Spätlese spezial

Page 1


2

Die Angst vor dem Hörgerät ist völlig unbegründet Der Nutzen ist groß und lässt das vermeintliche Manko schnell vergessen VON VERA WEDIG Mit zunehmendem Alter eines Menschen ändern sich auch die Funktionsabläufe des Körpers. Dieses lässt sich – leider nicht unbedingt zur Freude der Betroffenen – auch am nachlassenden Funktionieren der Sinnesorgane feststellen. Ganz im Vordergrund steht hier das allmähliche Schwächerwerden der Hörfähigkeit – eigentlich ein normaler Vorgang. Nur fällt es schwer, dies ohne Weiteres zu akzeptieren, ist doch das Gehör der wichtigste Körpersinn, der für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eine Rolle spielt. Wer das Problem, in einer Gruppe zu stehen und der Unterhaltung nicht mehr folgen zu können, am Telefon nicht mehr alles zu verstehen oder mit dem Ehepartner über die Lautstärkeeinstellung der Fernbedienung zu streiten, nicht kennt, kann sich glücklich schätzen. Die Altersschwerhörigkeit ist ein häufiges Problem der über 60-Jährigen. Aus diesem Grund ist es von großer Wichtigkeit, dass das Hörvermögen frühzeitig überprüft wird. Die Angst, dass immer gleich ein Hörgerät verordnet werden muss, ist nach Aussage des Stadthäger HNO-Arztes Bernward Bock unbegründet. Zunächst einmal gehe es darum, das Ausmaß der Hörstörung zu erfassen, um dann vom Arzt die richtigen Empfehlungen zu bekommen, wie mit dem Hördefizit besser im Alltag umgegangen werden kann. Manchmal gibt es auch medikamentöse Hilfsmöglichkeiten. Die Altersschwerhörigkeit betrifft die höheren Töne. Zunächst wird sie nicht bemerkt. Werden aber die Tonhöhen (Frequenzen), die für das Sprachverstehen eine Rolle spielen, im Verlauf des Abnutzungsprozesses zunehmend miterfasst, macht sich das Problem im Alltag fortschreitend unangenehm bemerkbar. Allerdings ist nicht jede Form der Schwerhörigkeit nur ein Problem, das Senioren kennen. Auch junge Leute

Angst vor dem Ohrenarzt oder einem Hörtest ist völlig unbegründet, weiß Spätlese-Mitarbeiterin Vera Wedig, die sich hier von HNO-Arzt Bernward Bock untersuchen lässt. Foto: pr. können bereits davon betroffen sein. Immerhin beginnen die ersten Abnutzungserscheinungen teilweise bereits bei 30-Jährigen. Hier können vermehrte Reizüberlastungen im privaten Bereich (laute Musik, Kopfhörer), arbeitsbedingte Lärmüberlastungen aber auch sogenannte familiäre (also erblich bedingte) Innenohr-Erkrankungen eine Rolle spielen. Aus diesem Grund werden auch Hörüberprüfungen bereits im jüngeren Alter vom HNO-Arzt durchgeführt. Welches sind nun die ersten Anzeichen der Hörminderung? Oftmals ist das erste Warnsignal ein Ohrgeräusch, das nicht mehr ganz verschwindet. Dieser auch Tinnitus genannte Klingelton sollte, wenn er nicht schnell wieder verschwindet, unbedingt ernst genommen werden und zum Aufsuchen des HNOArztes führen. In dieser frühen Phase der Innenohrschädigung ist es oftmals noch möglich, den Schädigungsprozess durch Medikamente und spezielle andere Maßnahmen aufzuhalten – beispielsweise per Sauerstoff-MehrschrittTherapie. Mittlerweile ist es so, dass die nach wie vor von den HNO-Ärzten dringend emp-

fohlenen Maßnahmen nicht mehr oder nur noch teilweise von den Krankenkassen übernommen werden. Nur wenn auch der sogenannte Sprachhörtest zeigt, dass die Degeneration, also die Abnutzung der Sinneszellen im Innenohr, so weit fortgeschritten ist, dass eine apparative Hörhilfe für ein oder beide Ohren unumgänglich ist, wird der HNOArzt die Empfehlung für ein Hörgerät aussprechen und dieses verordnen. Eines ist aber wichtig: Das Hörgerät gehört an die Ohren und nicht in die Nachttischschublade. Jedes Hörgerät kann individuell in Zusammenarbeit zwischen Betroffenen, Hörgeräteakustiker und HNO-Arzt so optimal eingestellt werden, dass es seinen Nutzen bringt und damit immer unentbehrlicher wird. Die Angst vor dem Hörgerät ist damit völlig unbegründet. Ein Wort zu den Kosten: Hörgeräte können sehr teuer sein. Ist ihre Verordnung aber medizinisch begründet (was der Arzt durch die Verordnung attestiert), so wird von den Krankenkassen ein fester Betrag für jedes Ohr zugebilligt und voll übernommen. Die Akustiker sind verpflichtet, diese Modelle, die von

den Krankenkassen komplett bezahlt werden, den Patienten zur Erprobung zu überlassen. Nur wer nach dieser Erprobung höhere Ansprüche an ein Hörgerät stellt, muss die über den Grundbetrag hinausgehende Differenz dann selbst zahlen. Geduld und Vergleich zahlen sich also aus. Auch die im Zusammenhang mit Hörgeräten oftmals geäußerte Befürchtung („Wie sieht das denn aus? Jetzt bin ich richtig alt.“) ist heutzutage nicht mehr zutreffend. Die Digitalisierung mit immer kleineren Prozessoren hat auch vor der Hörgerätetechnologie nicht Halt gemacht. Mittlerweile gibt es dermaßen kleine und optisch unauffällige Hörgeräte, dass es sogar vorkommen kann, dass Hörgeräteträger oftmals gar nicht mehr ausgemacht werden können. Auch der Umgang mit den Hörgeräten wird immer komfortabler und lässt sich, wenn man sich frühzeitig genug auf sie einlässt, leicht erlernen. Der Nutzen ist groß, und die Zufriedenheit im sozialen und kommunikativen Umgang bleibt erhalten und lässt das vermeintliche Manko, Hörgeräteträger zu sein, schnell vergessen.


