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spielorte

St. Pölten

September | Oktober | November 2012

www.spielorte.at

Landestheater Niederösterreich

GEGENWARTSBEWÄLTIGUNG

Theater und Philosophie zum Zustand der Welt Festspielhaus St. Pölten

FLIEGENDE MÖNCHE

Ost trifft West – Bildende Kunst trifft Tanz Die Bühne im Hof

ROSEN MIT DORNEN

Hip-Hop multikulturell


Ein Kulturprogramm von Ursula Strauss September bis Dezember 2012 www.kultur-melk.at

heindldesign 路 漏 Foto: www.photo-graphic-art.at

Wachau in Echtzeit

WACHAU KULTUR


inhalt Coverbild: Bettina Hering startet mit fixem Ensemble und prominenten Gästen als künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich.

editorial Haben wir noch eine Chance, davonzukommen? Bei allem, was uns täglich bedroht, das Leben schwer machen und den Schlaf rauben will? Es liegt an uns, Überlebensstrategien zu entwickeln. Nicht zuletzt mithilfe der Kunst: indem sie die Realität reflektiert, setzt sie bereits den ersten Schritt zu deren Veränderung. Die Mittel dazu sind vielfältig. Ein besonders wirksames ist zweifellos der Humor, mit dem sich manches Problem elegant unterlaufen lässt. „Mit subversivem Humor zur Gegenwartsbewältigung“ beizutragen, das hat sich Bettina Hering für ihre erste Spielzeit als künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich vorgenommen und als Eröffnungspremiere Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ angesetzt. Wie aber schätzen Philosophen von Jean Baudrillard bis Paul Virilio die Lage ein? Wie ein kritischer Soziologe wie Jean Ziegler? Die Perspektiven und daraus entwickelten Schlussfolgerungen sind unterschiedlich. Doch immerhin hatte einst schon der Biologe Rupert Riedl konstatiert, dass jeder niedergetretene Grashalm sich gegen alle wissenschaftliche Vernunft wieder aufrichtet und die Natur sich in steter Veränderung weiter entwickelt. Allerdings liegt es an uns, die notwendigen politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Schritte zu setzen. Apropos Veränderung: auch „spielorte“ entwickelt sich weiter – mit einem bewährten Redaktionsteam, prominenten Gastautorinnen und -autoren und einer neuen Chefredakteurin, die anregendes Schmökern wünscht! Maria Rennhofer

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Gerne senden wir Ihnen spielorte auch gratis per Post zu. Schicken Sie Ihre Kontaktdaten bitte per Mail an redaktion@spielorte.at oder geben Sie diese telefonisch durch unter Tel. 02742/90 80 80-222.

Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Förderverein Kulturbezirk St. Pölten. c/o NÖ Kulturszene Betriebs GmbH. Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten. Redaktionelle Gestaltung: CityLoftArt GmbH. Chefredakteurin: Dr. Maria Rennhofer. MitarbeiterInnen: Mag. Sandra Broeske, Thomas Fröhlich, Althea Müller B.A., Mag. Marion Pfeffer, ­Andreas Reichebner, Mag. Johannes Reichl. GastautorInnen: Dr. Peter Kampits, Mag. Katharina Menhofer, Mag. Stefan Musil, Gerhard Tötschinger. Design & Layout: Living Office* St. Pölten. Bildnachweis: Cover, S. 3: Hermann Rauschmayr; S. 4–5: Illustrationen von Annette Sonnewend, S. 5: Library of Congress, Prints & Photographs Division, Carl Van Vechten Collection; S. 6: Stephan Persch, Koen Broos; S. 7: Hugo Glendinning; S. 8: Nadine Al Koudsi; S. 9: Marco Borggreve, Thomas Aurin; S. 10–11: Markus Frietsch, Illustrationen von Annette Sonnewend; S. 14: Marco Borggreve, Andreas Diem, Christian Husar, Land NÖ; S. 15: C. Bertelsmann Verlag; S. 16: Gerald Lechner; S. 17: KarlHeinz Ströhle, Dominik Jungwirth, Shervin Lainez, zVg; S. 18: Hermann Rauschmayr, John Morser; S. 19: Peggy Faye, Animal Farm ­Collective, Katleen Gils; S. 20–21: Helmut ­Lackinger/Land NÖ (2); S. 22: Lukas Beck, Sepp Gallauer, ORF, Hermann Rauschmayr; S. 23: zVg. Hersteller: Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. Gedruckt auf: Amber Graphic. Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten. Verlagspostamt: 3100 St. Pölten. Kontakt: redaktion@spielorte.at, www.spielorte.at

FEST/SPIEL/HAUS/ ST/POELTEN/

Bühne

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Werden wir noch einmal davonkommen?

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West-östlicher Tanzdialog: Sidi Larbi Cherkaoui: Sutra

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Fight For Your Right: The Lyrical Roses

Wir treten alle gemeinsam an: Eröffnungswochenende im Landestheater; Immer auf der Suche: Sidi Larbi Cherkaoui im Gespräch

Grund zum Feiern: 15 Jahre Festspielhaus; Meine Nora ist meine Nora: Gastspiel

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Ein Genre wird erwachsen: Kindertheater

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Spielplan: September, Oktober, November 2012

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Tastenzauber: Festival; Shortcuts

Hinterbühne

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Moralist & Aufrührer: Jean Ziegler

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Jetzt schlägt’s sieben: Literaturfestival Blätterwirbel; Shortcuts

Das Theater als lebendiger Platz: Bettina Hering im Gespräch

Garderobe

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Ein Tag mit Renate Aichinger; Künstlerinnen-Fragebogen: Aszure Barton

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Psychospiel & stumme Helden: Jugendklub/300

galerie

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Ein gutes Land seit Grillparzers Tagen: Niederösterreich im Zeitraffer

parkett

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Shortcuts; Blick nach vorne: 10 Jahre Förderverein

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Pressestimmen, Publikumsstimmen, Gewinnspiele, Fiedlers Lokaltipp

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werden wir noch einmal davonkommen?

