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Musik für erwachsene Hörer
sept./OKT. 2011
80.000 Exemplare
Chris Rea über den Kampf gegen den Krebs und warum er kreativer ist denn je
rebekka bakken Die schöne Norwegerin und ihr Stilwechsel: Aus den Jazzclubs hinaus in die frische Country-Luft
Nigel Kennedy
Pink Floyd
Der Punk an der Geige startet mit Vivaldi in neue Soundwelten
Wie die Briten den Klassiker „The Dark Side Of The Moon“ schufen
Außerdem: Tori Amos, Tony Ben-
nett, Hubert von Goisern, Wynton Marsalis & Eric Clapton u. a. Und immer: CD-Besprechungen und Tourneedaten aus Pop, Rock, Klassik und Jazz!
P PO FT TR IF IK SS A KL
SEAL ALISON MOYET NILE RODGERS & CHIC STANFOUR DIV4S (Sopran) JOHN MILES
HAMBURG O2 WORLD
FR 25.11.2011* 20.00 UHR SA 26.11.2011 20.00 UHR
BREMEN BREMEN ARENA
SO 27.11.2011* 18.00 UHR
HANNOVER TUI ARENA
DI 29.11.2011* 20.00 UHR
FRANKFURT FESTHALLE
MI 30.11.2011 20.00 UHR DO 01.12.2011* 20.00 UHR
ERFURT MESSEHALLE
FR 02.12.2011
BERLIN O2 WORLD
SA 03.12.2011* 20.00 UHR
20.00 UHR
MANNHEIM SAP ARENA STUTTGART SCHLEYERHALLE MÜNCHEN OLYMPIAHALLE
DI 06.12.2011* 20.00 UHR MI 07.12.2011* 20.00 UHR
DO FR SA SO DORTMUND DI WESTFALENHALLE MI KÖLN FR LANXESS ARENA SA OBERHAUSEN SO ARENA
08.12.2011* 09.12.2011* 10.12.2011* 11.12.2011 13.12.2011 14.12.2011 16.12.2011* 17.12.2011 18.12.2011
Bundesweiter Ticketversand: 01805 570 000 (0,14 €|Minute, Mobilfunkpreise können abweichen) Tickets: www.eventim.de und an den bekannten Vorverkaufsstellen | Alle Infos unter www.notp.com * VIP-Karten erhältlich: Tel. 089 - 9 45 28 10 | vip@pse-germany.de Daten unter Vorbehalt | Produktion: P.S.E. Germany GmbH · Feldkirchen | München
20.00 20.00 20.00 15.00 20.00 20.00 20.00 20.00 18.00
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inhalt
trailer
News aus der Welt der Musik
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Der letzte Crooner: die späte Blüte des Sängers Tony Bennett
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Interview: Chris Rea über sein Mammutwerk „Santo Spirito“ und den Kampf gegen den Krebs
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leserpost + Impressum
Anregungen, Wissenswertes, Fragen, Schmähkritik
Wie die norwegische Jazzbeauty Rebekka Bakken die Schönheit der US-amerikanischen Roots-Musik entdeckt. Die SONO-Titelstory 6 Der Trompetenstar und der Gitarrengott: Wie Wynton Marsalis & Eric Clapton in New York der Tradition huldigten 8 backstage-lek türe
Was liest Rolf Zacher? Bei Hubert von Goisern ist stetiger Wechsel die größte Konstante Nirvana s Meisterwerk „Never-
mind“ – in der SONO-Umfrage
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neue gesichter
Milos Karadagli´c, Seide, Gabe Dixon
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Foto: Alex Schütz; Titel: Mike Hill, Paul Marc Mitchell
Wie funktioniert eigentlich das Spiel mit den Charts? Ein Streifzug durch Vergangenheit und Gegenwart der Hitparaden 14 Rückblick – die besten Veröffent-
lichungen des Sommers 2011 Magie aus der Mülltonne: Wie Pink Floyd ihr Meisterwerk „The Dark Side Of The Moon“ schufen
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Die Popsängerin und -komponistin Tori Amos wandelt jetzt auf den Spuren von Franz Schubert 26
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Tori Amos
Geigenpunk Nigel Kennedy nutzt neuerdings Vivaldi als Startrampe für Trips durch allerlei moderne Musikstile 28 CD - Rezensionen Ro ck , Pop & Co. Charles Aznavour, Glen Campbell, Keb Mo, Mike Oldfield, Frank Ramond u. a.
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CD - Rezensionen Kl a ssik Ludovico Einaudi, Sol Gabetta, Lang Lang, Kent Nagano, „Poetica“ u. a.
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CD - Rezensionen Ja z z & world Woody Allen, Cristina Branco, Charles Lloyd, Céline Rudolph, Tinariwen, Tingvall Trio u. a.
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schat zkiste Neue Boxsets, Editionen und Re-Issues von Jimi Hendrix, Sting, Queen u. a.
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Media- mix Neue Bücher und DVDs
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Tourneen Kl a ssik Rotterdam Philharmonisch Orkest mit Yannick Nézet-Séguin u. v. a.
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Tourneen Ja z z Lisa Bassenge, Trombone Shorty u. v. a.
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Promi- Hörer-Steckbrief Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl
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E x k l us i v f ü r Abo n n e n t e n : 16 Seiten SONO plus
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Eric Clapton & Wynton Marsalis
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Tourneen Pop Claudia Koreck, Scott Matthew u. v. a., Rückblick: Robert Randolph & The Family Band
die sono -liste
12 Musiker, die ihre besten Platten erst mit über 50 aufnahmen
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Hubert von Goisern
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Tony Bennett
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Trailer
Heimarbeiter: David Lynch (l.) nahm sein Debütalbum im eigenen Tonstudio auf. Hank Williams (r.) wird von Dylan (u. r.) geehrt.
Ohne Bühne und Lightshow: der Indiekünstler I Am Kloot (o.) bei einem sogenannten „Instore-Gig“ im Rahmen der Plattenladenwoche 2010.
M
anchmal braucht es im Leben offenbar erst einen großen Erfolg im Hauptberuf, bevor man sich frei fühlt, auch lange vernachlässigte Neigungen einmal zu ihrem Recht kommen zu lassen. Der Regisseur David Lynch etwa, mit Box-Office-Hits wie „Blue Velvet“ und „Mulholland Drive“ eine große Nummer in Hollywood, veröffentlicht am 7. November im zarten Alter von 65 Jahren sein erstes Album als Musiker – aufgenommen im eigenen Tonstudio. Auch nicht mehr wirklich im Berufsanfänger-Alter ist Jeff Bridges , laut New York Times der „am meisten unterbewertete große Schauspieler seiner Generation“. Der 62-jährige bekam im vergangenen Jahr nach vier vergeblichen Anläufen endlich den verdienten Oscar. Offenbar hat das den Kalifornier bewogen, die Musikerkarriere noch einmal richtig anzupacken, die er eigentlich schon lange mal starten woll-
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te. Zwar hatte Bridges 1999 schon einmal ein Album zusammen mit Michael McDonald und David Crosby veröffentlicht („Be Here Soon“), doch das ging unter wie ein Stein. Das dürfte sich mit seinem im modernen Country-Stil gehaltenen und für Oktober angekündigten Debüt für Blue Note Records, schlicht „Jeff Bridges“ betitelt, kaum so wiederholen. Denn diesmal hatte Bridges seinen guten Freund T-Bone Burnett als Produzenten an seiner Seite – und der hat momentan ein goldenes Händchen, wie jüngst seine Erfolge mit Gregg Allman, Robert Randolph, Robert Plant und Alison Krauss zeigten. Stöbern kann man nach den beiden Werken beispielsweise im Rahmen der dritten „Plattenladenwoche“ , mit der zwischen 10. und 15. Oktober bundesweit in 70 Städten in den beteiligten Tonträgergeschäften der „heilige Ort des Tonträger-Kultes“ gefeiert werden soll – zum Beispiel
mit sogenannten „Instore Gigs“. Künstler wie Götz Alsmann, Ina Müller und der Tenor Jonas Kaufmann haben ihre Unterstützung zugesagt. Infos gibt es unter www. plattenladenwoche.de. Apropos Country-Musik: Ein Vorhaben ihres Idols, über das unter gut informierten Dylanologen schon länger gemunkelt wurde, ist inzwischen wohl Realität geworden. Der gute Bob hat selbst nämlich auch Idole – eines davon ist Hank Williams, und dem setzt Dylan auf seine Art nun ein
Die zahl
3,1
Millionen Mal ging „21“, das Hitalbum der Sängerin Adele, in diesem Jahr allein in den USA bereits über den Ladentisch – damit ist es in den Staaten das bestverkaufte Album aus England seit 1987.
klingendes Denkmal: Er versandte Texte aus dem Nachlass des Country-Pioniers an befreundete Kollegen mit der Bitte um Vertonung. Das Resultat soll am 4. Oktober unter dem Titel „The Lost Notebooks Of Hank Williams“ auf Dylans eigenem EgyptianRecord-Label im Vertrieb von Sony erscheinen, mit Beitragen vertreten sind u. a. Alan Jackson, Rodney Crowell, Levon Helm, Jack White, Lucinda Williams und Sohnemann Jakob Dylan. Nochmal zurück zur Verbindung von Hollywood und der Popmusik: Der vielleicht beste Nebenerwerbs-Rockfilmer dieses Planeten, Martin Scorsese („Taxi Driver“, „The Last Waltz“, „Casino“, „No Direction Home“, „Shine A Light“), hat sich der längst überfälligen Aufgabe angenommen, eine Dokumentation über das Leben des „stillen Beatle“ George Harrison zu drehen. „Living In The Material World“, so der Titel des Films (nach einem von Harrisons Soloalben), soll im Oktober auf DVD herauskommen, kurz zuvor wird er in den USA vom Pay-TV-Sender HBO als Zweiteiler ausgestrahlt.
Fotos: Durdan, David Gahr
Martin Scorsese (l.) kümmerte sich filmisch um George Harrison, während Jeff Bridges (ganz rechts) mal Pause vom Kino machte
leserPost Respektierter Udo
Zu wenig LoFi
Betrifft: Udo Jürgens in SONO 2/2011
Betrifft: SONOplus
Wie wohltuend ist es, in einem reinen Musikmagazin eine ernsthafte und respektvolle Auseinandersetzung mit der Musik von Udo Jürgens zu lesen. Sonst findet er ja hauptsächlich in Klatschmagazinen statt, dabei spielt dieser großartige Sänger doch seit Jahrzehnten künstlerisch in einer ganz eigenen Liga. Patricia Hagemeyer, Bremen
Eine 12-seitige Bestandsaufnahme über die Country-Szene im Abonnentensonderteil von SONO zu lesen, hat mich sehr gefreut. Allerdings kam die moderne „Alternative Country“ oder „LoFi-Country“ genannte Strömung darin für mein Empfinden deutlich zu kurz . Vielleicht könnt ihr diesem Phänomen mal eine eigene Story widmen? Dennoch hat sich allein für das Country-Spezial schon mein Abo gelohnt. Hans Neumüller, Lehrte
Wo bleiben Videos? Betrifft: SONO online Ich habe in der Sommerpause seit dem letzten Heft Ihre Website (www.sonomagazin.de; Anm. d. Red.) wegen den wöchentlich neuen Plattentipps schätzen gelernt. Allerdings wäre es schön, darauf auch Videos mit Musik für den erwachsenen Geschmack zu finden. So was muss heutzutage doch machbar sein! Erhard Grazowsky, per E-Mail
Mischung stimmt Betrifft: SONO allgemein
Besonders gut finde ich an SONO, dass in Ihrem Magazin die Mischung zwischen bekannten und beliebten Künstlern einerseits (über die man einfach gerne mal wieder Neues lesen bzw.
Ilja Richter präsentiert
von deren neuen CDs hören möchte) und neuen Künstlern andererseits stimmt. So lernt man Neues kennen, auf das man sonst vielleicht nicht gestoßen wäre, aber man fremdelt nicht zwischen lauter unbekannten Namen. Wobei die Rubrik „Neue Gesichter“ für meinen Geschmack gerne auf zwei Seiten ausgedehnt werden könnte. Robin-Peter Diltz, BietigheimBissingen
I m p r e s su m Verl ag: IN MED IA Verlagsund Redaktionsbüro GmbH Lucile-Grahn-Str. 37 81675 München Telefon 089 / 457 261-0 Fax 089 / 457 261-50 Mail post@sonomagazin.de Herausgeber: Günter F. Bereiter Redaktion: Christian Stolberg (c.stolberg@inmedia.de, Tel. 0 89 / 45 72 61-41) Autoren dieser Ausgabe: Marcel Anders, Svevo Bandini, Ralf Dom browski, Guido Fischer, Heiko Große, Raoul Gulbenkian, Ernst Hofacker, Wolf Kampmann, Dagmar Leischow, Reinhard Lemelle, Felix Marondel, Steffen Rüth, Michael Sailer, HansJürgen Schaal, Uwe Schleifenbaum, Robert Wallner Bildredaktion: Fritz Osskar Termine: Michael Sailer
Ihre meinung ist uns wichtig!
Design: Arndt Knieper Produktion: Viola Müller-Hergerdt
Haben Sie Fragen, Kritik, Anregungen oder Ergänzungen zu den Artikeln in SONO? Dann schreiben Sie uns – die Redaktion freut sich auf ihr Feedback unter post@ sonomagazin.de oder per Post an Inmedia, Redaktion SONO, LucileGrahn-Str. 37, 81675 München
Anzeigenmarketing: Maren Kumpe (m.kumpe@inmedia.de, Tel. 089 / 457 261-35) Abo + Vertrieb: Susanne Lanzinger (s.lanzinger@inmedia.de, Tel. 0 89 / 45 72 61-45) Druck: Augsburger Druckhaus ADV Aindlinger Str. 17–19 86167 Augsburg SONO erscheint sechsmal jährlich
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Rebekka Bakken
Für immer jung? Wer kennt nicht den Wunsch nach ewiger Jugend? Die norwegische Sängerin Rebekka Bakken covert auf ihrer neuen CD den Alphaville-Song „Forever Young“. Doch ihr Album spielt sich auf der Scheide zwischen Sommer und Herbst des Lebens ab. Von Wolf Kampmann
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ls außergewöhnliche Sängerin hat sich Rebekka Bakken in Jazzkreisen längst einen Namen gemacht. Auf ihrer neuen CD „September“ schlägt die 41-Jährige nun ganz neue Töne an. Mit der unwiderstehlich kraftvollen Zartheit ihres Timbres intoniert sie unschuldige Songs zwischen Country und Folkpop. Die Produktion ist unerwartet zurückhaltend, nahezu minimalistisch, sodass die Sängerin mit ihrer ganzen Persönlichkeit viel mehr in den Vordergrund tritt als auf früheren Alben. Der Titel der CD ist nicht nur ein zufällig gewähltes Bild. „Man weiß nie so recht, ob der September Teil von etwas Altem ist oder bereits etwas Neues ankündigt“, sinniert die charmante Norwegerin in ihrem Apartment in New York. „Im September stecken gleichermaßen Sommer und Winter. Mit dieser Offenheit will ich auch dem Hörer entgegentreten. Erst wenn er das Album gehört hat, wird er sich für eine der beiden Jahreszeiten entscheiden können.“
Organischer Sound statt Studiokosmetik Wobei diese CD schon öfter als einmal gehört werden will, um diese Entscheidung zu treffen. „September“ besteht zum größten Teil aus Balladen. Das getragene Tempo und die Themenauswahl drücken anfangs auf die Gesamtstimmung. Doch Song für Song klart der Himmel über der Sängerin auf, wird freundlicher und positiver. Diese Klarheit führt den Hörer ohne Umwege direkt zu ihr selbst. Rebekka Bakken spricht davon, dass sie auf dieser CD mehr denn je ihre eigene musikalische Welt geschaffen habe, um die sich alle Geschichten drehen. Das mag nach einem Gemeinplatz klingen, der so oder ähnlich zu
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ihren Gesang bislang ausmachte: Sie kommt ohne jede Sophistication aus. Ein Song ist ein Song, sie füllt ihn mit ihrer Stimme, ihrem Klavierspiel und der zurückhaltenden Begleitung ihrer Band aus und fertig. Einfachheit statt Verstiegenheit im Sinne poetischer Reduktion. „Ich würde diese Musik vor allem als organisch bezeichnen“, bestätigt die frischgebackene Country-Chanteuse. „Diese Aufnahmen gingen mir ganz leicht von der Hand. Während der Arbeit fiel mir immer wieder ein Satz ein, den ich unlängst gehört hatte: Repariere nichts, das nicht vorher zerbrochen ist. Wollte ich etwas verbessern, das eigentlich gut ist, würde ich es nur verderben. Wir ließen also alles Überflüssige weg. Das fing mit dem Songwriting an, erstreckte sich auf die Stimme und ging bis zur Produktion.“
Eine Rückkehr zu sich selbst jeder neuen Veröffentlichung sämtlicher Musiker der Welt geäußert wird, doch im Fall von „September“ fehlt tatsächlich all die Studiokosmetik, die Frau Bakkens frühere Platten zuweilen überfrachtet haben. Plötzlich kann sie loslassen. Die Kommunikation erfolgt nicht auf halbem Weg zwischen Künstlerin und Hörer, sondern die Song-Poetin öffnet weit ihre Pforten, auf dass sich der Hörer voll und ganz auf ihren Kosmos einlasse. „Ich habe großes Glück, meine eigene Welt auf diese Weise erforschen zu können“, sagt sie nachdenklich. „Für den Hörer dürfte es kein Problem sein, sich in diese Welt hineinzuversetzen. Es geht ja auch um den Standpunkt, von dem aus ich meine Außenwelt betrachte. Ich selbst mag mich verändert haben, aber meine Umgebung ist dieselbe geblieben. Auf dieser Platte geht es um meine Filter, meine Wahrnehmung und meine Sprache.“ Sie spricht eine Einladung an ihr Publikum aus, für die sie sich auch noch eines wesentlich persönlicheren Aspekts entledigt, der
Dabei machte Rebekka Bakken die einzigartige Erfahrung, in den Songs die Songs zu entdecken. Das war nicht immer leicht. Die Arbeit mit den Musikern war nicht das Problem, aber um sich zu besagter Klarheit zu zwingen, musste sie ein erhebliches Maß an Selbstehrlichkeit aufbringen. Daher auch das ungewöhnliche Experiment mit „Forever Young“. Sie war sich bewusst, dass niemand diesen Song, der eine ganze Generation gespalten hat, vorurteilsfrei hören kann. „In den 80er Jahren gab es ja so viele gute Songs, die in grässliche Produktionen eingesperrt waren“, seufzt sie munter. „Für mich persönlich war dieses Lied damals sehr wichtig, und ich wollte es endlich einmal ohne diese 80er-JahreBrille singen. Jetzt macht es mir selbst Spaß, mich in diesem Song zu hören.“ Für die noch immer jugendlich gestylte Blondine kam die mondäne Wende zu intimen Americana-Songs keineswegs plötzlich, denn schon als Jugendliche habe sie diese Art von Liedern geschrieben, sagt sie. Damals natürlich nur für sich selbst. Wenn sie heute in den Spiegel blickt, sieht sie sicher nicht das spielerisch kostümierte Cowgirl, das R e b e k k a u n d d i e Ja z z m ä n n e r auf dem Cover von „September“ Frühe Wegbegleiter der Sängerin posiert, sondern eine Persönlichkeit, die sie lange nicht mehr war Dass die 1970 in Oslo geborene Rebekka Bakken meist als Jazzsängerin gehandelt wird, obwohl sie und endlich wieder sein darf. sich (trotz unbestrittener Liebe zum Jazz) eigentlich „Meine Musik gelangt an einen Punkt, an dem ich schon immer nicht als solche sieht, hat viel mit ihren früheren gewesen bin“, lautet ihr Credo. musikalischen Partnern zu tun: Mit dem österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel (oberes Bild) spielte sie die Duo-Alben Willkommen zu Hause! „Daily Mirror“ (2001) und „Beloved“ (2002) ein, der einflussreiche norwegische Soundtüftler Bugge Neu: Rebekka Bakken „September“ Wesseltoft (li.) war eine treibende Kraft hinter ihrem (Emarcy/Universal) erscheint am ersten Soloalbum „The Art Of How To Fall“ (2003). 16. September
Foto: Tina Axelsson
Spielerisch geht Rebekka Bakken hier mit Country-Klischees um, nicht ohne Grund: Vom Jazz hat sich die S채ngerin auf der neuen CD hin zu Country und Folk bewegt
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W ynton Marsalis & Eric Cl apton
Zeitreise in Blau
Die zwei Großmeister zelebrieren auf ihrem LiveAlbum den Blues auf eine Weise, die vor allem die Fans des Gitarristen überraschen dürfte. Von Christian Stolberg
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iele Clapton-Fans, die zum ersten Mal in „Wynton Marsalis & Eric Clapton Play The Blues“ hineinhören, werden überrascht sein, was ihnen da im ersten Stück entgegenschallt: Louis Arm strongs „Ice Cream“, ein Traditional, das man sonst von Dixieland-Kapellen hört, fetzt da in einer heftig swingenden Version aus den Boxen. Eine Auffassung vom Blues, die Welten entfernt ist von dem, was man sonst von Clapton kennt. Doch wenn nach drei Minuten Slowhands unverkennbare Leadgitarre zum Solo anhebt, werden seine Anhänger durchatmen. Es ist der Auftakt eines Mitschnitts von zwei Konzerten und einer Gala, die die beiden Ausnahmemusiker Anfang April im Rose Theatre des New Yorker Lincoln Center bestritten. Der englische Rockgitarren-Gott und der Jazzstar aus New Orleans – eine ungewöhnliche Kombination, doch sie haben mehr gemeinsam als ihre Virtuosität und Prominenz: ein fast schon musikethnologisches Wissen
In der Vorbereitung der Konzerte gab es eine Aufgabenteilung: Marsalis stellte die Band zusammen (aus Mitgliedern seines Lincoln Center Jazz Orchestra plus Claptons Keyboarder Chris Stainton), schneiderte die Arrangements für sie zurecht – und orientierte sich dabei offensichtlich am Vorbild
Gitarristen neu, mit einer Ausnahme: Claptons Superklassiker „Layla“ kam auf Drängen von Marsalis-Bassist Carlos Henriquez auf die Setliste. „Ich hätte nicht geglaubt, dass das funktioniert“, gestand Clapton, doch das ungewohnte Arrangement im schwermütigsinnlichen Creole Jazz Style macht den vielgespielten Pophit zu einem der Überraschungstreffer im Programm. Es war nicht nur eine liebevolle Verbeugung vor der Blues- und Jazztradition, was sich da auf der Bühne abspielte, sondern auch ein Triumph der schieren Spielfreude: Clapton und Marsalis solieren reichlich, aber auch Posaunist Chris Crenshaw, Klarinettist Victor Goines und die Pianisten Dan Nimme und Chris Stainton kommen ausgiebig zum Zuge. Man spürt, wie schnurzegal es ihnen ist, ob die Musik gerade cool und angesagt ist, die sie da mit heißem Engagement wieder ins Rampenlicht holen. Das Spiel des Gitarristen harmoniert verblüffend gut mit Marsalis’ Spitzenjazzern. Und so witzelt der Brite:
Gutgelaunte Traditionspflege: Marsalis und Clapton im Kreis der Jazzer vom Lincoln Center
über die Bluestradition und Leidenschaft für ihre Erhaltung für die Nachwelt. Ganz ohne Vorgeschichte waren die Auftritte ohnehin auch nicht: Auf Erics 2010er Album „Clapton“ gastierte Marsalis mit Teilen seiner Band auf immerhin vier Titeln.
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von King Olivers legendärer Creole Jazz Band. Clapton wählte das Repertoire aus – und stöberte dabei im New Orleans Jazz der 20er und im Jump Blues der 30er Jahre, Gefilden, mit denen Marsalis und seine Leute vertrauter sind als er, der sich bisher eher am Countryblues sowie am elektrifizierten Chicagoblues der 50er Jahre orientiert hatte. Alle diese Stücke sind im Repertoire des
„Ich hab immer allen Bluesleuten, mit denen ich gespielt habe, gesagt: Ich mach das bloß, bis ich endlich in einer Jazzband mitspielen darf !“ Zum Finale steigt dann noch der New Yorker Bluesveteran Taj Mahal mit ein. Neu erschienen: „Wynton Marsalis & Eric Clapton Play The Blues – Live From Jazz At Lincoln Center“ (Warner), als Audio-CD und CD + DVD
verlosung
backstage-le ktü re
Rolf Zacher
Foto: Lutz Voigtländer
Er ist ein liebenswertes Enfant terrible unter den deutschen TV-Darstellern: Der Berliner Schauspieler Rolf Zacher, ein immer noch unangepasster Vertreter der 68er-Generation, hat nicht nur in über 200 deutschen Fernsehfilmen tragende Rollen gespielt und seine markante Stimme als
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Synchronsprecher Hollywoodstars wie Robert de Niro und Nicholas Cage geliehen, sondern ist auch immer wieder als Musiker aktiv. Am 23.9. erscheint seine zweite eigene CD „Danebenleben“, auf der er unter anderem Musik von Bruce Springsteen, Queen und Georg Friedrich Händel interpretiert. Zwischen musikalischen Sessions und Schauspielengagements liest Zacher derzeit das Buch „Irre! - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde“ von Manfred Lütz, denn, so Zacher, Anarcho aus Überzeugung: „Das ist einfach ein gut geschriebenes und unterhaltsames Buch! Die Normalen sind die Irren und umgekehrt. Das stellt die Welt auf den Kopf, und das find ich spannend!“ Hörstoff: Rolf Zacher „Danebenleben“ (Premium Records/Soulfood) erscheint am 23.9.
