31 minute read
Impressionen des Umzugs 1968
Advertisement
26. Oktober 1968: Die Klassen 5d und 5e werden vom Ratsgymnasium in den Neubau überführt
Neuer Fußweg an der Jahnstraße Neuer Fußweg an der Jahnstraße
Die Klassen werden am Neubau begrüßt Die Klassen werden am Neubau begrüßt
Ansichten des ersten Bauabschnitts – das Erdgeschoss des heutigen Osttraktes In langer Kolonne gehen die Schülerinnen und die Schülerinnen und Schüler über die Jahnstraße Schüler über die Jahnstraße zum Neubau zum Neubau
Kollegium und Mitarbeiter im Schuljahr 1970/71
Obere Reihe, von links: OStR Dr. Stolle (En, De, F), StR Nickel (F, Sp), StR Bastian (Bi, Ch, Ek), Herr Schwarz (Pastor), Frau Stumm (Schulsekretärin), Herr Padberg (Hausmeister), StR Schulte (Ma, Ph), StR´ Schulte (Ma, Ph) untere Reihe von links: StR Schulze (De, Ge), OStR´ Larenz (Sp, En, De), Dr. Höltje (De, Ge), StAssn´ Bertram (Ma, Ek), StAss. Kraft (De, Ge), Assn´. Müller-Niehaus (Sp, Nad).
Dr phil Christian Höltje
Begabte Karikaturisten aus der Schülerschaft sahen ihn als „Häuptling Majestix“, als „Oberhirten“ oder als „Reichskanzler Bismarck“. Er dürfte darüber geschmunzelt haben. Beim Eintritt ins Vorzimmer, wo Hildegard Stumm als seine Sekretärin über Jahrzehnte mit ruhiger Hand und klarem Kopf wirkte, reichte manchmal ein Pronomen: „Zu ihm? Er telefoniert.“ Man hatte es schon vernommen. Seine Stimme war kraftvoll, er konnte aber auch sehr konziliant sein, charmant geradezu, sprach klar, kompetent und temperamentvoll, wenn es eine Rede zu halten galt, hörte sich manchmal ein wenig heiser an, als müsste er etwas achtsamer mit sich umgehen, und blieb über Jahrzehnte einfach unverwechselbar. Dazu gehörte die meist einen Spalt weit geöffnete Tür. Ebenso die Angewohnheit, Post aus aller Welt oder „bloß aus Hannover“ am liebsten ganz persönlich in die Fächer der Kolleginnen und Kollegen zu werfen.
Ein Leben in wechselvollen Zeiten
Christian Heinz Friedrich Hermann Höltje wurde am 24. Juni 1928 in Stade geboren. Der Vater war Oberzollinspektor. Christian muss ein guter, aber kein sehr guter Schüler gewesen sein. 1940 sehen wir in seinem Zeugnis sogar ein „Mangelhaft“ unter der Rubrik „Handschrift“. Ein wenig eigenwillig dürfte er gewesen sein, doch sein Betragen war tadellos und ein Mangel an Fleiß nicht zu beanstanden. In den privaten Unterlagen finden sich Dokumente der HJ-Mitgliedschaft. Im November 1944 wird er als 16-jähriger Schüler in Hildesheim zum „Notdienst“ herangezogen. Wenn er später von den letzten Monaten des Krieges erzählte, blieb die innere Bewegung nicht verborgen.
Bis zur Reifeprüfung, die Höltje 1949 in Holzminden absolviert, lassen die recht ordentlichen, teils guten Fachnoten noch nicht erkennen, dass hier ein „Historiker aus Leidenschaft“, wie Sohn Sebastian sich heute ausdrückt, heranwächst, der in Mainz und Göttingen die Fächer Germanistik und Geschichte studiert und mit einer Arbeit über „Die Weimarer Republik und das Ostlocarno-Problem“ promoviert wird. Die Untersuchung, die beispielhaft deutlich werden lässt, dass Außenpolitik nie in blanker Strategie aufgehen kann, schon gar nicht, wenn es um Polen und Deutschland geht, erscheint 1958 als Buch.
Im Jahr 1962 heiraten Christel und Christian Höltje. Man hatte sich auf der Insel Borkum kennen gelernt. 1966 kommt Sohn Sebastian zur Welt. Seine frühe Kindheit verbringt er auf der Insel Spiekeroog. Vater und Sohn werden später in Sachen Umweltschutz und „grüne“ Politik manchmal unterschiedlicher Meinung sein, was sie aber prinzipiell eint, ist das vehemente Interesse an Politik und das Eintreten für Demokratie, Individualität und Menschenrechte.
Die Schule war sein Baby
Im Lebenslauf von Christian Höltje spiegelt sich Zeitgeschichte auf besondere Weise. Die Spanne reicht von der Weimarer Republik über die NS-Zeit, die Phase der Besatzung und Neuorientierung zwischen 1945 und 1949, die Jahrzehnte der deutschen Teilung in DDR und BRD bis zur Wiedervereinigung. Im Niedersächsischen GeschichtslehrerVerband, dessen Vorsitz er lange innehatte, galt seine Aufmerksamkeit noch weiter gefassten Zusammenhängen, verknüpft mit der Frage, wie historisches Bewusstsein zu vermitteln sei. So manche Rede des Schulleiters aus Anlass des Abiturs hatte hier ihren Schwerpunkt.
Die letzte Reise an der Seite seiner Gattin, die auch heute noch das Haus der Familie in Stadthagen bewohnt, führte nach Dresden. Dort verstarb Christian Höltje am 13. April 1996.
Stationen einer Schulleiterkarriere
Als Dr. Höltje am 1. Februar 1970 in Stadthagen seinen Dienst als Schulleiter antrat, konnte er bereits auf besondere Erfahrungen zurückblicken. Ein Internatsgymnasium wie die HermannLietz-Schule auf der Insel Spiekeroog einige Jahre zu leiten, schärfte seinen Blick für den Werdegang einzelner Schüler. Briefe von Eltern zeugen davon, dass er selbst als besonders schwierig geltende Jugendliche nicht so schnell aufgab. Womöglich war die Funktion als Vertrauenslehrer, die er zuvor in Bad Nenndorf am dortigen Gymnasium wahrgenommen hatte, eine wichtige Grundlage für diesen pädagogischen Blick.
