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Grußwort Heiko Knechtel, Schulleiter von 2002 bis 2012

Deutschland das Land der Dichter und Denker – und der Ingenieure

In den 10 Jahren meiner Amtszeit ab 2002 haben vier Kultusminister (Frau Jürgens-Pieper, Herr Busemann, Frau Heister-Neumann, Herr Althusmann) die Weichen der Schulpolitik gestellt – kurz, es war eine bewegte Zeit; es sagt genug darüber aus, wie viele Veränderungen in diesen 10 Jahren aus der Politik in Schule getragen wurden.

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Im Jahr 2000 wurden erstmals im Rahmen von PISA (Program International Student Assessment) die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern erhoben und international verglichen. Ein standardisierter Test über Faktenwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der 15-jährigen führte 2000 zu der Erkenntnis, dass Deutschland bezogen auf den OECD-Durchschnitt nur noch unteres Mittelmaß war. Die neue PISA Studie 2019 zeigt kaum eine Verbesserung – die Lesekompetenz auch mit digitalen Medien, die Unterscheidung von Fakten und Meinungen, also die Bewertungskompetenz der Schülerinnen und Schüler ist nicht deutlich besser geworden.

Nach der ersten Pisa-Studie 2000 wurde hektisch nach Veränderungen in dem Bildungssystem gerufen, die auch die politischen Entscheidungen der folgenden Jahre stark beeinflusst haben. Neben organisatorischen Veränderungen wie der Auflösung der Orientierungsstufe, des Zentralabiturs und später des Abiturs nach 12 Schuljahren wurden überhastet inhaltliche Veränderung vorgenommen – alle Lehrpläne wurden erneuert, zum Abitur nach 12 Jahren nochmals verdichtet, der Erwerb von Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten trat in den Fokus. Die ständigen Veränderungen als Reform der Reform ließen Schule fast verzweifeln. Die Auflösung der Bezirksregierung, die Errichtung der Landesschulbehörde als Mittelinstanz, verbunden mit der Übertragung vieler Aufgaben an die Schulen, war ein Schritt zur deren Autonomie, der aber auch viel Verunsicherung und Mehraufwand mit sich brachte.

Das Wilhelm-Busch-Gymnasium hat diesem Sturm getrotzt. Schon sehr früh hat es sich auf einen anderen Weg begeben, über pädagogische Grundsatzpositionen gestritten und damit den Weg für neue Ausrichtungen gelegt. Als eines der ersten Ganztagsgymnasien in Niedersachsen hat sich die Schule zusammen mit wenigen anderen Gymnasien auf die Suche nach neuen Wegen gemacht, die z.B. die Schule nicht nur als Lernort, sondern auch als Lebensraum verstanden haben. Hinzu kamen neu Wahl- und Wahlpflichtbereiche, die andere Lernformen z.B. projektorientierten Unterricht gefordert haben. Daneben wurden frühzeitig digitale Medien in den Unterricht integriert, die auch fachgebunden Digitalkompetenz in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik erzeugen sollten. Neben dem Erwerb des klassischen Wissens war immer die Einübung sozialer Kompetenzen wichtig, die Schülerinnen und Schüler im Unterricht und in anderen Projekten wie Schüler-Buddys, LionsQuest, Schülerlotsen, Schülersanitäter usw. erwerben konnten. Bildung wurde jetzt ganzheitlich gesehen.

Das Motto des WBGs – Wertschätzung, Bildung, Geborgenheit – war dabei Leitstern auf der Suche nach neuen Wegen in der Bildungslandschaft. Dieser innere Antrieb der Schule war immer ihre besondere Auszeichnung, die sich bedingt durch eine Verdoppelung der Schülerzahl auch in der Gestaltung der baulichen Neuorientierung darstellte.

Schule wird und muss immer im Kern trotz aller digitaler Ausrichtung analog bleiben, sie muss neben der klassischen Bildung auch das Feld für soziale Kompetenzen bestellen, und das ist mehr als die Bedienung sozialer digitaler Netzwerke. Bildung braucht die Freiheit des Denkens und sie braucht nach unserer Vorstellung auch Demokratie.

Es wäre schön, wenn Deutschland das Land der Dichter und Denker und der Ingenieure bliebe – dafür muss Schule heute schon Kompetenzen für die Zukunft entwickeln.

Heiko Knechtel Schulleiter 2002 - 2012

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