Entzündliche Darmerkrankungen und Depression Stefan Begré 1∆, Rafael J. A. Cámara1, Roland von Känel1 1 Kompetenzzentrum für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin, Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital/Universitätsspital Bern, CH-3010 Bern Chronische Erkrankungen sind bei den meisten Patienten mit einem erheblichen Stresspotential verbunden. Aus körperlichen Beschwerden resultieren oftmals zahlreiche soziale Einschränkungen, aus denen depressive Verstimmungen und starke Ängste resultieren können. Entzündliche Darmerkrankungen (CED) verursachen neben Schmerzen auch Symptome wie Durchfall und übel riechende Windabgänge. Diese Symptomatik kann zu sozialem Rückzug und damit ungenügender sozialer Unterstützung in persönlichen oder beruflichen Belastungssituationen führen. Oftmals zeigen sich im Laufe der Erkrankung Stimmungsschwankungen, Freudlosigkeit und Interesseverlust, Wertlosigkeitsgefühle, negative Zukunftsideen, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme und Appetitmangel. Diese Symptome entsprechen denjenigen einer Depression (Kasten). Es stellt sich die Frage, ob bei Patienten mit CED eine Häufung von Depressionen beobachtbar ist, dies aufgrund ihrer starken psychischen Belastung im Rahmen wiederkehrender diagnostischer und therapeutischer Interventionen, Hospitalisierungen und sozialen Einschränkungen. Der Zusammenhang zwischen körperlicher Erkrankung und dem Auftreten von Depressionen ist in der Literatur v.a. bei chronischen Schmerzen und Herz-Kreislauferkrankungen gut dokumentiert. Je nach Studie leiden 1.5 - 100% der Patienten mit chronischen Schmerzen unabhängig von deren Ursache an Depressionen. Umgekehrt leiden 15 - 100% der an Depression erkrankten Menschen auch unter chronischen Schmerzen (1). Die Frage nach dem Huhn und dem Ei ist hier methodisch nicht einfach zu beantworten. Bei Herzgefässerkrankungen ist die Datenlage klarer. So scheinen Herzgefässerkrankungen vermehrt bei Depressiven aufzutreten (2) und der Verlauf ist bei nach Herzinfarkt neu aufgetretener Depression ungünstiger, verglichen mit Patienten die nach Infarkt nicht depressiv wurden (3). Zunehmend bildet sich die Erkenntnis ab, dass chronische Erkrankungen aufgrund wiederholter diagnostischer und therapeutischer Eingriffe psychisch ebenso traumatisierend erlebt werden können, wie durch Einzelereignisse verursachte Traumata im Zusammenhang mit Naturkatastrophen, Unfällen, Folter oder anderen körperlichen und seelischen Gewalteinwirkungen. So leiden ungefähr 10% der Patienten mit einer Herzgefässerkrankung nach Infarkt unter einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (4). Solche Menschen erleben wiederholt und ohne ihr Zutun immer wieder neu die Ereignisse rund um ihren Infarkt. Sie vermeiden deshalb, wenn immer möglich, Hinweisreize, die sie an die Erlebnisse rund um den Infarkt erinnern und leben in einer ständigen ängstlichen Anspannung und erhöhten Wachsamkeit für Symptome, die einen erneuten Infarkt anzeigen könnten. Eine posttraumatische Belastungsstörung erhöht das Risiko für depressive Verstimmungen nach Herzinfarkt zusätzlich. Bei CED sind ähnliche Zusammenhänge in der Literatur noch wenig beschrieben. Unzulängliche Stichprobengrössen und andere methodische Probleme liessen bisher keine klaren Schlüsse zu, inwieweit eine depressive Erkrankung sich aus einer CED entwickelt, deren Verlauf ungünstig beeinflussen mag oder gar das Risiko für deren Auftreten erhöht (5). Nichtsdestotrotz deuten mehrere Studien auf einen Zusammenhang zwischen M. Crohn resp. Colitis ulcerosa und gehäuftem Auftreten von Depressionen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Auch unsere Forschungsgruppe konnte in der bisher grössten repräsentativen Stichprobe mit M. Crohn aus der Schweizer Kohortenstudie (Swiss IBD Cohort Study SIBDCS) für CED eine Häufung entzündlicher Schübe über 18 Monate nachweisen je stärker die Patienten unter Depression und Angst litten (6). Fast 20% der zufällig überprüften Patienten aus dem gleichen Patientenkollektiv wiesen eine klinisch bedeutsame posttraumatische Belastung auf. Bei Menschen, welche durch ihre Krankheit traumatisiert waren, standen die Chancen auf einen schubfreien Verlauf 13x schlechter als bei solchen, die keine Gefühle der Traumatisierung aufwiesen (7). Sozialer Support übte einen günstigen Einfluss auf den Verlauf aus. So erlitten Patienten mit ungenügender sozialer Unterstützung eher (37%) einen oder mehrere entzündliche Schübe über 18 Monate als das gesamte