„After Hours – The Collection“ Die Compilation „After Hours: The Collection – Northern Soul Masters“ präsentiert Northern Soul – 75 legendäre Aufnahmen aus den Jahren 1965-1974 in einer kultigen DreiCD-Box, mit Künstlern wie Ike & Tina Turner, Deon Jackson, Barbara Lynn, Archie Bell & The Drells, The Drifters und The Three Degrees. Wir verlosen drei Exemplare dieser wertigen Soul-Box!! Einfach eine Postkarte mit dem Stichwort „Northern Soul“ abschicken an: Inmedia, Redaktion SONO, Lucile-Grahn-Str. 37, 81675 München. Einsendeschluss ist der 1. Oktober 2011.
All Time Best Reclam Musik Edition Durchnummerierte Edition zum Sammeln!
Weitere Künstler Ende 2011!
Noch mehr Musik-Ikonen und ihre größten Aufnahmen - jetzt in der „Reclam Musik Edition“!
Die CD-Serie von Sony Music startete im März 2011 und bietet auf jeweils einer „Best of“-CD ein Kompendium des Musikschaffens legendärer Künstler. Die größten Aufnahmen, 16-Seiten-Booklet mit Biographie, Diskographie, Zeitstrahl, Photographien… Die 6 Titel der ersten Staffel u.a. mit Johnny Cash, Bob Dylan und Elvis Presley werden im August 2011 um die Alben von Leonard Cohen, Falco, Rory Gallagher, Whitney Houston, Willie Nelson und Lou Reed ergänzt. Fortsetzung der CD-Serie im Winter 2011.
Erhältlich als CD und mp3-Download auf
. Sowie im Buch- und Tonträgerhandel! Mehr Infos: www.legacy-club.de/reclam-musik
Das Achleitnersche Pendel Zwei Jahre nach seiner spektakulären Donautournee suchte der Alpinpop-Star aus dem Salzkammergut den Weg zurück zur Einfachheit – mit dem Album „Entwederundoder“ und einer Tour durch abgelegene Landgasthöfe. Von Christian Stolberg
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ans, die den künstlerischen Werdegang des Hubert Achleitner, der sich nach seinem Geburtsort in Oberösterreich so wohlklingend Hubert von Goisern nennt, schon länger verfolgen, kennen das Phänomen: Der charismatische Star des Alpenrock verfolgt in seiner Arbeit beileibe keine gerade Linie: Da folgte auf die erste Erfolgsphase mit seinen Alpinkatzen eine zurückgezogenere Periode mit Filmmusiken, da wechseln sich Alben mit vergleichsweise hohem Pop- und
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Weltmusikanteil mit stilleren, traditionelleren Arbeiten ab, fix bleibt nur eines: Bei Goisern muss mit Überraschungen gerechnet werden. „Ich investiere mich in meine Projekte immer so total, dass ich in dieser Zeit zwangsläufig vieles andere vernachlässigen muss. Und die Folge ist, dass es mich, wenn sich ein Projekt dem Ende zuneigt, dann immer mit aller Macht weg von diesem Thema in eine ganz andere, oft völlig ent gegengesetzte Richtung zieht“, kommentiert der viel jünger wir-
kende 58jährige im Gespräch mit SONO diese Pendelausschläge. Auch mit seinen beiden jüngsten Projekten schlägt der Musiker aus dem Salzkammergut wieder einen Haken: Nach seiner medial stark beachteten „Linz Europa Tour“ auf der Donau, bei der Goisern in den Jahren 2007 bis 2009 in 60 Konzerten zwischen Schwarzmeer und Nordsee mit vielen Gästen (darunter Konstantin Wecker, Xavier Naidoo, Zap Mama) auf vier Schiffen seine Vision einer „kulturellen Osterweiterung“
verfolgte, einer Unternehmung, „bei der ich eigentlich mehr eine Rolle wie ein Impresario hatte, wollte ich wieder ein etwas persön licheres, privateres Album auf nehmen, etwas, was wieder mehr mit mir als Person zu tun hat“. Zwar hat Goisern nach eige ner Aussage keinen „Masterplan“ im Kopf, wenn er ein neues Album angeht, „aber in mir entsteht nach und nach ein akus tisches Bild, eine Vorstellung da von, was für eine musikalische Anmutung eine Platte haben soll. Und wenn die soweit ist, dass sie fast aus mir herausplatzt, dann mach’ ich mich ans Aufnehmen.“ Von Herbst 2010 bis Februar 2011 spielte Goisern nun mit seiner verschlankten Band die zwölf Lieder seines neuen Albums „Entwederundoder“ ein, geradlinige, bisweilen intime Songs mit aufs Wesentliche reduzierten Arrangements.
Fotos: Helmut Berg, Jürgen Skarwan
Hubert von Goisern
Auch im Umgang mit seinem Lieblingsinstrument pendelt Goisern zwischen gegensätz lichen Polen: mal inwendig ...
Eine wichtige Farbe in Goiserns „akustischem Bild“ für „Entwederundoder“ kommt von der modernen Countrymusik: „Ich habe nach dieser Qualität gesucht, wie sie etwa in den Al ben der ‚American Recordings‘Serie von Johnny Cash steckt, dieses totale Auf-den-PunktKommen“. Auch der Blues spielt in zwei Stücken („I versteh di nit“, „Suach da an Andern“) eine tragende Rolle – damit knüpft der Österreicher an ein frühes Schlüsselerlebnis an: „Ich war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt und hatte gerade gelernt ein bisschen Gitarre zu spielen, als ich zum ersten Mal in einem Club bei ei ner Session einsteigen durfte. Ich hatte noch keine Ahnung vom Blues, hab aber schnell gemerkt, wie leicht man diese Form mit seinen eigenen Gefühlen füllen kann. Auch, weil es da keine ‚ver botenen‘ Töne gibt.“ Bluesplatten von Alexis Korner, John Mayall,
John Lee Hooker und anderen wurden von da ab Bestandteil seiner musikalischen Sozialisation. Nicht nur was den Sound, auch was die Songthemen angeht, zog Hubert von Goisern auf dem neuen Album die Kreise wieder enger: wehmütige Meditationen („Ees is wias is“, „Lebwohl“), Zorn („Suach da an andern“), die zwischenmenschliche Kommunikation („I versteh di nit“) – er thematisiert hier nicht die große Weltpolitik, sondern „Dinge, die in meiner Umgebung passieren, Problemfelder, mit de nen ich als Person immer wieder zu tun hab“.
gene österreichische Wirtshäuser, gab dort Konzerte ohne großen Showfirlefanz, auf kleinen Bühnen und mit denkbar direk-
... dann wieder „krachert“ wild und ekstatisch
Therapie im Wirtshaus Nachdem die Rückkehr zur Einfachheit im Studio vollzogen war, drängte es Goisern auch live wieder zu bodenständigeren Erfahrungen. Und so unternahm er im April mit seiner Band eine Kurztournee durch acht abgele-
THE BEST OF
tem Publikumskontakt. „Das war eigentlich zunächst als eine Art Therapie für meine Band ge dacht. Ich hab gefunden, dass die sich a bisserl sehr an die großen Bühnen, des tolle Licht und das ganze Drumherum gewöhnt hat ten.“ Schließlich aber, gesteht der Bandleader, stellte sich heraus, „dass es vor allem eine Therapie für mich selbst war“. Im normalen Konzertbetrieb ziehen sich Goisern und seine Band wie die meisten ähnlich erfolgreichen Kollegen in abgesperrte Bereiche zurück, „aber im Wirtshaus geht das natürlich ned – eine Er fahrung, die uns wieder ganz gut geerdet hat“.
Neu erschienen: Hubert von Goisern „Entwederundoder“ (Sony) Tournee: Hubert von Goisern ist mit seiner Band ab Januar 2012 durch Deutschland/Österreich/ Schweiz unterwegs
25 YEARS
Das Box Set zum 25-jährigen Jubiläum seiner Solokarriere Inhalt: • Drei CDs mit 45 remasterten und von Sting persönlich kuratierten Songs, darunter neun von Robert Orton und Steve Fitzmaurice exklusiv für diese Sammlung geremixte Songs. • Die DVD Rough, Raw & Unreleased: Live At Irving Plaza, das bisher unveröffentlichte Livekonzert, zehn Tracks, gefilmt in New York beim letzten Konzert von Stings “Broken Music” US-Tour 2005.
Ab dem 23. September
• Hardcover Buch mit Hintergrundbildern und seltenen Fotos, sowie den kompletten Songtexten, einem persönlichen Kommentar und einem neugeschriebenen Einleitungstext von Sting.
www.sting.com
hat. Es hat den Heavy Metal beendet und den Alternative-Rock zum neuen Mainstream werden lassen. Womit es allerdings auch die Türen für Limp Bizkit und Puddle Of Mudd geöffnet hat. Von daher hat es eine Menge Blut an seinen Händen.“ (lacht)
Flea (Red Hot Chili Peppers)
20 Jahre „Nevermind“ Mit ihrem zweiten Album verdrängten Nirvana im September 1991 nicht nur Michael Jackson von der Spitze der globalen Charts. Es leitete auch eine musikalische Revolution namens Grunge ein, die bis heute viele illustre Freunde hat:
Alison Krauss „Das Album hatte eine unglaubliche Energie und eine so starke Identität, dass es die Welt verändert hat. Denn so etwas wie ,Nevermind‘ lässt sich nicht ignorieren – weil es den Geist und die Herzen der Menschen berührt. Es ist faszinierend, wie kraftvoll Kunst sein kann.“
Ric Ocasek (The Cars) „Ich mochte ,Smells Like Teen Spirit‘. Das war das Erste, was ich gehört habe. Und mir gefiel der Gitarrensound. Also wie groß er war – und wie rau und ungeschliffen. Außerdem hatte der Song einen tollen Text. Ich meine, ich hätte nie gedacht, dass sich daraus eine Bewegung entwickeln würde, aber es hat sich als gutes Sprungbrett für eine Menge talentierter Bands erwiesen.“
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Dave Grohl (Foo Fighters) „Dieses Album hat mein Leben verändert. Schließlich war es etwas, womit keiner gerechnet hatte. Als es dann explodiert ist, war das einfach verrückt. Das hätte nie passieren dürfen. Genau wie Kurts Selbstmord, der alles beendete. Und das einfach so – quasi über Nacht. Es war eine emotionale Achterbahnfahrt.“
Moby „Ich halte ,Nevermind‘ nicht wirklich für einen Meilenstein. Ich meine, ich mag die Band, Kurt war ein großartiger Songwriter, Krist und Dave sind nette Jungs, aber das Album an sich finde ich gar nicht so toll. Es hat eigentlich nur drei gute Stücke. Aber was es so relevant macht, ist die Art, wie es die Musik der damaligen Zeit verändert
„Nirvana ist die beste Band ihrer Zeit. Und das Album ist verdammt noch mal umwerfend. Jeder einzelne Song ist der Wahnsinn. Der Geist, der sich durch dieses Album zieht, ist unglaublich kraftvoll. Deshalb gibt es für mich auch nichts Besseres.“
Patti Smith „Mit dieser Gruppe konnte ich mich wirklich identifizieren. Also mit ihrer Welt und ihren Fans. Ich habe Bilder von den sogenannten Grunge-Kids gesehen, und sie sahen aus wie meine eigenen – wie ich. Und ich mochte die Einstellung und die Musik von Nirvana. Sie haben wirklich tolle Songs geschrieben. Wobei ,Nevermind‘ mein absolutes Lieblingsalbum ist. Es ist eine Tragödie, dass er sich das Leben genommen hat. Ein riesiger Verlust. Ich habe tagelang geweint.“
Tori Amos „Ich war auf Tour in Schweden, und das Video zu ,Smells Like Teen Spirit‘ lief auf MTV. Ich wusste sofort, dass es etwas Besonderes war, etwas völlig Neues – der Sound einer Generation. Und die Tatsache, dass es jetzt 20 wird, gibt mir nicht nur das Gefühl, unglaublich alt zu sein, sondern es erinnert mich auch an eine Zeit, als es noch kein Internet gab. Als wir noch anders miteinander kommuniziert haben. Und ich muss sagen: Irgendwie war das kreativer, die Musik war besser, die Leute haben mehr Konzerte besucht und den direkten Kontakt zueinander gesucht – statt sich in einer digitalen Welt zu bewegen.“ Gesammelt von Marcel Anders
Foto: Ellen von Unwerth
SONO -Umfrage
neue gesichter
Miloš Karadagli´c
Mittelmeerromantik auf hohem Niveau
[Klassik] Als musikalische Reise ans Mittelmeer hat der montenegrinische Gitarrist sein Debütalbum bei der Deutschen Grammophon angelegt: Werke von Komponisten wie Isaac Albéniz, Enrique Granados, aber auch von Mikis Theodorakis interpretiert der 28-Jähri ge mit solch ausdrucksvoller Sensibilität und gelassener Reife, das man ihn trotz der Dressman-Fotos auf dem CD-Cover schnell künstlerisch ernst nimmt. Zwar erfüllt die CD atmosphärisch die Versprechungen auf mediterrane Romantik durchaus, die mit der Optik geweckt werden – aber eben auf hohem Niveau. Karadagli´ c, der an der Royal Academy Of Music in London ausgebildet wurde, hat klug daran getan, sowohl den östlichen als auch den westlichen Mittelmeerraum in seine Repertoireauswahl einzubeziehen – so wirkt der Reigen dieser 17 Stücke auch ohne Gimmicks abwechslungsreich. Raoul Gulbenkian
Die Latin-LoverPose mag täuschen: Hier sitzt ein ernsthafter Interpret
Miloš Karadagli´c „Mediterraneo“ (DG/Universal)
Seide
Schimmernder Hörstoff zwischen Jazz und Pop
Will Aufmerksamkeit und belohnt sie auch: Sabine Müller
[Vocal Jazz] „Lausche dieser Musik am besten über gute Kopfhörer oder gute Lautsprecherboxen. Schenke dir Zeit. Befreie dich von allen Ablenkungen“, fordert das Nürnberger Trio mit dem schillernden Namen Seide im Booklet seines Debütalbums „Passion, Pain & Poetry“. Wer das von seinen Hörern verlangt, muss auch etwas zu bieten haben: Sabine Müller (Stimme, Glockenspiel), Tino Derado (Tasten) und Christoph Müller (Posaune) belohnen die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hörers mit fragilen, fein nuancierten Jazzsongs in mal englischer, mal deutscher Sprache. Nicht zuletzt dank der ungewöhnlichen Instrumentierung entfalten sie ein ganz eigenes, intimes Flair. Felix Marondel Seide „Passion, Pain & Poetry“ (A Jazz/ NRW)
Gabe Dixon
Auf den Spuren von Elton und Billy [Pop] Er erinnert an die glänzendste Zeit des US-Popradios, die frühen 70er, als Künstler wie Elton John und Billy Joel textlichen Anspruch genial mit eingängigen Songs, frische Musikalität perfekt mit gut polierter Produktion verbanden. Der Sänger und Pianist Gabe Dixon überzeugt mit unterhaltsamem melodiösem, klaviergetriebenem Pop ganz in der Tradition von Elton und Billy. Als Duettgast mit dabei: Bluegrass-Königin Alison Krauss. Felix Marondel Gabe Dixon „One Spark“ (Fantasy/Universal)
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Von Pferdehalftern & Fußballhymnen Hit oder Niete? Abzulesen ist das an den Charts. Wie aber funktioniert das Spiel mit den Platzierungen, wer steckt dahinter, und wie wird abgerechnet? Ein Streifzug durch Gegenwart und Vergangenheit der Hitparaden. Von Ernst Hofacker
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iese-Lotte Helene Berta Bunnenberg aus Bremerhaven war die Erste: Unter ihrem Künstlernamen Lale Andersen gelang der blonden Sängerin in den Weltkriegsjahren mit „Lili Marleen“ der erste verbürgte Millionenseller in Deutschland. Nummer eins war sie trotzdem nicht. Denn eine Hitparade, also eine verlässliche Rangliste der bestverkauften Schallplatten, gab es zu jener Zeit in Deutschland nicht. Erstmals im Dezember 1953 druckte die Branchenzeitschrift „Der Automatenmarkt“ eine Liste der hierzulande in den Jukeboxes
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verbreitetsten Platten ab. An der Spitze damals: „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ von der niederländischen Gruppe Kilima Hawaiians – mithin der erste dokumentierte Nr.-1-Hit in Deutschland. Bis heute wird der Titel indes mit einem anderen Interpreten verbunden, dem ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Sänger Bruce Low. In die Hitparade schaffte es seine Version jedoch nie. Dass Lows Pferdehalfter nach Charts-Maßstäben deutlich tiefer hing als das von den Kilima Hawaiians, im Gedächtnis des Publikums aber weit präsenter blieb, zeigt zweierlei: Die Hitparadenplatzierung sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, wie bekannt eine Platte ist. Und: die Charts des Jahres 1953 spiegelten natürlich einen gänzlich anderen, kleineren und von unterschiedlichen Medien bestimmten Markt wider als die des Jahres 1973 oder die aus heutiger Zeit.
Jeder kochte seine eigenen Charts So wie heute in die Verkaufslisten selbstverständlich neben den eigentlichen CD-Absätzen anteilig die Radioeinsätze und die Online-Verkäufe einer Platte einfließen, so spielte in der Frühzeit der Charts die Jukebox eine entscheidende Rolle. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass 1940 in den USA bereits 60 Prozent der gepressten Schellackplatten in den rund 400.000 Jukeboxen landeten. In späteren Jahren stieg dieser Anteil Schätzungen zufolge gar auf zeitweise 75 Prozent. Die Jukeboxes waren also der – neben dem eigentlichen Handel und dem Radio-Airplay – wichtigste Absatzmarkt für die Schallplattenindustrie. Folgerichtig fügte das US-Branchenmagazin Billboard seinen Absatzstatistiken, die auf Angaben der Plattenlabels sowie Erhebungen bei Radiosendern beruhten, im Jahr 1938 auch eine Liste der beliebtesten Jukebox-Titel hinzu. Erstmals hatte Billboard im Jahr 1913 eine Verkaufsstatistik veröffentlicht, damals dokumentierte diese jedoch noch die Absätze der sogenannten Music Sheets, also Notenblätter – die Schallplatte war noch kaum verbreitet. 1936 dann gab es
Illustration: Max Ott
Eine kleine Charts-Historie
in Billboard die erste echte Hitparade. Im Laufe der Jahrzehnte legten Billboard und Konkurrenzmagazine wie Cash Box und Record World ihren Charts eine jeweils eigene Mischung aus Verkaufsstatistiken und Airplay zugrunde. Ähnlich die Charts-Historie in Deutschland. Ab 1959 kümmerte sich das Fachblatt Der Musikmarkt um die systematische Erstellung einer Hitparade. Der Verlag rief die Verkaufsstatistiken bei ausgesuchten Händlern ab und kombinierte Angaben zu Platten- und Notenverkäufen und die Verbreitung in den Automaten zu einer einheitlichen Bestenliste. Erster Spitzenreiter dieser nun zuverlässigeren Charts war Freddie Quinn mit „Die Gitarre und das Meer“. Zunächst erschienen die Musikmarkt-Charts monatlich, seit 1965 14-tägig, seit 1971 wöchentlich. 1976 trat das Baden-Badener Marktforschungsinstitut Media Control auf den Plan und liefert seitdem im Auftrag des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft die offiziellen Charts für Deutschland. Zur Berechnung dienten lange Zeit ausschließlich die Verkaufszahlen der Tonträger (Schallplatten, Musikkassetten), seit 1989 wurden auch die Radioeinsätze eines Titels berücksichtigt. Die digitale Revolution schlägt sich seit 2001 auch in den Media-Control-Charts nieder, wo seitdem die Online-Verkäufe einfließen. Heute melden wöchentlich 2.000 Geschäfte – kleine Läden genauso wie große d i e J u k e b ox Handelsketten und Online-RieFrühe Hitmaschine sen wie iTunes und Amazon – Die Jukeboxes, wie wir sie heute ihre Zahlen an ein automatisches Registrierungssystem. kennen, hatten einen Vorläufer: den Phonographen, der Musik von Wachswalzen abspielte. Als in den Der Nr.-1-Hit, 30er Jahren die Schellackplatten den keiner kennt immer populärer wurden, verdrängten Allerdings ist der Absatz von die Jukeboxen die Phonographen. physischen Tonträgern seit dem Bereits in den 40er Jahren bekamen Siegeszug des Online-Handels die Geräte ein Design, dessen in den Keller gefallen. BeeindruGrundzüge sich bis ckender Beleg: Die kalifornische heute erhalten Sängerin Sara Bareilles eroberhaben. Jahrzehn te im Jahr 2010 mit gerade noch telang hatten vor 89.500 verkauften Exemplaren allem Jukeboxes ihres Albums „Kaleidoscope in öffentlichen Heart“ in der ersten Woche nach Lokalen großen der Veröffentlichung Platz eins Einfluss auf den in den US- Billboard -Charts – Plattenverkauf. so wenig Verkäufe hatten dafür bis dahin noch nie ausgereicht. Zum Vergleich: Im Jahr 1998 schlug der US-Countrybarde Garth Brooks von seinem Live-Album „Double Live“ in der ersten Woche knapp 1,1 Millionen Exemplare los, ein Rekord, der natürlich ebenfalls für Platz eins reichte. Wie wenig die Chartsplatzierung gelegentlich über den Erfolg eines Songs aussagt, belegt das Beispiel einer der populärsten Melodien des letzten Jahrzehnts: Als „Seven Nation Army“ von der US-Indieband The White Stripes im Jahr 2003 erstmals auf Single erschien, kam es in den USA über Platz 76 nicht hinaus. In Deutschland blieb es praktisch unbemerkt. Erst nachdem es die Fußballfans entdeckt und im Sommer 2008 zur heimlichen Hymne in den Stadien der Europameisterschaft gemacht hatten, wurde es eilig ein weiteres Mal als Single ausgekoppelt und schaffte es im Juli bis auf Platz vier der deutschen Hitlisten. Auf Platz eins thronte in diesen Wochen der DSDS-Sieger Thomas Godoj mit der Ballade „Love Is You“. Kennt die noch jemand?
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Rückblick
Das Beste des Sommers
Seit dem Erscheinen der letzten Printausgabe von SONO ist erneut ein bewegter Sommer ins Land gegangen. So wechselhaft er hinsichtlich des Wetters wieder war, so reich die Ernte in musikalischer Hinsicht. Wir rufen vier Highlights unter den Musikveröffentlichungen dieses Sommers 2011 hier noch einmal in Erinnerung.