„Das ist alles, was wir tun – immer wieder von vorne anfangen! ... Warum machen wir uns immer wieder etwas vor? Eines Tages wird die Erde ohnehin erkalten, und bis dahin werden alle diese Dinge immer wieder ge­ schehen: noch mehr Kriege, und noch mehr Mauern aus Eis, und Sintfluten und ­Erdbeben.“ (Sabina, dritter Akt, Thornton Wilder „Wir sind noch einmal davon­gekommen“) Von Peter Kampits

Es ist nicht so sehr die Sintflut (trotz Tsunamis), nicht die Eiszeit (trotz Klimawandel), auch nicht ein Weltkrieg (trotz aller Kriege, die nach wie vor den Planeten überziehen) wie in Wilders Theaterstück – es ist vielmehr eine Krise mit vielen Facetten, die zurzeit wieder einmal die Menschheit erfasst. Freilich – vieles davon ist hausgemacht: die Finanz- und Wirtschaftskrise, die ökologische Krise, die Wert- und Orientierungskrise, der Verfall der Anständigkeit, der „decent society“, sind Folgen einer aus den Fugen geratenen Ökonomisierung und Digitalisierung der Welt. Gewiss, noch haben wir uns zumindest in der westlichen Hemisphäre einigermaßen gut und bequem eingerichtet. Aber ob wir tatsächlich gerüstet sind, den bereits ausgebrochenen und auf uns zukommenden Krisen die Stirn zu bieten, scheint mehr als zweifelhaft. Die Engführung, wenn nicht Abdankung der Politik an­ gesichts der alles verschlingenden Macht von ökono­mi­ schem Neoliberalismus und Globalisierung, die bereits in Gang gekommene „Zerstörung der huma­­ nistischen Zivilisation“ (Pierre Bourdieu), die „organisierte Unverantwortlichkeit“ (Ulrich Beck), die unsere Risiko-, Erlebnis- und Spaßgesellschaft prägen, die aus dem Boden sprießenden Ich-AGs, die ­Raffgier der Reichen und Superreichen, der eine zunehmende Verarmung der unteren und mittleren Schichten entgegensteht, sind ebenso Ursache wie Symptome einer umfassenden Orientie­ rungskrise.

„… in der virtuellen Welt des Cybersex verlieren sie als Partner beim Lieben ihre Daseinsberechtigung und Notwendigkeit.“ Paul Virilio 4

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Thornton Wilder als Mr. Antrobus in „Wir sind noch einmal davongekommen“, 1948

Denn der Abbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates zugunsten einer Finanz- und Kapitalmaschinerie, die schamlose Bereicherung einiger weniger, die alle Grenzen sprengt, die drohende Überalterung der Bevölkerung, der Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen sind zugleich aber auch Ausdruck einer Sinn- und Orientierungskrise, die ein Abschiednehmen von der Annahme gemeinsamer Werte bedeutet. Der Wertepluralismus, der alle Gesellschaften durchzieht, führt nicht selten zu nahezu mörderischen Konflikten religiöser und ethischer Art. Dies wird besonders deutlich bei neu entstandenen Problemen, die uns die Hochtechnologie, vor allem IT und Internet, aber auch die rasanten Fortschritte in der Medizin, Genetik, in den Biowissenschaften überhaupt bescherten. Wir werden wohl auf die Auffassung verzichten müssen, dass gesellschaftliche Entscheidungen in rationalen Diskursen getroffen werden. Eher sind wir fundamentalen gegenseitigen Missverständnissen ausgesetzt, in einer Atmosphäre des zunehmenden Misstrauens. Denn nicht einmal in der Wirtschaft kann das ökonomische Modell der rationalen Nutzenmaximierung das menschliche Verhalten befriedigend erklären, umso weniger ist dies dort der Fall, wo verschiedene Wertvorstellungen aufeinanderprallen. Beispiele gibt es im medizinischen Bereich zur Genüge: man braucht sich nur die äußerst kontroversielle Diskussion um die Genetik, die Reproduktionsmedizin oder um Alter und Sterben, um Euthanasie vergegenwärtigen. Aber vielleicht treten wir dank Computer, Twitter, Facebook und Cyberspace tatsächlich in einen Zeitabschnitt ein, in dem unsere bisherigen Vorstellungen von Raum und Zeit auf den Kopf gestellt werden, in dem Kommunikation fern vom zwischenmenschlichen Gespräch nur mehr über Medien stattfindet, in dem nur mehr die virtuelle Realität zählt und der Datenstrom und unablässig vermittelte Informationen uns jede Orientierung verlieren lassen. Die Hyperrealität der Codes und Simulacren (Scheinwirklichkeiten) hat die Wirklichkeit „ermordet“ (Jean Baudrillard). Durch den Homo digitalis, auch Pithecanthropus computerensis genannt, ist die Über­ ­ flüssigkeit des Menschen angesagt: „Als Arbeiter werden sie von Computern ersetzt, als Reisende sind sie von der Telekommunikation zur lächerlichen Gestalt degradiert ­worden, die In-­vitro-Befruchtung macht sie als Zeugende

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Landestheater Niederösterreich, 06.10.2012, Premiere: Thornton Wilder „Wir sind noch einmal davongekommen“ Regie: Daniela Kranz. Ausstattung: Bettina Kraus. Mit Babett Arens, Swintha Gersthofer, Pascal Groß, Franziska Hackl, Christine Jirku, Marion Reiser, Michael Scherff, Othmar Schratt, Tobias Voigt, Lisa Weiden­müller. Zum Autor: Peter Kampits ist Leiter des Zentrums für Ethik in der Medizin an der Donau-Universität in Krems. Er ist u. a. Mitglied des österreichischen PEN-Clubs und Autor zahlreicher Publikationen. überflüssig, und in der virtuellen Welt des Cybersex ver­ lieren sie als Partner beim Lieben ihre Daseinsberech­ tigung und Not­wendigkeit. Es sind nicht mehr ein Mann und eine Frau, die den Geschlechtsakt vollziehen. Er läuft über Vorstellungen, Ideen, Gedanken ab – zwischen einem Individuum und seinem interaktiven Computer.“ (Paul ­Virilio). Besteht darin letztlich unser aller Abschaffung der wahren und mit ihr auch der scheinbaren Welt, wie Friedrich Nietzsche prophezeite? Mahatma Gandhi hat vor Jahrzehnten die sieben sozialen Sünden aufgelistet: – Politik ohne Prinzipien – Wirtschaft ohne Moral – Wohlstand ohne Arbeit – Erziehung ohne Charakter – Wissenschaft ohne Humanität – Genuss ohne Gewissen – Kult ohne Opfer Werden wir diesem Geflecht aus Hyperrealität, sozialen Umwälzungen, rasender Kommunikation und Informa­ tion entkommen? Werden wir die totale Ökonomisierung unseres Lebens einbremsen können? Oder wird es, wie Nietzsche im Zarathustra formulierte, eine ewige Wiederkehr des Gleichen geben, weil wir – solange wir noch lebende Organismen und nicht künstliche Gebilde sind – immer noch einen unbändigen Willen zum Leben eingepflanzt bekommen haben?

