte verhält es sich nicht anders. Mittels Therapie und mithilfe der Eltern, die für die Erkrankten ein grosses Vorbild sind, soll das Selbstkonzeptes sowie das Erlernen neuer Copingstrategien gefördert und gestärkt werden. Dabei müssen der somatische, der psychische und der soziale Bereich berücksichtigt werden.

Die oder der Jugendliche kann von den Eltern, die Geschwister und Freundinnen und Freunden unterstützt werden. Eine offene Kommunikation in der Familie fördert das Verständnis für die oder den Erkrankten. In der Schule und den Peer-Groups ist Aufklärung über die Erkrankung durch Lehrer, Sozialarbeitende und die Betroffenen selbst notwendig, um Ängste und Vorurteile zu nehmen. Mit der Hilfe aller Beteiligten können kranke Jugendliche gut in den Freundeskreis und die Schule integriert werden.

Des Weiteren bieten neben den Fachärzten verschiedene Sozialberatungsstellen Unterstützung in den verschiedensten Lebensbereichen. Im Kanton Zürich gibt es sowohl Beratungsstellen für Jugendliche als auch Beratungsstellen für chronisch Kranke. Eine erste Anlaufstelle kann der nächste Sozialdienst sein. Nach einer Erstabklärung kann die Triage an eine Fachstelle erfolgen. Je nach Fragestellung ist das die Jugendberatung, die Pro Infirmis oder die Lungenliga oder auch eine auf eine bestimmte Krankheit spezialisierte Stelle. Die bekannteste Organisation, die sich auf Erkrankte spezialisiert hat, ist die Pro Infirmis. Sie ist sicherlich eine kompetente Ansprechstelle, die auch eng mit der Invalidenversicherung zusammen arbeitet. Die Anliegen der Betroffenen und ihrer Angehörigen drehen sich hauptsächlich um Freizeitgestaltung, Ausbildung, Hilfsmittel, Entlastungen und finanziellen Problemen. Das Beratungssetting kann von einer einmaligen Information bis zu einer Begleitung variieren. Die meisten Stellen arbeiten systemisch und stehen auch Angehörigen und anderen Personen, die mit den Erkrankten zu tun haben, zur Verfügung. Nebst diesen Stellen bieten das Internet, Selbsthilfegruppen sowie Bücher und Broschüren Informationen und Ratschläge für die Erkrankten sowie Möglichkeiten für den Austausch. Für von Morbus-Crohn-Betroffene ist die Schweizerische Vereinigung für Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa ein kompetenter Ansprechpartner, sowie auch diverse spezialisierte Inter-

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netseiten und Foren. Auch hier können Sozialarbeitende unterstützend wirken, indem sie über die Möglichkeiten informieren und eventuell auch den Zugang zu diesen ebnen.

Die Online-Umfrage war insofern hilfreich, als dass sie einen Einblick in das Leben Betroffener gewährte. Die Antworten der Teilnehmenden zeigten, dass die Erkrankung ein einschneidendes Ereignis war, sie die Entwicklung in manchen Bereichen eingeschränkt oder verzögert hat und die Beziehungen zu Freundinnen und Freunden sowie zur Familie verändert hat. Sie haben sich jedoch im Verlaufe der Zeit eine Vielzahl an Bewältigungsstrategien zugelegt, die sie in der entsprechenden Situation hervor holen können. Dabei ist auffällig, dass die heute erwachsenen Betroffenen vor allem handlungsorientierte Strategien anwenden. Auch wurde ersichtlich, dass sich heutzutage fast drei Viertel der jungen Betroffenen selbstständig durchs Internet, an Informationsveranstaltungen und durch andere Möglichkeiten Informationen beschaffen.

Der anonyme, unkomplizierte Zugang durch das Medium Internet wäre allenfalls eine Chance für die Sozialarbeit. Das scheint dem heutigen Zeitgeist der Jugendlichen zu entsprechen. Sie wollen sich schnell, unverbindlich und unkompliziert informieren können, so wäre eine anonyme E-Mail-Beratung oder ein anonymes Forum eine mögliche Idee. Dabei denke ich an die grossen Fachstellen, wie Pro Infirmis und die Lungenliga, die solche Stellen errichten und ein innovatives Pilotprojekt aufbauen könnten.

19 Fazit Diese Arbeit zu erstellen und die Literatur dazu zu lesen war sehr spannend. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema sensibilisierte mich in der Arbeit als Sozialarbeiterin noch mehr auf die Anliegen Betroffener. Vor allem in den Bereichen Arbeit und Freizeit kann die Zusammenarbeit mit chronisch kranken Jugendlichen eine Herausforderung darstellen. Durch die Arbeit konnte ich mein Wissen in diesen Bereichen und in weiteren Fragen vertiefen. Sie bezweckt, dass sich Sozialarbeiter mit dieser besonderen Gruppe von Jugendlichen beschäftigen, sich der Herausforderung bewusst sind und über Informationen verfügen, welche Bereiche am häufigsten von einer chronischen Krankheit betroffen sind und wo die jungen Menschen und ihre Angehörigen eine fachlich kompetente Beratung erhalten.