Das Rockalbum de s Sommers:
Tedeschi Trucks Band „Revelator“ Die Vorfreude vor allem in den USA war groß, als sich herumsprach, dass diese beiden ihre Bands zu einem 11-köpfigen Ensemble vereinigt haben: Derek Trucks Neffe von Allman-Brothers-Band Drummer Butch Trucks und einer der meistgefeierten jüngeren Bluesgitarristen der USA, und seine Frau Susan Tedeschi, selbst Gitarristin, Sängerin und Songschreiberin von hohen Graden. Weil in ihren bisherigen Bands die Instrumentalkunst hoch gehalten wurde und Trucks ja auch Gitarrist bei den Allman Brothers ist, erwarteten manche, dass das Debüt der TedeschiTrucks-Band ein typisches Jam-Band-Produkt würde. Es kam anders: nirgendwo zielloses Gejamme; „Revelator“ ist ein Album, das sich konsequent auf sorgfältiges Songwriting der beiden Leader stützt und dabei eine Art Tour durch die heute noch relevanten SüdstaatenRoots-Styles macht. Ein überzeugendes Debüt dieser neuen First-Class-Southern-Combo. Man wird noch viel von dem famosen Musikerehepaar hören! (Masterworks/Sony Music) Christian Stolberg
Die Klassik-Überraschung des Sommers:
Heinz Hölliger, Erich Höbarth, Camerata Bern Johann-Sebastian Bach Konzerte und Sinfonien für Oboen: „Ich hatte viel Bekümmernis“ Preziosum für Barock-Liebhaber: Der renommierte Schweizer Oboist Heinz Hölliger setzt seine langjährige Zusammenarbeit mit der Camerata Bern mit einigen der schönsten Werke Johann Sebastian Bachs für die Oboe fort: Die Eröffnungen zweier Kantaten, das Konzert in c-Moll (BWV 1060), das Konzert in A-Dur (BWV 1055) und das Konzert in d-Moll (BWV 1059), jeweils in (teils auf Rekonstruktionen basierenden) Fassungen für Oboe, Streicher und Basso Continuo, dazu das Adagio aus der Sinfonie des Oster-Oratoriums (BWV 249) und ein von Bach bearbeitetes Konzert in d-Moll seines Zeitgenosssen Alessandro Morcello gelingen interpretatorisch wie klanglich exquisit. Wunderbar, wie sich Hölligers Oboe und die von Erich Höbarth gespielte Solo-Violine in der Sinfonia zur Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ umgarnen; ein spezieller Genuss, die seltener als Soloinstrument eingesetzte, tiefer und voller klingende Oboe d’amore im A-Dur-Konzert zu hören; bewegend, wie Hölliger die Solostimme im Adagio des d-Moll-Konzerts gestaltet. Die Transparenz des Ensembleklangs geht nirgends zu Lasten seiner barocken Sinnlichkeit. Am Ende steht man wieder vor dem Bach-Paradoxon: Wie selbst Kompositionen, die mollschwer existentiellen Kummer thematisieren, durch ihre strahlende Schönheit doch zu einem jubilierenden Preis der Schöpfung geraten. (ECM/Universal) Christian Stolberg
Das Jazz-Highlight de s Sommers:
Johannes Enders „Billy Rubin“ Das hat etwas von diesen legendären Aufnahmen im Wohnzimmerstudio von Rudy van Gelder, bei denen sich nahezu alle wesentlichen Gestalten des modernen Jazz trafen, nur dass „Billy Rubin“ im vergangenen Jahr in Weilheim bei Johannes Enders festgehalten wurde. Mit ihm im Heimstudio waren Drummer Billy Hart, Pianist Jean Paul Brodbeck und Bassist Milan Nicholic, ein Team, das mit dem Saxofonisten in symbiotischer Intimität musizierte. „Billy Rubin“ speist seine Präsenz und Kraft aus einem gemeinsamen Gestaltungswillen und einer Erzählkompetenz, die Musik als natürlichen Fluss der Melodien und Improvisationen erscheinen lässt. Besonders Saxofonist Enders phrasiert und intoniert betörend persönlich. (Enja Yellowbird / Edelkultur) Ralf Dombrowski
20 JAHRE 2-CD DELUXE EDITION mit dem neu gemasterten Original Album plus B-Seiten und 14 bisher
Das DVD-Schmankerl de s Sommers:
Sheryl Crow „Live At the Pantages Theatre“
unveröffentlichten Tracks Auch als LTD.
SUPER DELUXE EDITION (s. Abb), 4-LP BOXSET und DOWNLOAD
In Deutschland wurde ihre für Oktober 2010 geplante Tournee abgesagt. Das ist schade, denn wie die am 3. Juni erscheinende DVD dieser Tour zeigt, hat man einiges verpasst – vorausgesetzt, die Künstlerin hätte die Energie und Dynamik, die sie im November 2010 im Pantages Theatre hoch in den Hollywood Hills an den Tag legte, mit nach Deutschland gebracht. Es galt, mit ihrer toughen neuen Band das von Stax und Motown inspirierte aktuelle Album „100 Miles From Memphis“ auf der Bühne umzusetzen, wobei eine Bläser-Sektion druckvolle Akzente lieferte. (Eagle Vision/Edel) Heiko Große
· CD 1: Das Original Album neu gemastert plus B-Seiten · CD 2: 18 Tracks, davon 14 unveröffentlicht, mit Boombox-Sessions, Demos und BBC Aufnahmen · CD 3: die unveröffentlichten Devonshire Mixes von Butch Vig · CD 4+DVD: Live At The Paramount, Seattle, 1991 – auf CD und DVD, 96-seitiges Hardcoverbuch mit zahlreichen Fotos, einem Poster u.v.m.
LIVE AT THE PARAMOUNT, SEATTLE, 1991
Das bis dato unveröffentlichte Konzert in bester Filmqualität auf DVD und Blu-ray
Ab 23.09.
1991: THE YEAR PUNK BROKE
Der legendäre Film vo n David Markey, der während der Sonic Youth Europa-To ur 1991 aufgenommen wurde.
Foto: Getty Images
ERSTMALS AUF DVD
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Featuring Performan ces von NIRVANA, The Ramone s, Dinosaur Jr., Babes In Toyland & Gumball so wie Bonusmaterial
AB JETZT
pink floyd
Geheimnisse unter der Oberfläche
Als die britische Artrock-Band vor 40 Jahren die Arbeit an einem neuen Album begann, deutete wenig auf die Geburt eines Superklassikers hin. Doch es entstand der Dauerbrenner „The Dark Side Of The Moon“. Von Michael Sailer
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s ist das Wesen der Gigantomanie, dass sie kein Wesen hat. Man steht vor aufragenden Wolkenkratzern, deren vermeintliche Schönheit und Bedeutung in ihrer schieren Größe liegt, und ahnt, dass sie hohl sind, erfüllt lediglich von banalen Verrichtungen. Je größer etwas ist, desto mehr wird darüber reflektiert, und je mehr man darüber spricht, desto größer wird es. Das kann auch einer Schallplatte passieren. Zum Beispiel „The Dark Side Of The Moon“: 1973 erschienen, ist darauf nichts von der zeittypischen brütenden Elegie nach dem großen Glam-Karneval zu finden, aber auch nichts von deren Widerpart, dem stratosphärisch abgehobenen Irrwitz der späten Progressive-Bands. Es ist einfach: Rock. Eine makellose Klangtapete, die perfekte Beschallung für lange Abende, an denen man auch anderes zu tun hat als Musik zu hören (zum Beispiel kiffen). Und doch war und ist etwas daran, was unwiderstehlich wirkt, das große Rätsel vermeintlicher Leere, symbolisiert schon durch die Verpackung, die keinerlei Signifikanz transportiert als sich selbst. Auch der Autor dieser Zeilen, ansonsten damals als Prä-Teenager an Mainstreamrock kaum interessiert, konnte sich dem nicht entziehen, es aber auch später nicht erklären. Und so wurde „Dark Side Of The Moon“ größer und immer größer. Es stand als erstes Floyd-Album an der Spitze der US-Charts und hielt sich länger in den Hitlisten als irgendein Album vorher und nachher: 741 Wochen.
det hatte, waren drei Alben erschienen, mit denen die Band überwiegend unzufrieden war und die sich mäßig verkauft hatten; die letzte (und erste) Top-ten-Single „See Emily Play“ lag viereinhalb Jahre zurück. Geld brachten hauptsächlich Filmsoundtracks, denen Pink Floyd daher mehr Aufmerksamkeit widmeten. Zudem sollte am 20. Januar ihre erste UK-Tour seit vier Jahren starten, der Konzertplan war bis 1973 gut gefüllt – so blieben nur kurze Pausen, um an „Dark Side Of The Moon“ zu arbeiten, dessen Entwicklung sich auch inhaltlich hinzog. Die Psychedelic-Welle, die sich „um uns, aber nicht in uns“ (Mason) abgespielt hatte, der die Band aber ihren frühen Ruhm verdankte, war längst abgeebbt, und Roger Waters hatte die Nase voll von verstiegener Symbolik und enigmatischen Anspielungen. Seine Texte, beschloß er, sollten diesmal das absolute Gegenteil sein: klar, simpel, direkt und ohne vierfachen Wortsinn. Die entscheidende Idee hatte er nach einigen Tagen des Herumwühlens in alten Aufnahmen („die Mülltonne plündern“, wie Gilmour es nennt), aus denen man noch etwas machen könnte (etwa einem von Michelangelo Antonioni abgelehnten Stück für den Film „Zabriskie Point“, aus dem „Us And Them“ entstand). Ein Gesamtkonzept sollte die ganze Platte umspannen: Nöte und Ängste des modernen Lebens, die den Menschen an positivem Handeln hindern. In Diskussionen entschied man sich schließlich für die ganz großen Themen – Geld, das Altwerden, Gewalt, Tod. Persönliche Erfahrungen spielten dabei jedoch eine wichtige Rolle, der Tod von Waters’ Vater im Zweiten Weltkrieg ebenso wie Syd Barretts schleichender Wahnsinn.
Das meistgedeutete Album der Popgeschichte Musikalisch war die Herangehensweise ähnlich generalistisch. Wo keine Ideen aus der Luft materialisieren, die Inspiration nicht brennt, setzt der Künstler auf Experimente und Detailgefummel, spielt tausende Male dasselbe Gitarrenriff, denselben Akkord, in dem unbestimmten Gefühl, das sei schon was, aber etwas fehle. Diese Arbeitsweise hatten Pink Floyd mit „Meddle“ etabliert, als die Band nächtelang herumsaß, Wein trank, Joints rauchte und „nichts zustandebrachte“, wie sich Toningenieur John Leckie später erinnerte. Statt Songs zu schreiben, suchten die Musiker nach exotischen Geräuschen und Effekten, ließen sensationell neue Synthesizer und Haushaltsgeräte erklingen, erfreuten sich an seltenen Zufällen und gingen „nach Hause zum Abendessen, während Roger Stunden über Stunden am Konzept und den Texten feilte“, wie sich Gilmour später etwas schuldbewußt erinnerte. Die entscheidende Stärke des Albums sind daher auch nicht die Songs, sondern das, was man heute „Arrangement“ nennt, und die Produktion: enigmatische Stimmschnipsel (eine Reihe von Kollegen und Bekannten, die spontan Fragen wie „Hast du Angst vor dem Tod?“ beantworteten), Uhren, fallende Münzen, imitierte Herzschläge, klappernde Schritte, reißendes Papier, eine Registrierkasse, der wortfreie Gesang von Clare Torry, regelwidrig eingesetzte Maschinen (etwa ein Gerät zur Verhinderung von Feedback) und jede Menge technische Tricks (für die teilweise Toningenieur Alan Parsons verantwortlich war, der sich im Gegenzug die Floyd-typischen schleppenden Konsens-Rhythmen und gemächlichen Akkordfolgen für sein „Project“ auslieh) machen „Dark Side Of The Moon“ zu einer Art Klanghörspiel, perfekt und zugleich experimentell, bebend vor Pathos und packend intim.
„The Dark Side Of The Moon“ ist eine Art Klang hörspiel, perfekt und zugleich experimentell, bebend vor Pathos und packend intim
Sie waren alles andere als ein Rockdinosaurier Entstanden ist dieses historische Unikum, das wirkt wie aus einem Guß, höchst fragmentarisch: Roger Waters, David Gilmour, Rick Wright und Nick Mason waren alles andere als ein etablierter Rockdinosaurier, als sie sich nach Abschluß einer US-Tour am 30. November 1971 in einem Londoner Probestudio trafen, um ein neues Album zu schreiben. Seit sich Syd Barrett 1968 ins Reich der Psychose verabschie-
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Von der Livepremiere am 17. Februar 1972 Rick Wright, Roger Waters, Nick Mason und von denen sie 1973 noch nichts ahnten. Die anim Londoner Rainbow waren nicht nur Kritiker David Gilmour (v. l.) flog die Inspiration haltende Attraktivität der offenbar alterslosen begeistert: Schon kurz darauf erschien ein Boot- zu den Stücken des Albums nicht locker zu Platte hat aber noch einen anderen Grund: Wo leg der Show, der sich 120.000 Mal verkaufte, bis – sie zwangen sie nach und nach herbei scheinbar wenig ist, beginnt der Hörer zu sunach langwierigen, immer wieder unterbrochechen, lädt periphere Details mit Bedeutung auf nen Feinarbeiten am 1. März 1973 endlich das Original in den Läden und entdeckt immer neue Tiefen unter dem Spiegel der Oberfläche. stand. Als dann die Single „Money“ zum Hit wurde, zeigte sich, dass So wurde „Dark Side Of The Moon“ auch zum meistgedeuteten (und, der Ansatz, Probleme, die jeden drücken, auf verständliche, möglichst logisch: mißdeuteten) Album der Popgeschichte, bis hin zu der Verallgemeingültige Weise anzusprechen und in Musik zu verpacken, die mutung, es sei ein heimlicher Soundtrack zu dem Film „The Wizard niemanden überfordert, gleichzeitig aber mit einer Reihe von Oh!-EfOf Oz“ von 1939. Wahrscheinlich liegt das Geheimnis von „Dark Side Of The Moon“ fekten beeindruckt, der ideale Mittelweg in Millionen Herzen war. in seiner schlichten Perfektion, Perfektion der Schlichtheit. Darin ähRoger Waters meint, der Erfolg der Platte beruhe darauf, dass nelt das Album der Bibel, die alle Geschichten enthält, die in den zwei„nachkommende Generationen von Jugendlichen sie kaufen wollen, tausend Jahren danach (und davor) immer wieder neu erzählt, variiert wenn die Hormone ihren Blutkreislauf überschwemmen und sie gegen und ausgesponnen wurden, – oft so grob umrissen, dass man sie mehr die herrschenden Zustände aufbegehren“. „Man kann eine direkte Linie hinein- als herauslesen muss. Und vielleicht deshalb ist „Dark Side Of von diesem Album zur heutigen globalen ‚Politik der verbrannten Erde‘ ziehen“, sagte Nick Mason 1998 etwas verschwurbelt, aber durchaus The Moon“ wenn auch nicht mehr die meistverkaufte, so doch zweitreffend. Gegen Umwelt- und Klimakatastrophen bleibt alle Betroffellos die erfolgreichste Schallplatte aller Zeiten. fenheit wirkungslos, aber deren Wortführer werden zu Lichtgestalten, und aus der geheimnisvollen Undergroundgruppe der späten 60er Neu: Am 23. September erscheint „The Dark Side Of The Moon“ (EMI) in technisch überarbeiteten Deluxe- und Special-Edition-Versionen als erster wurde die größte Mainstream-Rockband aller Zeiten – was den MuTeil einer groß angelegten Pink-Floyd-Wiederveröffentlichungskampagne. sikern persönlich wie künstlerisch bleibende Schäden zufügen sollte,
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Die Sono -liste
Sie meinen, Musiker 체ber 50 h채tten in Rock und Jazz nichts Neues mehr zu sagen? Hier sind ein Dutzend Gegenbeweise.
Illustration: Fornfest
Von Hans-J체rgen Schaal
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1. Adrian Belew „Side One“ In den 80ern kannte man von dem Mann aus Kentucky vor allem exquisite Gastauftritte, bizarre Gitarrensounds und schräge Songs über Nashörner. Manches Skurrile brachte er in die Band King Crimson ein, aber er hat sich umgekehrt von dort auch einiges geholt: verzwickte Gitarrenstrukturen, massive Soundwände, einen dröhnenden Rockbeat. Mit dem Soloalbum von 2004 – da war er 54 – hievte sich Adrian Belew auf ein neues Niveau. (Sanctuary)
2. Ry Cooder „Chávez Ravine“ Ob Blues, TexMex oder Country: Der Kalifornier war immer ein kreativer Roots-Verwerter und Weltmusik-Pionier. Sein größter Erfolg kam 1997 mit „Buena Vista Social Club“, wozu Cooder musikalisch allerdings wenig beitrug. Wesentlich origineller verfuhr er 2006 – nun 59-jährig – beim atmosphärischen Porträt eines ehemaligen Latino-Viertels in L.A. namens Chávez Ravine: eine mutig verfremdete HörBaustelle aus Mambo, Mariachi, Blues und Jazz. (Nonesuch)
3. Steve Hackett „To Watch The Storms“ Schon bei den frühen Genesis (1971–1977) wirkte der Londoner seltsam intellektuell und eigenbrötlerisch, völlig versunken in seine Gitarre, die er grundsätzlich im Sitzen spielte. Bald nach seinem Ausscheiden startete er eine Solokarriere und scheint über die Jahre immer weiter zu wachsen: Das Album von 2003 war das etwa 18. Solowerk des damals 53-Jährigen. Hypnotische Melodien, verwirrende Gitarrenkunst, Ergreifendes zwischen Melancholie und Abgrund. (Camino)
4. Deborah Harry (Blondie) „The Curse Of Blondie“ Nicht nur sind frühe Songs der New-Wave-Band ins Jazz-Repertoire eingegangen, Sängerin Harry selbst hat zwischendurch als Jazzvokalistin und Schauspielerin geglänzt. Das hört man ihrer Stimme an, ohne dass sie das Burschikose oder Sirenenhafte verloren hätte. Auf dem zweiten Studioalbum (2003) ihrer wiedergeborenen Band finden sich neue Attitüden, elektronische Beimischungen, überraschende Tonfälle. Das hat nichts mehr von Retro. (Epic)
5. Dave Holland „What Goes Around“ Miles Davis holte den Engländer einst nach Amerika, weil er auch E-Bass spielen konnte wie ein Rockmusiker. Einige Jahre später war Holland eine lebende Jazzbass-Legende und ein echter New Yorker. Mit 57 Jahren – 2002 – kam er auf die Idee, die verschränkten Linien seiner Quintettmusik ins totgesagte Bigband-Format zu übersetzen – und schuf damit eine völlig neue Ästhetik des Jazz-Orchesters. Das Album brachte ihm seinen ersten Grammy. (ECM)
6. Annette Humpe (Ich + Ich) „Vom selben Stern“ Ihre coolen Erfolge mit der NDWBand Ideal („Berlin“, „Blaue Augen“) schienen einst ein kurzlebiges Modephänomen. Doch 2004 überarbeitete Annette (früher: Anete) Humpe mit dem fast 30 Jahre jüngeren Sänger Adel Tawil ihr Rezept für deutschsprachigen Pop – und erstürmte 2007 mit dem zweiten Album von Ich + Ich die Charts. Auch für Max Raabe schreibt sie schlaue Songs für die Ewigkeit. (Universal)
7. Joe Jackson „Rain“ Mal Rock, mal Jazz, mal Klassik: Es ist schwer, all den stilistischen Kehrtwendungen zu folgen, die der maßlos talentierte, aber völlig unberechenbare Brite im Lauf seiner Karriere hingelegt hat. Auch 2008 – mit 54 Jahren – war der Wahl-Berliner noch lange nicht an seinem Ziel angekommen, aber wieder einmal um eine Station weiter. Eigenwillig beispiellose Songs zwischen den Genres, nur von Klavier, Bass und Drums begleitet. (Warner)
8. Rolf Kühn „Rollercoaster“
10. Gary Moore „Close As You Get“ Bei bekannten Bands war er immer nur kurzzeitig engagiert, dafür kreuzte er bei allen möglichen All-Star-, Konzept- und Kollegenprojekten als Gaststar auf. Der Rockgitarren-Virtuose aus Nordirland wurde zu seiner eigenen Marke: Mehr als 25 Soloalben hat er gemacht und zum Schluss alles auf die zwölftaktige Form reduziert, den Blues. Denn es kam auf das Wie an, nicht das Was: Die Gitarre war der Star – je später, desto mehr. (Eagle Rock)
11. Robert Plant „Mighty Rearranger“
Mit 25 Jahren der „beste Jazzklarinettist Europas“, dann eine Bigband-Karriere in den USA, Pionier des europäischen Freejazz und Jazzrock, Orchesterleiter, Filmkomponist ... Schon vor langer Zeit hätte sich Rolf Kühn zurücklehnen und auf seinen Lorbeeren ausruhen können. Stattdessen gründet er mit 79 (!) Jahren ein junges, freches Berliner Jazzquartett und macht die aufregendste Musik seines Lebens. Erstes Stück auf dem Album: „What A F ... Day“. (Jazzwerkstatt)
Irgendwie steckte alles schon damals bei Led Zeppelin drin, aber erst im neuen Jahrtausend lässt er es richtig heraus. Der Mann mit der heiseren Stimme, dessen „Stairway To Heaven“ nicht totzukriegen ist, hat sich zum Dompteur der Weltmusiken gewandelt, kreuzt afrikanische Trommeln mit Rockriffs, orientalische Streichermusik mit Bluesformen, Folk-Gitarren mit jazzy Rhythmen. Dagegen wirken Jimmy Pages Hardrock-Wiederholungen senil. (Sanctuary)
9. Joni Mitchell „Shine“
12. Tom Waits „Real Gone“
Mit 60 Jahren wollte sich die Grandma der Singer/Songwriter-Szene eigentlich für immer von der Musik verabschieden. Aber es kam anders: 2007 veröffentlichte Joni Mitchell dieses Album mit neuen Songs, frisch erschüttert von der „Dummheit unserer Spezies“. Ja, sie hat immer noch etwas zu sagen – auch in der Art, wie sie es sagt. Nach Jazz-Experimenten und Orchesteraufwand genügen ihr jetzt ein paar billige digitale Sounds zur Begleitung des Wesentlichen. (Hear Music)
Der ehemalige Folksänger aus Kalifornien hat sich in jedem Jahrzehnt immer wieder neu erfunden – immer verstörender, immer radikaler. Auf diesem sehr politischen Album aus dem Jahr 2004 – mit 54 Jahren – klang er manchmal, als wuchtete er mit den eigenen Händen diese massiven Soundwände über den Asphalt und müsste sich mit der Stimme selbst dabei anfeuern. Ein letzter Gerechter gegen den Lärm der Welt: Sinnfälliger als hier hat Tom Waits das niemals vorgeführt. (Anti)
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TONY BENNET T
Im Glanz der späten Jahre
Die Krisenzeiten sind längst passé – im Alter steht Gentleman Bennett besser da denn je
Mit stolzen 85 erlebt der einstige Protegé von Frank Sinatra den Höhepunkt seiner abenteuerlichen Karriere – künstlerisch wie kommerziell. Von Marcel Anders
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n den USA ist Anthony Dominick Benedetto das, was man eine Showbiz-Institution nennt: Seit Ende der 40er im Geschäft, zuerst Teenie star, dann anerkannter Jazz-Sänger, gut Freund mit den Größen von Broadway und 52nd Street (Fred Astaire, Billie Holiday, Sarah Vaughan etc.), allererster weißer Sänger des Count Basie Orchestra, Lieblingsstimme von Frank Sinatra und jemand, der sämtliche Höhen wie Tiefen der Musikindustrie durchlaufen hat. „Ich kann wirklich nicht behaupten, dass mein Leben langweilig gewesen wäre“, lacht er beim SonoInterview in London. „Als ich anfing, war New York die aufregendste Stadt der Welt – mit den besten Musikern der Zeit, die dort in winzigen Clubs auftraten. Und die mich mit offenen Armen aufgenommen haben. Warum, weiß ich bis heute nicht. Aber Komplimente von Ella Fitzgerald zu bekommen, war das Größte. Etwas, das ich nie vergessen werde.“ Genauso wenig wie den tiefen Fall der 70er und 80er, als seine Platten auf schwindendes Interesse stießen, er sich trotzdem weigerte, seinen Stil zu ändern und letztendlich vor dem finanziellen wie gesundheitlichen Aus stand: „Ich hatte ein Drogenproblem. Aus dem simplen Grund, weil ich versucht habe, so vor meinen Problemen zu fliehen – was einfach dumm war. Aber mit Hilfe meiner Söhne, die mein Management übernommen haben, bin ich wieder auf die Beine gekommen.“ Nicht nur das: Seit den frühen 90ern ist Bennett sogar erfolgreicher denn je. Einfach weil er genau das macht, was er am besten kann: Er singt das „Great American Songbook“ der 20er, 30er und 40er Jahre, komponiert von George Gershwin, Irving Berlin und Co., das er stolz als „klassisch“ bezeichnet und mit so viel Inbrunst und Leidenschaft interpretiert, dass die Versuche eines Rod Stewart dagegen wie Weichspüler klingen. „Was er da macht, ist Muzak – es ist nett, aber belang-
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Generationendialog: Bennett und Lady Gaga
los. Denn wenn man schon Stücke bringt, die so gut geschrieben sind, dann muss man auch das Beste aus ihnen rausholen. Man muss sie so bringen, als hätte man sie selbst zu verantworten.“ Genau das exerziert er auf seinem neuesten Werk „Duets 2“ vor. Mit Stücken, die seit sieben Dekaden Bestandteil seines Live-Repertoires sind und die er nun u. a. mit K.D. Lang, Michael Bublé, Sheryl Crow, John Mayer, Lady Gaga und Aretha Franklin singt – wobei er eine glänzende Figur abgibt. „Ich bin in der Form meines Lebens, und ich hoffe, das hält noch ein paar Jahre an“, lacht er. Schließlich ist er hyperaktiv: Er versucht sich als Maler und Bildhauer, leitet diverse BenefizOrganisationen, hat gerade zum dritten Mal geheiratet und träumt von seiner ersten Deutschland-Visite seit 1946. „Aus irgendeinem Grund ist es nie dazu gekommen. Dabei würde ich alles dafür tun. Schließlich verdanke ich euch meine Karriere. Der II. Weltkrieg hat mir die Gesangsausbildung finanziert. Und schaut, was aus mir geworden ist.“ Nämlich der letzte der sogenannten „Crooner“ – und ein wunderbarer Mensch. Neu erschienen: Tony Bennett „Duets II“ (Sony Music) erscheint am 16. September
www.warnermusic.de
Chris Rea
„Ich bin ein Boxer“ Seit zehn Jahren kämpft der britische Sänger und Songschreiber mit der Racke-rauchzart-Stimme gegen den Krebs. Warum seine Kreativität darunter nicht leidet, offenbart er im SONO-Interview. Interview: Steffen Rüth
Beide Filme wirken ausgesprochen morbide.