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„wir treten alle

gemeinsam an“

Mit Beginn der neuen Spielzeit eröffnen sich im Landestheater viele neue Wege. Das Eröffnungs­ wochenende nimmt gleich drei Abzweigungen und verspricht Unterhaltung für GroSS und Klein. Von Marion Pfeffer „Das Eröffnungsstück steht für vieles, für das ich künstlerisch gesehen am Landestheater Niederösterreich antrete: Es ist innovativ, tollkühn, riskant im Jonglieren seiner Figuren, subversiv komisch, und es gewinnt mit seinem hohen Einsatz“, bleibt Bettina Hering die Erklärung, warum sie Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ zur Martin Wuttke Premiere erkoren hat, nicht schuldig. „Dass dieses Stück mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet und zum Publikumshit wurde, ist nicht uner­ heblich, spricht es doch eindeutig dafür, dass das Publikum gefordert werden möchte. Ganz mein Credo!“. Das ganze Ensemble wird am Eröffnungstag auf der Bühne des G ­ roßen Hauses und der Theaterwerkstatt zu sehen sein. „Wir treten alle gemeinsam an!“, freut sie sich. In der Theaterwerkstatt wird am Nachmittag das Kinderstück „Minus und die verrückte Hutjagd“ von Sven Nord­ qvist zur Uraufführung gebracht. „Kinder- und Jugend­ theater liegt mir besonders am Herzen. Es ist mir wichtig, mit welchen Stoffen wir diese Generation ins Theater einführen“, so Hering. Sven Nordqvist bildet mit seiner überschäumenden Fantasie eine Brücke zwischen der Kinderund Erwachsenenwelt. Ein Genuss für Groß und Klein. Moralische Unterstützung erhält Hering von ihrem persönlichen Freund und künstlerischen Wegbegleiter Martin Wuttke. „Dass er die Rede zur Eröffnung meiner künst­ lerischen Leitung mit Texten von René Pollesch hält, ist für mich ein gutes Omen. Einmal auf der privaten Ebene – es ist wunderbar, wenn Freunde neue Lebensabschnitte aktiv begleiten –, und zum anderen auf der künstlerischen – setzen sich doch die Texte von Pollesch in ihrer Diskursivität immer auch mit dem Theater und der Spielsituation auseinander. Gerade deshalb passen sie so gut zu meinem Beginn.“ Landestheater Niederösterreich, 06.10.2012 15:00 Uhr: Uraufführung Sven Nordqvist „Minus und die verrückte Hutjagd“ 19:00–19:30 Uhr: Martin Wuttke spricht René Pollesch 19:45 Uhr: Premiere Thornton Wilder „Wir sind noch einmal davongekommen“

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Bühne

„Ich glaube, ich bin ein Träumer, in diesem Sinne, dass ich sehr in meinen eigenen Gedanken lebe“, sagt Sidi Larbi Cherkaoui, der Choreograf, der auf der Suche nach neuen Inspirationen die ganze Welt durchstreift, über sich. Von Andreas Reichebner

immer

auf der suche

In Ihren Stücken kommt es immer wieder zu Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern verschiedener Kulturkreise. Sind sie ein offener Mensch? Ich bin nicht immer in Verbindung mit der Außenwelt. Mich in meinem Innersten zu verstecken, entspricht eher meiner Natur. Trotzdem versuche ich, sooft es mir persönlich möglich ist, den Kontakt zur Außenwelt herzustellen.

Das Erzeugen von ausdrucksstarken Bildern ist in Ihren Produktionen ein wesentliches Element, auch verschiedene Musiklandschaften spielen eine große Rolle. Ja, wenn ich nicht Tänzer und Choreograf wäre, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass ich als Künstler Zeichnungen machen würde oder eben als Klavierspieler Musik.

Ihr aktuelles Stück „Puz/zle“ wird beim Theaterfestival in Avignon Premiere feiern (im Jänner 2013 Österreich-Premiere im Festspielhaus). Worum geht es dabei?

Es geht um Steine, die Teile eines großen Puzzles sind. Dabei möchte ich zeigen, dass man Dinge, die einmal auseinandergeraten sind, kaum mehr in ihren ursprünglichen Zustand zusammenfügen kann. Es ist ein primitives, urwüchsiges Stück.

Wo wird danach die künstlerische Reise hingehen? Nach Argentinien. „Tango“

wird der Versuch sein, mein Bewegungsrepertoire auf das von Tangotänzerinnen und -tänzern treffen zu lassen.

Gibt es Menschen in der Tanzszene, die sie berührt haben? Pina

Bausch hat mich sehr inspiriert. Ihre offene und gefühlvolle Art möchte ich weiter führen. So ziehe ich von Stadt zu Stadt, um immer wieder neue Stücke zu kreieren.

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west-östlicher Tanzdialog

Dem Festspielhaus-Publikum ist der flämisch-­ marokkanische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui kein Un­bekannter mehr. Nach „Play“, „Babel(Words)“ oder ­zuletzt „TeZukA“ ist Mit „Sutra“ gleich zu Beginn der neuen Saison eine seiner spektakulärsten und zugleich typischsten Arbeiten zu sehen. Von Maria Rennhofer Zur Musik von Szymon Brzóska zelebriert eine Gruppe von Shaolin-­Mönchen eine faszinierende Verschmelzung verschie­ dener Elemente westlicher und fernöstlicher Bewegungstraditionen. Akrobatisch a­ nmutende Kung-Fu-Szenen wechseln mit meditativen, vom Zen-Buddhismus inspirierten ­Pas­sagen, ohne dass je der Anschein ­einer exotischen Folkloreshow entstehen würde. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Bühnenobjekte, sargähnliche Holzcontainer des britischen Turner-Preisträgers Antony ­Gormley. Beide haben bereits bei anderen Produktionen zusammengearbeitet, wobei der Choreograf den bildenden Künstler niemals zum Setdesigner degradiert, sondern ihm Raum für eigene Gestal­ tungsideen reserviert. „Damit kann man auf der Bühne verschiedene Szenerien kreieren“, schwärmt Cherkaoui von den Holzschachteln, „eine Wand simulieren, einen Tempel, einen Friedhof, einen Berg. Da sie der Größe eines Körpers entsprechen, erinnern sie an Särge und legen die Frage nahe, wie viel Raum ein Körper braucht.“ Cherkaoui, 1976 in Antwerpen geboren, ist einerseits ein Kind der MTV-Generation, geprägt vom Zappen durch die TV-Kanäle und der Ästhetik von Musikvideos. Andererseits versteht er, der von Kindheit an gezeichnet hat, Tanz gewissermaßen auch als Transformation von Zeichnen in die ­dritte Dimension: „Choreografie war für mich immer zu einem großen Teil eine visuelle Kunst.“ Auch eine politische Kunst. Denn Cherkaouis Arbeiten haben immer ­einen politischen Hintergrund, ob er sich nun mit der Verschiedenheit von Religionen und Kulturen beschäftigt, mit Identität oder mit fernöst­licher Philosophie. Aufgrund seiner marokkanischen Wurzeln und ­seiner flämischen Heimat selbst eine multikulturelle Persönlichkeit par excellence, ermöglichen ihm seine internationalen Kooperationen mit Tänzern aus Afrika, Indien oder Japan in einer Zeit, da Migra­ tion eines der bestimmenden Themen geworden ist, sich in andere Kulturen hineinzuver­setzen. „Ich fühle mich ihnen verwandt. Nicht weil ich von allen geliebt werden möchte, sondern weil ich zeigen will, dass es auf einer be­ stimmten Ebene Verbindungen zwischen allen Menschen gibt.“ Tanz ist in diesem Sinn Reflexion und Interpretation erlebter Wirklichkeit – und zugleich eine universelle Form von Kommunikation. In diesem Sinn geht es im Rahmen von „Sadler’s Wells presents“ im Festspielhaus nach „Sutra“ im großen Saal weiter in der Box mit „Weight x 3“, einer Produktion des TAO Dance Theater aus China.