3

Der lange Weg zu neuer Lebensqualität Spätlese Mitarbeiterin Wiebke Wilkening schildert, wie dank moderner Hörgeräte ihre Lebensqualität enorm gestiegen ist VON WIEBKE WILKENING „Nuschel‘ doch nicht so“, fuhr ich meinen Mann wieder mal verärgert an. Und wieder mal verließ er genervt den Raum. So ging das seit Monaten. Erkältungs- oder allergiebedingt hörte ich zeitweise sehr schlecht. Wirklich nur deswegen? Ich musste schon gelegentlich nachfragen, weil ich etwas nicht verstanden hatte. Meistens gelang es mir, das zu überspielen oder mit einer Ausrede zu begründen. Mein Sohn regte sich über den zu laut eingestellten Fernseher auf. Bei der Arbeit musste ich mich ungeheuer konzentrieren. Warum sprachen die jungen Leute nur so vornehm leise? Als ich im Theater fast nichts verstand, entschied ich: Mein Gehör muss gründlich untersucht werden. Das Ergebnis meines ersten Hörtests war erschreckend. „Was kann man da tun?“, fragte ich kleinlaut. Die Antwort war entmutigend: „Bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit kann man nichts machen.“ Aber damit wollte ich mich nicht zufrieden geben. Nachdem ich mehrere Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und die Medizinische Hochschule Hannover mit dem immer gleichen Ergebnis konsultiert und nach vergeblichen Behandlungen und Operationen gesucht hatte, resignierte ich. Die Familie stellte sich auf mein schlechtes Hören ein, im Beruf versuchte ich mich weiterhin durchzumogeln, ich lehnte oft Einladungen ab und ging nicht mehr ins Theater oder Konzert. Es hatte doch

Spätlese-Autorin Wiebke Wilkening akzeptiert ihre Hörhilfen nicht nur, sondern empfindet sie als Geschenk, um wieder an allen Bereichen des Lebens teilhaben zu können. Foto: Wilkening keinen Sinn, wenn man über weite Teile nichts mitbekam. Nach einigen Monaten lobte jemand einen HNO-Arzt in Nordrhein-Westfalen. Also versuchte ich es noch einmal. Viele Stunden lang wurde ich von einer Untersuchung zur nächsten gebracht. Danach stand der Arzt mit mir vor den Ergebnissen und erläuterte: „Sie haben zu Ihrer Schallleitungsschwerhörigkeit noch eine Innenohrschwerhörigkeit, die vermutlich durch einen Virusinfekt ausgelöst wurde, und erste Ansätze einer Altersschwerhörigkeit.“ Das war niederschmetternd. Aber er meinte: „Ich schreibe exakt auf, wie Ihre Hörhilfen sein müssen. Und dann brauchen Sie einen guten Hörgeräteakustiker.“ Es keimte Hoffnung auf. Trotzdem war der Gang in dieses Fachgeschäft schwer. Hörgeräte mit Mitte 50! Aber ich hatte keine Wahl. Der Aus-

Seniorenhaus „Pro Geriatrie“

Familiäre Atmosphäre · Landschaftlich reizvolle Umgebung mon. Eigenanteil Pflege I 746,53 B · Pflege II 807,81 B · Pflege III 894,40 B Ihr Ansprechpartner: Manfred Kutschera Fürst-Adolf-Straße 13 · 31707 Bad Eilsen · Tel.: (0 57 22) 8 50 25

fall in den tiefen Tönen war erheblich, das Sprachverständnis war stark gestört. Ein paar Geräte wurden für mich eingestellt. „Ist das Hören so besser, oder so?“ Ich konnte nur unzureichend antworten, denn ich hatte das Gespür für das „Normale“ verloren. Schließlich verließ ich den Laden mit Hörgeräten. War das ein Krach auf der Straße! Zu Hause im Garten zwitscherten die Vögel. Wann hatte ich das zuletzt gehört? Fasziniert lauschte ich. Das ist ja wundervoll. Ich begann, meine Hörhilfen nicht nur zu akzeptieren, sondern sie als Geschenk zu empfinden. Es folgten ungefähr drei Monate, in denen ich mindestens einmal pro Woche zum Hörgeräteakustiker musste. Ich probierte etliche Geräte mit stets veränderten Einstellungen mehrere Tage lang aus. Mit welchem Gerät ist das

Hören am besten und am angenehmsten? Ist die Einstellung links genauso stark wie rechts? Sind die Höhen nicht zu schrill, die Tiefen nicht zu dumpf? Ist Sprache gut verständlich? Kommt es zu Rückkopplungen? Ist das Ohrstück passend, oder brauchen Sie eine Maßanfertigung? Es schien kein Ende zu nehmen. Aber die Hörgeräteakustikerin hatte unendlich viel Geduld. Nun hatte ich, nach mehr als drei Jahren mit eingeschränktem Hören, die für mich optimalen Hörhilfen. Ich war glücklich. Wenn es auch in machen Situationen Einschränkungen gab, so konnte ich doch wieder an allen Bereichen des Lebens teilhaben. Und wenn mein Mann mir etwas Nettes zuflüsterte, dann hörte ich es sogar. Und er war nicht mehr verletzt, weil ich unangemessen auf nicht Verstandenes reagierte.