D
er Mann mit der rauchigen Stimme und der lässig gespielten Bluesgitarre ist seit fast vier Jahrzehnten im Geschäft – mit Klassikern wie „Road To Hell“ und „Josephine“. Doch vor zehn Jahren erkrankte der Brite an Bauchspeicheldrüsenkrebs und musste um sein Leben kämpfen. Heute ist er wieder so weit hergestellt, dass er arbeiten kann und auch will. Das neue Album von Chris Rea heißt „Santo Spirito“ und besteht aus satten fünf Tonträgern. Wir sprachen mit dem 60-Jährigen in einem Hotel im Londoner Westend.
Wundert dich das wirklich? Ich habe sehr, sehr oft über den Tod nachgedacht in den vergangenen zehn Jahren. Neun Mal habe ich die Narkosemaske aufbekommen, um operiert zu werden, und neun Mal stellte ich mir vor, ich wache nie wieder auf. Wie geht es dir heute? Bist du wieder gesund?
Es ist ganz in Ordnung, gesund werde ich aber nie mehr. Mir feh-
Chris, du bringst jetzt ein wahres Mammutwerk heraus – „Santo Spirito“ besteht aus einem klassischen Chris-Rea-Bluesrockalbum mit neuen Songs, den zwei Filmen „Bull Fighting“ und „Santo Spirito“ sowie jeweils deren Soundtracks. Woher kommt dieser Tatendrang?
Einfach nur ein Album zu machen, ach das wäre langweilig gewesen. Blues und Songs, das mache ich ja schon seit Jahrzehnten, das hat mich nicht genug herausgefordert. Die Leinwand, auf der man im Rock’n’Roll malen kann, ist sehr übersichtlich, eigentlich eher klein. Es gibt nur eine gewisse Anzahl von Elementen, die auf diese Leinwand passen. Also habe ich mir eine größere Leinwand gebaut. Ich habe Filme gedreht und dazu passende Instrumentalmusik geschrieben. „Santo Spirito“ ist ein collagenhafter Schwarzweißfilm, der in Florenz spielt und die Malerei der Renaissance zum Thema hat, „Bull Fighting“ beschäftigt sich mit der Tradition des spanischen Stierkampfes. Gibt es dafür einen Markt?
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Den gibt es, und das hat mich anfangs auch überrascht. Als ich vor sechs Jahren „Blue Guitars“ veröffentlichte, ein Kompendium mit elf CDs, auf denen ich die Geschichte des Blues nachzeichne, hätte ich nicht geglaubt, dass sich jemand dafür interessiert. Und dann kaufen 165.000 Menschen dieses Werk zu 30 bis 40 Euro. Das hat mir bewiesen, dass die Leute noch da sind, sie wollen nur umhegt und auch verwöhnt werden mit besonderen Produkten. Auf der anderen Seite brauchen die Menschen nämlich nicht unbedingt ein weiteres, sozusagen normales Album ihres Lieblingskünstlers. Man muss sich nichts vormachen, ich bin Realist.
Chris Reas Gesicht ist gezeichnet von der Krankheit, doch sein Schaffensdrang ist ungebrochen
„Die Käufer sind noch da, aber sie wollen umhegt und auch verwöhnt werden mit besonderen Produkten“
len die Bauchspeicheldrüse und die Gallenblase, dazu Teile des Magens. Ich muss täglich 30 Tabletten und sieben Insulinspritzen nehmen, denn seit der Krankheit bin ich auch Diabetiker. Und gerade erst dieses Jahr kam der Krebs in begrenzter Form zurück. Es ist nicht dramatisch, aber man muss es genau beobachten.
Foto: Mike Hill
Du hast 2005 angekündigt, dich vom aktiven Geschehen zurückzuziehen, um noch ein bisschen das Leben zu genießen. Dann hast du jedoch einen neuen Plattenvertrag unterschrieben, ein Best-Of-Album veröffentlicht, bist auf Tournee gegangen, und jetzt kommt „Santo Spirito“. Was ist aus den Rentenplänen geworden?
Ich wollte ja gar nicht wirklich aufhören, ich hatte nur Angst, dass meine Krankheit mir keine andere Wahl lässt. Es sah lange so aus, als könnte ich nicht mehr touren. Und man bekam das Gefühl, als wollte das Musikgeschäft von uns älteren Leuten, von Leuten wie Kate Bush, Peter Gabriel, Jeff Beck und mir, nichts mehr wissen. „Blue Guitars“ hat mich neu motiviert. Und an die Einschränkungen durch die Krankheit gewöhnt man sich. Ich
toure halt langsamer, nehme mir mehr freie Tage und habe ein dickes Buch dabei, in dem exakt steht, was ich essen darf und was nicht. Ganz aufhören bekäme mir bestimmt nicht gut. Ich lebe für die Musik. Sie gibt mir Kraft und ist, neben meiner Familie, der wichtigste Antrieb weiterzumachen. In „Never Tie Me Down“, einem der neuen Songs, singst du davon, wie du dem Tod immer wieder entwischst.
So fühle ich mich auch. Ich muss Rücksicht nehmen auf meinen Magen, doch ich habe neue Energie. Ich bin ein Boxer. Man kriegt mich nicht so schnell kaputt. Kann man die neuen Lieder als altmodisch bezeichnen?
Natürlich, sie sind altmodisch. Ich sehe mich als ein Relikt. Ich gebe mich auch keinen Illusionen hin. Ich bin mir sicher, dass die besten Songs der Welt schon geschrieben worden sind. Richtig hervorragende Musik gibt es ja kaum noch. Und wenn, dann wird sie überwiegend von uns Alten gemacht. Es ist ja auch so: Tradition muss nicht schlecht sein, nur weil sie alt ist. Nehmen wir deutsche Brat-
05.02. 06.02. 07.02. 08.02. 10.02. 10.03. 11.03.
KARLSRUHE Tollhaus STUTTGART Liederhalle FRANKFURT Jahrhunderthalle LEIPZIG Haus Auensee DRESDEN Alter Schlachthof KÖLN E-Werk HANNOVER Capitol
würste – warum sollte man sie ändern? Sie sind wunderbar so, wie sie sind. Oder schöne alte Autos. Die neuen Sportwagen werden immer größer und klotziger. Unschön. Du warst meist eher ein Geheimtipp, wurdest aber mit „On The Beach“ und „The RoadTo Hell“ zum Popstar, der in einer Liga mit Kollegen wie Phil Collins spielte. Wie siehst du im Rückblick diese Zeit?
Zwiespältig. Ich wollte Bluesmusiker sein, doch plötzlich war ich dieses Charts-Gesicht. Anfangs freut man sich über den Erfolg und die finanzielle Freiheit, irgendwann jedoch habe ich ihn gehasst, den Popstar-Chris. Meine Plattenfirma ließ mich nicht einfach heimgehen und machen, wozu ich Lust hatte. Ich musste weiter Hits liefern und wurde immer unglücklicher. Dann kam die Krankheit, und seitdem mache ich nur noch das, was ich wirklich machen will. Neu erschienen: Chris Rea „Santo Spirito“ (CD) und „Santo Spirito Box-Set“ (3 CDs+ 2 DVDs) (Warner)
12.03. 15.03. 16.03. 18.04. 19.04. 21.04.
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Tori Amos
Talent allein genügt nicht Die Pfarrerstochter aus North Carolina wagt sich auf neues musikalisches Terrain: Mit ihrer Version eines klassischen Liederzyklus erzählt sie die Geschichte einer erlöschenden Liebe. Interview: Dagmar Leischow
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hr Markenzeichen: ihre Eigenwilligkeit. Dass sich Tori Amos (48) musikalisch in Richtung Mainstream bewegt, ist schlicht undenkbar. Mit ihrem Album „Night Of Hunters“ stellt die US-amerikanische Singer/ Songwriterin musikalische Grenzen infrage. Sie holt mit ihren Improvisationen Schubert und Chopin ins 21. Jahrhundert. Dabei kippen die Liedstrukturen von Klassik zu Pop.
„Nicht mal meine Musiker konnten die Wurzeln jedes einzelnen Titels ganz genau definieren“ Wie war für Sie als Popkünstlerin die Zusammenarbeit mit Klassikvirtuosen wie ihm?
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Auf den Spuren von Franz Schubert: Grenzgängerin Tori Amos
war, dass ich einen klassischen Musikzyklus in der Tradition von Schubert entwickeln sollte. Dieses Angebot kam überraschend, aber dann fand ich es faszinierend. Ich habe mich in Schuberts „Winterreise“ vertieft. Je häufiger ich sie hörte, desto klarer wurde mir, welchen Weg ich einschlagen wollte. Sie hatten also einen richtigen Masterplan?
Sozusagen. Jeder Song basiert auf dem Werk eines namhaften Komponisten. Lassen Sie
Sagenhaft. Durch Andreas habe ich ständig etwas gelernt. Ein Ausnahmemusiker. Bei unserem Klavier-Klarinette-Duett „Seven Sisters“ hat er mich richtig gefordert. Ich spielte da auf einem höheren Level als jemals zuvor. Erzählen Sie ein bisschen über Ihre Heldin. Steht Sie vor dem Aus ihrer Beziehung?
Mit ihrer Partnerschaft steht es sicher nicht zum Besten. Um ehrlich zu sein: Ihr gesamtes Leben ist in Schieflage geraten. Sie fühlt sich schuldig, weil sie oft zu feige war. Statt dauernd zurückzustecken, hätte sie mehr riskieren müssen. Diese Erkenntnis macht ihr arg zu schaffen, sie geistert voller Wut und Verzweiflung durch die Nacht. Neu erschienen: Tori Amos „Night Of Hunters“ (DG / Universal) erscheint am 16. September Die Tournee: Tori Amos gastiert ab 10. Oktober mit den neuen Stücken in Deutschland. Genaue Termine unter www.sonomagazin.de
Foto: Victor de Mello
Obendrein texten und komponieren Sie derzeit für ein Musical.
Das hat sich eher zufällig ergeben. Irgendwann nahm ein Mitarbeiter der Deutschen Grammophon Kontakt zu mir auf. Seine Idee
Da haben Sie Recht. Nicht mal meine Musiker konnten die Wurzeln jedes einzelnen Titels ganz genau definieren. Oft haben sie sich den Kopf darüber zerbrochen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen – so verwirrt waren sie! Beispielsweise hat keiner erkannt, dass „Cactus Practice“ auf Chopins „Nocturne“ basiert.
Im Gegenteil: Sie haben es geliebt, allen voran Andreas Ottensamer, der ja der Solo-Klarinettist der Berliner Philharmoniker ist.
Die Wahrheit ist: Als Frau über 40 muss ich sehr hart arbeiten, um weiterhin meine Position im Musikgeschäft behaupten zu können. Talent allein genügt längst nicht mehr. Regelmäßig neue Platten, alle zwei Jahre eine Tournee – das ist für mich inzwischen Pflichtprogramm.
Mit Klassik setzen Sie sich auch auf Ihrer neuen CD „Night Of Hunters“ auseinander. Warum?
Selbst Klassik-Experten dürften jedoch die Vorlagen nicht immer heraushören.
Heißt das, dieses Lied kam bei Ihren Mitstreitern nicht besonders gut an?
Sie veröffentlichen viel mehr Alben als viele Ihrer Kollegen. Sind Sie zwanghaft kreativ?
Genau. Ich hoffe, es kommt 2012 auf die Bühne des Royal National Theatre in London. Die Geschichte basiert auf einem Märchen aus dem 19. Jahrhundert: „The Light Princess“ von George MacDonald, um genau zu sein. Dieses Projekt ist für mich eine echte Herausforderung. Ich habe etliche Jahre da hinein investiert, mein wirklich großartiges Team stand mir dabei zur Seite. Mein Plan war es, musikalische Grenzen zu durchbrechen. Ich weiß noch, wie schwer es mir anfangs fiel, mich hier und da jenseits des Popkontextes zu bewegen. Aber ich wollte unbedingt ein paar klassische Themen einbringen.
mich das ein bisschen genauer erklären. Für „Nautical Twilight“ habe ich Mendelssohns „Venetianisches Gondellied“ variiert. Bei anderen Nummern standen Stücke von Mozart, Debussy und Schumann Pate.
DAS VOCAL-ALBUM DES JAHRES! „Beatles, Dylan und schön verhangene Eigenkompositionen zwischen Blues, Folk und Jazz … Nicht zu greifen, aber sehr, sehr gut“ STERN „Ihre herbe Stimme umgibt wie immer der Hauch einer Billie Holiday!“ SZENE HH „Poppig, folkig … schön!“ BRIGITTE
LIVE: 13.11. Berlin - Postbahnhof
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the JAYHAWKS nach16 JAHREN endlich wieder in
ORIGINALBESETZUNG
mit
MARK OLSON und GARY LOURIS!
Klingt wie Kitsch, doch Karen Grotbergs zartes Pianospiel und diese beiden Männer, die Einsicht in die Notwendigkeit hatten und begriffen, dass sie zusammengehören, um für uns die Einsamkeit, das Glück und den strömenden Regen im Morgengrauen zu begleiten, machen einem das Herz ganz schwer. Die Jayhawks und das zauberhafte Land - bitte schluchzen Sie jetzt. 8 von 10 Punkten Spiegel Online
Rolling Stone Album des Monats
Perfekte Harmonie – Wenn Gary Louis und Mark Olson zusammen singen, ist alles wieder wie früher, nur ein bisschen lauter. Album des Monats / Rolling Stone
Das neue Album
mockingbird time
“Mockingbird Time” klingt manchmal nach Neil Young, manchmal nach Wilco, aber letzendlich immer so, wie die “echten” Jayhawks uns, mit Olson verlassen hatten: Bewegend, herzergreifend, fast nicht von dieser Welt. Besser wird Americana nicht mehr. Eclipsed September 2011
„Ich wollte nie provozieren“ Als unberechenbarer Grenzgänger zwischen E- und U-Musik, zwischen Klassik, Jazz und Pop ist der Brite berühmt geworden. Jetzt nutzt er Vivaldi als Startrampe für eine Tour de Force durch allerlei zeitgenössische Musikstile. Von Steffen Rüth
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it hochroter Birne sitzt Nigel Kennedy, 54, auf dem Balkon des Berliner „Intercontinental“-Hotels. Es ist früher Abend, die Sonne brennt, es ist sehr warm. Kennedy hält trotzdem wacker die Stellung, ihm mache das Spaß, in der prallen Hitze zu sitzen, überdies wirkt er ein wenig angeschickert, obwohl er den ganzen Nachmittag nur Tee getrunken habe. Ohnehin ähnelt seine Erscheinung der eines britischen Working-Class-Urlaubers. Nigel trägt Schlappen, kurze weite Hose und ein Trikot seines langjährigen Lieblingsvereins Aston Villa. Das Team spiele zwar schrecklichen Fußball, sei aber weder im Besitz eines Oligarchen noch eines Scheichs und daher zu unterstützen. Nigel Kennedy hat ein neues Album eingespielt. Es heißt „Four Elements“ und ist so interessant wie gewöhnungsbedürftig. Konzeptionell hat er es sehr locker angelehnt an Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, mit deren Interpretation Kennedy 1989 seine Weltkarriere begann. Er lässt es hier erstaunlich krachen. Kennedy geigt sich durch Dance, Trance, Blues, Rock, orientalische Musik, es gibt elektrische Gitarren und Keyboards, weibliche Nachwuchsgastsängerinnen sowie mit Damon Reece einen Kollaborateur, der schon mit Popgruppen wie Goldfrapp und Massive Attack gearbeitet hat. „Ich wollte die ‚Four Seasons‘ quasi aufpeppen und meiner Fantasie aussetzen“, sagt der Engländer, der rund die Hälfte seiner Zeit mit seiner zweiten, polnischen Ehefrau in Krakau verbringt. „Ich hatte anfangs auch ruhige Stücke eingeplant, doch dann rockte das ganze Teil so richtig laut und wild und derb los.“
Nicht nur Vivaldi, sondern auch der Fußballclub Aston Villa ist Kennedys Herz ganz (haut)nah
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Foto: Paul Marc Mitchell
Nigel Kennedy
„Ich habe keine Lust, tausend Mal den selben Scheiß zu spielen“
Menuhin war „verwirrt“ Auf seiner Herbsttournee will Kennedy die „Four Elements“ mit den „Four Seasons“ kreuzen, letztere will er dabei „aus einer neuen Perspektive betrachten, denn ich habe keine Lust, tausend Mal den selben Scheiß zu spielen“. „Scheiße“ sagt er übrigens oft, was wohl ein Teil dieser ganzheitlichen Geigen-Rebellen-Inszenierung ist, wegen der Nigel Kennedy so berühmt ist und wegen der er in gewissen Kreisen bis heute verachtet
wird. „Ich hatte nie den Drang, zu polarisieren oder zu provozieren“, behauptet der Vater eines 14-jährigen Sohnes aus erster Ehe, und man tut sich schwer, ihm die Aussage abzunehmen. Immerhin hat er mit seinem Wüster-Junge-Image die Klassikszene in den 80ern schwer schockiert. Ja, selbst sein Lehrmeister Yehudi Menuhin, bei dem Nigel schon mit sieben in die Ausbildung ging, sei „sehr verwirrt“ gewesen, als dieser plötzlich lospunkte. „Man verstand mich nicht. Dabei wollte ich nur so sein, wie ich bin, und mich nicht für die Klassik verstellen müssen. Den Nebeneffekt, Aufsehen zu erregen, fand ich freilich ganz in Ordnung.“ Inzwischen sind bald 25 Jahre vergangen, andere CrossoverGeiger bestimmen die Schlagzeilen (Kennedy über David Garrett: „Ein verbraucherfreundliches Leichtgewicht“), während
Was denkt wohl Kennedys Gattin über sein Outfit? Ihres ist jedenfalls klassischer ...
Nigel Kennedy sein Repertoire über die Jahre stark erweitert hat. Neben Bach und Beethoven hat er auch Jimi Hendrix und
The Doors im Programm, manchmal spielt er mit der polnischen Rockband Kroke, und 2005 veröffentlichte er sein erstes Jazz-Album b e i m b e r ü h mt e n „Blue Note“-Label. „Jazz habe ich richtig lieben gelernt. Du kannst Jazz nicht auf Autopilot spielen, es geht nicht um Perfektion, sondern um Interaktion, das Gemeinsame.“ Zugleich sei Jazz geselliger. „Die Jungs im Orchester sind oft steif, das Klischee stimmt. Jazzer sind locker drauf, mit denen kannst du nach einem Konzert noch super einen saufen gehen.“ Neu: Nigel Kennedy „Four Elements“ (Sony Classical) erscheint am 7. Oktober
WHY Pink FloYd ?
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POP, Rock & co die pop-cd des monats
The Jayhawks „The Mockingbird Time“ Rounder/Universal
Charles Aznavour „Toujours“ EMI
[Chanson] Momentan verabschiedet sich der nur 1,61 Meter große Chanson-Riese Charles Aznavour von seinen französischen Fans mit einem wahren Konzertmarathon. Mit 87 Jahren muss ja mal Schluss sein. Dabei ist Aznavour nicht nur weiterhin blendend bei Stimme. Nach über 1.000 Chansons, die er auch für Kollegen wie Edith Piaf und Gilbert Bécaud geschrieben hat, fließen diesem ewigjungen Melancholiker immer noch Melodien für die Ewigkeit aus der Feder. Mit Top-Sidemen wie Jazz-Pianist Jacky Terrasson zieht Aznavour so noch mal alle Register von sanften Balladen über Swing bis zur jüdischen und spanischen Musik. Und natürlich drehen sich seine Texte wieder um die Flüchtigkeit der Jugend, um die unerbittlich verrinnende Lebenszeit. Dabei steht doch längst fest: Charles Aznavour ist unsterblich. Guido Fischer Downloadtipp: „La vie est faite de hasard“ Besonderheit: Seinen Welthit „She“ hat Aznavour mit dem Sohn von Françoise Hardy, Thomas Dutronc, neu aufgenommen.
Glen Campbell „Ghost On The Canvas“ Surfdog/Neo/Sony Music
[Country, Pop] Mit „Rhinestone Cowboy“ gelang ihm in den 70er Jahren ein globaler Megahit. Aber auch sonst hat sich Glen Campbell mehr als vier Dekaden lang als hochkompetenter Studiomu-
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cht Jahre haben die Fans jener Band aus Minneapolis, die in den 90er Jahren maßgeblich zum Wiederaufblühen der wurzelnahen US-amerikanischen Rockmusik beigetragen hat, auf ein neues Studioalbum warten müssen. Als besonders schöne Nachricht dürften sie empfunden haben, dass außerdem auch der vor 16 Jahren aus privaten Gründen ausgeschiedene Mitgründer Mark Olson wieder mit an Bord war. Jetzt liegt das Album vor und man kann gottlob feststellen, dass die Jahre nicht spurlos an den Jayhawks vorbei gegangen sind: Man hört, dass die beiden Bandköpfe Mark Louris und Olson in der Zwischenzeit ihre Ohren durchaus offen für neuere musikalische Entwicklungen hatten. Hier gibt es immer wieder sachte Indie-Tendenzen zu vernehmen: Songs wie der Opener „Hide Your Colours“ und „Closer To Your Side“ könnten mit ihrem melancholischen Aroma auch von einem R.E.M.-Album stammen. Und wenn die Jayhawks eine Art zeitgemäßer Westcoast-Hymne versuchen („High Water Blues“), dann nicht ohne eine leicht schräge Schlagseite. Also: Kontinuität durch maßvollen Wandel, denn die prägenden JayhawksTugenden sind alle da: erstklassiges Songwriting, feine Arrangements und Vollblut-Musikantentum. Christian Stolberg Passt zu: spätsommerlichen Überlandfahrten Klingen ähnlich: R.E.M., The Byrds, Crosby Stills Nash & Young, John Hiatt
siker, Sänger mit einem seidigen Tenor und Songwriter mit Faible für große Melodien zwischen Country und Pop profiliert. Nachdem bei dem 75 jährigen jetzt die ersten Anzeichen von Alzheimer diagnostiziert wurden, entschloss er sich, noch ein letztes Mal ein Studioalbum mit komplett neuem Material einzuspielen. Darauf interpretiert Campbell Songs von jüngeren Autoren wie Paul Westerberg (The Replacements), Robert Pollard (Guided By Voices), Jakob Dylan und Teddy Thompson, hat aber auch zusammen mit seinem Produzenten Julian Raymond einige Stücke geschrieben. Und es gelingt ihm, noch einmal jenen souveränen Weg zwischen geerdeter Country-Tradition und großem Popgefühl zu finden, der ihn groß machte. Welch stilvoller Abschied! Christian Stolberg Gäste: The Dandy Warhols, Chris Isaak, Smashing-Pumpkins-Gründer Billy Corgan, Surfgitarrenkönig Dick Dale und Brian Setzer
Ry Cooder „Pull Up Some Dust And Sit Down“ Nonesuch/Warner [Americana] Eine Zeitlang wirkte Ry Cooder hauptsächlich als Musikethnologe, spürte siechende und vergessene Traditionen von Afrika über Kuba bis Mexiko auf, manche immens erfolgreich, andere einfach nur pittoresk. Dann aber war der inzwischen 64-Jährige offenbar genug gereist und begann, sich langsam an sein Alterswerk zu machen. „Pull Up Some Dust And Sit Down“ ist die aktuelle Runde seiner Protestlieder, die von der Haltung klar Randy Newman im Blick haben, musikalisch aber von keltischem Folk über Texmex-Impressionen bin hin zu LouisianaBlues und Cajun-Motiven einen
Bilderbogen amerikanischer Klangintarsien integrieren. Cooder singt von den Soldaten, die in Plastiksäcken nach Hause kommen und dem Revolverhelden Jesse James, der im Himmel seinen Revolver zurückfordert, um bei den Banken von heute mal so richtig aufzuräumen. Er mimt den Clapton und den John Lee Hooker, pflegt einen stellenweise skurrilen Humor, wenn er etwa die Einwanderungspolitik an der mexikanischen Grenze kritisiert. Viele Saiteninstrumente spielt er selbst, lässt sich aber auch von alten Freunden wie dem Akkordeonisten Flaco Jimenez helfen und gestaltet auf diese Weise ein Kapitel Americana mit dem spröden Charme des alten Mannes. Ralf Dombrowski Wissenswertes: In den 90ern verhalf Ry Cooder dem Afrikaner Ali Farka Touré zur zweiten Karriere. Downloadtipp: „Humpty Dumpty World“
Rea Garvey „Can’t Stand The Silence“ Island/Universal [Rock/Pop] Nach der Ankündigung einer längeren Kreativpause seiner Band Reamonn war es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis Sänger Rea Garvey sein erstes Soloalbum vorlegen würde. Auf „Can’t Stand The Silence“ entfernt sich der Wahl-Berliner zum Teil sehr deutlich vom bekannten Reamonn-Sound. Im Mittelpunkt von Songs wie „Heart Of An Enemy“ und „Hole In My Heart“ steht natürlich seine unverwechselbare Stimme, mit der er dieser Platte einmal mehr seinen Stempel aufdrückt, aber musikalisch geht er durchaus ein paar Wagnisse ein. Für die Umsetzung seiner Ideen verpflichtete Garvey mit Produzent Andy Chatterley (Muse, Kylie Minogue, Kanye-
West), Singer/Songwriter Iain Archer (Snow Patrol), Komponist Julio Reyes Copello (Jennifer Lopez, Nelly Furtado), Jam El Mar (Jam & Spoon) und nicht zuletzt Xavier Naidoo lauter Branchenschwergewichte, die sich erstaunlich gut ergänzen. Vor allem mit Tracks wie dem bombastischen „How I Used To Be“ und der einfühlsamen Ballade „My Child“ dürfte Rea Garvey auch Hörer überzeugen, die Reamonn bisher nichts abgewinnen konnten. Robert Wallner Info: Bevor Rea Garvey 1999 bei Reamonn einstieg, war er als Gitarrist und Sänger bei der irischen Band Reckless Pedestrians aktiv.