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Festspielhaus St. Pölten, 21./22.09.2012: „Sadler’s Wells presents“ 19:30 Uhr: „Sidi Larbi Cherkaoui: Sutra“ Regie und Choreo­grafie: Sidi Larbi Cherkaoui. Visuelles Konzept und Ausstattung: Antony Gormley. Musik: Szymon Brzóska. Tanz: Mönche des Shaolin-Tempels Henan und Ali Ben Lotfi Thabet. 21:15 Uhr: „TAO Dance Theater: Weight x 3“ Choreografie und Kostüme: Tao Ye. Lichtdesign: Wang Peng, Tao Ye. Musik: Steve Reich. Tanz: Duan Ni, Wang Hao, Tao Ye.

„Das ist so schön an den Shaolin-Mönchen: Ihre Körperbewegung und ihre Philo­sophie verschmelzen zu einer Einheit.“ Sidi Larbi Cherkaoui

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Die Bühne im Hof, 06.10.2012: „The Lyrical Roses“ Nazizi, Nairobi/Kenya; Diana Avella, Bogota/Colombia; Pyranja, Berlin/Germany; MALIKAH, Beirut/Lebanon; DJ Mosaken, Iran/Austria. Im Rahmen des Dialoges zwischen den Kulturen.

fight

for your right …

… to party. Während die „Beastie Boys“ einst zur SpaSS- und Feierrevolte der Jugend aufriefen, fordern die „Lyrical Roses“ nichts Geringeres als weibliche Selbstbestimmung und politische ­Unabhängigkeit. Von Andreas Reichebner

Und das machen die vier jungen Rap­perinnen auf die harte Tour. Ihr Name klingt zwar poetisch, besticht aber durch jede M ­ ­ enge ­Dornen. „Lyrical Roses“, das sind Malikah aus dem Libanon, Diana Avella aus Kolumbien, Nazizi aus Kenia und P ­ yranja aus Deutschland. Kennengelernt haben sich die vier kritischen Ladies bei einem Hip-Hop-Projekt in Berlin. Im Februar vorigen Jahres schleuderten sie das erste Mal gemeinsam ihre Sprechgesänge auf dem größten Hip-Hop-Festival in Lateinamerika, dem Hip Hop Al Parque in Bogota, Kolumbien, ins enthusiasmierte Publikum. Nach ihrer Welttournee soll ihr gemeinsames Debütalbum herauskommen. Wenn sie ihre Stimmen erheben, dann gibt’s Texte über die Kraft der Frau, kritische Statements zu politischen Unzulänglichkeiten und stupiden Machtverhältnissen. So nebenbei bekommen auch einzementierte westliche Normen und Handlungsweisen ihr Fett ab. „Als arabische Frau ein(e) MC (Mistress of Ceremonies: Rapperin in einer Hip-Hop-Gruppe, Anm. d. Red.) zu sein, ist sehr schwer. Du musst doppelt so hart arbeiten, um dir den Respekt vom Publikum zu holen“, sagt Malikah. Seit sie mit Kult-Rapper Snoop Dogg zusammengearbeitet hat, ist das allerdings kein Thema mehr. Zu Beginn ihrer Karriere stand Englisch auf dem Programm, seit 2006 rappt sie in ihrer Muttersprache. „Ich hatte das Bedürfnis, während des Krieges mit Israel für meine Leute einen Track zu schreiben … und da kam ich auf meine wirkliche Identität und begann in Arabisch zu rappen.“ Bei „Lyrical Roses“ an Malikahs Seite: Pyranja, geboren in Ostdeutschland, prangert mit ihren heftigen und selbstbewussten Lyrics die Lebenssituation von Frauen in der Männerwelt der westlichen Hemisphäre an. Politisch aktiv, rappt indessen die Kolumbianerin Diana Avella gegen die schweren Lebensbedingungen in ihrem Land – Hip-Hop als lyrische Waffe im Kampf für Menschenrechte. Diana ist ein in ganz Lateinamerika gehörtes Sprachrohr gegen soziale Ungerechtigkeiten. Reggae mit Hip-Hop verbindet Nazizi aus Kenia. Diesem Mix verdankt sie ihren Ruf, die erste erfolgreiche weibliche Künstlerin in Ostafrika zu sein. Jede einzeln für sich ein starkes, einzigartiges Ereignis, ergeben die Vier zusammen eine couragierte, hochexplosive Mischung – ein Konzerterlebnis mit gesellschaftspolitischer Brisanz. Einmal gesehen und gehört – kaum mehr Malikah von den Gehirnwänden zu löschen.

„Frauen! Ruft zur Freiheit im Namen jeder Frau, die aufschreit und streitet für Menschlichkeit!“

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zum feiern Ein halbrunder Geburtstag darf ruhig mit einem runden Programm begangen werden. Vor allem, wenn dem Jubilar auf so hochkarätige Weise gratuliert wird. Von Thomas Fröhlich

Als Antonín Dvořák 1892 erstmals amerikanischen Boden betrat, war das gleichsam das Betreten einer neuen Welt. „Aus der Neuen Welt“ nannte er seine neunte Symphonie, in der er seine dort gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke ver­ arbeitete. Vor genau 15 Jahren, 1997, öffnete das Festspielhaus St. Pölten seine Pforten. Auch dies kam einem Aufbruch zu neuen Ufern (und Welten) gleich. Unzählige Top-Künstlerinnen und -Künstler aus sämtlichen Erdteilen waren seitdem im Haus an der Traisen zu Gast, um dort beim Publikum, das für den Kunstgenuss mitunter ebenfalls beachtliche Strecken zurücklegt, bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Eine unaufgeregte Internationalität, die auch der allseits akklamierte Pianist Rudolf Buchbinder zu schätzen weiß: „Das heutige Musikleben findet weltweit statt.“ Buchbinder, der beständig zwischen China, den USA, Deutschland und Österreich unterwegs ist, muss es wissen. Und so ist auch das Jubiläumsprogramm, das die Tonkünstler unter ihrem Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada gemeinsam mit Rudolf Buchbinder spielen, dieser Aufbruchsstimmung gewidmet. Dvořák, Gershwin, Bernstein – Kompo­ nisten, die immer schon über den eigenen Tellerrand hinaus blickten und Nähe nicht zuletzt im Fernen fanden. So wie es Buchbinder seit Jahren erfolgreich praktiziert: „Vom ‚Kuchen‘ der Musik k ­ önnen heute alle auf der ganzen Welt mitessen.“ In diesem Sinne: Es ist angerichtet. Festspielhaus St. Pölten, 29./30.09.2012: „OrozcoEstrada/Buchbinder: 15 Jahre Festspielhaus“ Tonkünstler-Orchester Nieder­ österreich. Solist: Rudolf Buchbinder, Klavier. Dirigent: Andrés Orozco-Estrada. Leonard Bernstein: Ouvertüre zu „Candide“. George Gershwin: Konzert für Klavier und Orchester in F. Antonín Dvořák: Sym­phonie Nr. 9 e-moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“.