4

Wenn die Anderen immer undeutlicher sprechen Interview mit Hörgeräteakustiker Meister Giovanni Di Noto (Bückeburg) Für Menschen mit einer Hörminderung ist nach dem Ohrenarzt der Hörgeräte-Akustiker die wichtigste Adresse. Hier erhalten sie eine individuelle Beratung und Betreuung bei allen Hörproblemen. Giovanni Di Noto ist mit seinem Fachgeschäft für Hörakustik in Bückeburg und Bad Eilsen ansässig. In den modernen Räumen bieten er und seine Mitarbeiter den kompletten Service vom Hörtest über Geräteberatung und -anpassung, Hörtraining und individuelle Betreuung weit über den Kauf eines Geräts hinaus. Da eine zunehmende Hörminderung gerade bei Senioren ein häufiges Problem darstellt und bei Nichtbeachtung in eine fortschreitende Isolation führen kann, hat SpätleseAutor Dietmar Kampe ein Gespräch mit dem Experten Giovanni Di Noto testet das Hörvermögen einer Kundin. geführt. selbstverständlicher werden deshalb sollten Seh- und HörHerr Di Noto, woran diese Geräte getragen und tests regelmäßig alle zwei Jaherkennt man bei sich durchgeführt werden. wandern nicht in eine Schub- re Menschen nach dem 60. Leeine Hörminderung? lade. Der lauter gestellte Fernseher, Erfahrungsgemäß braucht bensjahr empfehle ich sogar häufiges Nachfragen in gesel- ein Mensch von den ersten jährliche Tests. Übrigens sind liger Runde, zunehmend Anzeichen einer Hörminde- Hörtests bei allen Hörgerätebruchstückhaftes Verstehen rung bis zum Eingestehen akustikern kostenlos. Bestätigt am Telefon: Das sind die ers- ganze sechs Jahre. Bis er dann sich der Verdacht auf eine ten Anzeichen. einen Arzt oder einen Akusti- Hörminderung, sollte der ker aufsucht, vergeht noch nächste Weg zum Ohrenarzt Was empfehlen Sie einmal kostbare Zeit. Das führen, denn nur der kann Menschen, die bei sich zweifelsfrei die Ursache der muss nicht sein. eine Hörminderung Hörminderung erkennen und vermuten? eine entsprechende VerordAb wann ist ein Sie sollten aus falsch verstannung für den Akustiker ausHörtest zu empfehlen? dener Eitelkeit keine Zeit ver- Jeder hat seine Gesundheit stellen. lieren. Die heutigen Geräte selbst in der Hand. Gut sehen sind unauffällig und ange- und gut hören sind ein wichtiWas geschieht nehm zu tragen. Je eher man ges Stück Lebensqualität: bei einem Hörtest? auf seine Hörminderung re- Man sollte damit nicht leicht- Nach einem Vorgespräch eragiert und sich um eine Hilfe fertig umgehen. mitteln wir die persönliche bemüht, desto leichter ist das Eine Hörminderung ist Hörkurve bei unserem KunEingewöhnen und desto aber keine Frage des Alters, den. Dazu werden ihm über

Pflegeheim Vollstationäre- und Kurzzeitpflege aller Pflegestufen Lindenallee 8-10 · 31542 Bad Nenndorf Fax 0 57 23 50 89

a

0 57 23 7 09-0

Internet: www.lindenparkresidenz.de E-Mail: info@lindenparkresidenz.de

Foto: Kampe Kopfhörer jeweils links und rechts unterschiedliche Töne zugespielt, deren Erkennen er uns signalisiert. Die sich hieraus ergebende Kurve vergleichen wir mit einer Normalkurve. Aus den Abweichungen können wir bereits erste Erkenntnisse gewinnen. Danach folgt die Sprachaudiometrie – das ist ein Sprachverständnistest. Welche Verbesserung kann Ihr Kunde bei einer Hörminderung erwarten? Da die Hörminderung ja nicht von heute auf morgen eingetreten ist, sondern in einem langen, schleichenden Prozess, hat das Gehirn im wahrsten Sinne des Wortes das Hören verlernt. Mit einem Hörgerät erhält es mit einmal eine ungewohnte Fülle akustischer Signale. Es muss nun wieder lernen, diese Informationen sinnvoll zu verarbeiten. Das dauert schon einige Monate und erforderte von dem Betroffenen etwas Mitarbeit. Das natürliche Gehör ist durch nichts zu ersetzen. Doch dank der modernen Technik können wir dem natürlichen Hören schon sehr nahe kommen. Das sollte dem Betroffenen schon einige Mühen wert sein. dka


5

Ohne Eigenanteil geht es nicht Die Kostenerstattung fällt je nach Krankenkasse oder versicherung unterschiedlich aus VON WILHELM SÖHLKE Die folgenden Ausführungen sollen einen kleinen Überblick über die Kostenerstattungsmöglichkeiten geben. Zu unterscheiden ist generell die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen (zum Beispiel AOK, BarmerGEK ) oder durch eine private Krankenversicherung (hier die Allianz Private Krankenversicherung AG ). Gesetzliche Krankenkasse Die gesetzlichen Krankenkassen haben in der Regel mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker einen Vertrag über die Versorgung mit Hörgeräten geschlossen. Für die AOK Niedersachsen gilt, dass diese für Erwachsene eine eigenanteilfreie Versorgung mit qualitativ hochwertigen Hörgeräten zu einem Betrag von 360 Euro für das erste Hörgerät und 288 Euro für das zweite Hörgerät anbieten. Zudem werden die Kosten je Ohrpasstück in Höhe von 33,50 Euro übernommen. Entscheiden Sie sich für ein Hörgerät, dessen Preis über dem vereinbarten Vertragspreis liegt, sind die Mehrkosten von Ihnen zu tragen. Reparaturen sind innerhalb der Garantiezeit vom Hörgeräteakustiker kostenlos zu beheben. Bei Hörgeräten geht man von einer Einsatzdauer von mindestens sechs Jahren aus. In besonderen Einzelfällen – zum Beispiel bei einer starken Hörverschlechterung – werden die Kosten einer neuen Hörhilfenversorgung schon vor Ablauf der sechs Jahre übernommen.

Krankenkassen und private Krankenversicherungen zahlen einen erheblichen Zuschuss bei modernen Hörhilfen – nicht jedoch zu solch altmodisch anmutenden Hörrohren. Foto: wiw Als Versicherter der AOK Niedersachsen haben Sie Anspruch auf eine kostenfreie Nachbetreuung durch den von Ihnen gewählten Hörgeräteakustiker. Dieser erhält dafür eine Pauschalvergütung für sechs Jahre. Diese Pauschale umfasst zukünftige Nachlieferungen von Ersatzteilen wie beispielsweise Otoplastiken und die Durchführung von Reparaturen. Die Kosten für Batterien werden nur bis zum 18. Lebensjahr übernommen – Erwachsene haben keinen Anspruch auf Batterieversorgung. Gut zu wissen ist, dass bei Hilfsmitteln wie Hörgeräten Versicherte zehn Prozent der Kosten selbst tragen müssen – mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro. Über eine eventuelle Befreiung der Zuzahlung sollten Sie mit Ihrer Versicherung sprechen. Die Barmer-GEK hat ebenfalls einen Vertrag mit der Bundesinnung der Hör-