Matthew Herbert „One Pig“ accidental/PIAS
[Avantgarde/Elektro] Die einen nennen es überspannt, die anderen visionär. Der Brite Matthew Herbert arbeitet gerne mit Klängen, und er gibt sich nicht damit zufrieden, dass sie aus der Dose kommen. Also geht er mit seinen Mikrofonen raus aus dem Studio und sampelt, was das Zeug hält. Mal lässt er bei einem Konzert Tausende Menschen gleichzeitig für einen Sound in einen Apfel beißen, mal nimmt er Panzer auf, die über eine Wiese rollen. Oder ein Schwein wie bei „One Pig“. Ein halbes Jahr lang hat Herbert das Tier begleitet, alle zwei Wochen von der Geburt bis zum Verzehr die Töne eingefangen, die es macht. Das ergab die Grundlage für sein Album, das die Trilogie aus „One One“ (nur Sounds des eigenen Körpers) und „One Club“ (nur Sounds eines Disko-Abends in Berlin) vervollständigt. Auf der Basis dieser Eindrücke erstellt er dezente Clubbeats, die aus den Tierklängen heraus zu wachsen scheinen. Resultat des akusti-
schen Feldversuchs ist ein organisch wirkendes und manchmal irritierendes Hörgemenge, das auf die Spitze treibt, was technisch möglich ist, und dabei zugleich eine Ästhetik schafft, wenn auch eine grunzende. Ralf Dombrowski Wissenswertes: Herbert verbirgt sich auch hinter Doctor Rockit, Radio Boy und Wishmountain. Downloadtipp: ganz oder gar nicht
Mike Oldfield „Incantations“ (Deluxe Edition) Mercury/Universal [New Age/Pop] Fünf Jahre nachdem er mit seinem aufsehen- (oder besser aufhorchen-) erregenden Debütalbum „Tubular Bells“ nicht nur seinen persönlichen (und für ihn mit allerlei problematischen Begleiterscheinungen verbundenen) Durchbruch geschafft, sondern nebenbei auch zum Aufkommen der New-AgeMusik beigetragen hatte, veränderte der Brite auf seinem vierten Album „Incantations“ erstmals die Zusammensetzung seiner Musik grundsätzlicher: Wo er bisher hauptsächlich auf bereits in der Rockmusik üblichem Instrumentarium seine ganz persönliche Kombination aus Motiven aus der irischen Folklore (und später auf „Ommadawn“ aus der afrikanischen Msuik), klassischen Einflüssen, Minimal Music und Elektronik inszeniert hatte, setzte er nun stärker auf klassische Instrumente (vor allem Streicher) und Chöre. Die keltischen Quellen wurden zum Teil durch indianische Elemente abgelöst, zudem integrierte Oldfield zwei literarische Texte („The Song Of Hiawatha“ des Dichters Henry Wadsworth Longfellow und „Ode To Cynthia“ des Shakespeare-Zeitgenossen Ben Jonson).
In der Zwei-CD+DVD-DeluxeEdition kommt „Incantations“ in einer ganz neuen Stereo-Remaster-Version, deren Entstehung von Mike Oldfield persönlich überwacht wurde. Die begleitende DVD enthält neben einem neuen 5.1-Surround-Mix verschiedener Auszüge diverses BewegtbildMaterial, darunter Passagen von Oldfields spektakulärer 1979er Tournee. Felix Marondel Besonderheit: Diese Wiederveröffentlichung trägt auf der Frontseite ein anderes Foto als das Original cover. Das ursprünglich vorne platzierte Motiv findet sich nun auf der Rückseite der Verpackung. Klingt ähnlich: Tangerine Dream, Klaus Schulze, Vangelis
Erdmöbel „Retrospektive“ Edel [Deutschpop] Lakonie will gekonnt sein. Markus Berges hat seinen Spaß an Mehrdeutigkeiten und dem Rhythmus der Worte, an überraschenden Verdrehungen und semantischen Spielereien. Seit bald zwei Jahrzehnten spitzt der inzwischen zur Kölner Szene gehörende Münsteraner mit seiner Band Erdmöbel die deutschen Sprache zu und lässt in seinen poetischen Experimenten eigenständige Bildwelten entstehen. Mit „Retrospektive“ blickt er nun zurück, präsentiert 17 Lieder aus 16 Jahren plus einem neuen Song und dokumentiert mit wunderbarer Beiläufigkeit, wie schön es sein kann, deutschen Pop zu hören. Denn Erdmöbel pflegen auf der einen Seite das scheinbar so Dahingesungene, die verbale Lakonie, verstehen es darüber hinaus aber auch, pointierte, auf das Nötigste konzentrierte Arrangements zu schreiben und damit eine stilistische Breite von dezentem Independent Sound bis zum
versteckten Jazz abzudecken. Das hat Klasse und macht die „Retrospektive“ zu einem Portfolio poppoetischer Kraft. Es muss ja nicht immer Sven Regener sein. Ralf Dombrowski Wissenswertes: Mit „No. 1 Hits“ verhalfen Erdmöbel 2007 englischen Hits zu deutscher Cover-Größe. Downloadtipp: „Lied über gar nichts“
Nick Lowe „The Old Magic“ Proper/Rough Trade [Rock/Pop/Country] Vier Jahre nach seinem letzten Studioalbum „At My Age“ meldet sich der Songwriter und legendäre Produzent (Elvis Costello, The Damned) aus England mit einer wundervoll relaxten Platte zurück. Eingespielt hat Nick Lowe „The Old Magic“ mit Hilfe seiner Band um Keyboarder Geraint Watkins, Gitarrist Steve Donnelly und Schlagzeuger Robert Treherne sowie einigen mehr oder weniger prominenten Gastmusikern wie Ron Sexsmith, Rory McLeod, Paul Carrack, Jimmie Vaughan und Annie Whitehead. Man hört den elf Songs förmlich an, in welch entspannter Atmosphäre sie eingespielt wurden. Zu den Höhepunkten des Albums zählen vor allem die drei bereits live ausführlich getesteten Balladen „Stoplight Roses“, „House For Sale“ und „I Read A Lot“. Aber auch die drei Coverversionen, „Poisoned Rose“ von Elvis Costello, „Shame On The Rain“ von Tom T. Hall und „You Don’t Know Me At All“ von Jeff West, rechtfertigen durchaus überschwängliches Lob. Robert Wallner Hintergrund: Nick Lowe produzierte nicht nur die ersten fünf Alben von Elvis Costello, sondern mit „New Rose“ von The Damned auch die erste englische Punk-Single überhaupt.
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POP, Rock & co
Joe Henry „Reverie“ Anti/Indigo V.Ö. 7.10.
[Singer/Songwriter] Joe Henry war noch nie ein sogenannter Singer/Songwriter, der sich mit der einfachen Lösung zufrieden gegeben hätte. Seine Songs brauchen Zeit, bis sie ins Blut gehen, doch hat man sich einmal mit ihnen infiziert, gibt es keine Heilung mehr. Wie schon all seine letzten Alben hinterlässt auch sein neuester Streich wieder den Eindruck eines groß angelegten Opus. Henry ist ein Rembrandt der Americana, der in feinsten Nuancen zu kolorieren und schraffieren weiß und sich auf fein konturierte Unschärfen versteht. Er ist ein Meister der spontan anmutenden Dramatik und des präzise gesetzten musikalischen Effekts, der einmal so sitzt, dass er keiner Wiederholung bedarf. In seinen Songs ist kein Platz für Zufälle, alles ist bis ins kleinste ausgeklügelt. Und doch wirkt es niemals starr oder blutleer, denn Henry schafft Zwischenräume, in denen sich Emotionen entladen können. Eine nahezu perfekte Songlandschaft, in der man sich endlos verlieren kann. Wolf Kampmann Weiterhören: Daniel Kahn, Geoff Berner Downloadtipp: Sticks And Stones
Nena „Balladen“ Sony Music
[Pop] Ende 2010 erschien mit „Best Of “ die erste von Nena höchst persönlich autorisierte Zusammenstellung, mit der sie sich gegen die Flut von Nena-Hit-
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Compilations zur Wehr setzen wollte. Nun ist die etwas lieblos benannte „Balladen“-CD zwar auch kein von ihr selber betreutes Album, aber einen Grund, sich dagegen zu wehren, hätte Deutschlands Darling-Sängerin im Grunde nicht. Denn die 18 hier versammelten Songs aus allen Abschnitten ihrer langen Karriere sind mit Bedacht und viel Einfühlungsvermögen ausgewählt worden. So unterstreichen eben diese „Balladen“, dass Nena viel mehr ist als ein NDW-Partykult. Denn gerade mit Stücken wie „Der Anfang vom Ende“, „Lass mich dein Pirat sein“ und dem berührenden „Weißen Schiff“, in dem sich Nena mit dem Tod auseinandersetzt, überzeugt sie als grandiose Sängerin, die stets die richtigen Töne für die großen Gefühle findet. Heiko Große Weiterhören: „Best Of“ und den aktuellen Konzertmitschnitt „Made In Germany Live“ auf DVD
Helgi Jonsson „Big Spring“ Finest Gramophone/Indigo [Independent] Es ist schwer, in einem Text über einen Künstler aus Island nicht mit den isländischen Klischees zu operieren – vor allem wenn sie wie im Fall des jungen Sängers, Songwriters und Multi-Instrumentalisten auch noch zutreffen. Denn die Musik von Helgi Jonsson, der viel mit der dänischen Sängerin Tina Disco zusammengearbeitet hat, ist tatsächlich so idyllisch und verschroben wie Island selbst. Seine mal melodisch, mal atmosphärisch ausgerichteten Kompositionen erinnern an die karge Natur des Landes, unter der es jedoch brodelt – und der nächste Vulkan- oder GeysirAusbruch nie weit ist. Ein IslandKlischee, das jedoch nicht auf den klassisch ausgebildeten Musiker
zutrifft, ist Björk. Von den Elektronikexperimenten der großen Exzentrikerin hat Jonsson so gut wie nichts. Helgi Jonsson ist Natur pur. Heiko Große Weiterhören: weitere großartige Musik aus Island etwa von Mugison, Pétur Ben, Lay Low, Sigur Rós oder Ólafur Arnalds
Info: Dies ist die erste CD, die Labelübergreifend die Highlights von Patti Smiths Karriere dokumentiert.
David Sylvian „Died In The Wool – The Manafon Variations“ Samadhisound/Galileo MC
[Rock] Das war wirklich überfällig: Verblüffenderweise erscheint erst 36 Jahre nach ihrem Albumdebüt eine Best-Of-CD, die wirklich alle Schaffensphasen der so eigenwilligen wie tapferen Rockpoetin aus Chicago abdeckt. Und wie schon der für eine solche Retrospektive ungewöhnliche Titel (ein Zitat aus „Rock’n’Roll Nigger“) andeutet, ist dies keine Routinepackung von der Stange. Smith selber hat die Zusammenstellung der CD begleitet, sie kommentiert im Booklet sehr persönlich jeden der 16 Tracks. So entfaltet sich hier von den punkigen Anfängen mit ihrer düsteren Version von Van Morrisons „Gloria“ vom Debütalbum „Horses“ und dem scheppernden „Ain’t It Strange“ von „Radio Ethiopia“ (1976) über den Welthit „Because The Night“, ihr programmatisches Kampflied „Rock’n’Roll Nigger“, das bewegende „Beneath The Southern Cross“ vom 1996er Comeback-Album „Gone Again“ (mit Jeff Buckley und Tom Ver laine) bis hin zu ihrer Fassung von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ das musikalisch vielschichtige und faszinierende Werkporträt einer großen Künstlerin. Christian Stolberg
[Avantgardepop] David Sylvian gibt Rätsel auf. Mit Pop hat seine Musik schon lange nichts mehr zu tun. Und mit „Died In The Wool“ baut er seine akustische Welt noch ein Stückchen weiter aus und überlässt es dem Hörer, wie er sich auf die Sammlung mal finster neumusikalisch wirkender, mal elektronisch verklausulierter Soundwanderungen einlassen will. Im Zentrum steht Sylvians Bariton, der introvertiert und manchmal theatralisch poetisch verschlüsselte Botschaften unter anderem von der Dichterin Emily Dickinson verkündet. Um diesen Nukleus bauen Remixer wie Jan Bang, Eric Honoré, verschiedene Streichinstrumente und Jazzmusiker wie der Saxofonist Evan Parker irrlichternde Assoziationen. Sechs Stücke stammen von dem vorangegangenen Album „Manafon“ und werden umgedeutet, die andere Hälfte ist neu, aber mindestens ebenso in sich versunken wie das frühere Material. Manches erinnert an skandinavische Soundarchitekturen nach Art des Labels rune grammofon, manches an Klanginstallationen, die Bonus-CD bietet 20 Minuten Soundscapes von einer Kunstaktion. So macht es David Sylvian seinen Hörern nicht leicht. Er fordert Zeit, Ruhe und Konzentration. Aber er bietet auch Entdeckungen voll dunkel poetischer Strahlkraft. Ralf Dombrowski
Wissenswert: Patti Smith wurde 2007 in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen.
Wissenswertes: David Sylvian begann seine Karriere als Sänger der Wave-Band Japan.
Patti Smith „Outside Society“ Columbia/Arista/Legacy/ Sony
Barbra Streisand „What Matters Most“ Columbia/Sony Music [Pop/Jazzpop] Schon als Barbra Streisand in den 60er Jahren ihre ersten Alben veröffentlichte, wirkte ihre Musik wie aus der Zeit gefallen. Ihre Art, wie sie Standards aus dem Great American Songbook interpretierte, schien schon damals um Jahrzehnte zu spät gekommen zu sein. Diesen Eindruck könnte man auch bei „What Matters Most“ haben – und doch ist er falsch. Denn allein mit ihrem zurückhaltenden und doch so ausdrucksreichen Vortrag gelingt es ihr immer wieder, die Songs zu etwas ganz Persönlichem zu machen und sie ins Hier und Jetzt zu holen. Gerade die zehn mit dezenten Jazz-Arrangements versehenen Stücke auf der neuen CD müssen ihr besonders am Herzen gelegen haben – sind es doch alles Songs, zu denen Alan und Marilyn Bergman die Texte geschrieben haben. Mit den beiden renommierten Textdichtern ist Streisand seit Jahrzehnten eng befreundet – und das spürt man: So emphatisch hat man die Streisand schon lange nicht mehr gehört. Heiko Große Anspieltipps: „The Windmills Of Your Mind“, „Nice ’N’ Easy“, „That Face“
Keb’ Mo „The Reflection“ Yolabelle/Warner V.Ö. 30.9.
[Blues/Soul/Folk] Fünf Jahre hat Kevin Moore alias Keb’ Mo seit seinem letzten Album „Suitcase“ verstreichen lassen, bevor er jetzt mit „The Reflection“ endlich einen ebenbürtigen Nachfolger präsen-
tiert. Der Sänger und Gitarrist, der am 3. Oktober seinen 60. Geburtstag begeht, überzeugt mit zwölf extrem groovigen und angenehm relaxten Songs im Spannungsfeld zwischen Blues, Jazz und Folk, eingespielt mit Unterstützung von India.Arie, Vince Gill, Dave Koz, Marcus Miller, Mindi Abair und David T. Walker. Drei Jahre arbeitete Keb’ Mo zusammen mit seinem Toningenieur John Schirmer in Los Angles und Nashville an der Fertigstellung der Platte. Die Sorgfalt hat sich ausgezahlt. Keb’ Mo glänzt in Songs wie „All The Way“ und „One Of These Nights“ mit seinem ausdrucksstarken Gitarrenspiel und verleiht den Stücken eine unverwechselbare Note. Robert Wallner Anspieltipps: „The Whole Enchi lada“, „Crush On You“ und „My Baby’s Tellin’ Lies“
Frank Ramond „Ganz klar“ 105music/Sony Music
[Chanson/Pop] Auch wer in seinem Leben noch nie von Frank Ramond gehört hat, kennt garantiert einen seiner Songs, die er in den letzten Jahren für Annett Louisan, Roger Cicero und Ina Müller geschrieben hat. Aber auch als Solokünstler sorgte der Songwriter und Produzent, der nur ungern im Rampenlicht steht, mit seinem Debütalbum „Große Jungs“ bereits 2009 für Aufsehen. Auf seinem zweiten Solowerk überzeugt Frank Ramond erneut mit wundervoll hintersinnigen Chansons in deutscher Sprache. Als Geschichtenerzähler übertrifft er sich mit Songs wie „Golf-Generation“ und „Wer nicht fällt (hat nie gestanden)“ wieder einmal selbst. Weit entfernt von allen Klischees und in einer sehr klaren, direkten Sprache berichtet Frank Ramond mit viel Humor
über all die kleinen und großen Katastrophen, die das Leben so bereithält. Robert Wallner Wissenswert: Frank Ramond wurde in Istanbul geboren, verbrachte seine Kindheit in Mexiko und Spanien und lebt seit vielen Jahren in Hamburg.
Jasmin Tabatabai & David Klein Orchester „Eine Frau“ Edel: Content
[Pop/Chanson] Das Frauenwunder im erwachsenen deutsprachigen Pop nimmt kein Ende. Es vergeht kein Quartal, in dem nicht eine Interpretin mit einem Album um die Ecke kommt, auf dem sie chansoneske deutsche Texte zu mal poppiger, oft jazziger, häufig eben auch chansonesk-arrangierter Musik vorträgt, von Annett Louisan bis Lisa Bassenge, von Ina Müller bis Celine Rudolph. Und jetzt also Jasmin Tabatabai. Okay, dass die deutsch-iranische Schauspielerin auch eine begabte Musikerin ist, wusste man nicht nur durch den Kino-Blockbuster „Bandits“, sondern auch von ihrer Zeit in der Berliner Band Even Cowgirls Get The Blues und von ihren ersten beiden Soloalben. Aber die waren voller englischer Popsongs aus Tabatabais eigener Feder. Hier geht es nun ganz anders zu. Die Texte sind alle deutsch, stammen von fremden Autoren (etwa Kurt Tucholsky), die Musik swingt und groovt im Bigbandund Loungejazz-Style der 60er Jahre, sehr cool und lässig urban. Das ist auch das Verdienst des Schweizer Produzenten David Klein und seines Orchesters – und die Zusammenarbeit mit ihm laut Tabatabai keine Reaktion auf das eingangs beschriebene Phänomen, sondern ein langgehegter Plan, seit man sich vor zehn Jah-
ren am Set des Films „Gripsholm“ kennenlernte. Gut, dass sie den nun verwirklicht haben. Christian Stolberg Erinnert an: Hildegard Knef Passt in: jede Cocktailbar
Gillian Welch „The Harrow & The Harvest“ Acony Records/Warner
[Folk, Country] Von der Herkunft einer Interpretin auf ihre Musik zu schließen, kann ganz schön in die Irre führen: Die 43-jährige Sängerin, Gitarristin und Autorin Gilian Welch etwa stammt aus New York City und wuchs in Los Angeles auf – aber die Alben, die sie mit ihrem Kreativpartner, Co-Produzenten und Gitarristen David Rawlings aufnimmt, sind Paradebeispiele für die zeitlose Schönheit des Ländlichen: delikate, rein akustisch instrumentierte Songs, deren Roots im ganz frühen Country, im Bluegrass und im Appalachen-Folk liegen. Neben Welchs kehligem, aber keineswegs herbem Organ und Rawlings unaufdringlichem Begleitgesang sind oft nur akustische Gitarren, gelegentlich auch ein Banjo zu hören, aber man vermisst nichts – weil die Melodien so stark und die Saitenarrangements so effektiv und klangvoll wie filigran sind. Die Songs stammen alle aus der Schreibwerkstatt dieses kongenialen Künstlerpaars, aber sie hören sich an, als wären sie schon vor hundert Jahren entstanden, in einer Welt ohne Musikmoden, ohne Kommerzkalkül. Lieder voller stiller Sehnsucht und Romantik, meisterlich gesungen und gespielt, klanglich makellos produziert. Christian Stolberg Weiterhören: Daniel Lanois, Bert Jansch, Natalie Merchant
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Kl a ssik
Sol Gabetta „Il Progetto Vivaldi 2“ Sony Classical Die argentinische Cellissima Sol Gabetta macht ihrem Vornamen alle Ehre. Denn egal, was sie spielt – bei ihr geht auf den vier Cellosaiten ständig die Sonne auf. So auch auf ihrem zweiten Album mit Cello-Konzerten von Antonio Vivaldi. Mit wärmender Innigkeit, schmelzendem Ton und glühender Brillanz küsst La Gabetta da drei selten zu hörende Concerti des venezianischen Barockstars wach. Und klanghistorisch schnittigen Drive bietet dazu die Cappella Gabetta auf, die Sol mit ihrem Bruder Andres Gabetta gegründet hat. Weil Sol Gabetta aber von jeher eine Bank für RepertoireEntdeckungen ist, hat sie zudem zwei Cello-Konzerte von VivaldiZeitgenossen nicht einfach eingespielt. Mit ihrem Temperament verwandelt Gabetta sie in wahre Meisterwerke. Reinhard Lemelle Besonderheit: Das Cello-Konzert von Giovanni Battista Platti ist eine Weltersteinspielung.
Diverse „Poetica“ Sony Classical, VÖ. 30.9. Nicht erst seit den großen Erfolgen des Duos Schönherz & Fleer mit seinem „Rilke Projekt“ erfreut sich die Verbindung von Lyrik und klassischer Musik im Land der Dichter und Denker großer Beliebtheit. Eine Verbindung, die vor allem dann reizvoll ist, wenn großartige Kompositionen auf ebensolche Schauspieler treffen – schließlich besitzt Lyrik ihre eigene Musikalität, die so richtig
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zur Entfaltung kommt, wenn sie von wohlklingenden Stimmen mit Feingefühl und klugem Textverständnis vorgetragen wird. Die vorliegende Compilation bringt Musik von Brahms, Holst, Bizet, Debussy, Fauré, Dvorak, Kreisler, Mozart und Bach mit Texten von Goethe, Eichendorff, Erich Fried, Rilke, Kästner und Hebbel und mit prominenten Mimen wie Martina Gedeck, Otto Sander, Hannelore Hoger, Katharina Thalbach, Ulrich Noethen, Suzanne von Borsody und Matthias Brandt zusammen – da wird auch fündig, wem Rilke nicht so zusagt. Felix Marondel Passt zu: herbstlichen Sonntagnachmittagen
Ludovico Einaudi „Islands Essential Einaudi“ Decca/Universal
Selten ist die Devise „Weniger ist mehr“ in der Musik seelenvoller beherzigt worden als in den Kreationen des Turiner Komponisten Ludovico Einaudi. Aus Klassik, Folklore, New Age und Minimal Music schöpft der Pianist, doch die Ingredienzen, die Einaudi aus diesen Bereichen gewinnt, verdichtet er in stimmungsvollen, trügerisch einfach wirkenden Stücken. In deren Zentrum steht sein Klavierspiel, meist um einen dezenten Streicherhintergrund ergänzt. Doch was die hoch emotionale Wirkung dieser Musik ausmacht, sind die herrlichen Melodieeinfälle – es gibt hier keine Angst vor der Schönheit. „Islands“ vereint 14 Kompositionen aus Einaudis Schaffen, darunter inzwischen hochpopuläre wie „Nightbook“, „Divenire“ und „Nefelli“. Ein bisschen mutet der Norditaliener an wie ein musikalischer Seelenverwandter des Bestsellerautors Paulo Coel-
ho: Sein Publikum findet bei ihm klingenden Seelenbalsam. Christian Stolberg Wissenswert: Jüngst schuf Ludovico Einaudi den Soundtrack zum Kinohit „Black Swan“.