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Nora feiert heuer ihren 133. Geburts­ tag. Das sieht man der Dame aller­ dings nicht im Ge­ ringsten an. Schon gar nicht, wenn ein Komödien- und Horrorspezialist wie Herbert Fritsch Hand anlegt und Henrik Ibsens Stoff neues Leben einhaucht. Von Marion Pfeffer

meine nora

ist meine nora

Mit „Nora oder ein Puppen- Landestheater Nieder­ heim“ schuf Henrik Ibsen 1879 österreich, 20.10.2012, zweifellos ein zeitloses Meister- Österreich-Premiere: werk über Abgründe der Seele, Henrik Ibsen „Nora oder kriminelle Energien und Ge- ein Puppenhaus“, Gastspiel heimnisse in der Familie. Was Theater Oberhausen den Regisseur Herbert Fritsch an „Nora oder ein Puppenhaus“ (!) Regie und Bühne: Herbert fasziniert, ist ganz einfach: „Die Fritsch. Kostüme: Victoria Perversion.“ Die ist nämlich zeit- Behr. Musik: Otto Beatus. Mit los. Bei der Herangehens­ weise Torsten Bauer, Nora Buzalka, an den literarischen Stoff hat Manja Kuhl, Henry Meyer, Fritschs Stil deutliche Spuren Jürgen Sarkiss. hinterlassen. „Meine Nora ist meine Nora ist meine Nora. Als Regisseur und Bühnenbildner der Inszenierung kann ich sie nicht von meiner Regiehandschrift und meinen künstlerischen Vorstellungen trennen.“ Das Ergebnis ist – wie man aus den höchst erfolgreichen Aufführungen seiner Inszenierung in Oberhausen vermuten darf – spannend und fri(t)sch. „Für mich war der Bezug zu Hitchcocks ‚Vertigo‘ und zum Sterntaler-Märchen ganz wesentlich“, gibt der Wahlberliner einen Einblick in seine In­spirationen. Worauf er bei seiner Inszenierung besonderen Wert legt? „Dass ich entfessle und in den Wahnsinn treibe. Ich denke, ich bin ein Entfesselungskünstler. Dabei habe ich das Ensemble, das Publikum und den gesamten ­ Theater­apparat im Blick. Ich möchte alle Beteiligten entfesseln und keinen Zweifel daran lassen, dass Theater eine Kunstform ist, für die es sich zu brennen lohnt.“ Zu St. Pölten hat er dann doch eher einen relaxten Zugang: „Ich kenne St. Pölten nicht, aber es klingt für mich nach Ferien.“

„Ich möchte entfesseln und in den Wahnsinn treiben.“ Herbert Fritsch

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ein genre

wird erwachsen

Das Kindertheater ist herangereift. Gewachsen in der Breite des Angebots, gewachsen in der Tiefe der Qualität. mehrere spannende Kindertheaterproduktionen in St. Pölten zeigen, was Kindertheater heute ist und sein kann. Von Katharina Menhofer

Vor rund 40 Jahren steckte das Genre Kinder­ theater noch buchstäblich in den Kinderschuhen. Alternativen zum Kasperltheater gab es wenig. Das Angebot beschränkte sich auf die traditionellen Märchenstücke im Theater der Jugend, das vorweihnachtliche „Hänsel und Gretel“ an der Wiener Volksoper und ein paar ideologisch gefärbte Gastproduktionen aus der DDR, die in Sachen Kindertheater immer schon eine Vorreiterrolle hatte. Heute werden Kinder schon als Eineinhalbjährige als Theater-Zielgruppe erkannt, in Kindergärten ist der Besuch von Theatergruppen selbstverständlich, das Burgtheater öffnet für Kinder das Haupthaus, und jedes Landestheater bietet neben der Jugendtheaterschiene auch ein breit gefächertes Vermittlungsangebot für Schulen. Das Kindertheater, so scheint es, ist erwachsen geworden. Das Genre, einst lediglich als didaktisches Instrument verstanden, hat sich in Österreich seit den 1980er Jahren extrem weiterentwickelt. Neue freie Gruppen (wie Moki, Lilarum, Narrenkastl etc.) entstanden, und seit den 1990er Jahren wird durch den Verein ASSITEJ oder das Jugendtheaterfestival szene bunte wähne auch der internationale Austausch gepflegt. 2004 konnte in Wien endlich das von der freien Szene erkämpfte und lang erwartete Theaterhaus dschungel eröffnen.

komischen Schrägheiten. Es sei anspruchsvoll, die Medien Buch und Bühne visuell miteinander abzugleichen, aber „wimmelnde“ Bilder werden auch in der Theater-Umsetzung eine Rolle spielen, sagt ­Regisseur Dominic Oley, der selbst die Spielfassung erstellt hat. „Ich halte sehr wenig von einer intellektuellen Vernied­lichung von Kindern, und ich denke, die Kinder halten davon auch nichts.“ Schon die nächste Kindertheaterproduktion „Eine Woche voller Samstage“ von Paul Maar wird Bettina Hering übrigens selbst inszenieren. Das Landes­ theater bietet außerdem Einführungen, Theaterworkshops und Ferienwerkstätten für Kinder an, mit Nehle Dick gibt es auch eine neue Ansprechpartnerin im Bereich Kulturvermittlung.

seiltänzerin mit höhenangst

Im Festspielhaus St. Pölten widmen sich zwei Tanzproduktionen für Kinder dem Thema Zirkus. Das Zirkustheater, diese Symbiose aus Zirkuskunst, Tanz und ­Theater, das in Frankreich als Nouveau Cirque eine lange Tradition hat, ist hierzulande eine noch unentdeckte Kunstform. Ihre Erweckung aus dem Dornröschenschlaf hat sich die deutsche Compagnie „HeadFeedHands“ vorgenommen. ­„Fischen ohne Helm“ heißt ihre von der Kritik be­ jubelte Produk­ tion, bei der mit den Ausdrucks­

ein leben aus torte

Zur Autorin: Katharina Men­hofer ist Kulturredak­ teurin mit Schwerpunkt Theater beim ORF-Radiosender Ö1 und gestaltet u. a. die Interviewsendung „Inter­ mezzo“.