20 Schlusswort Ich blicke auf eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Arbeit zurück und möchte allen Teilnehmenden der Online-Befragung für ihren Einsatz danken, was die Arbeit noch interessanter gestaltete. Auch danke ich Frau Karin Werner für ihre kompetente Begleitung und 85 / 98


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ihren konstruktiven Feedbacks w채hrend der ganzen Arbeit, sowie allen anderen Menschen in meinem Umfeld, vor allem Cornelia Grob, Christof Meier und Kin Bui, f체r ihre Unterst체tzung und ihre Geduld.

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Chronische Krankheit in der Jugend

Anhang 1 Adressen von Beratungsstellen Informationsseite über verschiedene Beratungsangebote der Stadt Zürich Stadt Zürich Informationszentrum Ausstellungsstrasse 88 8005 Zürich Telefon: 044 447 17 17 Fax: 044 447 16 26 izs@zuerich.ch www.stadt-zuerich.ch/izs

Jugendberatung Zürich-City Röntgenstrasse 44 8005 Zürich Telefon: 044 444 50 50 www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/beratung/beratung.html Jugendberatung Zürich-Nord Baumackerstrasse 18 8050 Zürich Telefon: 044 316 60 60 Fax: 044 316 60 61 www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/beratung/beratung.html Kispi Zürich Telefon für allgemeine Anfragen: 044 266 71 11 Telefon für medizinische Fragen und Beratung: 0900 266 711 (CHF 3.23 pro Minute) www.kispi.uzh.ch/pf/Elternratgeber/Sozialdienst/Team_de.html

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Chronische Krankheit in der Jugend

KOSCH Stiftung KOSCH Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz Laufenstrasse 12 4053 Basel Telefon: 061 333 86 01 Fax 061 333 86 02 gs@kosch.ch www.kosch.ch Lungenliga Zürich Lungenliga Zürich Wilfriedstrasse 7 8032 Zürich Telefon: 044 268 20 00 Fax: 044 268 20 20 info@lungenliga-zh.ch www.lungenliga-zh.ch Pro Infirmis Pro Infirmis Zürich Hohlstrasse 560 Postfach 8048 Zürich Telefon: 044 299 44 11 Fax: 044 299 44 22 zuerich@proinfirmis.ch www.proinfirmis.ch Pro Juventute pro juventute Zürich Strässle Armin Schaffhauserstrasse 374 8050 Zürich Telefon: 043 300 60 08 zuerich@projuventute.ch „Sorgentelefon“: www.147.ch 96 / 98


Chronische Krankheit in der Jugend

Schulsozialarbeit www.stadt-zuerich.ch/schulsozialarbeit Sozialzentren www.stadt-zuerich.ch/sozialzentren

Selbsthilfezentrum Z端rich OTZ Telefon: 043 288 88 88 selbsthilfe@offenetuer-zh.ch www.offenetuer-zh.ch Schweizerische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung www.smccv.ch

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Chronische Krankheit in der Jugend

Anhang 2 Fragebogen 1.

Weiblich oder Männlich?

2.

Wie alt bist du?

3.

Arbeitest du, wenn ja, was?

4.

Hast du einen Schwerbehindertenausweis? Wenn ja, wieviel Prozent?

5.

Wie alt warst du als die Symptome anfingen?

6.

Wie lange ging es bis zur Diagnose?

7.

Hast du MC oder CU?

8.

Ist jemand in der Familie ebenfalls betroffen und wenn ja, wer?

9.

Leiden andere Familienmitglieder an anderen chronischen Erkrankungen?

10.

Nimmst du zurzeit Medikamente?

11.

Hast du schon einmal/ machst du zurzeit eine Psychotherapie?

12.

Hast du schon alternative Therapien versucht? Wenn ja, welche?

13.

Warst du schon Mal in einer Sozialberatung? Wenn ja, warum?

Falls du schon seit Kindheit/ Jugend/ junges Erwachsenenalter (bis 25jährig) eine CED hast. Die anderen gehen zu Frage 20 weiter:

14.

Hat euch die Krankheit in eurer Entwicklung eingeschränkt (z. B. bei der Abnabelung von den Eltern, Aufnahme erster Liebesbeziehungen, Freundschaften zu Gleichaltrigen, Pubertät etc.)? Wenn ja, in welcher Art?

15.

Wie hat sich das auf deine Ausbildung/ Schule ausgewirkt?

16.

Musstest du eine Ausbildung abbrechen/ Schulklasse wiederholen?

17.

Hat sich die CED auf das Verhältnis in der Familie (zu Eltern/ Geschwistern) ausgewirkt? Wenn ja, wie?

18.

Hat sich die CED auf Freundschaften ausgewirkt? Wenn ja, wie?

19.

Wirst du/ wurdest du deswegen von Freunden/ Kameraden gehänselt?

20.

Wie gingst/ gehst du mit Stress um?

21.

Hast du dir jemals Ratschläge/ Tipps in Verbindung mit der CED geholt? Wenn ja, wo?

22.

Hättest du dir im Bereich der Beratung betreffend der CED etwas Spezifisches gewünscht oder hat dir etwas gefehlt? 98 / 98


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