Kent Nagano „Beethoven: Symphonies Nos. 6 & 8, Grosse Fuge“ Sony Classical Als Beethoven mit seiner 6. Symphonie dem Ideal von Mutter Natur nachspürte, gab es noch kein Waldsterben, und der sanft dahinfließende Bach, den Beethoven in seiner „Pastorale“ verewigte, war glasklar. 200 Jahre später ist der Raubbau an der Natur in vollem Gange. Stardirigent Kent Nagano zieht dagegen jetzt ungewöhnlich zu Felde: Nach einer kräftig leuchtenden wie empfindsam lyrischen Einspielung der Sechsten mit dem Orchestre Symphonique de Montréal lässt Nagano jenes Umweltschutz-Manifest verlesen, das 1992 beim Weltgipfel in Rio verabschiedet wurde. Weg von Beethoven als quasi geistigem Urvater der Ökobewegung hin zum geistvollen Humoristen geht es dann in seiner 8. Symphonie. Und als Krönung präsentiert Nagano Beethovens „Grosse Fuge“ als intellektuell wie sinnlich umwerfendes Abenteuer. Guido Fischer
Lang Lang „Liszt: My Piano Hero“ Sony Classical
Seine erste Begegnung mit Liszt hatte Lang Lang vor der Glotze, als er als Kind einen „Tom & Jerry“-Zeichentrickfilm sah,
in dem Tatzen-Tom die 2. Ungarische Rhapsodie von Liszt in die Tasten prügelte. Auf seinem ersten Liszt-Album hat der 29-Jährige auch zwei Rhapsodien aufgenommen. Wie er da atemberaubend lässig Gas gibt und übermenschlich den Flügel wüten lässt, ist Klavierspiel in einer neuen Dimension. Aber Lang hat nicht nur sehnige, sondern auch sensible Finger, mit denen er etwa dem magischen „Ave Maria“ farbintensiven Klangzauber entlockt. Nach neun Solostücken steigt Lang Lang dann mit Valery Gergiev und den Wiener Philharmonikern in den Konzertring – und trifft in Liszts 1. Klavierkonzert punktgenau den Ton fürs Glitzernde und Rhapsodische. Guido Fischer O-Ton des Künstlers: „Als LisztInterpret wünscht man sich manchmal, vier Hände zu haben.“
Quatuor Ebène „Mozart: Streichquartette“ Virgin Classics/EMI, VÖ. 16.9.
Für Goethe war das Streichquartett die Königsklasse in der Kammermusik, denn hier konnte er einer „Unterhaltung zwischen vier vernünftigen Menschen“ beiwohnen. Hätte er aber jetzt miterlebt, wie das Quatuor Ebène Mozart spielt, er wäre rundum verblüfft über den Tiefgang, aber auch den Humor in diesen musikalischen Gesprächen zu viert. 1783 bzw. 1785 komponierte Mozart die beiden Quartette KV 421 & 465, die er seinem Vorbild Joseph Haydn widmete. Wie modern aber ihre Gedankenvielfalt und gestal terische Experimentierfreudigkeit sind, macht das Quatuor Ebène bis in die letzte Notenfaser deutlich. Guido Fischer O-Ton der Künstler: „Wir sind ein altes Quartett mit jungen Musikern.“
ja zz & world
Tinariwen „Tassili“ Cooperative Music/Universal [Desert Blues] Die Tuareg-Band Tinariwen zeigt uns seit einigen Jahren, dass der archaische Blues nicht nur am Mississippi zu Hause ist. Ihre schweren, schleppenden Grooves scheinen den großen Sand der Jahrtausende zu transportieren. Auf ihrem neuen Album „Tassili“ gehen sie jedoch ein Stück weiter aus sich heraus als auf früheren Platten. Die Band hat sich stets um die Öffnung der Welt für die Probleme ihres Stammes bemüht. Um diesen Fokus zu verstärken, haben sie sich diesmal ein paar Gäste ins Studio geladen, so den jazzerprobten Wilco-Gitarristen Nels Cline und Mitglieder der Dirty Dozen Brass Band. Es mag anfangs befremdlich klingen, wenn die Wüstensöhne streckenweise erstmals englisch singen, und doch unterstreicht gerade diese Zäsur die äußerst bewusst angestrebte Verbindung von offener Landschaft und urbaner Enge. Wolf Kampmann Weiterhören: Tamikrest, Bombino
Dee Dee Bridgewater „Midnight Sun“ Emarcy/Universal [Vocal Jazz] Die in ihrer Karriere bereits mit unzähligen Awards ausgezeichnete Sängerin erfüllt sich mit „Midnight Sun“ einen langgehegten Wunsch: ein persönlich von ihr zusammengestelltes „Mix Tape“-Album. Die Platte, remastered von Doug Sax im legendären Mastering Lab in Ojai, Kalifornien, enthält elf ausgewähl-
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te Balladen vornehmlich aus den letzten beiden Jahrzehnten. Eröffnet wird diese aufsehenerregende Reise durch die Gefühlslandschaften der Liebe passenderweise mit dem Titel „Midnight Sun“ aus ihrem 1997 veröffentlichten meisterhaften Ella-FitzgeraldTribute-Album „Dear Ella“. Im Folgenden reiht sich ein musikalischer Höhepunkt an den anderen, angefangen mit „Angel Eyes“ aus ihrem Longplayer „Keeping Tradition“ (1993) über „My Ship“ („This Is New“, 2002) und „Lonely Woman“ („Love & Peace: A Tribute To Horace Silver“, 1995) bis hin zum Titel „L’Hymne a l’Amour“, der bisher ausschließlich in Japan erhältlich war. Robert Wallner Wissenswert: Ihre ersten drei Alben, „Dee Dee Bridgewater“ (1976), „Just Family“ (1977) und „Bad For Me“ (1978), standen musikalisch noch ganz im Zeichen der Discowelle.
Charles Lloyd/Maria Farantouri „Athens Concert“ ECM/Universal [Ethno Jazz] Jazzsaxofonist Charles Lloyd hat sich seit den 60er Jahren einen Ton bewahrt, der leidenschaftliche ColtraneNachfolge mit hippyesker Spiritualität verbindet. Seine physischen Kräfte mögen in den letzten Jahren ein wenig gewichen sein, seine hypnotische Verführungskunst hat eher noch zugenommen. Doch wie soll das mit dem fülligen Alt der griechischen Gesangslegende Maria Farantouri zusammengehen? Indem beide Demut und Zurückhaltung üben. Es ist erstaunlich, wie innig die Inspiration des einen das Timbre der anderen umarmt. Egal ob es sich um griechische Songs, zum Beispiel von Mikis Theodorakis,
oder um Originale des Saxofonisten handelt, die Intentionen der beiden großen Künstler werden hier auf einem Altar der integrierten Traditionen dargebracht, bei dem es auf die jeweilige Herkunft gar nicht mehr ankommt. Wolf Kampmann Weiterhören: Jason Moran
Cristina Branco „Fado Tango“ Emarcy/Universal [Worldmusic] Topmodel-Schönheit und künstlerische Glaubwürdigkeit gehen selten zusammen. Eine Ausnahme stellt die 39-jährige Cristina Branco dar, die seit mehr als einem Jahrzehnt als die „Zukunft des Fado“ gepriesen wird und mit jedem ihrer Alben diese Vorschusslorbeeren ein bisschen mehr rechtfertigt. Für ihr neues Album ging die Portugiesin an ihre künstlerischen Wurzeln zurück, verließ dafür aber auch bewährte Pfade: Auf „Fado Tango“ spürt die Interpretin der Verbindung zwischen dem Fado, dieser melancholischen Liedkultur aus den Hafenkneipen Lissabons, und dem Tango, der tragisch-erotischen Musik aus den Tanzhallen und Bordellen von Buenos Aires, nach. Dafür stellte sie sich Lieder unterschiedlichster Autoren zusammen, während sie sonst häufig Kompositionen ihres Mannes Custodo Castelo aufnimmt. Kleine Abstecher gibt es nach Belgien, mit Jacques Brels „Les Désespérés“, und Kuba, mit der Son-Perle „Los Gardenias“, die man in unseren Breitengraden vor allem vom Buena Vista Social Club her kennt. In jedem dieser Stücke mit ihren würdevoll leidenschaftlichen Melodien beweist Cristina Branco Tiefe. Raoul Gulbenkian Passt zu: Rotwein-Abenden
Nils Petter Molvaer „Baboon Moon“ Columbia/Sony [Prog Jazz] Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer ist stetig auf der Suche nach sich selbst, aber selten vermittelte er derart überzeugend das Gefühl der Ankunft wie auf „Baboon Moon“. Dazu bedurfte es eines völligen Neubeginns. Molvaer löste seine alte Band auf und stellte mit Stian Westerhus, dem derzeit wohl abenteuerlustigsten Gitarristen der Welt, und dem ehemaligen Madrugada-Drummer Erland Dahlen ein neues Trio auf, das wesentlich stärker in Richtung Progrock tendiert. Der symbiotische Sound der Troika wird nicht mehr von Molvaers verfremdeten Trompetensounds dominiert, sondern besticht durch integrierte Schwärze aller drei Beteiligten. Der Trompeter selbst pendelt nicht mehr zwischen verschiedenen Polen seiner extremen Persönlichkeit, sondern hat mit seinen neuen Gespielen auch die eigene Mitte gefunden. Man muss mit Jazz überhaupt nichts am Hut haben, um mit diesem Stück instrumentalem Freigeist in Verzückung zu geraten. Wolf Kampmann Downloadtipp: „Recoil“
Céline Rudolph „Salvador“ Verve/Universal
[Vocal Jazz] Einen feinen, exotisch-sinnlichen Akzent setzt die Berliner Chanteuse Celine Ru dolph mit ihrem ersten Album für Universal: Sie hat elf Chansons des französischen Sängers und
Komponisten Henri Salvador neu betextet und mit dem Bassisten Rodolfo Stroeter in Bossa- und Jazz-Arrangements verpackt, die so edel wie einfallsreich geraten sind. Mit einer Truppe von Bossa-Spezialisten in Sao Paulo und Könnern aus der Crème de la Crème des deutschen Jazz wie dem Trompeter Sebastian Studnitzky und dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner in Berlin eingespielt, verströmen diese Stücke ein entspanntes, mitunter auch sanft melancholisches Lebensgefühl. Céline Rudolphs geschmeidig fließende, oft augenzwinkernde Texte, die sich oft, aber nicht nur um Amouröses drehen, verbinden sich kongenial mit dieser Musik. Eine subtil vergnügliche Sommerplatte für anspruchsvolle Freunde deutschsprachigen Liedguts. Raoul Gulbenkian Klingt ähnlich: Lisa Bassenge
Max von Mosch Orchestra „Black Périgord“ Embab/RTD [Modern Jazz] Vor allem in Süddeutschland hat in den letzten Jahren der melodiöse Gruppensound der Band max.bab Furore gemacht. Das aus vier ehemaligen Schulfreunden bestehende Quartett begeisterte auch viele Hörer für sich, die mit Jazz bisher eher weniger am Hut hatten. Stark geprägt wurde der Stil der Gruppe vom Spiel des Saxofonisten Max von Mosch. Der tummelt sich inzwischen munter in der New Yorker Jazzszene, hat dort mit anderen jungen Musikern ein Tentett gebildet – und mit diesem jetzt ein wirklich beein-
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druckendes Album eingespielt: So sorgfältig dieser moderne Fast-schon-Bigband-Jazz konstruiert ist, so gelöst und lebendig klingen die Akteure. Ein spezielles Highlight ist der Dialog der beiden solierenden Posaunen in „Shades Of Red“, den der junge Michael Dease mit dem angeblich ersten auf Tonträger festgehaltenen Altposaunensolo der Jazzgeschichte (!) eröffnet und der prominente Gaststar Robin Eubanks souverän beschließt. Weltklasse! Raoul Gulbenkian
Tingvall Trio „Vägen“ Skip Records/Soulfood
(Modern Jazz) Derzeit gibt es eine Flut von Pianotrio-Veröf-
fentlichungen im Jazz, da ist nicht alles Gold, was glänzen will. Aber es gibt doch immer wieder Herausragendes – so auch das vierte Album der Gruppe des Hamburger Pianisten Martin Tingvall. In dichtem, gleichberechtigtem Ensemblespiel mit dem Bassisten Omar Rodriguez Calvo und dem agilen Schlagzeuger Jürgen Spiegel begeistert Tingvall mit einer bruchlosen Folge wunderschöner Melodiemotive, die er mal in lyrische, dann wieder in rockig zupackende Klänge packt. Die drei verlieren nie die Bodenhaftung im bluesbasierten Jazz, obwohl sie das reiche europäische Erbe aus Romantik und Impressionismus immer wieder nutzen und auch moderne Clubgrooves anklingen lassen. Raoul Gulbenkian Klingt ähnlich: Esbjörn Svensson Trio, Brad Mehldau Trio, Tord Gustavsen Trio
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schatzkiste Queen „The Works“ / „A Kind Of Magic“ / „The Miracle“ / „Innuendo“ / „Made in Heaven“ Island / Universal 2011 ist Queen-Jahr! Vor genau vier Jahrzehnten formierte sich in England eine der erfolgreichsten Rock-Bands aller Zeiten. Und der 1991 an Aids verstorbene Frontman Freddie Mercury hätte am 5. September seinen 65. Geburtstag feiern dürfen. Anlässlich dieser beiden Stichtage erscheinen noch mal die fünf letzten Alben von Queen – remastered sowie mit jeweils einer Bonus-EP mit durchweg bekannten Live-Aufnahmen, Maxi-Versionen und Single-B-Seiten. Nach einer zweijährigen Pause und bereits zahllosen, bis heute unverwüstlichen Dauerbrennern wie „We Are The Champions“ und „We Will Rock You“ waren Queen 1984 ins Studio zurückgekehrt. Und gleich mit dem Eröffnungssong von „The Works“, „Radio GaGa“, lief die Hitmaschine sofort wieder auf Hochtouren. Natürlich finden sich auch auf den nachfolgenden Alben Songs für die Ewigkeit und jede Party. Auf „A Kind of Magic” (1986) ist es „One Vision“ und auf „The Miracle“ (1989) „I Want It All”. Und auf „Innuendo” (1991) steht allein solch eine Hymne wie „The Show Must Go On” für das geniale, vierköpfige Komponistenkollektiv. Sind all diese Songs längst auf „Greatest Hits“-Samplern verewigt, spiegelt aber gerade jedes einzelne komplette Album die große Kunst der musikalischen Verwandlung wider, die so nur Queen beherrschten. Von lupenreinem Rock’n’Roll bis zu Disco-Beats, von Hardrock über Gospel bis zu herrlich pathetischen Pop-Arien zog man da nahezu immer treffsicher alle Register. Erst bei dem vier Jahre nach Mercurys Tod veröffentlichten Album „Made In Heaven“ packt einen trotz solcher Ohrwürmer wie „I Was Born To Love You“ endgültig die Wehmut. Schließlich dokumentiert es die allerletzten Schritte des charismatischen Sängers und Paradiesvogels Mercury – bis hin zum Song „Mother Love“, dessen letzte Strophe nun Gitarrist Brian May singen musste. Guido Fischer Weitersehen: die Doppel-DVD „Queen: Live At Wembley Stadium“ Downloadtipp: „I Was Born To Love You“ in der Klavierfassung
Gabriel Fauré gibt das Signal zum Schwelgen
Verschiedene Interpreten „Fauré: Sämtliche Kammermusik für Streicher und Klavier” Virgin Classics / EMI Gabriel Fauré (1845–1924) war zu Lebzeiten eine Instanz im französischen Musikleben. Und mit seiner würdevollen Orchester-„Pavane“ hat er immerhin einen Langzeithit komponiert. Doch gerade seine faszinierende Kammermusik ist schändlicherweise nur selten zu hören. Das wird sich ab sofort ändern. Denn für die Gesamteinspielung von Faurés Werken für Streicher und Klavier (u. a. Streichquartett, Klavierquartette) hat sich ein wahres Dreamteam zusammengetan. Die French Connection um die Brüder Renaud & Gautier Capuçon sowie das Quatuor Ebène hält mit dem US-amerikanischen Pianisten Nicholas Angelich ein FauréPlädoyer, dass es die reine Wonne ist. Angesichts der wundervoll melosreichen Schwelgens, Singens und Seufzens bedauert man nur, dass man nach fünf CDs wieder aus dieser Klangwunderwelt entlassen wird. Reinhard Lemelle Weiterhören: Debussy, Ravel, Satie Downloadtipp: „Berceuse” op. 16
Geniales Kollektiv nebst proletarisch gewandetem Paradiesvogel: Taylor, May, Mercury und Deacon (v. l.)
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The Les Humphries Singers „Original Albums Series“
Chef Les (o. Mitte) war nicht immer so freundlich wie hier
Miles Davis „Live In Europe – The Bootleg Series Vol. 1“ Columbia Legacy/Sony Music, VÖ. 14.10. Nachdem zuletzt das Werk von Miles Davis in allen möglichen (und unmöglichen) Formen verkompiliert, verboxt und gar verramscht wurde, steht passend zum 20. Todestag am 28. September eine Veröffentlichung für Kenner und Sammler an, die höchsten Maßstäben genügt. Als Folge eins der „Bootleg Series“ des Jahrhundertkünstlers hat sich sein Label Columbia entschieden, in einer handlichen Verpackung drei CDs und eine DVD unter dem Motto „Live In Europe 1967“ zu veröffentlichen. In dem Jahr flog das Miles Davis Quintet mit Wayne Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams auf den Alben jener Zeit von einem Höhenflug zum nächsten. Und auch live hatte die Band den höchsten Abstraktions-
Warner Die Les Humphries Singers stehen für ein von der Nachwelt eigentlich nicht hinreichend gewürdigtes Kapitel in der deutschen Popgeschichte: Zwischen 1971 und 1976 machte die von dem britischen Keyboarder Les Humphries in Hamburg gegründete Truppe mit einem Sound, der sich gleichermaßen bei schwarzen Gospelchören wie den Edwin Hawkins Singers und bei psychedelischem Pop bediente, europaweit Furore. Mehr als 60 Millionen Exemplare wurden von ihren ersten fünf Alben verkauft, die nun in einer kompakten Fünf-CD-Box, jeweils in Repliken der Originalcover, versammelt wieder erhältlich sind. Neben den schmissigen, meist von Les Humphries und dem Sänger James Bilsbury verfassten Hits wie „Mama Loo“, „Mexico“ oder „Kansas City“ und ihren clever in kommerziellen Pop umgearbeiteten Gospel-Originalen („Old Man Moses“, „We Are Goin’ Down Jordan“) machte sich das teils aus Ex-Darstellern des Hippie-Musicals „Hair“ rekrutierte
grad erreicht, während sie gleichzeitig – vorangepeitscht vom genialischen Williams – auch im obersten Energielevel spielte. Das kann man auf den hier in durchweg annehmbarer
Ensemble auch über Evergreens her: Ob Jimi Hendrix‘ Paradenummer „Hey Joe“, CSNYs „Love The One You’re With“, oder Leonard Cohens „Suzanne“ – sie alle bekamen den ekstatischen Les-Humphries-Sound verpasst. Als fruchtbarer Kniff erwies sich dabei Humphries‘ Methode, die Sänger der Leadstimmen von Stück zu Stück wechseln zu lassen. 1991 kam es zu einer kurzzeitigen Reunion der Gruppe. Gründer Les Humphries starb 2007 in seiner englischen Heimat. Felix Marondel Info: In der „Original Album Series“ erschienen kürzlich außerdem FünfCD-Boxen von a-ha, Anita Baker, Al Jarreau, Antonio Carlos Jobim, Hildegard Knef, Herbie Mann, John Coltrane, Ornette Coleman und den Violent Femmes.
Klangqualität versammelten Mitschnitten mit Gewinn verfolgen. Die drei CDs bieten Auszüge aus drei Konzerten (28. Oktober Antwerpen, 2. November Kopenhagen und 6. November Paris). Highlight von „Live In Europe 1967“ ist jedoch die DVD mit zwei TV-Auftritten: Am 31. Oktober schnitt das schwedische Fernsehen einen Gig in Stockholm mit, und am 7. November präsentierte der unvergessene Joachim-Ernst Berendt das Quintett in der Karlsruher Stadthalle. Während Miles und seine Männer äußerlich unbewegt bleiben, treiben sie die Jazz voran in ein Reich der Freiheit, das die beschauliche Stadthalle in ihren Grundfesten erschüttert haben dürfte. Heiko Große Weiterhören: Zum Vergleich bieten sich die Studioalben aus der Zeit an, „Miles Smiles“, „Sorcerer“ und „Nefertiti“
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schatzkiste Sting „Sting: 25 Years – The Definitive Box Set Collection“ Cherrytree / A&M Records / Universal, V.Ö.: 23.9. Abenteuer eines „Ex-Polizisten“: Seit Gordon Sumner alias Sting 1984 den Trümmern seiner zerstrittenen Band Police entstieg, um seine Solokarriere zu starten, hat sich der so charismatische wie ehrgeizige, neugierige wie stets lernfähige Sohn eines Milchmannes aus Newcastle auf eine stilistisch interessante Reise begeben. Vom spektakulären Jazzrock seiner „Blue Turtles“-Band mit jungen Spitzenjazzern wie Branford Marsalis und Omar Hakim in den Eighties über den Edelpop mit EthnoBeimischungen auf „Brand New Day“ (1999) bis hin zu seinen jüngsten Ausflügen in die Renaissance-Musik und die Arbeit mit Klassikorchester hat Sting immer die kreative Herausforderung gesucht – und geschickt mit breitenwirksamer Zugänglichkeit unter einen Hut gebracht. Das Resultat ist nicht nur enorme Popularität, sondern auch eine stattliche Anzahl von Songs, die heute bereits als Popklassiker gelten (u. a. „Englishman In New York“, „Fragile“ und „Fields Of Gold“). Zum 25-jährigen Karrierejubiläum gibt es nun eine standgemäße Box, die auf drei CDs mit 45 remasterten Tracks Stings Solokarriere nachzeichnet. Neben den obligatorischen Highlights (alle Top-40-Hits und die Grammy-Gewinner „Brand New Day“, „The Soul Cages“, „If I Ever Lose My Faith In You“ und „Whenever I Say Your Name“ feat. Mary J. Blige) stehen auch Raritäten und neun exklusiv für diese Sammlung remixte Songs. Nicht bloß eine Dreingabe: die DVD „Rough, Raw & Unreleased: Live At Irving Plaza“, mit einem bisher unveröffentlichten Livekonzert von Stings „Broken Music“ US-Tour 2005. Die CDs und DVD befinden sich in einem Hardcover Buch mit Hintergrundbildern, seltenen Fotos, sowie den kompletten Songtexten, einem Kommentar und einem Einleitungstext von Sting. Felix Marondel
An Englishman in Schwarz: Gordon Sumner kann ent spannt Zwischen bilanz ziehen
Kaum zu glauben, aber wahr: Sting wird am 2. Oktober 60 Jahre alt
Rhino/Warner Soll nur keiner glauben, dass Punkfans nicht die Vorzüge gediegener Produktqualität zu schätzen wüssten. Zumindest die Musikmanager beim auf Re-Issues spezialisierten Label Rhino vertrauen darauf – haben sie doch kürzlich die ersten vier Alben der Ramones auf hochwertigem 180-Gramm-Vinyl veröffentlicht. Die Longplayer „Ramones” (1976), „Leave Home” (1977), „Rocket To Russia” (ebenfalls 1977) und „Road To Ruin” (1978) enthalten solche Drei-Akkord-Klassiker wie
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„Blitzkrieg Bop,“ „Sheena Is Punk Rocker,“ „Beat On The Brat,“ „Now I Wanna Sniff Some Glue“, „Pinhead“, „Rockaway Beach“ und „I Wanna Be Sedated“. Sie stehen in exakten Reproduktionen der originalen LP-Hüllen in den Läden. Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy Ramone sowie Mar-
ky Ramone, der 1978 zur Band stiess, leisteten mit diesen vier inzwischen als Klassiker eingestuften Platten wesentliche Pionierarbeit für den Punk; der Einfluss, den ihr lauter, bewusst minimalistischer Rock bis heute hat, ist kaum zu überschätzen. Felix Marondel
Info: Die Urmitglieder der Band stammten alle aus dem New Yorker Stadtteil Queens – indem sie ihre jeweiligen Familiennamen durch „Ramone“ ersetzten, erweckten sie den Eindruck eines (in Wahrheit nicht bestehenden) Verwandtschaftsverhältnisses.