geräteakustiker abgeschlossen. Der Vertrag umfasst die Komplettversorgung mit Hörsystemen und verpflichtet den Hörgeräteakustiker zur Anpassung von zwei eigenanteilsfreien Hörsystemen, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung. Die Vergütung umfasst für das erste Hörgerät Materialkosten (Gerät und Otoplastiken) inklusive Servicepauschale im Wert von 648,40 Euro. Für das zweite Hörgerät beträgt die Vergütung bei gleichem Leistungsumfang 564,40 Euro. Auch hier ist für den Zeitraum von sechs Jahren die Versorgung des Versicherten sichergestellt. Wünscht der Versicherte ein Hörsystem, das über das Maß des Notwendigen hinausgeht, hat er die Mehrkosten selbst zu tragen. Private Krankenversicherung Hier werden 100 Prozent der Aufwendungen für Hör-

hilfen erstattet, jedoch maximal 1500 Euro pro Hörhilfe. Als Hörhilfen gelten Hörgeräte (apparativ) einschließlich dazugehöriger Ohrpassstücke (Otoplastik). Der Krankenversicherer geht von einer Gebrauchsdauer von fünf Jahren aus. Falls vorher neue Hörhilfen nötig sind, muss ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Der Selbstbehalt beträgt für alle Tarifleistungen zehn Prozent im Kalenderjahr, höchstens jedoch 500 Euro. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Sie sich nach dem Gespräch mit Ihrem Hörgeräteakustiker und den dann feststehenden Kosten unbedingt mit Ihrer Versicherung wegen der Kostenerstattung in Verbindung setzen sollten.


6

Unkompliziert und hilfreich Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte in Bad Nenndorf bietet Teilnehmern viele Tipps VON WIEBKE WILKENING In jeder geraden Kalenderwoche montags um 16 Uhr trifft sich im Haus der Begegnung in Bad Nenndorf eine Gruppe von etwa 15 Menschen, die ein gemeinsames Schicksal teilen: Alle sind hörgeschädigt. Und alle müssen ihre Einschränkungen annehmen und die daraus erwachsenden Probleme meistern. Dabei steht ihnen die Selbsthilfegruppe zur Seite. Hier kann jeder die Schwierigkeiten des anderen einschätzen, und deshalb geht man unkompliziert miteinander um. Man ist in geselliger Runde fröhlich, bekommt Informationen, erfährt Neues und macht ab und zu Ausflüge. Martha Bandow (69) leitet die seit 16 Jahren bestehende Gruppe, ihr Mann Peter (71) unterstützt sie tatkräftig. Er sagt: „Wir sind in unserem Umkreis die einzige Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte. Und deshalb haben wir ein großes Einzugsgebiet, das bis nach Gehrden reicht.“ Jedes Treffen beginnt mit einer lebendigen Erzählphase. Schon bald drängen sich aktuelle Anliegen einzelner in den Mittelpunkt: Wie kann ich besser mit dem Telefonieren zurechtkommen? Welche Vor- und Nachteile haben

Die Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte in Bad Nenndorf trifft sich regelmäßig unter der Leitung von Martha Bandow (sitzend, 2. von links) und ihrem Mann Peter (stehend, links). Foto: Wilkening Kopfhörer? Ist es sinnvoll, für meine neuen Hörgeräte eine Versicherung abzuschließen? Die Erfahrungen anderer Gruppenmitglieder enthalten wertvolle Hinweise. Bei diesen Gesprächen zeigen sich alle sehr diszipliniert. Es wird in „normaler“ Lautstärke gesprochen, es redet immer nur einer und spricht ungestört zu Ende. Und niemand verdeckt seinen Mund. „Einige von uns sind auf das Absehen von den Lippen angewiesen“, berichtet Martha Bandow. „Und das trainieren wir bei jeder Zusammenkunft.“

Heute steht das Thema „Der Hörgeräteakustiker“ im Mittelpunkt. Nach einem allgemeinen Erfahrungsaustausch wird ein Text bearbeitet, der Informationen über die Ausbildung, die Tätigkeitsbereiche und die Arbeitsweisen eines Hörgeräteakustikers enthält. Zum Schluss wird der Text satzweise gelesen, einmal nur mit Mundbewegungen und ohne Stimme, einmal leise und einmal laut. So wird jedem Zuhörer der für ihn optimale Weg des Hörens geboten, und jeder Vorleser bekommt aus der Gruppe die

Rückmeldung, ob er gut zu verstehen ist. Das Treffen klingt stets heiter und unterhaltsam aus. Diesmal ist es ein Wortspiel, in dem mit den Anfangs- und Endbuchstaben neue Begriffe gebildet werden sollen. Dies dient der Lautdiskriminierung, übt das Ablesen und ist zugleich Gehirnjogging. Alle Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben einen langen, oft zermürbenden Leidensweg hinter sich. Da ist die alte Dame, die seit einer Meningitis-Erkrankung taub ist und das Aufschreiben als Hilfe braucht. Bei einer anderen wurde ein Ohr durch Silvesterknaller geschädigt. Hörstürze, Infektionen, Ohrgeräusche (Tinnitus) oder einfach das Alter sind mögliche Ursachen für Hörbeeinträchtigungen. Jeder hat unzählig viele Untersuchungen, Behandlungen und auch Operationen hinter sich. Eine jüngere Frau lebt mit einem Cochlea-Implantat. Bandow meint: „Hörgeräte sind eine wertvolle Hilfe. Aber es bleiben doch nur Krücken“. So ist jede Lebens- und Krankheitssituation individuell geprägt, und jedes Hören ist anders verändert. Dadurch ist es für die Umwelt schwer, sich darauf einzustellen und mit Schwerhörigen angemessen umzugehen. Umso mehr genießen alle das Zusammensein in ihrer Gruppe. • Kontakt: Martha Bandow, Poststraße 14, 31688 Nienstädt. Telefon: (0 57 24) 77 13.