In Stadthagen waren zunächst – neben einer hohen Motivation – ganz andere Fähigkeiten von Bedeutung. Als Leiter des Neuen Gymnasiums, das aus einer Außenstelle des Ratsgymnasiums entstanden war, stand Dr. Höltje vor der Aufgabe, ein Profil der Schule zu entwickeln, das Kollegium sinnvoll zu erweitern und in Stadthagen und Umgebung Bindungen zu schaffen durch eine vertrauenerweckende Arbeit. Nicht erst bei seiner Verabschiedung im Juni 1992 wurde Dr. Höltje bescheinigt, diese Herausforderung mit ganzer Kraft angenommen und bewältigt zu haben, natürlich im Zusammenspiel mit den Koordinatoren und dem Kollegium und oft in Abstimmung mit dem zuständigen Dezernenten der Bezirksregierung.
Wenn der eigene Vater „Chef“ ist
„Die Schule war sein Baby“, sagt einer, der es wissen muss. Sebastian Höltje, einziges Kind von Christel und Christian Höltje, hat das Neue Gymnasium besucht und dort 1986 das Abitur bestanden. Angesichts der Konkurrenzsituation zwischen den beiden Gymnasien, die sich besonders in der Arbeit abgeordneter Lehrkräfte an den Orientierungsstufen gezeigt hat, habe es für ihn persönlich keine andere Wahl als das Neue Gymnasium gegeben, sagt der heutige Jurist. „Manchmal waren einzelne Mitschüler etwas distanzierter zu mir“, erinnert er sich, wirkt dabei aber so, als sei er gerne aufs „Neue“ gegangen.
Dass seine Mutter es lieber gesehen hätte, wenn ihr Mann mehr delegiert hätte, ist ihm schon in jungen Jahren nicht verborgen geblieben. Die Jahre auf Spiekeroog hätten mehr Spielraum geboten für eine junge Familie, trotz der Insellage, und insgesamt weniger Aufregung. Einfach sei es nicht gewesen zwischen den Leitern der beiden Gymnasien, sagt Sohn Sebastian.
Die Personalakte als späte Offenbarung
Die Pläne, in Stadthagen eine Integrierte Gesamtschule aufzubauen, womöglich mit eigener Gymnasialer Oberstufe, verschärften die Situation erheblich, zumal die eigenen Schülerzahlen nicht mehr zufriedenstellend waren. Die Abwicklung des Neuen Gymnasiums, so war seinerzeit von führenden Sozialdemokraten aus dem Kreistag im privaten Gespräch zu hören, sei nur eine Frage der Zeit. Ein Satz eines einflussreichen Mitglieds im Schulausschuss prägte sich besonders ein: „Wenn ihr tatenlos zuschaut!“
In einem Schreiben der Bezirksregierung musste Dr. Höltje im Februar 1991 lesen, die „24-Stunden-Besetzung“ der Schule hätte von ihm nicht zugelassen werden
dürfen. Die Blätter mit der schulrechtlichen Begründung dürfte der Mann, der sich als wertkonservativ verstand und aus seiner Nähe zur CDU kein Geheimnis machte, insbesondere wenn es um Bildung, Erziehung und Leistung ging, nicht so schnell zur Seite gelegt haben.
Dass während der spektakulären Protestaktion, die von der Schülervertretung ausging, tatsächlich Unterricht stattfand, das wusste Dr. Höltje und das gefiel ihm. So las ein Leistungskurs Deutsch Eichendorffs „Mondnacht“ tatsächlich bei Mondschein draußen im Schnee, um danach noch vor der Nachtruhe die Verse sprachlich stark abzukühlen auf Wintertemperatur.
Von seinen Vorgesetzten in Hannover gefragt, warum er die Übernachtung nicht verboten habe, sagt Dr. Höltje laut Mitschrift, er habe die Aktion dulden, aber nicht unterstützen wollen. Diese Haltung muss ihn viel Kraft gekostet haben. Dass Franz Kafkas „Auf der Galerie“, jene Parabel vom Leid im Rampenlicht, im Unterricht zur bevorzugten Lektüre des Deutschlehrers gehörte und dass er stolz darauf war, seinen Zöglingen Franz Biberkopf, den geschundenen Helden aus Döblins „Berlin Alexanderplatz“, mit einiger Mühe beiderseits näher gebracht zu haben, steht nicht in der Akte.
Die Frage, was Dr. Höltje als Schulleiter besonders auszeichnete und was sein Tun und Lassen prägte, brachte Siegfried Doepel, der Ende der 70er-Jahre als Deutsch- und Politiklehrer in Stadthagen den Dienst antrat, auf einen knappen Satz, der sich nicht zufällig so gut eingeprägt hat: „Er mochte Menschen.“
Er mochte Menschen.
Volkmar Heuer-Strathmann
Abi 88 – Dr. Höltje in Aktion
Ein Betonskelett erwacht zum Leben
Große Pläne – kleiner Anfang (1968 – 1974)
Wir schreiben das Jahr 1968. Dank „Baby-Boomer“ sowie zahlreicher Zuzügler waren die Stadthäger Schulen mehr als nur gut besucht – sie waren sogar überlastet. Das Ratsgymnasium (RGS) stand z. B. im Schuljahr 1967/68 vor der Herausforderung, 1200 Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt in 41 Klassen, in gerade einmal 27 Räumen (!!!) zu unterrichten.
Der Rat der Stadt erkannte am 24. 10. 1967 den dringenden Handlungsbedarf und setzte trotz klammer Kassen (ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch die kommenden Jahrzehnte zog) alle Hebel in Bewegung, um mittelfristig ein zweites Gymnasium in der Stadt zu etablieren. Ob hier die damalige Prognose, dass Stadthagen im Jahr 2000 circa 60.000 Einwohner haben werde, mitbedacht wurde, lässt sich nur erahnen. Hintergedanke hierbei war sicherlich aber die Sorge, dass ansonsten eine der Nachbarstädte diesen Schritt wagt und so die zahlreichen Schüler aus den Schaumburger Dörfern zu sich lockt. Der Stadtrat aber wollte Stadthagen als Schulzentrum innerhalb Schaumburgs stärken. Als Anfang April 1968 der niedersächsische Kultusminister die Genehmigung zum Bau erteilte, ging es schnell zu Werke (ein Umstand, der nicht unbedingt typisch für die weitere Bauentwicklung der Schule war).