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Welchen Stellenwert das Kinder­theater für Bettina Hering hat, zeigt die neue Leiterin des Landestheaters Niederösterreich, indem sie ihre erste Saison mit dem Stück „Minus oder die verrückte Hutjagd“ eröffnet – als Vorlage dienten zwei Bücher des schwedischen Autors und Zeichners Sven Nord­ qvist. „Du, ich geh mir schnell über die Zähne putzen, damit wir gleich ein Leben aus Torte zusammen ­essen können!“, lässt Nordqvist einen seiner Protagonisten im Stück sagen. Der Schöpfer von Petterson und Findus ist bekannt für seine liebevoll-verrückten Figuren, phantasievollen Details und absurd-

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www.landestheater.net

mitteln des Zirkus eine Familiengeschichte erzählt wird. Die Bühne wird zum Parcours – mit schräger Wand, Tisch, Kletterstange und einer Badewanne. Die holländische Produktion „Circus Santa Sangre“ verspricht einen Einblick hinter die ­Zirkuskulissen. Die Seiltänzerin hat Höhenangst, der Messerwerfer Lampenfieber und der Zauberer Probleme mit den Spielkarten. Wie geht es Zirkusartisten, wenn sie an einer neuen Vorstellung arbeiten, und wo treffen Wahrheit und Schein, Wunderwelt und Realität aufeinander? Das Theaterangebot für Kinder ist heute größer und breiter als je zuvor in der Geschichte. Aber kann das Theater mediengesättigten und reizüberfluteten Kindern von heute überhaupt noch etwas bieten? Ja, meint Regisseur Dominic Oley. Denn das ­Theater sei ein unmittelbares Medium mit echten Menschen und ein wertvolles zwischenmensch­ liches Experimentierfeld – sowohl für die Menschen hinter und auf der Bühne als auch für die Zuschauer. Nicht für die Zuschauer von morgen, sondern für die von heute!

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„Ich halte sehr wenig von einer intellektuellen Verniedlichung von Kindern.“ Dominic Oley

T 02742 90 80 60-600

Landestheater Nieder­österreich

Kindertheater

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06.10.2012, Urauf­führung: Sven Nordqvist „Minus und die ver­rückte Hutjagd“ (ab 4 Jahren). Regie: Dominic Oley. Aus­stattung: Angelika Höckner. Mit Katharina von Harsdorf, Jan Walter, Helmut Wiesinger. 24.11.2012, Premiere: Paul Maar „Eine Woche voller Samstage“ (ab 6 Jahren). Regie: Bettina Hering. Bühne: Martin Warth. Kostüme: Linda Redlin. Mit Pascal Groß, Katharina von Harsdorf, Marion Reiser. Informationen zu den Schulvorstellungen und zum Vermittlungsprogramm unter www.landestheater.net Festspielhaus St. Pölten 27.09.2012, Österreich-Premiere: „Fischen ohne Helm“ (ab 10 Jahren). Von HeadFeedHands. Regie: Gary Joplin. Mit Tim Behren, Marion Dieterle, Emmeran Heringer, Günter Klingler, Florian Patschovsky. 21.10.2012: „Circus Santa Sangre“ (ab 6 Jahren). Idee und Choreographie: Andreas Denk. Regie: Dirk Groeneveld. Mit Eva Vrieling, Woedy Woet, Andreas Denk, Wynn Heliczer. Informationen zu den Schulvorstellungen der beiden Stücke unter www.festspielhaus.at.

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spielplan der st. pöltner bühnen september

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Gernot Kulis 20:00 Die Bühne im Hof | Comedy

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Gernot Kulis 20:00 Die Bühne im Hof | Comedy

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Tehran Vocal Ensemble (IR) 19:30 Die Bühne im Hof | A Cappella

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Alfred Dorfer 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

Blätterwirbel 2012 19:00 Personale Anna Mitgutsch Landestheater, Großes Haus

Minus und die verrückte Hutjagd 17 15:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt 20:00 Uraufführung & Premiere 18 06 Wuttke spricht Pollesch 19:30 19:00 Landestheater, Großes Haus

06 „The Lyrical Roses“ AnneMarie Höller & Mario Berger 19:30 Die Bühne im Hof | Hip-Hop 20:00 Die Bühne im Hof | Konzert Wolfgang „Bamschabl“ Katzer 20:00 Die Bühne im Hof | Musikkabarett

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Manuel Horeth 20:00 Die Bühne im Hof | Mentalisten-Show

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Wir sind noch einmal 19:45 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus | Premiere

Sadler’s Wells presents 08 Auftakt 19:30 Sidi Larbi Cherkaoui: Sutra 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik Festspielhaus, Großer Saal | Tanz/Live-Musik anschl. TAO Dance Theater, Box

22

Sadler’s Wells presents 19:30 Sidi Larbi Cherkaoui: Sutra Festspielhaus, Großer Saal | Tanz/Live-Musik anschl. TAO Dance Theater, Box

27 Fischen ohne Helm 18:00 Festspielhaus, Box Zirkus/Tanz/Theater | Österreich-Premiere 27

Klaus Eckel & Günther Lainer 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

28

Eröffnungsfest Café Publik 20:30 Festspielhaus, Café Publik | Musik/Funk/World

29

Orozco-Estrada/Buchbinder: 19:30 15 Jahre Festspielhaus Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik

30

Orozco-Estrada/Buchbinder: 18:00 15 Jahre Festspielhaus Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik

oktober 04

Erinnerungen an die Ewigkeit 19:30 Festspielhaus, Bühne | Musik/Literatur

04

Alfred Dorfer 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

11

Der Bauer als Millionär 19:30 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus | Premiere

19

Minus und die verrückte Hutjagd 16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt

19

Gregor Seberg 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

20

Minus und die verrückte Hutjagd 16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt

11

Florian SCheuba & Rainer Nikowitz 20 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett 19:30 12 Minus und die verrückte Hutjagd 16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt 20 19:30 12 Wir sind noch einmal 21 19:30 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus 18:00

12

hans Söllner 20:00 Die Bühne im Hof | Konzert – Bayern

Residenz in der Werkstatt Blätterwirbel 2012 Landestheater, Theaterwerkstatt

18

20 21

Barbara Karlich Die Bühne im Hof | Heitere Lesung

Nora oder ein Puppenhaus Ibsen/Fritsch

Landestheater, Großes Haus

Gastspiel Theater Oberhausen, Österreich-Premiere

Lizz Wright Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Folk/R&B Circus Santa Sangre Festspielhaus, Box | Tanz/Zirkus