7

Signal gesucht Kommentar von Wiebke Wilkening Eine schwerhörige Frau braucht neue Schuhe. Im Laden erklärt sie, was sie sucht. Die Verkäuferin fragt nach. Aber die hörgeschädigte Kundin kann die Bedienung nicht verstehen: „Würden Sie bitte etwas lauter sprechen. Ich bin schwerhörig.“ Die Verkäuferin erhebt ihre Stimme so stark, dass alle anderen Menschen im Geschäft aufhorchen und mit teilnahmsvollen Blicken die Gruppe mustern. Peinlich! Aber besser verstanden hat die Frau trotzdem nicht. Also greift der Ehemann vermittelnd ein. Wenig später sitzt die Kundin nach vorne gebeugt auf einem Stuhl, probiert diverse Modelle an. Die Verkäuferin spricht mit ihr. Doch die Hörgeschädigte versteht nichts, da sie ihrer Gesprächspartnerin nicht von den Lippen ablesen kann. Darauf ist sie nämlich zusätzlich angewiesen. Wieder greift der Ehemann ein und verhandelt über den Kopf seiner Frau hinweg mit der Verkäuferin. Solche und ähnliche Situationen treten im Alltag immer wieder auf. Die Verkäuferin kann die Lage der Hörgeschädigten nicht einschätzen, scheut sich, lauter als gewohnt zu sprechen und wiederholt eigentlich nur ungern bereits Gesagtes. Der Ehemann übergeht

seine Frau und schließt sie dadurch ein Stück weit von ihrem Schuhkauf aus. Für die Umgebung entsteht der Eindruck, als sei die Schwerhörige dem Geschehen geistig nicht gewachsen. Die Kundin selbst fühlt sich ausgegrenzt und bevormundet. Sie ist verunsichert und empfindet die Situation als beschämend. Ihre Menschenwürde wird verletzt. Stark Sehbehinderte und Blinde tragen seit vielen Jahren eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten. So signalisieren sie ihren Mitmenschen ihr Handicap, stoßen in den allermeisten Fällen auf Verständnis und Rücksichtnahme. Könnte ein derartiges sichtbares Zeichen auch eine Hilfe für Hörgeschädigte und ihre Begleiter sein? Schlecht zu sehen und eine Sehhilfe zu benutzen, ist in unserer Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Schwer zu hören und Hörhilfen zu benötigen, irritiert immer noch viele Menschen. Eine Hörschädigung schränkt die Kommunikationsfähigkeit ein, isoliert, macht einsam. Nur durch einen offenen Umgang mit den Problemen und durch Verständnis im Umfeld können Selbstwertgefühl und Lebensqualität für den Hörgeschädigten erhalten werden.

Die Besucher der Tagespflege genießen das gesellige Miteinander. Foto: aw

Fröhliches Beisammensein Tagespflege der Diakonie in Meerbeck: Hier treffen sich Senioren, um etwas zu unternehmen Gemütlich sitzen die Damen auf der Terrasse. Sie genießen den Sommernachmittag, machen Spiele und unterhalten sich. Eine offene, angenehme Atmosphäre herrscht in der Tagespflege der Diakonie-Sozialstation in Meerbeck. Seit 1. August 2011 ist die Einrichtung im ehemaligen Volksbank-Gebäude an der Hauptstraße untergebracht. Das Angebot richtet sich grundsätzlich an alle Senioren. Die Tagespflege-Gäste können von ihren pflegenden Angehörigen für einen Platz in Meerbeck angemeldet werden. „Da war der Bedarf danach, zu reden, zu erzählen“, erklärt Manuela Ostrowski, die Leiterin der Tagespflege. Die Tagesgäste kommen morgens ab 8 Uhr und bleiben bis zum späten Nachmittag. Frühstück, Zeitungslektüre, Spiele und Bastelarbeiten gehören zum Vormittagsprogramm. „Wir richten uns ganz nach den Wünschen der Gäste“, sagt Ostrowski. „Wir

achten auf eine individuelle Betreuung, damit jeder zu seinem Recht kommt.“ Zum Mittagessen, das von der Paritätischen Lebenshilfe Schaumburg-Weserbergland kommt, gibt es jeden Tag ein Dessert, das direkt im Haus zubereitet wird, gern auch unter Mithilfe der Tagesgäste. Im Anschluss warten gemütliche Sessel und ein Bett im Ruheraum, wenn die Gäste einen Mittagsschlaf machen möchten. Nachmittags können Spaziergänge unternommen werden, es kann gebastelt werden, gesungen – oder einfach nur geplaudert. Die Tagespflege richtet sich an Pflegebedürftige der Stufen 1 bis 3 und an Demenzerkrankte, aber auch an Menschen, die keine Erkrankung haben. Ob die Tagespflege im individuellen Fall das Richtige ist, lässt sich leicht herausfinden: Außer einer individuellen Beratung bietet die Diakonie auch einen Probetag in Meerbeck an. aw

Gehirn im Alter jeden Tag anders trainieren Regelmäßiges Gehirntraining kann einer Alzheimererkrankung vorbeugen. Dazu sollten Senioren ihr Gehirn mit unterschiedlichen Übungen fordern. Am besten nehmen sie sich für jeden Tag der Woche eine andere Aufgabe vor, rät die „Alzheimer Forschung Initiative“ (AFI) in Düsseldorf. So könnten Ältere an einem Tag zum Beispiel die morgendliche Routine bestehend aus Zähneputzen, Frühstücken und Anziehen in einer anderen Rei-

henfolge erledigen. Oder sie bewahren die Küchengeräte einmal an einem neuen Ort auf. Wichtig sei, den Alltagstrott zu durchbrechen. An anderen Tagen könnten Ältere einen Brief schreiben, sich Geschichten ausdenken oder mit Kreuzworträtseln beschäftigen. Hilfreich sei es auch, neue Musikstücke anzuhören, die Strophen eines Gedichtes auswendig zu lernen oder die Fotosammlung auf Vordermann zu bringen. r