Als Bauplatz fand sich ein Acker nebst abbruchreifer Scheune an der Ecke Jahnstraße/Schachtstraße. Hier war damals noch genug Raum für all die hochtrabenden Blütenträume. Die Realität hingegen fiel zunächst wesentlich bescheidener aus: Aufgrund der immensen Kosten, entschied sich die Stadt als Schulträger für eine Aufteilung in einzelne Bauabschnitte. Nach einem halben Jahr Bauzeit konnte bereits im Herbst 1968 das erste Gebäude bezogen werden. Der eingeschossige Flachbau, welcher heute als Erdgeschoss des Osttrakts fungiert, diente zunächst dem Ratsgymnasium als Dependance. 279 Schüler fanden in acht Klassen Platz.
Am 01. 02. 1970 war es dann aber soweit: Das „Neue Gymnasium“ (NG) wurde als selbstständige Schule mit Dr. Höltje
Der Architekt: Wolfgang Rauda und die „System-Schule-Hannover“
Dem aufmerksamen Reisenden mag es auf seinen Touren durch Niedersachsen vielleicht schon aufgefallen sein: das WBG ist architektonisch alles andere als einmalig. Als das Wirtschaftswunder auf die vom Krieg gezeichneten Städte traf, waren günstige, schnelle und massenweise umsetzbare Lösungen gefragt. Der in Sachsen geborene Architekt Wolfgang Rauda (welcher aufgrund der politischen Entwicklungen die noch junge DDR verließ und in der Bundesrepublik nach einem neuen Betätigungsfeld suchte) bot mit seinem Konzept eines flexibel anpassbaren Baukörpers eine Lösung. Die von ihm geplanten Schulen konnten in kurzer Zeit gebaut werden und bestehen im Grundprinzip aus einem Skelettrumpf, welcher je nach Bedarf unterteilt oder geöffnet werden kann. Architektonisch mag seine Lösung heutzutage nicht vom Hocker reißen, aber für die damalige Zeit konnte so schnell und vergleichsweise günstig der dringend benötigte „Bildungsraum“ geschaffen werden. Dass die von ihm entworfenen Gebäude in der Energieeffizienz arge Probleme aufweisen – nun ja, jede Zeit hat ihre Herausforderungen…
„Das Gebäude ist fast wie ein Dominospiel: Überall kann man nach Belieben etwas dransetzen.“ (Stadthäger Zeitung, 27.08.1973)
als Schulleiter gegründet. Ob den Zeitgenossen die neue Eigenständigkeit stets bewusst war, darf aber bezweifelt werden, da der Fachunterricht häufig noch an das RGS ausgelagert werden musste. Der Beginn des zweiten Bauabschnittes (der heutige Südtrakt) am 12.06.1970 versprach hier Entlastung. In diesem waren u. a. Räume für den Physik- und Chemieunterricht sowie die Verwaltung vorgesehen. Trotz zwischenzeitlicher Finanzierungsschwierigkeiten (u. a. musste der Landkreis einen Zuschuss von 342.000 DM zahlen, um die Baustelle winterfest zu machen) wurde die geplante Bauzeit von circa einem Jahr eingehalten, so dass zum Schuljahr 1971/1972 bereits 19 Klassen mit 549 Schülerinnen und Schülern Platz im NG fanden. Die Presse lobte den modernen „College-Stil“, welcher von außen zwar nüchtern, innen aber als ansprechend und gemütlich beschrieben wurde. Die eingebauten Nachtspeicheröfen wurden aufgrund ihrer Effizienz besonders gelobt.
Auf eine Einweihungsfeier verzichtete die Stadt, welche bis dahin schon 2,5 Millionen DM ausgegeben hatte (Inneneinrichtung noch nicht mitgerechnet). Stattdessen begannen die Vorbereitungen für den dritten Bauabschnitt, welcher mit 6,5 Millionen DM Gesamtkosten veranschlagt wurde. Als im Sommer 1972 der damalige Regierungspräsident de Terra Stadthagen besuchte, beklagten die Ratsvertreter ihm gegenüber ihre finanzielle Überforderung. „Leider kann ich keine Checks verteilen“, lautete seine diesbezügliche Reaktion. Dennoch begannen im Frühjahr 1973 die Bauarbeiten, welche aufgrund des Konkurses einer Beton-Firma aber nicht zu Beginn des Schuljahres 1974/75, sondern erst im Herbst abgeschlossen werden konnten.
„Wie aus einem Guß geschaffen wirkt der Gesamtkomplex des Neuen Gymnasiums an der Jahnstraße.“ (Stadthäger Zeitung, Herbst 1974) Der sogenannte „Bauteil C“ (uns besser bekannt als West- und Nordtrakt) beherbergte in seinem mehrgeschossigen Abschnitt drei Biologieräume mit Sammlung, eine Lehrküche, einen Nadelarbeitsraum, einen „Demonstrationssaal für Film- und Diavorführungen“, ein Sprachlabor sowie neun Klassenräume. Im nördlichen Flachbau fanden Fachräume für Musik und Kunst ihren Platz. Der Verbindungsteil diente als Pausenhalle/ Aula und beherbergte eine Bücherei und Fahrschulräume.
Neue Schule mit ungewisser Zukunft (1975 – 1990er Jahre)
Im Schuljahr 1975/76 zählte das NG teils über 1000 Schülerinnen und Schüler. So großzügig und modern all die neuen Räume auch waren – diese Masse war nur schwer zu bewältigen. Als dann auch noch zusätzliche Realschüler aufgenommen werden mussten, war eine teilweise Auslagerung an die benachbarte Berufsbildende Schule (BBS) unumgänglich. Doch die Situation sollte sich in den Folgejahren entspannen. 1977 führte das Land Niedersachsen die Orientierungsstufe ein. Diese wurde zunächst im Osttrakt untergebracht. Als dieser 1991 an die neugegründete IGS provisorisch übergeben wurde, zogen die 5. und 6. lassen in das Schulzentrum „Hinter der Burg“ um.