Foto: Laszlo
Ramones „Ramones“ / „Leave Home“ / „Rocket To Russia“ / „Road To Ruin“
Verschiedene Interpreten „Reclam Musik Edition“
Die tiefgründige Songpoesie von Leonard Cohen wird jetzt in gelb kanonisiert
Verschiedene Interpreten Tango – An Anthology (15 CDs) Sony „Tango – An Anthology“ greift tief ins Archiv und spannt auf 15 CDs den Bogen über ein knappes Jahrhundert Musikgeschichte, mit deutlichem konzeptuellem Schwerpunkt auf traditionellen Aufnahmen. Die modernen Entwicklungen, die sich aus der Perspektive von Clubbing und Remixing mit der Musik beschäftigen, werden ausgespart, ebenso die Experimente der Verknüpfung mit improvisierender Musik oder zeitgenössischer Klassik. Die Avantgarde besteht in Astor Piazzolla aus der frühen 60erjahren, der auf einer weiteren CD-Folge auch unter der Kategorie „Legends“ wieder zu finden ist. Aber das entspricht der inhaltlichen Ausrichtung, die sich die künstlerischen Leiter des Projektes vorgenommen hatten. Tango wird hier als Tanzmusik verstanden, als ein Teil des musikalischen Alltags, nicht als Spielwiese für Experimentatoren. Er ist die Musik aus dem Volk und auch da nicht der mythisch verklärte Sound aus den Vorortkneipen von Buenos Aires, sondern ein Tanz, den zahlreiche brillante Orchester und kleine Gruppen gespielt haben, der große Sänger wie Roberto Goyeneche oder auch Carlos Gardel hervorgebracht hat und inzwischen in seiner traditionellen Form von Sängerinnen wie Lidia Borda und Gabriela Torres fortgesetzt wird. So ermöglicht die sorgfältig (mit Ausnahme der fehlenden Besetzungen) edierte und umfassend kommentierte Sammlung einen gelungenen Einstieg in die Welt des Tangos für alle die, die vor allem den klassisch unterhaltsamen und in der Folklore verwurzelten Klang suchen. Ralf Dombrowski Info: Tango gehört seit 2009 zu den UNESCO-„Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“
RCA / Sony Music Go Yellow: Der einigermaßen gebildete Bürger kennt sie schon lange: die gelb leuchtenden Bändchen der „Reclam Universal Bibliothek“, in denen überall im Buchhandel Klassikertexte und Nachschlagewerke zum günstigen Preis zu haben sind. In den sogenannten „Reclam-Heften“ des einst in Leipzig gegründeten gleichnamigem Verlags erscheinen seit Mitte des 19. Jahrhunderts Klassikerausgaben, die durch ihren geringen Preis und ihre einheitliche Gestaltung auffallen. Die Universalbibliothek oder auch „gelbe Reihe“ ist die älteste deutschsprachige Taschenbuchreihe. Ihre Nachkriegsauflage liegt bei über 35 Millionen Exemplaren. Ganzen Generationen von Schülern hat Reclam während ihrer Schulzeit die Klassiker der Weltliteratur nahe gebracht. Seit dem Frühjahr bietet der Verlag erstmals auch Enzyklopädisches zum Hören an - in einer Kooperation mit Sony Music. Ende März kamen sechs in typischer Reclam-Optik gelb leuchtende CDs in den Handel, die als „Reclam Musik Edition“ unter dem Titel „All Time Best“ die erfolgreichsten Stücke legendärer Acts versammelten: Johnny Cash, Miles Davis, Bob Dylan, Elvis Presley, Santana und Simon & Garfunkel. Entsprechend dem Bildungsund Informationsanspruch des Verlags enthalten die CDs jeweils ein 16-seitiges Booklet mit Biografien, Diskografien, Zeitstrahl und ausgewählten Fotos der Künstler. Die Kooperation zwischen Plattenfirma und Buchverlag war offenbar erfolgreich, denn Ende August folgte nun eine zweite Veröffentlichungsstaffel mit sechs CDs, ebenfalls in der auffälligen gelben Optik. Sie führen kompakt in das jeweilige Werk von Leonard Cohen, Falco (dem ersten deutschsprachigen Künstler in der Edition), Rory Gallagher, Whitney Houston, Willie Nelson und Lou Reed ein. (FMA)
Thelonious Monk „Original Album Classics“ Columbia / Legacy / Sony Music Gelegenheit für Jäger und Sammler, die Lücken in ihrem CD-Bestand schließen wollen: Seit Herbst 2008 offeriert Sony Music die CD-Box „Original Album Classics“ als interessante Alternative zu Downloads. Die Boxsets bieten jeweils fünf oder in der kleineren Variante drei CDs eines Künstlers zu einem besonders attraktiven Preis. Die Ausstattung der Boxen ist zweckmäßig in so genannten „Cardboard-Sleeves“ mit den Originalcovern gehalten. Die Rückseite der Boxen zeigt die Cover-Abbildungen der enthaltenen Alben mit der jeweiligen Titelliste und Angaben zu Bonustiteln. Neben Klassikern aus dem Repertoire des Labels ist die Serie auch als Schatzkiste für lange nicht mehr aufgelegte Alben und Raritäten konzipiert . Mehr als 150 Sets aus den Bereichen Rock, Pop, Klassik und Jazz wurden seit dem Start bereits veröffentlicht. Felix Marondel Info: Am 7. Oktober erscheinen in der Reihe u. a. Sets von George Benson, Jeff Buckley, Deep Purple, und Thelonious Monk
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Schatzkiste jimi hendrix
Ekstase im Tempel 41 Jahre nach dem Tod des vielleicht größten Rockgitarristen aller Zeiten erscheinen im September diverse Hendrix-Veröffentlichungen auf CD und DVD, darunter seine hoch geschätzten Konzerte in San Franciscos „Winterland“.
Trotz Querelen in Hochform: Jimi Hendrix in San Francisco
In seinem Buch „The Hendrix Experience“ hat Schlagzeuger Mitch Mitchell das Jahr 1968 nicht ohne Grund mit der Zeile „Have contract, must travel“ überschrieben: Der 1967 begonnene Tourneewahnsinn näherte sich seinem Höhepunkt, denn alle Welt wollte die Jimi Hendrix Experience hören und sehen. Europa war vergleichsweise schnell zufrieden zu stellen, ein Kontinent der kurzen Wege, doch als im Februar die zweite US-Tournee begann, mussten binnen 66 Tagen 60 Städte angeflogen werden. Selbst in Orten wie Muncie, Indiana, und Lewiston, Maine, machte die Experience Station. Nach kurzem Zwischenspiel in Europa ging es dann im Sommer erneut in die Staaten. Natürlich klingelten die Kassen, natürlich ist es der Job eines Musikers, Konzerte zu geben – doch Hendrix hegte viel weitergehende Ambitionen, die unter all dem Termindruck nicht so ohne weiteres zu realisieren waren. Wann immer es ging, arbeitete er an seinem kommenden Studioalbum „Electric Ladyland“, mit dem er die für ihn ausgetretenen Pfade endgültig verlassen wollte. Doch die Konzertrealität war streckenweise ernüchternd: Es nervte ihn beträchtlich, dass nicht unerhebliche Teile des Pu-
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blikums offenbar nur gekommen waren, um „Hey Joe“ zu hören – oder, besser noch, Zeuge zu werden, wie Hendrix seine Stratocaster zerlegt. Zudem war die Dauertournee des Jahres 1968 ein Grund dafür, dass es im Bandgefüge kräftig krachte. Man ging sich zunehmend auf die Nerven, vor allem das Verhältnis zwischen Hendrix und Bassist Noel Redding litt dramatisch. Letzterer hatte aufgrund des real existierenden Rockstar-Zirkus’ offenbar Blut geleckt, sah sich als Sideman sträflich unterprivilegiert, wollte am liebsten mit eigener Band selbst im Mittelpunkt stehen. Auch künstlerisch machte sich mitunter Verschleiß bemerkbar: An manchen Abenden spielte die Jimi Hendrix Experience brillant, an anderen mittelprächtig, an wieder anderen sogar ziemlich uninspiriert. Zu den sehr guten bis brillanten gehören die Shows, die Hendrix an der Westküste in einem heute legendumwobenen Rocktempel spielte: Insgesamt acht mal gastierte das Trio 1968 in Bill Grahams „Winterland“ in San Francisco, fünf Shows hatte man im Februar absolviert, drei weitere folgten im Oktober – und wurden erfreulicherweise mitgeschnitten. Für viele Beobachter gelten diese Konzerte als die letzte große Aufwallung der Expe rience auf der Livebühne. Am 16. Oktober 1968 erschien endlich das Doppelalbum „Electric Ladyland“ und ging erwartungsgemäß auf Platz eins der US-Charts. Die Experience hielt noch ein paar Monate durch, doch am 29. Juni 1969, erneut auf US-Tournee, folgte in Denver die Trennung. Noel Redding ging fortan seine eige nen Wege, Hendrix schlug das nächste Kapitel auf. Uwe Schleifenbaum Gleichzeitig erscheinen: Jimi Hendrix „Winterland“ (4-CDDeluxe-Box), Jimi Hendrix „Winterland – Highlights“ (CD), „Hendrix In The West” (CD), Jimi Hendrix “Blue Wild Angel: Jimi Hendrix Live At The Isle Of Wight“ (DVD), Jimi Hendrix „Dick Cavett Show“ (DVD)
MEDIA-MIX
„Tut uns leid, alle vergriffen!“ Wenn Sie diesen Satz nie mehr hören wollen, können Sie ihn hier unten löschen – jetzt und für immer.
Was Ilja Richter in der „ZDF disco“ so trieb, folgte oft mehr der spontanen Intuition als einem Plan
BestellcOupon JA, ich bestelle ein SONO-Abonnement zum Preis von € 12* pro Jahr (6 Ausgaben mit SONOplus, dem Sonderteil für Abonnenten). Ich kann das Abo jederzeit ohne zusätzliche Kosten kündigen.
DVD: Diverse „40 Jahre ZDF disco 2 – Die Zugabe“
Vorname/Name:
Sony Music Catalog & Concept Die erste DVD-Box mit Originalmaterial aus Ilja Richters „disco“ war ein Sensationserfolg mit knapp 30.000 verkauften Einheiten. Doch Folge zwei ist nun kein schnell nachgeschobener Abklatsch, um von der grassierenden Retrowelle des „disco“Fiebers noch einmal zu profitieren. Die 60 neuen Clips – ohne Überschneidungen mit Folge eins – sind wieder kompetent und unterhaltsam zusammengestellt: Da wechseln sich Stücke von Roxy Music, Clout, Silver Convention, Marianne Rosenberg, T. Rex, Udo Jürgens und Udo Lindenberg fröhlich ab. Sicher könnte man lange streiten, ob nicht doch komplette Folgen die bessere Wahl gewesen wären – allein schon um den kulturellen Wert der von 1971 bis 1982 gelaufenen Musiksendung zu demonstrieren. Denn die wegen der Sketche von Ilja Richter heute oft belächelte Show hatte den unschätzbaren Vorteil, dass dort in einer Sendung Heino, Deep Purple und Bob Dylan (zumindest in Form der unvergessenen „London Pop News“-Einspielungen) zu sehen waren – eine Leistung, die in der heute zu Tode formatisierten Musikmedienwelt schlichtweg nicht mehr denkbar wäre. Punktabzug gibt lediglich für die Disc 4: eine Bonus-CD mit modernen Coverversionen alter Disco-Klassiker. Das hätte es nicht gebraucht – wo doch noch immer so viele ungehobene Schätze in den „disco“-Archiven liegen. Heiko Große
StraSSe /Hausnr.
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Ko n t o i n h a b e r ( f a lls a bw e i c h e n d)
D at u m / U n t e r s c h r i f t
Weitersehen: die Gesamtausgabe des „Beatclubs“, die bislang einzige Komplettedition einer legendären Musikshow. Und wo bleiben „ZDF Hitparade“, „Musikladen“ und „Rock Pop In Concert“?
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MEDIA-MIX
DVD: „Sounds And Silence – unterwegs mit Manfred Eicher“ von Peter Guyer und Norbert Wiedmer ECM/Arthaus Es gibt weltweit kaum ein Schallplattenlabel, das sich so durchgängig einem bestimmten Klangideal verschrieben hat wie das deutsche Jazz- und Neue-Musik-Label ECM. Musiklieb-
Buch: Peter Bölke „Jazz Icons“ EDel: Earbooks Heldenverehrung mag ein zweischneidiges Schwert sein, und über die Frage welchen Einfluss Einzelpersonen auf den Lauf der Geschichte haben, werden sich die Historiker noch lange streiten. In der mehr als hundertjährigen Geschichte des Jazz allerdings haben einige herausragende Musiker mit ihrem technischen Können, ihren Ideen und ihrer Leidenschaft in der Tat Bahnbrechendes bewirkt. Von daher ist das kürzlich erschienene Earbook
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haber rund um den Globus kennen die typische ECM-Klangästhetik durch berühmte Alben von Künstlern wie Keith Jarrett, Jan Garbarek und Arvo Pärt. Das Label transportiert diese Klangvision durch eine entsprechende Ästhetik bei der Covergestaltung in die sichtbare Welt. Bücher, Ausstellungen und Designpreise dokumentieren sie. Aber der Ursprung dieses Ideals sitzt im Kopf Manfred Eichers, des Produzenten und Labelgründers. Wollte man es zur Gänze ergründen, müsste man in diesen Kopf gewissermaßen „einsteigen“. Genau das hätten die Schweizer Filmemacher Peter Guyer und Norbert Wiedmer wohl am liebsten getan, die mit „Sounds And Silence“ versuchen, dessen „Welt der Töne, Klänge und Geräusche“ mit den Mitteln des Films erfahrbar zu machen. Eicher ist auf der Jagd nach tiefen Klangerlebnissen ständig unterwegs, von Konzerthalle zu Flughafen, von Hotel zu Tonstudio. Guyer und Widmer beobachten ihn bei Orchesteraufnahmen mit Arvo Pärt in einer estnischen Kirche, mit Eleni Kairandrou in einem Amphitheater, mit dem Schweizer Nik Bärtsch im Tonstudio, mit Gi-
„Jazz Icons“ für Neugierige nicht das schlechteste Einstiegspaket: Es stellt in Wort und Bild sowie auf acht CDs acht Jazz-Größen vor, die diesen Musikstil entscheidend geprägt haben: Louis Armstrong, John Coltrane, Miles Davis, Dizzy Gillespie, Coleman Hawkins, Sonny Rollins, Billie Holiday und Dave Brubeck. In den acht nicht allzu langen Portraits führt der Ex-SPIEGELRedakteur und Jazz-Experte Peter Bölke unterhaltsam und allgemein verständlich durch die Biografien der einzelnen Musiker und beleuchtet gegenseitige Einflüsse und Quer-
Klangjäger Eicher (o. l.) bei der Arbeit mit Marylin Mazur, Nik Bärtschs Gruppe Ronin und Komponist Arvo Pärt
anluigi Trovesi, Anouar Brahem und anderen bei Proben. Dazwischen setzen die Schweizer zur Musik Bilder von den Wegesrändern der Eicherschen Reisen: Landschaften aus dem Zugfenster, Städte, Straßen. Interviewsequenzen mit Eicher, Anouar Brahem, Arvo Pärt, Gianluigi Trovesi und anderen gibt es auch, doch in erster Linie leisten hier die Bilder die Erklärung. Raoul Gulbenkian Wird ergänzt durch: das Soundtrack-Album „Music For The Film Sounds And Silence“ (ECM)
verbindungen der Jazz-Szene. Eindrucksvolle, sehr gut reproduzierte Fotografien ergänzen die Kapitel und runden das übrigens in Druck, Bindung und Papier sehr hochwertig
gestaltete „Jazz Icons“– zusammen mit seinen acht Musik CDs – zu einem Erlebnispaket ab, das manchem Neueinsteiger Lust auf tiefere Beschäftigung mit dem Genre machen dürfte. Die acht beiliegenden CDs stellen einen kundig zusammengestellten, (soweit das beim umfangreichen Schaffen dieser Jazzikonen geht) repräsentativen Querschnitt des musikalischen Schaffens der einzelnen Künstler vor. Felix Marondel Fazit: Audiovisuelles Startpaket für Jazz-Einsteiger. Fakten: 156 Seiten, 145 Bilder, 8 CDs, € 49.95
Buch: Karl Lippegaus „John Coltrane – Biografie“ Edel: Vita John Coltrane gehört zu den wichtigsten Musikern in der Geschichte des Jazz – und damit auch gleichzeitig zu jenen, über die es am meisten Bücher gibt. Dass man die Coltrane-Literatur aber immer noch sinnvoll bereichern kann, zeigt Karl Lippegaus’ so anschauens- wie lesenswerter Coffetable-Wälzer „John Coltrane Biografie“ im Verlag Edel:Vita. Er war, wenn man so will, eine Art Monomane, ein Besessener: John Coltranes Leben war Musikspielen. Niemand erkundete sein Instrument so tief und so besessen wie der Saxofonist aus North Carolina in den nur zwölf Jahren seiner beispiellosen Karriere. Als er 1967 mit 40 Jahren starb, hinterließ er ein musikalisches Universum, dessen Faszination bis heute ungebrochen ist. Coltranes Einfluss beschränkte sich nicht auf den Jazz, sondern erfasste auch große Teile der progressiven Rockmusik: Bands wie Cream und Grateful Dead fühlten sich durch ihn zu langen kollektiven Improvisationen animiert. Der renommierte Jazzjournalist Karl Lippegaus (u. a. WDR, Süddeutsche Zeitung) zeichnet in seinem Buch „John Coltrane Biografie“ das Porträt des größten Saxofonisten im Jazz anhand seiner musikalischen Entwicklung nach: vom schüchternen Sideman im Quintett von Miles Davis bis zum Künder einer spirituellen „höchsten Liebe“ – der „Love Supreme“, nach der er sein bedeutendstes, heute millionenfach verkauftes Album benannte. Der Autor erkundet sehr anschaulich den Kosmos Coltrane, obwohl er mit Schilderungen des Privatlebens seines Protagonisten eher zurückhaltend ist. Vor allem aber verführt Lippegaus zum Hören von Tranes Musik und erzählt nebenher zahllose Geschichten vom Jazz. Dem Haupttext vorangestellt ist ein anrührendes Vorwort von Steve Lake. Was den Band aber so besonders macht, ist auch seine überragende Ausstattung. Groß im Format (25,4 x 19 cm), auf hochwertigem, dickem Papier gedruckt, geschmack- und liebevoll gestaltet, mit zahlreichen kundig ausgesuchten und exzellent reproduzierten Fotos, macht sich „John Coltrane Biografie“ auch als Coffeetable-Wälzer nicht schlecht – nur dass es im Gegensatz zu den meisten Bänden dieser Kategorie eben auch über einen fundierten und umfangreichen Textteil verfügt. Der Leser bekommt hier Augenschmaus, Denkstoff und Höranregung gleichermaßen – zu einem erstaunlich zivilen Preis. Christian Stolberg
„Eine Stimme, wie ein Lichtstrahl, der ins Dunkel bricht, funkelnd, schillernd (...) und überwältigend schön“ Audio Der junge Römer Vittorio Grigolo ist der neue Startenor. Das Publikum an der MET, der Mailänder Scala, der Covent Garden Opera und der Deutschen Oper Berlin lag ihm zu Füßen und die Kritik war von seinem ersten Album begeistert. Jetzt präsentiert Grigolo seine zweite CD mit berühmten italienischen Arien und „Evergreens“ wie Arrivederci Roma, Voglio vivere così u.a.