8

Schutz vor Berufsunfähigkeit ist im Alter überflüssig Auch Senioren brauchen Versicherungen – aber weniger als im Arbeitsleben Mit dem Ende des Arbeitslebens ändert sich auch der Bedarf an Versicherungen. Ruheständler können überflüssige Policen kündigen. Auf einige Versicherungen sollten sie jedoch nicht verzichten. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung etwa brauchen sie nicht. Sobald Arbeitnehmer im Ruhestand sind, kann diese Versicherung gekündigt werden. Ähnlich ist es bei der Berufsrechtschutzversicherung. „Dafür ist der Bedarf im Rentenalter nicht mehr gegeben“, sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten. Manche Versicherungen brauchen Senioren jedoch in jedem Fall. Die private Haftpflichtversicherung sollte auch nach Eintritt in den Ruhestand aufrecht erhalten werden. Das Gleiche gilt für die Hausratversicherung. Hausbesitzer sollten nicht auf die Gebäudeversicherung verzichten. Eine Hausratversicherung braucht auch, wer im Senioren- oder Pflegeheim wohnt und eigene Möbel mitgenommen hat. „Manche Versicherer haben besondere Angebote für Senioren. Da lohnt es sich nachzufragen“, rät Katrin Rüter de Escobar vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Von vielen Zusatzversicherungen raten Experten nicht nur Senioren ab: „Bei Versicherungen für Brillen, Heilund Hilfsmittel stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis zumeist nicht“, urteilt Stefan Albers, Präsident des Bundes-

Nach dem Abschied aus dem Berufsleben ändert sich nicht nur der Tagesablauf – auch der persönliche Versicherungsschutz sollte überprüft werden. Foto: pr. verbandes der Versicherungs- Sterbegeldversicherung streiten sich die Experten. „Die berater. Um Sinn und Unsinn einer Sterbegeldversicherung ist ei-

ne schlechte Geldanlage“, findet Köster. In der Regel sei im Haushalt genug Geld für eine Beerdigung vorhanden. Ist dies nicht der Fall, rät der Versicherungs-Experte einen monatlichen Betrag auf einem Fest- oder Tagesgeldkonto anzulegen. „Die Sterbegeldversicherung ist jedoch auch mit einer Dienstleistung verbunden, auf die manche nicht verzichten möchten“, sagt hingegen GDV-Sprecherin Rüter de Escobar. Mit dem Versicherungsvertrag könne der Kunde auch klären, wie seine Beerdigung ablaufen soll. Umstritten ist ebenfalls die private Unfallversicherung für Senioren. Viele Versicherer bieten hier spezielle Produkte an, die sogenannte Assistance-Leistungen enthalten. „Das sind Hilfestellungen seitens des Versicherers“, erklärt Albers. Im Falle eines Unfalls vermittelt das Versicherungsunternehmen alles, vom Menübringdienst bis hin zum Hunde-Sitter. Einige Policen enthalten aber nur die Vermittlung dieser Services, andere Policen übernehmen auch die Kosten. Da das Unfallrisiko im Alter höher ist, wird außerdem bei der Bemessung des Invaliditätsgrades nach einem Unfall die Vorschädigung mit einbezogen. „Wer zum Beispiel Osteoporose hat und einen Oberschenkelhalsbruch erleidet, der erhält nur einen gewissen Anteil der versicherten Summe“, erklärt Albers. r


9

Kreisaltenzentrum Stadthagen erweitert Angebot Im Oktober ziehen die ersten Bewohner in die neuen Hausgemeinschaften ein Das Kreisaltenzentrum Stadthagen erweitert sein Angebot um 48 Pflegeplätze in vier Hausgemeinschaften. Diese werden in einem Neubau auf einem Grundstück entstehen, das östlich an das bestehende Gebäude angrenzt. „Solche familiär strukturierten Hausgemeinschaften liegen uns sehr am Herzen“, sagt Anette Ebeling, Geschäftsführerin und Leiterin des Kreisaltenzentrums. „Da wir bislang ausgesprochen positive Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben und wir immer wieder darauf angesprochen wurden, haben wir uns schließlich entschlossen, unser Angebot zu erweitern.“ Hausgemeinschaften sind ihren Angaben zufolge ein relativ modernes Wohn- und Betreuungskonzept für ältere Menschen: „Sie bieten einerseits das komplette Spektrum der vollstationären Pflege.“ Allerdings sind Zusammenleben und Alltag in den Hausgemeinschaften anders organisiert als das in herkömmlichen Pflegeeinrichtungen der Fall ist. „Die jeweils zwölf Senioren bilden eine Wohngruppe, die in familienähnlichen Strukturen zusammenlebt“, erläutert Ebeling. Lebendiger Mittelpunkt jeder Gruppe ist eine geräumige Wohnküche, in der gemeinsam gekocht, gegessen und gelebt wird. Der Vorteil: „Die Wohnküche ist tagsüber ständig durch eine Präsenzkraft besetzt, die sowohl die hauswirtschaftliche Versorgung organisiert als auch ständig als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht.“ Die Bewohner

Dieses Schaubild zeigt, wie die einzelnen Zimmer eingerichtet werden können. haben dabei die Möglichkeit, ber werden die ersten Besich an allen Alltagsaktivitäten wohner einziehen. Für weitere Informationen zu beteiligen. Außerdem steht jedem Be- und die Möglichkeit einer wohner ein Einzelzimmer als persönlicher Lebensraum zur Verfügung. Jeder Raum kann wahlweise mit eigenen Möbeln, Lampen, Bildern und dergleichen eingerichtet werden oder alternativ komplett möbliert bezogen werden. „Wir möchten den Bewohnern einen möglichst normalen Alltag bieten“, sagt Pflegedienstleiterin Heike Tobin. „Einerseits bleiben der individuelle Lebensrhythmus und liebgewordene Tätigkeiten erhalten, andererseits bieten wir Sicherheit und Geborgenheit durch kompetente Pflege und Betreuung sowie die Einbindung in eine vertraute Gemeinschaft.“ Die Fertigstellung der Hausgemeinschaften ist für September geplant. Im Okto-

Impressum Spätlese spezial Eine Verlagsbeilage der Schaumburger Nachrichten Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Am Markt 12-14, 31655 Stadthagen Redaktion: Uwe Graells (verantwortlich), Holger Buhre, Friedhelm Sölter, Axel Wagner Produktion/Layout: Holger Buhre Titelgestaltung: Vera Elze Anzeigen: Arne Frank (verantwortlich)

Foto: pr.