Die weitere Entwicklung des Standortes konzentrierte sich nach Fertigstellung des „Bauteil C“ auf das Umfeld des NGs. Hierbei kam es allerdings zu recht widersprüchlichen Entscheidungen seitens der Politik, deren Konsequenzen bereits damals erahnt wurden – und noch heute zu spüren sind.
Weitgehend unstrittig war, dass zahlreiche Gemeinden in Niedersachsen, so auch Stadthagen, mit der überbordenden finanziellen Belastung infolge des Aus- und Neubaus der weiterführenden Schulen an ihre Belastungsgrenzen stießen (oder diese bereits überschritten). Das Mitte 1974 in Kraft getretene neue Landesschulgesetz reagierte auf diesen Missstand, indem die Landkreise künftig als Schulträger fungieren konnten.
Große Träume: Ganz so umfassend, wie in diesem Plan von 1974, fiel das Schulzentrum rund um das Neue Gymnasium (hier rot markiert) dann doch nicht aus
(Quelle: WBG-Archiv)
Eine der ersten Presseaufnahmen unseres Schulgebäudes: Blick über den Lehrerparkplatz auf den Süd- und Osttrakt
aus dem Jahr 1972 (Foto: Schaumburger Presse, 13.09.72, smb-Fotos)
Die Baustelle des Neuen Gymnasiums im Jahr 1973
(Foto: Stadthäger Zeitung, 27.08.73, fl)
Gerade mit Blick auf das NG eine naheliegende Entscheidung, da rund 2/3 aller Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Gemeinden stammten.
Der Landkreis war bemüht, den Charakter eines Schulzentrums weiter auszuformen. Bereits Anfang 1974 wurde der Plan angegangen, eine Turnhalle an der Jahnstraße zu errichten – nur um diese Pläne ein halbes Jahr später wieder auf Eis zu legen. Für NG’ler hieß diese Entscheidung, dass auch weiterhin die aus allen Nähten platzende Turnhalle des RGS genutzt werden musste. Erst im Februar 1981 wurden neue Pläne präsentiert, welche eine Doppelsporthalle mit zwei Hauptgebäuden, die durch einen Mitteltrakt verbunden sein sollten, vorsahen. Die veranschlagten 8,5 Millionen DM Baukosten entpuppten sich dann aber wohl als doch zu happig, so dass im Oktober 1982 der Bau der uns heute vertrauten Kreissporthalle für circa 5,5 Millionen DM begonnen wurde. Im April 1974 veröffentlichte der Stadthäger Stadtrat allerdings auch seine Pläne, die Jahnstraße zur Umgehungsstraße zu deklarieren. Prompt folgte u. a. seitens der Schülermitverwaltung Protest gegen dieses Vorhaben. Dessen Verweis auf die drohende Lärm- und Abgasbelastung, v. a. aber auch die Gefährdung von Leib und Leben für die Schülerinnen und Schüler der umliegenden Schulen infolge des erhöhten Verkehrsaufkommens, blieben weitestgehend unberücksichtigt oder wurden seitens Vertretern des Stadtrates verharmlost. Die Errichtung eines Lärmschutzwalles zwischen NG und der Jahnstraße im Jahr 1975 deutete jedoch bereits an, dass die Bedenken nicht gegenstandslos waren. Die ebenfalls kurze Zeit später in Betrieb genommene Ampelanlage an der Kreuzung Jahn-/ Schachtstraße sollte Abhilfe schaffen. In einem Mitte Januar 1976 in der Schaumburger Zeitung veröffentlichten Artikel beklagte sich allerdings die Stadt darüber, dass viele NG’ler sich selbst gefährden würden, indem sie bei Rot über die Straße gingen. Im Laufe der nächsten Jahre sollten weitere Probleme im Kontext der Verkehrssituation rund um das NG die Agenda bestimmen. So klagten beispielsweise 1981 die Oberstufenschülerinnen und –schüler über den Mangel an Parkraum, welcher u. a. durch das Parkverbot in der Schachtstraße verschärft wurde. Das Angebot, den Parkplatz des Schützenhauses provisorisch mitnutzen zu dürfen, quittierte ein Schüler mit den Worten: „Wenn wir so weit entfernt parken sollen, können wir ja gleich zu Fuß gehen.“
Während in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre mit der BBS sowie der Kreissonderschule (die spätere HansChristian-Andersen-Schule) das Schulzentrum entlang der Jahn-/Schachtstraße weiteren Zuwachs bekam, nahm die Bautätigkeit auf dem Gelände des NGs zusehends ab. Die Errichtung des Hausmeisterbungalows sollte hier einen vorläufigen Endpunkt darstellen.
Panorama zum 10-jährigen Bestehen
(Foto: Schaumburger Zeitung, 29.02.80, hof)
Die 1980er Jahre wurden, wenn man den Schlagzeilen der regionalen Presse folgt, vom schulischen Alltag geprägt: Austausche, Theateraufführungen, Konzerte, Abi-Bälle usw. dominierten das Bild des NGs nach außen. Aber die schulpolitische Großwetterlage änderte sich zunehmend. Infolge sinkender Schülerzahlen, aber auch neuer pädagogischer Konzepte wurde die Existenz zweier Gymnasien am Ort v. a. aus Reihen von SPD-Politikern als „Luxus“ bezeichnet und infrage gestellt. Verbunden mit dem immer deutlicher artikulierten Wunsch nach einer Integrierten Gesamtschule (IGS) in Schaumburg sah sich das NG bereits während der Feierlichkeiten zum 10-jährigen Bestehen mit der Sorge um seinen Fortbestand konfrontiert. Den in der Folgezeit offen geäußerten Vorschlägen, die Gebäude des NGs für eine IGS zu nutzen, wurden beinahe rituell u. a. seitens der CDU widersprochen. Dies und die daraus resultierende Verunsicherung der Elternschaft führte zu weiter sinkenden Schülerzahlen am NG. Bautechnisch schien es somit aus gleich mehreren Gründen vorerst wenig lohnenswert, weiter in das NG zu investieren.