21

Viktor Gernot & His Best Friends 18:00 Die Bühne im Hof | Show/Musik

13

Minus und die verrückte Hutjagd 22 Vive la France! 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik 16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt 22 Viktor Gernot & His Best Friends 13 Eröffnung Blätterwirbel 2012 20:00 Die Bühne im Hof | Show/Musik 19:00 & Personale Sabine Gruber 23 Blätterwirbel 2012 Landestheater, Großes Haus 19:00 Personale Paulus Hochgatterer 13 Aszure Barton: Project XII Landestheater, Großes Haus 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Tanz 24 die Wuchtel Österreich-Premiere 19:00 Grosser NÖ Kabarettpreis 17 Wir sind noch einmal Die Bühne im Hof | Kabarett 10:30 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus 24 Die Dubarry 19:30 Festspielhaus, Großer Saal Operette, Gastspiel der Bühne Baden

Familienvorstellung Einführungsgespräch vor der Vorstellung bzw. KünstlerInnen-/Ensemblegespräch nach der Vorstellung Vormittagsvorstellung/Schulvorstellung – etwaige weitere Vormittagstermine erfahren Sie direkt in den Häusern. FEST/SPIEL/HAUS/ ST/POELTEN/

12 bühne

Festspielhaus St. Pölten

Landestheater Niederösterreich

Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten, Tel. +43 (0)2742 / 90 80 80-222 E-Mail: karten@festspielhaus.at, www.festspielhaus.at Kartenbüro: Die Bühne im Hof und Festspielhaus, Linzer Straße 18, 3100 St. Pölten, Tel. +43 (0)2742 / 211 30

Rathausplatz 11, 3100 St. Pölten Theaterkassa Ecke Roßmarkt/Heitzlergasse, 3100 St. Pölten Tel. +43 (0)2742 / 90 80 60-600 E-Mail: karten@landestheater.net, www.landestheater.net

spielorte


24

Wir sind noch einmal 19:30 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus

25

Jazz Spezial 20:30 Festspielhaus, Café Publik | Musik/Jazz

25

Der Bauer als Millionär 19:30 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus

25

Markus Hirtler als ERMI-Oma 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

08

Lukas REsetarits 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

09

16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt

09

Eva maria Marold 20:00 Die Bühne im Hof | Musik/Kabarett

10

Der Bauer als Millionär 16:00 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus

27

Minus und die verrückte Hutjagd 10 16:00 Sven Nordqvist 20:00 Landestheater, Theaterwerkstatt 12 27 Der Bauer als Millionär 19:30 19:30 Ferdinand Raimund 13 Landestheater, Großes Haus 19:30

november 01

Les 7 doigts de la main: PSY 19:30 Festspielhaus, Großer Saal Tanz/Performance/Akrobatik

02

Minus und die verrückte Hutjagd

16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt

02

Der Bauer als Millionär 19:30 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus

02

Buster Keaton – Double Act (UA) 19:30 Festspielhaus, Box | Tanz/Magie/Komik

Minus und die verrückte Hutjagd

14

Rudi Roubinek Die Bühne im Hof | Kabarett/Comedy Naturmusik Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik Jean Ziegler Die Bühne im Hof | Vortrag Der Bauer als Millionär

19:30 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus

Jazz Bigband Graz: 19:30 Dangerous Liaison Festspielhaus, Großer Saal Musik/Jazz/Big Band

07

Lukas REsetarits 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

Gabriela Montero 18:00 Festspielhaus, Großer Saal Musik/Klassik/Improvisation

18

Theresia Haiger, Helmuth Vavra, 20:00 Sigrid Spörk, Serge Falck Die Bühne im Hof | Kabarett

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Leif Ove Andsnes/ 19:30 Mahler Chamber Orchestra Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik

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Chick Corea Trio 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Jazz

20 Der Bauer als Millionär 19:30 Ferdinand Raimund Landestheater, Großes Haus 22

Operettengala 2012 19:30 Die Bühne im Hof | Operettengala

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Operettengala 2012 19:30 Die Bühne im Hof | Operettengala

24

14

Eine Woche voller Samstage 16:00 Paul Maar Landestheater, Großes Haus | Premiere

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26 Bewegende Klänge 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik

Martina Schwarzmann 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett – Bayern Monti Beton – live: Das ist Kult! 20:00 Die Bühne im Hof | Konzert/Rock’n’Roll

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Tastentiger & Tastenpanther 17:30 Festspielhaus, Box | Musik/Klassik

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Roland Düringer 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

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DREI.FACH.SALTO 19:30 Festspielhaus, Bühne | Musik/Circus/Toys

Wir sind noch einmal 19:30 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus

16

29

Theresia Haiger, Helmuth Vavra, 20:00 Sigrid Spörk, Serge Falck 03 Minus und die verrückte Hutjagd Die Bühne im Hof | Kabarett 14:00 Sven Nordqvist 17 Minus und die verrückte Hutjagd Landestheater, Theaterwerkstatt 16:00 Sven Nordqvist 03 DJ Grazzhoppa’s DJ Big Band Landestheater, Theaterwerkstatt 19:30 Festspielhaus, Bühne | Musik/DJ/Big Band 17 Info-Abend Bürgertheater 04 Buster Keaton – Double Act 18:00 „Aufgleisen!“ 19:30 Festspielhaus, Box | Tanz/Magie/Komik Landestheater, Theaterwerkstatt

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Wir sind noch einmal 19:30 davongekommen, Thornton Wilder Landestheater, Großes Haus

„Und wenn ich auf dieser Erde 19:30 nirgends meinen Platz finden sollte ...“ Festspielhaus, Box | Musik/Literatur

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Roland Düringer 20:00 Die Bühne im Hof | Kabarett

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Minus und die verrückte Hutjagd 16:00 Sven Nordqvist Landestheater, Theaterwerkstatt

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15 Jahre French Connection 20:00 Die Bühne im Hof | Chanson

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Trio Wanderer 19:30 Festspielhaus, Großer Saal | Musik/Klassik

jetzt ausgestellt Bis 17.03.2013 | Landesmuseum

spielorte

Die Bühne im Hof

Landesmuseum Niederösterreich

Julius-Raab-Promenade 37, 3100 St. Pölten Tel. +43 (0)2742 / 35 22 91 Kartenbüro: Tel. +43 (0)2742 / 211 30 E-Mail: karten@bih.at, www.bih.at

Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten Tel. +43 (0)2742 / 90 80 90-999 E-Mail: info@landesmuseum.net www.landesmuseum.net

„Kiesel & Klunker – Vielfalt aus Nieder­ österreichs Boden“. Die Ausstellung zeigt nicht nur die Formen­fülle unserer Bodenschätze, sondern bietet in anschaulicher Form Antworten auf die Fragen: Was ist ein Mineral, ein Gestein, ein Fossil?

bühne 13

spielplan-doppelseite zum herausnehmen!