Limitierte Deluxe Edition
Fakten: 304 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 29,95 €
88697911352
Unterwegs in höhere Sphären: John Coltrane am Sopransaxofon
Erhältlich ab 16.9.2011
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www.sonymusicclassical.de www.vittoriogrigolo.com
tourneen POP, Rock & co
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Alle Tourneedaten fortlaufend aktualisiert und mit genauen Ortsangaben finden Sie unter sonomagazin.de
Elbow 7.11. Köln 8.11. München 10.11. Berlin
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Beady Eye 10.10. München 14.10. Berlin 19.10. Offenbach
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Tori Amos 10.10. Hamburg 11.10. Berlin 25.10. Frankfurt 31.10. Essen
b Barclay James Harvest feat. Les Holroyd 19.10. Neustadt an der Weinstraße 20.10. Rastatt 21.10. Bitburg 22.10. Heilsbronn 23.10. Augsburg The Baseballs 21.10. Hamburg 24.10. Berlin 25.10. Neu-Isenburg 26.10. Köln 30.10. München 6.11. Fellbach James Blunt 6.10. Rostock 7.10. Kiel 8.10. Halle 9.10. Mannheim 10.10. Düsseldorf Bush 5.11. Hamburg 7.11. Berlin 8.11. Köln 10.11. München
c Clueso 13.10. Freiburg 14.10. Würzburg 15.10. Kempten 17.10. Saarbrücken 18.10. Koblenz 19.10. Hannover 21.10. Mannheim 23.10. Magdeburg 24.10. Kassel Adam Cohen 26.11. Berlin 28.11. Hamburg 29.11. Köln 30.11. München Sharon Corr 6.11. Frankfurt 8.11. Bochum 9.11. Berlin
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Claudia Koreck Mit ihrer traumhaft entspannten Sommerhymne „Fliang“ machte die Sängerin vom Chiemsee 2007 erstmals Furore, zwei Jahre später besang sie die Freuden des Globetrotting („Barfuaß um die Welt“). Jetzt nimmt die sympathische Oberbayerin Grundsätzliches ins Visier: „menschsein“ heißt ihr neues Album. Das Aufundab im Leben durchzieht das Album „menschsein“ wie ein Leitmotiv: „Ich bin im Moment grad wahnsinnig glücklich – und da passt’s mir gar ned, dass natürlich auch irgendwann wieder eine Krise kommt im Leben“, erklärt die 25-jährige die philosophierende Grundstimmung der meisten Songs. Das gegenwärtige Glück hat durchaus konkrete Gründe: Claudia Koreck hat geheiratet und ist im September letzten Jahres Mutter geworden. Tournee von 30.9. bis 5.11. 2011. Genaue Termine unter www.sonomagazin.de
Crosby & Nash 17.10. Hamburg 19.10. Essen 20.10. Essen 27.10. Niedernhausen
7.11. Hamburg 9.11. Nürnberg
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Mando Diao 4.10. München 7.10. Oberhausen 8.10. Frankfurt
Chris De Burgh 15.9. Kempten 16.9. Augsburg 21.9. Rostock 23.9. Kiel 24.9. Hannover 26.9. Alsfelde 27.9. Koblenz 29.9. Düsseldorf 30.9. Münster 3.10. Dresden 4.10. Erfurt Joy Denalane 3.9. Braunschweig 3.11. Köln 5.11. München 6.11. Berlin
Julian Dawson 13.10. Bonn
The Dubliners 1.11. München 2.11. Nürnberg 3.11. Stuttgart 5.11. Dortmund 6.11. Göttingen 8.11. Dresden 10.11. Braunschweig 11.11. Berlin 23.11. Hannover 25.11. Bielefeld 26.11. Aurich 28.11. Lübeck 30.11. Bremen
Die Fantastischen Vier 10.9. St. Goarshausen 13.12. Münster 14.12. Düsseldorf 16.12. Leipzig 17.12. Braunschweig 18.12. Augsburg 21.12. Regensburg 22.12. Stuttgart
8.11. Berlin 9.11. Erfurt 10.11. Trier 19.11. München Jennifer Rostock 29.10. München 30.10. Nürnberg 1.11. Stuttgart 3.11. Bremen 4.11. Dresden 5.11. Erfurt 6.11. Hannover 9.11. Osnabrück 11.11. Hamburg 12.11. Leipzig 14.11. Saarbrücken 15.11. Mannheim 16.11. Köln 18.11. Kiel Jon Lord Blues Project 15.11. Regenstauf 17.11. Berlin 18.11. Hamburg
19.11. Isernhagen 20.11. Bochum Cowboy Junkies 3.11. Hamburg 4.11. Hannover 5.11. Berlin
k Toby Keith 5.11. München 7.11. Köln 8.11. Hamburg 19.11. Berlin The Kooks 28.10. Ludwigsburg 30.10. Offenbach 31.10. München 1.11. Düsseldorf 3.11. Hamburg 5.11. Berlin
Peter Frampton 21.11. Berlin 22.11. Mainz
g Rea Garvey 6.10. München 7.10.· Stuttgart 9.10. Frankfurt 10.10. Köln 11.10. Leipzig 13.10. Hamburg 14.10. Berlin Bob Geldof 7.10. Berlin 9.10. Köln 11.10. Hamburg 12.10. Hannover Josh Groban 16.9. Berlin 30.9. München 9.10. Düsseldorf
h Hurts 30.9. Stuttgart 1.10. Frankfurt 2.10. München 4.10. Düsseldorf 5.10. Erfurt
j Jamaram 28.10. Bielefeld 2.11. Würzburg 27.12. Leipzig Jean Michel Jarre 31.10. Frankfurt 1.11. Hannover 3.11. Hamburg 4.11. Dortmund 5.11. Köln 7.11. Dresden
Scott Matthew
New Fall Festival Das im Oktober erstmals stattfindende New Fall Festival will auf eine veränderte Konzert- und Ausgehkultur reagieren, indem es einen besonderen Rahmen für besondere Musik bietet: 13 Acts, von Singer/Songwritern bis zu Elektro-Künstlern, wurden eingeladen, in zwei der schönsten Konzertsäle Deutschlands zu spielen, in der Düsseldorfer Tonhalle und im holzvertäfelten Robert-SchumannSaal des Museum Kunst Palast. Zu Gast: Gentleman(live & acoustic), Scott Matthew, Nouvelle Vague, Jens Lekman, Ólafur Arnalds, Jochen Diestelmeyer, Agnes Obel u. a. Konzerte Düsseldorf, 11.-16.11.2011 www.new-fall-festival.de
l Lenny Kravitz 2.11. Düsseldorf 4.11. Hamburg 5.11. Mannheim 7.11. Berlin 23.11. München LaBrassBanda 4.9. Bochum 13.9. Hannover 14.9. Hamburg 15.9. Bremen 16.9. Kiel 21.9. Münster 22.9. Saarbrücken 1.11. Erfurt 2.11. Leipzig 3.11. Dresden 4.11. Berlin 7.11. Dortmund 8.11. Köln 9.11. Frankfurt 10.11. Freiburg 2.12. Regensburg Annett Louisan 13.10. Timmendorf 15.10. Gera 16.10. Halle/Saale 17.10. Cottbus 19.10. Berlin 21.10. Bielefeld 22.10. Köln 24.10. Chemnitz 25.10. Leipzig 26.10. Kassel 27.10. Bremen 29.10. Karlsruhe 30.10. Stuttgart 31.10. Frankfurt 2.11. Düsseldorf 4.11. Hannover 5.11. Erfurt 6.11. Magdeburg 8.11. Essen 9.11. Saarbrücken 10.11. Mannheim 11.11. Nürnberg 23.11. Dresden 25.11. Bamberg 28.11. Kiel 29.11. Lübeck 30.11. Braunschweig 2.12. Rostock 4.12. Oldenburg 5.12. Hamburg 7.12. Münster
m Wolf Maahn 30.9. Unna 21.10. Koblenz 22.10. Kirchheim/Teck 28.10. Berlin 8.11. Kassel 9.11. Kiel 12.11. Stemwede 13.11. Leverkusen Bob Dylan & Mark Knopfler 23.10. Oberhausen 25.10. Mannheim
26.10. München 27.10. Leipzig 29.10. Berlin 31.10. Hamburg 6.11. Hannover Bruno Mars 5.10. Hamburg 6.10. Berlin 15.10. Oberhausen Ina Müller & Band 11.11. Würzburg 12.11. Ilsenburg 18.11. Magdeburg 19.11. Göttingen 20.11. Kassel 25.11. Fürth 26.11. Linz 27.11. Bamberg 1.12. Bremerhaven 2.12. Kiel 3.12. Hannover 9.12. Bremen 10.12. Flensburg 11.12. Braunschweig 15.12. Hamburg 16.12. Hamburg George Michael – Symphonica 5.9. Berlin 7.9. Köln 8.9. Mannheim 12.10. Stuttgart 18.10. Hamburg 19.10. Hannover 9.11. Oberhausen 17.11. München 19.11. Frankfurt Kevin Costner & Modern West 16.9. Dresden 17.9. Rostock 18.9. Berlin 19.9. Offenbach 26.9. München Mogwai 31.10. Hannover 1.11. Leipzig 3.11. Bremen 4.11. Stuttgart Christy Moore 1.10. Hamburg 2.10. Bochum 8.10. Niedernhausen
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Ließ seine Sitzgitarre jubeln: Robert Randolph
r Achim Reichel 3.11. Neuruppin 4.11. Berlin 7.11. Rostock 8.11. Hamburg 11.11. Rheine 12.11. Mülheim an der Ruhr 13.11. Witten 15.11. Mainz 16.11. Wolfenbüttel 17.11. Kiel Roachford 21.11. Aschaffenburg 23.11. Lorsch 30.11. München 2.12. Hamburg 3.12. Unna Roxette 11.10. München 13.10. Hannover 14.10. Halle/Westfalen 16.10. Mannheim 17.10. Stuttgart 19.10. Oberhausen 24.10. Berlin 25.10. Hamburg 27.10. Nürnberg
s Söhne Mannheims 10.11. Frankfurt 11.11. Hannover 12.11. Leipzig 14.11. Berlin 15.11. Hamburg 18.11. München 21.11. Köln 22.11. Oberhausen 24.11. Stuttgart Schiller 2.12. Gera 3.12. Aachen 4.12. Neuss 5.12. Chemnitz 6.12. Bonn 7.12. Würzburg 8.12. Bremen 9.12. Schwerin 10.12. Erfurt 12.12. Leipzig 13.12. Frankfurt 14.12. Münster 15.12. Heilbronn 16.12. Karlsruhe 17.12. Magdeburg 18.12. Suhl 20.12. Dortmund 21.12. Neubrandenburg
Nena 8.12. Freiburg 9.12. Bamberg 11.12. Berlin 12.12. Neu-Ulm 15.12. Düsseldorf 16.12. Braunschweig 11.1. Chemnitz
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Heather Nova 9.11. Berlin 11.11. Leipzig 13.11. Bielefeld 14.11. Köln 22.11. Stuttgart
Ten Years After 23.9. Memmingen 24.9. AnnabergBuchholz 28.9. Koblenz 29.9. Köln
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Funky Druckwellen Robert Randolph & The Family Band München, Tollwood Die langen Gesichter gab es zu Beginn: Gregg Allman, der blondmähnige Star des Südstaatenrock, schon im Vorjahr nach einer Lebertransplantation nur knapp dem Tod entgangen, war am Morgen seines geplanten Münchengastspiels mit einer Lungeninfektion zusammengebrochen und musste seine Europatournee auf dringenden ärztlichen Rat abbrechen. Doppelt schade, nicht nur weil immer zweifelhafter wird, ob man den Mann mit der legendären Grizzly-Stimme überhaupt noch jemals in unseren Breitengraden live erleben wird, sondern auch weil er mit „Low Country Blues“ kürzlich das beste Soloalbum seiner Karriere eingespielt hat. Dessen Produzent, T-Bone Burnett, hat auch „We Walk This Road“, das neue Werk von Robert Randolph & The Family
,verantwortet – der in den USA inzwischen groß gefeierte Lapsteel-Gitarrist avancierte mit seiner Band durch Allmans Ausfall vom Support- zum Hauptact und wusste diese Chance zu nutzen. Allerdings unter erschwerten akustischen Bedingungen: Der Mann am Mischpult vernachlässigte zugunsten überbetonter Bassdrum und Höhen aller Instrumente den gesamten mittleren Frequenzbereich – so konnte man nicht nur die funky Basslines von Danyel Morgan gerade mal als Druckwellen spüren, überhaupt ging viel von der Wärme in Robert Randolphs Blues-GospelRock-Funk-Gemisch verloren. Ein Ärgernis, das man in ähnlicher Form leider viel zu häufig erlebt. Aber die pure Spielfreude, die Randolph und sein Quintett ausstrahlten, der jubilierende Sound seiner Lapsteel-Soli und seine enorme Bühnenpräsenz setzten sich beim anfangs nur neugierigen Münchner Publikum am Ende doch durch. Felix Marondel
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Vonda Shepard 29.11. Ludwigsburg 30.11. Düsseldorf
Yes 29.11. Dresden 30.11. Stuttgart 1.12. Oberhausen 2.12. Nürnberg 3.12. München 4.12. Bielefeld
w Wilco 8.11. Frankfurt 9.11. München 12.11. Berlin
Paul Young 6.10. Kaiserslautern 7.10. Recklingshausen
8.10. Jüchen 11.10. Stuttgart 12.10. München
z Zucchero 3.11. Leipzig 5.11. Nürnberg 6.12. Frankfurt 7.12. Straßburg 23.11. Bozen
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tourneen klassik Alle Tourneedaten fortlaufend aktualisiert und mit genauen Ortsangaben finden Sie unter sonomagazin.de
b Joshua Bell 16.10. München 17.10. Berlin 18.10. München 19.10. München Kristian Bezuidenhout 5.9. Bremen 28.9. Köln Gábor Boldoczki 15.9. Gauting 1.10. Bad Wörishofen Pierre Boulez 30.9. Düsseldorf Khatia Buniatishvili 26.9. Elmau 1.10. Frankfurt 29.11. Berlin 2.12. Stuttgart 9.12. Mainz 10.12. Aschaffenburg
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Cuarteto Casals 17.11. Köln
Huelgas Ensemble 2.9. Berlin 8.9. Bersenbrück 9.9. Lüneburg 10.9. Stadthagen 11.9. Fischbeck
Riccardo Chailly 2.9. Leipzig 3.9. Leipzig 8.9. Leipzig 9.9. Leipzig 11.9. Leipzig 12.9. Bonn
Trio Ex Aequo 5.10. Leipzig 30.10. Leipzig
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Philadelphia Orchestra & Charles Dutoit 2.9. Dresden 3.9. Berlin 4.9. Frankfurt 6.9. Köln 7.9. Essen
Isabelle Faust 23.9. Berlin 24.9. Berlin 25.9. Berlin 7.10. Köln 11.10. Dortmund 12.10. Bremen 25.10. Bad Reichenhall
Xavier de Maistre 6.10. Krefeld 7.10. Leverkusen 13.11. Hannover 14.11. Köln 15.11. Frankfurt
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Regensburger Domspatzen 9.10. Saarbrücken
Sol Gabetta 14.9. Donaueschingen 15.9. München 17.9. München 18.9. München Jan Garbareck 16.10. Bremen 8.11. Augsburg Christian Gerhaher 17.9. Stuttgart 9.10. Bonn 16.10. Coburg 19.10. Tutzing Kirill Gerstein 15.9. Göttingen 24.9. Magdeburg 25.9. Leipzig Howard Griffiths 2.10. Frankfurt/Oder 14.10. Frankfurt/Oder 15.10. Potsdam 16.10. Frankfurt/Oder
Rotterdam Philharmonisch Orkest mit Yannick Nézet-Séguin Das Rotterdam Philharmonisch Orkest veranstaltet seit 1995 eines der wichtigsten Klassikfestivals der Niederlande: Das 16. Rotterdam Philharmonic Gergiev Festival findet unter dem Motto „Sea & The City“ vom 8. bis 18. September 2011 statt. Oper, symphonische Musik, das Happening „C the City“ mit u. a. Valery Gergiev, Chor und Orchester des Mariinsky-Theaters, außerdem dem hauseigenen Orchester mit seinem Chefdirigenten Yannick Nézet-Séguin. Nach dem Festival gehen Orchester und Dirigent auf Deutschlandtournee. Konzerte von 25.9.2011 bis 2.10.2011. Genaue Termine unter www.sonomagazin.de
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Vittorio Grigolo 30.12. Berlin Tal Groethuysen 4.9. Traunstein 7.10. Olpe 17.10. Heilbronn
h Daniel Harding 11.9. Dornbirn 14.9. Heidelberg 15.9. Heidelberg Nikolaus Harnoncourt 28.10. Berlin 29.10. Berlin Maximilian Hornung 5.9. Elmau 24.9. Berlin
21.10. Köln 28.10. Kaiserslautern 30.10. Mainz
i Steven Isserlis 4.10. Bonn 5.10. Bonn 6.10. Baden-Baden
k Sharon Kam 16.9. Oldenburg 16.10. Hamburg 27.10. Köln 29.10. Gauting Nigel Kennedy 1.11. Leipzig 2.11. Stuttgart 3.11. München 5.11. Freiburg 6.11. Hannover 8.11. Düsseldorf 9.11. Bielefeld 10.11. Hamburg 12.11. Nürnberg 13.11. Berlin 14.11. Dresden 16.11. Dortmund Simone Kermes 10.9. Dresden 1.11. Baden-Baden
l Lang Lang 5.10. Köln Louis Lortie 5.9. Schwerin 6.9. Schwerin 7.9. Schwerin 22.10. Berlin
o Dorothee Oberlinger 4.9. Kloster Irsee 11.9. Frankfurt a. M. 18.9. Schweich 9.10. Duisburg David Orlowsky 4.9. Honrath 13.9. Harsefeld 14.9. Meppen 23.10. Erbach 30.10. Bremen 31.10. Frankfurt Alice Sara Ott 24.9. Bad Wörishofen 28.9. Bielefeld 29.9. Münster 23.10. Pforzheim
p Murray Perahia 3.9. Redefin 7.9. Frankfurt 1.10. Regensburg 4.10. Essen 6.10. Bonn Hille Perl 6.9. Freiburg 15.9. Bernau 16.9. Stuttgart 25.9. Oberried 25.10. Wittenberg Maria João Pires 2.9. Leipzig 11.9. Leipzig 12.9. Bonn 16.9. Linz 17.9. Linz Maurizio Pollini 19.9. Berlin 20.9. Berlin
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Nino Machaidze 6.9. Hamburg 10.9. Hamburg 13.9. Hamburg 8.10. Hamburg 13.10. Hamburg 15.10. Hamburg 22.10. Hamburg
Belcea Quartet 2.10. Hamburgl 13.11. Essen
Nils Mönkemeyer 20.9. Celle 13.10. Stuttgart 14.10. Wiesloch Alexander Melnikov 18.9. Berlin 7.10. Bonn Olli Mustonen 17.10. Karlsruhe 18.10. Pullach Anne-Sophie Mutter 9.9. Bonn 11.9. Berlin
Pacifica Quartet 4.10. Polling 5.10. München 6.10. Hannover 9.10. Aachen 15.10. Freiburg Bennewitz Quartett 25.9. Neu Hohenfelde 27.9. Bad Segeberg 28.9. Sülfeld 16.10. Schloss Schwanberg 18.10. Grünwald 24.10. Coburg Hagen Quartett 25.9. Wiesloch 26.9. Bonn 27.9. Bonn 21.11. Bremen
Kuss Quartett 3.9. Weimar 4.9. Leipzig 28.10. Regensburg Minguet Quartett 1.10. Leipzig 7.10. Erlangen 9.10. Tutzing
r Daniel Raiskin 3.9. Mayen St. Veit 11.9. Wiesbaden 18.9. Mainz 21.10. Koblenz
s Fazıl Say 2.9. Traunstein 19.10. Köln Andreas Scholl 7.9. Schwarzenberg Martin Stadtfeld 13.9. Koblenz 15.9. Leipzig 17.9. Rudolstadt 18.9. Rudolstadt 24.9. Bonn 2.10. Halle 3.10. Halle 9.10. Kie 10.10. Wilhelmshaven 12.10. Köln 22.10. Bramsche
t Nikolai Tokarev 22.9. Ingolstadt 24.9. Bonn 7.10. Düsseldorf 9.10. Düsseldorf 10.10. Düsseldorf
v Jan Vogler 25.9. Hannover 28.10. Elmau Arcadi Volodos 8.10. Bonn 20.10. München
w Alisa Weilerstein 20.10. Frankfurt 21.10. Frankfurt Carolin Widmann 29.9. Bonn 4.10. Freiburg 29.10. Stuttgart Ingolf Wunder 1.9. Bad Schallerbach 31.10. Hamburg
tourneen jazz & world 5.10. Langenargen 6.10. Neckartenz lingen 7.10. Vilshofen 8.10. Bad Reichenhall 6.11. Duisburg Pee Wee Ellis 1.10. Siegen
g so n o p rä se n t i e r t :
Lisa Bassenge
Sie hat eine der interessantesten Stimme des jungen Jazz made in Germany und mit ihren Bands Micatone, Nylon und unter eigenem Namen schon reichlich Akzente mit eleganten, in kühlem Understatement vorgetragenen Songs gesetzt. Zu Jahresbeginn hat Lisa Bassenge nun mit „Nur Fort“ ihr erstes beinahe ausschließlich deutsch betextetes Album aufgenommen (siehe auch SONO 1/2011), auf dem sie sowohl reizvolle Eigenkompositionen, als auch moderne Klassiker der deutschen Musikgeschichte singt. Tournee noch bis 29.09. 2011 www.karsten-jahnke.de
Alle Tourneedaten fortlaufend aktualisiert und mit genauen Ortsangaben finden Sie unter sonomagazin.de
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23.9. Lübeck 28.9. Wiesbaden 29.9. Kassel 30.9. München 7.10. Ludwigsburg 9.10. Dinslaken 13.10. Lübbenau 15.10. Jameln 23.10. Greifswald 5.11. Wolfsburg Nik Bärtsch’s Ronin 22.9. Düsseldorf 8.10. Tübingen 11.11. Mannheim
Andi Kissenbeck’s Club Boogaloo 16.9. Ludwigsburg 6.10. Leipzig 7.10. Jena 13.10. Pforzheim 14.10. Karlsruhe 15.10. Stuttgart
Hotel Bossa Nova 7.9. Potsdam 9.9. Bremen 10.9. Bremerhaven
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Rebekka Bakken 11.11. Essen 12.11. Mannheim 13.11. Mainz 15.11. Köln 16.11. Oldenburg 17.11. Hamburg 18.11. Berlin 19.11. Kiel 22.11. Erlangen
Barbara Dennerlein 20.10. Magdeburg 22.10. Gunzenhausen 17.11. Mannheim
Mo’ Blow 15.9. Köln 16.9. Dortmund
e Echoes Of Swing 20.9. Frankfurt a. Main 21.9. Karlsruhe 22.9. Schweinfurt 25.9. Schalksmühle 2.10. München
Jan Garbarek & Hilliard Ensemble 16.10. Bremen 8.11. Augsburg 9.11. Würzburg 10.11. Nürnberg 12.11. Hamm 13.11. Essen Marla Glen 8.11. Köln 9.11. Hamburg 10.11. Ratingen Rigmor Gustafsson Trio 8.10. Burghausen, Jazzclub 9.10. Straubing 10.10. Darmstadt 11.10. München 14.10. Allensbach 15.10. WaldshutDogern 16.10. Erlangen 17.10. Tübingen 18.10. Kaiserslautern 20.10. Oldenburg 21.10. Worpswede 22.10. Wuppertal
h The Harlem Gospel Singers Show 25.12. Stuttgart 26.12. Mannheim Caroline Henderson 15.10. Rostock Chris Hopkins & His Piano Friends 15.9. Bonn 16.9. Bochum 17.9. Bochum 18.9. Kamen 19.9. Rüdesheim
j Andy P. & Jideblaskos 24.10. Illingen Joachim & Rolf Kühn Quintet 2.10. Detmold 29.10. Frankfurt/Main 4.11. Schorndorf 5.11. Bayreuth 6.12. Hamburg 9.12. Darmstadt
m Tania Maria 14.9. Bremen Pat Metheny Trio 30.10. Hamburg 31.10. Rüsselsheim 1.11. Ludwigshafen 4.11. Ingolstadt
n Silje Nergaard 25.11. Leipzig 26.11. Wuppertal 27.11. Karlsruhe 28.11. Augsburg 29.11. Stuttgart 30.11. Mainz
27.10. Karlsruhe 28.10. Penzberg 4.11. Ingolstadt 5.11. Neuwied 6.11. Dresden 12.11. Burghausen 13.11. Freiburg 8.12. Hamburg Olivia Trummer 4.9. Stuttgart 12.9. Ulm 2.10. Leverkusen 9.10. Grafenau 15.10. Esslingen 3.11. Ingolstadt 17.12. Hamburg 27.12. Bad Kissingen
Tumba-ito 2.9. Rostock 3.9. Rostock
w Shanna Waterstown 1.10. Kaiserslautern 8.10. Rutesheim 13.12. Emmendingen 14.12. Kandern 16.12. Weinheim Bugge Wesseltoft 27.11. Neuhardenberg 30.11. Bochum 2.12. Heidelberg
r Max Raabe & Das Palast Orchester 18.10. Rosenheim 8.11. Erfurt 9.11. Gera 10.11. Cottbus 11.11. Magdeburg 23.11. Hamburg 24.11. Münster 26.11. Niedernhausen 27.11. Darmstadt 28.11. Mannheim 29.11. Aschaffenburg 30.11. Würzburg 2.12. Kassel Céline Rudolph 10.9. Kempten 17.9. Braunschweig 18.9. Hamburg 21.9. Berlin 22.9. Magdeburg 23.9. Leipzig 24.9. Minden 25.9. Frankfurt/Main 27.9. Köln 29.9. Dortmund 30.9. Hannover 1.10. Weilerbach 2.10. Nürnberg 6.10. Elmau 8.10. Neuhardenberg 9.11. München 12.11. Halle/Saale 14.11. Dresden
s Ryuichi Sakamoto 6.11. Dortmund Diknu Schneeberger Trio 2.12. SulzbachRosenberg
t Tingvall Trio 23.9. Neumünster 20.10. Darmstadt
Trombone Shorty Troy Andrews alias Trombone Shorty ist ein Alleskönner. Sein Künstlername verrät, dass er von klein auf mit der Posaune verbunden ist, aber er spielt ebenso gut Trompete, singt und rappt wie ein Weltmeister, trommelt ganz manierlich, ist mit seinen 25 Jahren ein glänzender Bandleader und Dirigent und weiß wie kein anderer seiner Generation die Energie des frühen New Orleans Jazz in packenden Funk des 21. Jahrhunderts zu übersetzen. Nur eines gelingt noch nicht so recht: den virulenten Puls seiner Liveperformance auf CD festzuhalten. Live lässt er sich einfach gehen und behält alle Fäden in der Hand, im Studio ist er hingegen noch zu vorsichtig. Auf seiner neuen CD „For True“ kommt er der Wahrheit aber schon erheblich näher. Das Album ist gespickt mit namhaften Gästen. W.Ka. Tournee von von 20.09. bis 9.12.2011. www.jazzecho.de
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Udo Wachtveitl Sein weites musikalisches Herz bewies der BR-„Tatort“-Kommissar kürzlich als Rezitator bei „Klassik am Odeonsplatz“ in München. Welche Platte haben Sie sich als erste selber gekauft?
„Band Of Gypsies“ von Jimi Hendrix. Haben Sie ein Instrument gelernt? Autodidaktisch das Übliche, nämlich Gitarre. Was war Ihr bisher eindrucksvollstes Konzerterlebnis? Am eindrucksvollsten war für mich mein erstes Konzert, ich war 12 oder 13. Meine Musiklehrerin hatte mich in den Circus Krone zu einem ZappaKonzert mitgenommen. Meine Mutter hielt es
für eine Schulveranstaltung und ermahnte mich, nur ja etwas Ordentliches anzuziehen. Was singen Sie unter der Dusche? Nichts. Sind Sie selbst als Musiker aufgetreten? Ja, im Rahmen der Benefizkonzerte der Münchner „Tatort“-Kriminaler, sogar mit Selbstkomponiertem. Mit welchen Songs bringt man Sie auf die Tanzfläche? Zappa, einiges von Prince, den Stones und ach, noch so manchem … Und mit welchen wieder herunter? Mit seelenlosem, rhythmisch durchpulstem Elektroschrott. Mit welcher Platte testen Sie die Belastbarkeit Ihrer Boxen? Mit der Boxenbelastbarkeitsplatte aus dem Boxenbelastbarkeitsplattencenter. Womit sonst? Was läuft bei Ihnen zum Sonntagsbrunch? Dasselbe, was ich unter der Dusche singe.
Erscheinungstermin der nächsten Ausgabe: 20. Oktober 2011 50
Foto: BR/Ralf Wilschewski
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