Diese Entwicklung setzte sich auch im folgenden Jahrzehnt fort. Immer weniger Eltern meldeten, womöglich durch die Berichterstattung verunsichert, welche ein Ende des jüngeren der beiden Stadthäger Gymnasien zugunsten der IGS prophezeite, ihre Kinder am NG an. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zogen im Februar 1991 mehrere hundert NG’ler in einem Protestmarsch durch die Stadt und übernachteten wenige Tage darauf in ihrer Schule. Einen Monat später fiel der Beschluss, die neu zu schaffende IGS zunächst provisorisch in Teilen des NG-Gebäudes unterzubringen. Somit konnte zu Beginn des Schuljahres 1991/1992 die IGS ihre Eröffnung zelebrieren – während am Rande der Veranstaltung Schüler und Lehrer des NGs mit verschränkten Armen und Sorgenfalten die Feierlichkeiten sowie ihre eigene mögliche Zukunft betrachteten.
„Ein wildes Durcheinander“ – Damals (hier ein Foto aus dem Jahr 1982) wie heute ist die Verkehrssituation auf der Schachtstraße alles andere als
unproblematisch (Foto: SN, 28.09.82, Brünig)
Doch das drohende Ende sollte sich letztendlich als Startschuss für einen Neuanfang entpuppen. Während sich das Gelände westlich unserer Schule in eine Großbaustelle für die IGS verwandelte (welche im Juni 1994 eingeweiht wurde), konkretisierte sich spätestens im Laufe des Jahres 1992 zunehmend die Idee einer „offenen Ganztagsschule“. Mit Beschluss des Kreistages vom 17. 12. 1992 wurde dieses Konzept zur künftigen Realität des NGs. Im Rahmen der Entscheidung billigten die Politiker zudem circa 4,5 Mio. DM für notwendige Um- und Anbauten.
Die nur wenige Tage später veröffentlichte Feststellung, dass das Gebäude mit Asbestfasern kontaminiert sei, sollte alle Beteiligten jedoch vor ganz kurzfristige Herausforderungen stellen. Infolge unsachgemäß durchgeführter Reparaturen an den Nachtspeicheröfen, wurde das hochgradig krebserregende Material freigesetzt. Dessen Beseitigung sowie der Austausch der betroffenen Öfen führten zu einer Verlängerung der Weihnachtsferien 1992/1993 und einer Schlammschlacht um die Schuldfrage. Erst gab der Oberkreisrat Dr. Lemme dem Hausmeister die Schuld an dem Vorfall. Im weiteren Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass das Hochbauamt des Kreises den Auftrag an eine Firma vergab, welche diesen entsprechend „verpfuschte“. So oder so: Der Einbau einer neuen Heizanlage war auf Dauer unumgänglich. Mit dem Beginn des Schuljahres 1993/1994 endete die Geschichte des Neuen Gymnasiums – und die unseres heutigen „Wilhelm-Busch-Gymnasium“ (WBG) sollte ihren Anfang nehmen.
„Neubau auf Stelzen“ – Der Ausbau des Osttrakts (1999/2000)
Das neue Konzept war erfolgreich – offensichtlich sogar sehr: Besuchten 1992 noch 404 Schülerinnen und Schüler das Gymnasium, waren es 1999 bereits circa 700! Und die Prognosen legten nahe, dass für das Schuljahr 2000/01 mit bis zu 800 zu rechnen sei. Doch der Erfolg auf der einen Seite schuf ein Problem auf der anderen: Die Räume reichten nicht mehr aus.
Zur Überbrückung stellten IGS und BBS eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, aber ein Ausbau war unumgänglich. Wäre es nach Schulleiter Friedhelm Hamann gegangen, würde der heutige Nordtrakt heute zwei Etagen höher sein. Hamann verwies hier auf die größere Entfernung zur lautstarken Straße. Dieses Problem sah der Landkreis nicht und entschied sich stattdessen für eine Aufstockung des Ostgebäudes (der damalige Kreisbaudezernent Karlwilhelm Kött sah die Bäume als ausreichenden Schallschutz an).
Der Überbau des Osttrakts nimmt Gestalt an; Foto vom Dezember 1999
(Foto: SN, 14.12.99, Rickmeier)
„An alle Schüler: Der Pausenhof ist heute wegen Bauarbeiten geschlossen.“ (Schuldurchsage vom 26.11.1999)
Genau genommen begann man am 10.09.1999 damit, den bis dato eingeschossigen Osttrakt zu überbauen. Seitlich eingelassene Stelzen sollten die beiden neuen Etagen tragen – das ursprüngliche Gebäude war hierfür in seiner Statik ungeeignet. Aus den ursprünglich geplanten 19 Räumen wurden letztendlich nur 16. Der Sparzwang führte dazu, dass auf spezialisierte Fachräume verzichtet und die oberste Etage als „zurückgesetzter Staffelbau“ ausgeführt wurde. Fehlende Waschbecken in den Räumen sollten die Schülerinnen und Schüler zudem vor die Herausforderung stellen, die Schwämme ab sofort auf den Toiletten zu reinigen. Der Sprecher der SPD-Fraktion, Jürgen Hiddensen, erläuterte die Planung des Landkreises entsprechend: „Wir tun das Notwendige, nicht das Wünschenswerte.“
Aufgrund der Bauarbeiten musste die Cafeteria in die Pausenhalle verlagert werden (aus diesem Provisorium sollte sich eine dauerhafte Lösung entwickeln). Mathematiklehrer nutzten die Ereignisse als Vorlage für praxisnahe Sachaufgaben. Und auch die Politiklehrer waren von all den Diskussionsmöglichkeiten rund um den Ausbau angetan. Dennoch kostete der Überbau, statt der erhofften 4,5, am Ende 5,3 Millionen DM. Das stürmische Wetter behinderte teilweise den Einsatz des Kranes, so dass erst am 05.09.2000 die neuen Räume an Schüler und Lehrer übergeben werden konnten. Schulleiter Hamann bekam zur Einweihung einen Staubsauger überreicht. Inwiefern dieser zu Reinigung der Linoleumböden zum Einsatz kam, ist hingegen unbekannt.