Besichtigung steht das Leitungsteam des Kreisaltenzentrums zur Verfügung, Telefon (0 57 21) 99 20. r


10

Dieses Kribbeln im Bauch Neue Liebe im Alter: Bei der Familie um Verständnis werben Hat Oma eine neue Liebe, stößt das bei der Familie nicht immer auf Verständnis. Schließlich ist Opa ja erst ein halbes Jahr tot. Um niemanden vor den Kopf zu stoßen, sollten Senioren ihren neuen Partner behutsam in gewachsene Familienstrukturen einführen. Oma und Opa gelten als liebevoll, aber asexuell. Stirbt einer von beiden oder haben sie sich getrennt, billigt ihnen die Familie oft keine neue Liebe zu. Dass auch alleinstehende ältere Menschen Sehnsucht nach Geborgenheit und Sexualität haben, verdrängen viele. Doch warum führt eine neue Partnerschaft dieser jungen Alten häufig zu Problemen im Familien- und Freundeskreis? „Ältere Menschen nehmen sich heutzutage die Freiheiten, die sich die Jüngeren schon immer genommen haben. Das irritiert ihr Umfeld und stößt auf Unverständnis“, sagt der Altersforscher HansWerner Wahl von der Universität Heidelberg. Erfahrungen mit einem neuen Partner ließen sich nicht mit dem traditionellen Bild vom Älterwerden vereinbaren, das viele jüngere Familienmitglieder noch im Kopf haben. Hinter einer ablehnenden Haltung der Familie steckt nicht selten eine große Verunsicherung. Denn mit Opas neuer Partnerin könnte sich auch das Verhältnis zu seinen Kindern und Enkeln verändern. „Es ist in unserer Gesellschaft nicht Standard, dass man die Beziehung zu seinen Großeltern neu definieren muss“, erläutert Wahl. Die Verwandten müssten dann nämlich verstärkt in eine gute Beziehung zum Opa investieren und sich anstrengen. Insgesamt bietet eine neue Liebe der Großeltern aber Chancen für die ganze Familie. Sie kann eine große Entlastung sein, sagt der Soziologe Heribert Engstler vom Deutschen Zentrum für Altersfragen in Berlin. „Eine neue Beziehung steigert die Lebenszufriedenheit und bietet neue Möglichkeiten des Austauschs und der wechselseitigen Unterstützung im Alltag.“ Die Angehörigen würden von ihren Bedenken

Alter macht nicht asexuell: Auch in einer späteren Lebensphase sehnen sich viele Menschen nach Zuneigung. Foto: pr. ablassen, wenn sie erkennen, dass der neue Partner dem Großelternteil gut tue. An einem ehrlichen Gespräch zwischen Jung und Alt führt allerdings kein Weg vorbei. Darin sollten sich beide Seiten gegenseitig ihre Bedürfnisse erklären, rät Wahl. Es gehe nicht darum, „die Erlaubnis der Familie einzuholen, sondern sie an der eigenen Freude teilhaben zu lassen.“ Häufig hat der neu gebundene Senior Schuldgefühle. Wie stark sie sind, hängt davon ab, was vor der neuen Beziehung war. Hat Opa Oma verlassen oder ist er verwitwet? Sein neuer Partner kann ihm helfen, damit umzugehen. „Er darf seinen Vorgänger nicht ersetzen wollen. Stattdessen sollte das Paar über ihn sprechen und das Thema nicht zum Tabu erklären“, sagt Engstler. „Auch Rituale und symbolische Gesten wie ein gemeinsamer Grabbesuch können eine wichtige Rolle spielen.“ Der neue Lebensgefährte sollte Loyalitätskonflikte im Umfeld offen ansprechen. Etwa so: „Ich verstehe, dass es schwierig für euch ist, einen neuen Partner an der Seite eu-

res Freundes zu sehen. Dafür habe ich Verständnis“, sagt Frauke Tennstedt, Psychotherapeutin in der Praxis für Psychosoziale Beratung in Hannover. Der frisch Vergebene solle deutlich machen, dass die Beziehung zu seiner Familie für ihn genauso wichtig bleibt wie auch vor seiner neuen Partnerschaft. Manchmal sind sowohl die erwachsenen Kinder als auch die Freunde neidisch auf das junge Glück im Alter. „Die Kinder sind es, weil ihre Hoffnung zerstört wird, das verwitwete Elternteil nun ganz für sich alleine zu haben“, erklärt Tennstedt. Das sei ihnen oftmals nicht bewusst, komme aber häufig vor. Die Freunde stecken in vielen Fällen in alten Ehen fest, haben sich auseinandergelebt und keine gemeinsamen Gesprächsthemen. „Wenn zwei Gleichaltrige neu zusammenfinden, kann das Missgunst bei den anderen auslösen.“ Das Paar sollte seine Liebe deshalb nicht allzu demonstrativ zur Schau stellen. „Wichtig ist, dass beide ihre eigene Identität und Autonomie beibehalten und dem Umfeld auch als Einzelperso-

nen begegnen“, sagt Tennstedt. Die Verliebten müssten ja nicht unbedingt gleich zusammenziehen, wenn sie im selben Ort wohnen. Bevor Senioren ihre neue Beziehung öffentlich machen, plagen sie häufig Ängste: Sie wollen nichts falsch machen und fürchten, sich vor der Familie zu blamieren. Rückt das große Zusammentreffen näher, stellt sich die Frage des Wie: „Auf keinen Fall einfach in eine Familienfeier reinplatzen, dann sind alle nur geschockt“, rät Tennstedt. „Am besten fragt man die Angehörigen im Vorfeld, wie sie den neuen Partner kennenlernen wollen.“ Und Engstler ergänzt: „Niemanden überfordern – die Familie, aber auch nicht sich selbst.“ Denn schließlich müsse sich auch die eigene Paarbeziehung noch entwickeln. Doch wie geht man vor, wenn sich keine Lösung einstellt? „Dann müssen die Senioren abwägen, was sie gewinnen und was sie verlieren“, sagt Tennstedt. „Und wenn die neue Partnerschaft neue Freude und Lebenskraft bedeutet, dann sollte man sie immer wagen.“ r