„Wie die Empfangshalle eines großen Unternehmens“ (2000er Jahre bis heute)
Der Überbau des Osttrakts mag vielleicht die damalige Unterrichtsraumnot gelindert haben, aber es blieb weiterhin das Problem bestehen, dass die Pausen- und Freizeitbereiche für eine solch große Schule mit Ganztagsangebot mehr als unzureichend waren. Zurecht bemängelte im Jahr 2004 der damalige Schulleiter Heiko Knechtel, dass die Freizeitbetreuung am WBG seit zehn Jahren nur in einem Provisorium stattfinde und auch der Verwaltungstrakt einer Vergrößerung bedürfe. Der nahende Wegfall der Orientierungsstufe drohte diese Problematik nochmals zu verschärfen, da die neuen 5. und 6. Klassen aus dem WBG eine Schule mit weit über 1000 Schülerinnen und Schülern machen würde.
Der Architekt Axel Nilberg bekam vom Landkreis den Zuschlag und plante einen Umbau im großen Stil. Der bisherige Eingangsbereich der Schule sollte mit einer lichtdurchfluteten Aula überbaut werden, welche im Sinne eines Mehrzweckraumes sowohl als Freizeitbereich als auch Konzert- und Veranstaltungsfläche genutzt werden konnte. Miteinbezogen wurde die alte Pausenhalle, welche u. a. anstelle der alten Bühne eine Cafeteria aufnehmen sollte. Im Winter 2005/2006 begannen die Bauarbeiten, welche schlussendlich knapp 2 Millionen Euro kosten und circa 1,5 Jahre dauern sollten. Ende Juli 2007 schwärmte der Tischlermeister Klaus-Peter Brandes von seinem Auftrag, die „Cafte“ des WBGs zu bauen. Vor allem die von ihm verwendeten Materialien (sibirische Lärche für den Boden des Atriums sowie Douglasie für die „Cafte“ selbst) begeisterten ihn offensichtlich. Kreisbauamtsleiter Fritz Klebe legte bei seiner Einschätzung des neu entstandenen Versorgungsbereiches einen ganz anderen Schwerpunkt: Er verglich die Cafeteria im Aussehen mit einer „Sushi-Bar“.
Anfang September 2007 war es soweit: Die neue Aula wurde offiziell freigegeben. Landrat Heinz-Gerhard Schötteln-
Heiko Knechtel zeigt im September 2004, wo die neue Aula hin soll
(Foto: SN, 15.09.04, Skamira)
Neue Aula, aber noch die alte Fassade – das WBG im Januar 2009
(Foto: SN, 14.01.2009, jl/Grabowski)
dreier empfand deren Akustik nach dem Auftritt der Percussiongruppe als „gut“ und verglich den Neubau mit „der Empfangshalle eines großen Unternehmens“ (Beobachter deuteten diese Aussage als Lob). Knechtel betonte die Multifunktionalität der Aula, welche sowohl als „Ausstellungsplattform“ als auch „Sekt-Bar“ nutzbar sei.
Auch in den Folgejahren tat sich noch einiges am, im und um das WBG. 2010 begann die Sanierung und optische Veränderung der ursprünglichen Waschbetonfassade sowie der Austausch der Fenster. Parallel hierzu wurden die Bauarbeiten für den „kleinen Schulhof“ angestoßen, welcher als Ausgleichsfläche für den infolge des Aulabaus verlorengegangenen Außenbereich gedacht war und heute das Refugium der jüngeren Jahrgänge ist. Nicht vergessen werden sollte allerdings die vielleicht wichtigste Baumaßnahme der Schulgeschichte (zumindest aus Sicht der „mobilen“ Lehrerschaft): der Ausbau des Lehrerparkplatzes.
An dieser Stelle soll der Blick in die Baugeschichte des NGs/WBGs vorerst genügen. Selbst dem nur bedingt aufmerksamen Beobachter dürfte, z. B. mit Blick auf den 2019/2020 neugestalteten „großen Schulhof“, nicht verborgen geblieben sein, dass auch die 2010er Jahre nicht ohne Weiterentwicklungen, Fortschritte, aber auch so manche Verschlimmbesserung an der Schule ihren Lauf nahmen. Doch deren Betrachtung und Bewertung bleiben einer kommenden Chronik (vielleicht der zum 75-jährigen Bestehen?) vorbehalten.
Nils Nowak
Der neue Schulhof im Bau und in endgültiger Gestaltung
Der Weg zum Wilhelm-Busch-Gymnasium: Wilhelm-Busch-Gymnasium: 1986 – 1993 1986 – 1993
„Neues Gymnasium wird 1993 Ganztagsschule – Existenz ist damit Ganztagsschule – Existenz ist damit gesichert/Kreistag beendet heftigen Streit gesichert/Kreistag beendet heftigen Streit mit einem Kompromiß“ mit einem Kompromiß“ wicklung ihr Ende. Ein Rückblick.
Mit dieser Schlagzeile verkündeten die Mit dieser Schlagzeile verkündeten die Schaumburger Nachrichten kurz vor Schaumburger Nachrichten kurz vor Weihnachten, was in der entscheidenden Kreistagssitzung am 15.12.1992 beschlossen wurde: Mit Beginn des Schuljahres 1992/93 würde die Umwandlung des Neuen Gymnasiums in eine (eigentlich: teilweise) offene Ganztagsschule beginnen. Mit zwei verpflichtenden Nachmittagen und freiwilligen Nachmittagsangeboten an den übrigen Schultagen sollte zunächst in den siebten Klassen, im darauffolgenden Schuljahr auch in den Klassenstufen 8 bis 10 der Ganztagsunterricht am NG Gestalt annehmen. In diesem Zuge wurde der IGS zusätzlich zum Neubau ein Anbau zugesprochen, damit der Betrieb sowohl der IGS als auch des Ganztagsgymnasiums gesichert wäre. Mit dieser frohen Botschaft, die als stimmiger Kompromiss zwischen allen Beteiligten – den politischen Akteuren und der Verwaltung des Landkreises, den beiden Kollegien und den Schülerinnen und Schülern sowie Eltern der Schulen – gelobt wurde, fand eine für das Neue Gymnasium existenzbedrohende Entwicklung ihr Ende. Ein Rückblick.