11

Mitten im Leben Die Tagespflege Rosenblatt in Stadthagen bietet Betreuung, Pflege und Gesellschaft „Hier habe ich Freundschaften geschlossen und bin wieder mitten im Leben“, sagt Annemarie Pawlitzki. Seit zwei Jahren besucht die 83-Jährige an drei Tagen in der Woche die Tagespflege Rosenblatt in Stadthagen. Ihr Sohn machte ihr damals den Vorschlag, die Tagespflege einfach einmal auszuprobieren – um wieder mit Menschen zusammenzukommen und nicht nur allein zu Hause zu sein, während er arbeitete. Vom ersten Tag an habe es ihr gut gefallen, erzählt die ältere Dame lächelnd. Hier kann sie am Leben teilnehmen, hat immer Gesellschaft, kann ihren Hobbys nachgehen und sich nützlich machen. Ihr Leben lang hat sie gerne gekocht – und das ist auch im Rosenblatt eine der Aufgaben, die sie genießt. Gemüse schnippeln, Kuchenteig anrühren und den Tisch decken: Jeder der Gäste im Rosenblatt kann helfen, wenn er mag. Unter-

Annemarie Pawlitzki (rechts) hat ihre Entscheidung nie bereut. Seit zwei Jahren besucht sie die Tagespflege Rosenblatt. Foto: pr. stützt werden sie dabei von Pflegedienstleiterin Petra Hübner und ihrer Stellvertreterin Michaela Poser. Besonders wichtig ist den beiden Verant-

wortlichen, dass ihre Gäste sich liebevoll aufgenommen und in den hellen, freundlich eingerichteten Räumen und der Gemeinschaft wohlfühlen. Aufeinan-

der achten und sich gegenseitig helfen, das ist im Rosenblatt ganz selbstverständlich. Je nach den körperlichen und geistigen Möglichkeiten ihrer

Gäste bieten Hübner und Poser unter anderem Bewegungs-, Musik- und Maltherapien an, machen Spaziergänge oder richten die Terrasse an schönen Tagen für ein kleines Sonnenbad her. Aktuell wird es immer nach dem Frühstück beim gemeinsamen Lesen der Zeitung. Häufig entspannt sich daraus ein Gespräch über die Zeiten, als die Rosenblatt-Gäste noch jung waren. Annemarie Pawlitzki greift nach der Mittagspause im Ruhesessel gerne nach ihren Häkelnadeln oder beteiligt sich an einer Runde „Mensch, ärgere dich nicht“. Wenn sie sich dann gegen 17 Uhr vom Busfahrer des Rosenblatt nach Hause bringen lässt, ist die Zeit für sie wie im Flug vergangen. Und wenn sie Sohn und Schwiegertochter dann abends viel zu erzählen hat, sind sich alle einig, dass die Entscheidung für die Tagespflege Rosenblatt genau die richtige war. r


12

Romane sind kein Muss Lesen im Alter trainiert das Gedächtnis / Wichtig: Zu Themen greifen, die einen interessieren Zeit zu schmökern haben Senioren meist genug. Nebenbei trainieren sie dabei ihr Gehirn. Doch im Alter können nachlassende Sehkraft oder fehlende Konzentration die Lust am Lesen mindern. Die Lektüre und die Art des Lesens den Defiziten anzupassen, kann aber oft schon helfen. Endlich Zeit für ein gutes Buch. Wer in den Ruhestand geht, hat plötzlich viel Zeit zur Verfügung. Lesen halte ältere Menschen geistig aktiv und ermögliche ihnen, bei aktuellen Themen mitreden zu können, sagt Ursula Lenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Allerdings gibt es im Alter auch Hindernisse beim Lesen: zum Beispiel die nachlassende Sehkraft oder Konzentration. Experten ermutigen Senioren jedoch, das Lesen nicht aufzugeben, sondern einfach ihren Fähigkeiten anzupassen. Aus Sicht der Fachleute gibt es viele Vorteile, wenn Menschen auch im höheren Alter zu Büchern oder Zeitungen greifen. „Es ist eine besondere Art von geistiger Aktivität, denn es erfordert in der Regel eine höhere Konzentration als beispielsweise Fernsehen“, sagt Lenz. Durch die Fähigkeit, Wörter im Gehirn in Bilder umzusetzen, werde die Gedächtnisleistung unterstützt. Und durch das Auseinandersetzen mit Texten werden der Wortschatz, der Sprachgebrauch und die Konzentrationsfähigkeit gefördert, ergänzt Simone Helck vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). Was passiert im Gehirn,

Egal ob Zeitschrift oder dickes Buch: Lesen im Alter trainiert Gedächtnis, Wortschatz und Konzentrationsfähigkeit. Foto: pr. wenn man liest? „Wir bilden neue Synapsen, also Verschaltungen der Nervenzellen im Gehirn aus, wenn wir es stimulieren, also auch beim Lesen“, sagt der Mediziner Man-

fred Gogol, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. Einmal im Jahr ein Buch in die Hand zu nehmen, reiche aber nicht aus.

Gogol empfiehlt, sich Literatur über Themen zu suchen, die einen wirklich interessieren. Sind lange Romane zu anstrengend, können Ältere gut auf Kurzgeschichten oder Kurzfassungen von Romanen zurückgreifen. Voraussetzung sei aber in jedem Fall, dass eine Sehschwäche durch einen Augenarzt und Optiker korrigiert wird – zum Beispiel durch eine Brille. Etwa 55 Prozent der über 60-Jährigen geben an, dass sie längeres Lesen anstrengt. Etwa jeder Fünfte in dieser Altersgruppe sagt von sich, dass er beim Lesen öfter Pausen einlegen muss wegen der Augen. Diese Daten stammen aus der Studie „Lesen in Deutschland 2008“ der Stiftung Lesen in Mainz. Als Antwort auf die Bedürfnisse älterer Menschen haben die Verlage unter anderem Bücher mit Großbuchstaben und einem breiteren Zeilenabstand auf den Markt gebracht. Laut Ursula Lenz von der BAGSO lohnt es sich, in Bibliotheken oder im Buchladen nach Büchern im Großdruckformat zu fragen, und zu sehen, ob man damit zurecht kommt. Egal, was man liest: Ein wichtiger Aspekt ist laut den Experten die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen. Ob nun Klatschzeitschrift, hochrangige Literatur oder die Tageszeitung als Informationsquelle – es können sich dadurch Gespräche entwickeln. Wer sich alleine fühlt, kann sich beispielsweise einen Literaturkreis suchen. Dort werden Bücher gemeinsam gelesen und besprochen. r


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.