„Ernstfall für Neues Gymnasium: „Ernstfall für Neues Gymnasium: nur 49 Anmeldungen“ nur 49 Anmeldungen“ (SN, 25.6.1991)
Nicht nur für den ersten – und einzigen - Direktor des NG, Dr. Christian Höltje, bedeutete diese Zahl einen tiefgreifenden Einschnitt in die Schaumburger Schullandschaft. Der Schulleiter sprach damals von dem „kritischsten Jahr“, das seiner Schule bevorstehe. Als Ursache für diese Entwicklung sah er eine „erhebliche Verunsicherung der Eltern“ an, die einerseits angesichts der Eröffnung der Schaumburger IGS in den Räumen der unmittelbar angrenzenden ehemaligen Orientierungsstufe sowie andererseits aufgrund der sie begleitenden heftigen schulpolitischen Kontroversen auch begründet sei.
Vor dem Hintergrund der drohenden Zweizügigkeit verlangte Dr. Höltje eine „Aufnahmekonferenz“, hatte der Kreistag im Zusammenhang mit der IGSGründung doch eine „Bestandsgarantie“ für das NG vereinbart. Das hieße, das Ratsgymnasium hätte, bei seinerzeit 170 Anmeldungen, eine volle Klasse an das NG abtreten müssen – bei dem freien Elternwillen in dieser Frage ein problematisches Unterfangen.
Was folgte, war ein Aufbegehren gegen den drohenden Ernstfall. Und da musste man eben nicht bei null anfangen.
Bereits im November 1986 war im Rahmen einer Pädagogischen Klausurtagung des NG im Jagdschloss Baum der Einstieg in die Diskussion um „Möglichkeiten organisatorischer Reformen an der Schule“ erfolgt. Wesentliches Ziel war eine „Profilbildung von unten“: innerschulische, von der Schulgemeinschaft verantwortete inhaltliche und organisatorische Reformen sollten angestoßen werden und unserer Schule ein unverwechselbares Konzept geben („Corporate Identity“). Ein konkretes Ergebnis war die Einrichtung eines Arbeitskreises Schüler-Lehrer-Eltern, der in einen institutionalisierten und damit aufgewerteten Schüler-Lehrer-Elternausschuss im Sinne des Niedersächsischen Schulgesetzes überführt werden sollte. Ein anderes war die Fortsetzung der Profilbildung im Rahmen einer Projektwoche „Praktisches Lernen – SchülerInnen machen Schule“.
Im Jahre 1991 spitzte sich die Situation dann zu: Schließungsgerüchte im Kontext der IGS-Gründung führten seitens des NG zu „Widerstandsaktionen“ wie den 24-Stunden-Unterricht. Ein Ganztagsbetreuungskonzept, das auf klare Freiwilligkeit der Eltern und Schüler setzte, wurde im Oktober 1991 vom Schulausschuss des Landkreises abgelehnt.
den drohenden Ernstfall. Und da musste man eben nicht bei null anfangen.
Schlussseite aus dem Antrag des NG zur Einrichtung eines Ganztagsschulangebots
„Schule als Lebensort“ – Das Reformkonzept des NG
Die Diskussionen rund um die Gestaltung eines Ganztagsbetriebs verstärkten sich daraufhin, und so konnte der Generalanzeiger im Februar 1992 titeln:
„Von Resignation keine Spur“ (Generalanzeiger, 20.02.1992)
Anfang Dezember 1991 gab es bereits das erste von fünf intensiven Treffen des „Arbeitskreises GTG“; ihm gelang es, einen wirklichen Durchbruch vorzubereiten. Auf der Gesamtkonferenz vom 24. 02.1992 wurde der „Antrag auf Einführung eines Ganztagsschulangebots am NG zum 01.8.1993“ nahezu einstimmig beschlossen. Und die Presse konstatierte:
„Neues Gymnasium will Ganztagsschule werden“ (SN, 26.02.1992)
Schule, „Arbeitskreis GTG“ und der daraus hervorgehende, während der Gesamtkonferenz gegründete „Planungsausschuss Ganztagsgymnasium“, dem unter der Leitung von Volkmar Heuer-Strathmann, Helge Krzykowski (Sprecher) und Hans-Ulrich Lampe fast die Hälfte des Kollegiums sowie Schüler- und Elternvertreter angehörten, hatten beherzt die „Chance zur Reform am eigenen Leibe begriffen“, wie der ehemalige NG-Schüler und Redakteur der Schaumburger Nachrichten, Stefan Rothe, kommentierte.
„Die Zeichen sind gesetzt: NG steuert klaren GTG-Kurs“ (Schaumburger Wochenblatt, 26.02.1992)
Einen Tag später berichtete der Generalanzeiger detailliert von der überwältigenden Zustimmung der Gesamtkonferenz zum Ganztagskonzept. An ihr wohlwollend beteiligt waren auch der Dezernent der Bezirksregierung, Dr. Wilhelm Wortmann, sowie insbesondere die Schuldezernentin des Landkreises, Eva Börgemann (Burdorf). Als positiv vermerkt wurde hier zudem, dass „Lehrer, Eltern und Schüler an einem Strang ziehen.“
Am 18.3.1992 traf sich der Planungsausschuss zum ersten Mal zur Ausarbeitung des umfangreichen Antrags zum Beratungsverfahren – am 30.3. erfolgte die Abschlussredaktion und am 03.4.1992 die Abgabe des Antrags bei der Kreisverwaltung (s. Seite 25). Den konzeptionellen Ansatz der Planungsgruppe formulierte der damalige Sprecher so: „Wir gehen vom Kind aus und wollen durch pädagogische Arbeit überzeugen. Schülern und Eltern werden weitgehende Entscheidungsspielräume belassen.“ (Generalanzeiger, 14.5.1992) Und weiter: Im Kontext der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Erziehung und Schule bedeute das vor allem innovative Unterrichtsformen im Sinne intensiven Förderns und Forderns, die Öffnung der Schule nach außen sowie einen anregenden Freizeitbereich mit einer sinnvollen Balance von Anleitung und Eigeninitiative – eben einen strukturierten, motivierenden Ganztagsbetrieb. Auf diese Weise könne das Gymnasium auf eine veränderte Lebenswelt reagieren mit dem Ziel, sein Anspruchsniveau entsprechend zu verfeinern und sich zum bewusst gestalteten Lern- und Lebensort zu wandeln. Mit neuen Ideen, Offenheit und Wertschätzung aller am Schulleben Beteiligten der Schule zu einem attraktiven Profil zu verhelfen – so laute der Anspruch der Planungsgruppe.
Wenig später jedoch erlebte die angestrebte strukturelle Reform des NG einen
Rückschlag, als sich der Schulausschuss des Landkreises im Mai desselben Jahres wegen „offener Sachfragen“ der beantragten Elternbefragung an Grund- und Orientierungsstufen seitens des Schulträgers widersetzte.
Glücklicherweise revidierte der Kreisausschuss am 19.5. diese Absage der Schulpolitiker und fand sich intern zu einem Kompromiss zusammen, mit dem auch die Schule sehr gut leben konnte: „Alle 56 Eltern, Schüler und Lehrer (der Gesamtkonferenz des Neuen Gymnasiums) stimmten für den Kompromiß“ (SN, 03.6.1992). Als dessen Kernpunkte wurden zwei verpflichtende Unterrichtsnachmittage für alle GTG-SchülerInnen und Dreizügigkeit als Bedingung mit mindestens 70 SchülerInnen für den Jahrgang 7 herausgestellt.
Damit stand einer zügigen Bedarfsbefragung nichts mehr im Wege.
„Ganztagsgymnasium: Elternumfrage noch vor den Sommerferien möglich“ (General-Anzeiger, 04.6.1992)
Mitte Juni 1992 vermittelten Vertreter des GTG – Planungsausschusses – teilweise unter Beteiligung der Verantwortlichen des Landkreises, von Frau Burdorf und Herrn Dehne - den Interessierten während der Info-Veranstaltungen in den Schulzentren Lindhorst, Helpsen und Stadthagen ein umfassendes Bild vom pädagogischen Konzept der Schule. Knapp 1200 SchülerInnen aus den damaligen vierten Jahrgangsstufen der Grundschulen und dem fünften Jahrgang der Orientierungsstufen erhielten die Fragebögen zur Bedarfsermittlung.
Frau Burdorf blieb es dann auch vorbehalten, dem Gründungsdirektor Dr. Höltje ein besonderes Geschenk zu seiner Verabschiedung nach 21 Jahren und zugleich zu seinem 64. Geburtstag zu übermitteln:
„281 Eltern wollen Ganztagsgymnasium“ (SN, 25.6.92)
Nach Bekanntgabe dieses Ergebnisses – im August desselben Jahres wurde diese Zahl auf 299 Eltern (25,8 %) korrigiert – brandete in der Aula des Gymnasiums „erleichterter und gelöster Beifall“ auf, wie der Redakteur der SN feststellte. Etwas verfrüht, wie sich bereits im August zeigte:
„Streit um Neues Gymnasium schwelt weiter“ (SN, 21.8.1992)
Nun waren es „räumliche und finanzielle Unwägbarkeiten“ in Hinblick auf den Raumbedarf von NG und IGS, die in der Schulausschusssitzung des Kreistages zur Streichung des Startdatums 1.8.1993 führten.
Eine solche Verschiebung des Einführungstermins hätte fatale Folgen nach sich ziehen können, wären doch Zweifel an der Zukunft des NG geblieben.
Endlich dann doch die herbeigesehnte frohe Botschaft, der zu Beginn dieses Rückblicks beschriebene Kompromiss: Der Kreistag machte kurz vor Weihnachten den Weg zur Umwandlung des Neuen Gymnasiums in ein Ganztagsgymnasium zum 01.8.1993 frei!
Der nächste positive Schritt für den Fortbestand und die engagiert angeschobene Erneuerung unserer Schule ereignete sich Anfang 1993: Wir bekamen, was ja noch ein Jahr zuvor alles andere als selbstverständlich war, einen neuen Direktor.
Bereits am 15.01.1993 wurde der neue Schulleiter, der den bis dahin erfolgreich tätigen, kommissarisch eingesetzten Schulleiter Horst Sassenberg ablöste, in sein Amt eingeführt.
„Friedhelm Hamann: `Die Schulen sollen ihren Erziehungsauftrag ernster nehmen´/ Gymnasium und IGS können sich `aufeinander zubewegen´“ (SN,15.01.1993)
Nachdem auch der damalige Kultusminister Rolf Wernstedt am 18.3. 93 vor dem Landtag mit seiner Entscheidung für den Ganztagsbetrieb am Neuen Gymnasium die letzte Hürde beseitigt hatte, gingen die konkreten Vorbereitungen für den Start am 01.8.93 los. Die Ergebnisse dieser ebenso intensiven wie motivierenden Arbeit lassen sich beispielhaft dem folgenden Bericht Stefan Rothes entnehmen. Nach einem von dem Planungsausschuss GTG initiierten Pressegespräch schrieb er (s. Seite 26):
„Sich wohlfühlen und lernen“ in der „Schule der Zukunft“ (SN, 14.5.93)
Oder, wie es einen Tag später im Schaumburger Wochenblatt hieß (s. Seite 27):
„Mehr Spaß am Lernen: GTG will engen schulischen Rahmen sprengen“
Und mit dem Neuanfang zum Schuljahr 1993/94, mit der Umgestaltung des Neuen Gymnasiums zum Ganztagsgymnasium gab sich die Schule auch einen neuen Namen: „Wilhelm-Busch-Gymnasium“. Mit Humor und Fantasie bzw. Kreativität - Schlüssel zum vielfältigen Werke Buschs – könne Schule als „Raum, in dem Träume gedeihen (...), Versteinerungen aufbrechen“, so der neue Direktor, Friedhelm Hamann, während der Feierstunde im September 1993 zur Umbenennung. Einen anderen Aspekt hob dann der Festredner Hermann Banser hervor, wie schon der Titel seines Beitrags verdeutlicht: „Wilhelm Busch – Ein Leben als großartiges Paradoxon zwischen Winkel und Welt“.
Zum „Neuanfang“ passend, soll der Rückblick auf eine ungemein inspirierende Zeit enden mit Wilhelm Buschs Neujahrswünschen:
Will das Glück nach seinem Sinn Dir was Gutes schenken, Sage Dank und nimm es hin Ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt, Doch vor allen Dingen: Das, worum du dich bemühst Möge dir gelingen.
Helge Krzykowski