September, Oktober, November 2012


tasten

short cuts

zauber

Jazz, Klassik, Im­ provisation und mehr: St. Pölten zeigt, was man auf Tasten alles anstellen kann.

Ein Klavier besitzt 88 Tasten, ein Konzertflügel bis zu 97, Akkordeon und Toy Piano deutlich weniger. Welche Klanguniversen man mit ihnen zaubern kann, führt Von Stefan Musil von 16. bis 20. November wieder das Festival Tasten­ musik vor. Für fünf Tage wird das Festspielhaus zum Mekka für Musikfreunde. Facettenreich ist das Programm: Klassisch, wenn Meisterpianist Leif Ove Andsnes das erste und dritte Klavierkonzert Beethovens spielt. Tastenweise Kammer­ musikalisches bietet das Trio Wanderer, darunter das herrliche, selten gespielte Tschaikowsky-Trio. Die Pianistin Gabriela Montero ist eine gefeierte Meisterin der Improvisation. Sie wird nach Liszts gewaltiger h-moll-Sonate aus Melodie-­ Vorschlägen des Publikums Stücke live erfinden. Dabei kann es schon passieren, dass „Yesterday“ plötzlich klingt, als hätte es Bach komponiert, oder „La Paloma“ zu einer Ballade à la Chopin mutiert. Kunterbunt wird es, wenn Isabel Ettenauer mit ihren Toy Pianos spielt, Guy Klucevsek die AkkordeonTasten bedient und Jérôme Thomas mit Circus-Künsten ­verführt. Natürlich passt ein Weltklasse-Jazzer und Grenzüberschreiter wie Chick Corea, der mit seinem Trio antritt, perfekt in so ein reiches Festivalprogramm. Corea hat nicht nur im Jazz wichtige Marken gesetzt, legendär sind ebenso seine Auftritte mit Friedrich Gulda, mit dem er Mozart und Selbstkom­ poniertes gespielt hat. Eine schilFestspielhaus St. Pölten, lernde Palette voller Musikgenuss 16.–20.11.2012: also und Inspiration für aktive Festival Tastenmusik Musiker, wie die Schülerinnen und Mit Isabel Ettenauer/ Schüler der Musikschule St. Pölten. Guy Klucevsek/Jérôme Traditionell geben sie im Festival Thomas, Trio Wanderer, ihr Konzert, um zu zeigen, dass Gabriela Montero, von sieben­einhalb bis 75 Jahren Leif Ove Andsnes/Mahler Klavier­spielen einfach Spaß macht! Chamber Orchestra, Chick Corea Trio. Der Festival-Pass bietet alle Veranstaltungen um 30 % ermäßigt. Zum Autor: Stefan Musil arbeitet als Kulturjournalist, u. a. für die Tageszeitung „Die Presse“ und das Theatermagazin „Bühne“, und ist selbstständiger PR- und Kommunikations­berater.

14 Bühne

20.09.2012 | Die Bühne im Hof Lebensfreude! Hitzige Rumba, treibende Polka und afrikanische Rhythmen, feuriger Tango und leidenschaftliche Chansons, virtu­ose Anleihen von Mozart und mitreißende Zutaten des Zydeko – auf ihrem neuen Album „Novo Día“ vereinen Sängerin AnneMarie Höller und Gitarrist Mario Berger verschiedenste Einflüsse in einem einzigartig groovigen Mix. Begleitet von Percussion, Bass und Ziehharmonika feiern Höller & Berger in ihren Songs das Leben. Und bei all den Funken, die fliegen, bleibt dem Publikum nur eins: mitfeiern!

ab 11.10.2012 | Landestheater Der Bauer als Millionär oder Das Mädchen aus der Feenwelt. Ein bunter Reigen aus Liebe, Neid, Schicksal und Magie zeichnet für den Erfolg von Ferdinand ­Raimunds beliebtestem Stück verantwortlich, die Melodie von „Brüderlein fein“ zum Abschied von der Jugend hat vermutlich jeder im Ohr. Das romantische Zauber­märchen hält in der fulminanten Inszenierung von Jérôme Savary, koproduziert mit der Bühne Baden, Einzug im Landestheater Niederösterreich.

bis 28.10.2012 | Landesmuseum Friedrich Gauermann. Auf der Suche nach Wahrhaftigkeit in der Kunst wurde er fündig in der Darstellung der Natur. Seine naturalistischen Landschaftsbilder bezaubern durch atemberaubende atmosphärische Stimmungen – hervorgerufen vom virtuosen Spiel mit dem Licht und technischer Brillanz, sowohl in zeichnerischer als auch in koloristischer Hinsicht. Damit – und ebenso mit seinen einzigartigen Tierbildern – ­sorgte er, neben Künstler­kollegen Waldmüller, für Höhepunkte in der österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts.

spielorte


moralist

& aufrührer

Vor drastischen Formulierungen scheut er nicht zurück, wenn es darum geht, den Westen aus seiner selbst­gefälligen Bequemlichkeit zu ­reiSSen: Jean Ziegler ist ein unermüdlicher ­ Kämpfer gegen Un­gerechtigkeit, Gier und die fatalen Auswirkungen der Globalisierung. Von Maria Rennhofer

Die Begegnung mit Che Guevara, dessen Chauffeur er während der ersten Weltzuckerkonferenz der UNO in Genf war, beeindruckte den jungen Hans Ziegler nachhaltig. 1934 in Thun geboren und in bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, hatte er bereits während eines Aufenthalts im Kongo im Auftrag der Vereinten Nationen das Elend der Bevölkerung hautnah erlebt. Auch die Freundschaft mit Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir – die ihn motivierte, seinen Vornamen in Jean zu ändern – hatte sein bis dahin festes Weltbild ins Wanken gebracht. Doch als er Che Guevara kurz entschlossen nach Kuba folgen wollte, antwortete ihm dieser angeblich: „Der Kopf des Monsters ist hier. Hier ist Dein Platz, hier musst Du kämpfen!“ Jean Ziegler nahm den Auftrag ernst, blieb in der Schweiz und verschrieb sich dem Kampf um Gerechtigkeit: als Professor für Soziologie an der Universität Genf und an der Pariser ­Sorbonne, als Nationalratsabgeordneter für die Sozialdemokratische Partei, als UN-Sonderberichter­statter für das Recht auf Nahrung und als Mitglied mehrerer internationaler Gremien für humani­täre und Menschenrechtsangelegenheiten. In zahlreichen Büchern, Artikeln, Vorträgen und Diskussionen versucht Ziegler die Zusammenhänge zwischen der Gewinnmaximierung der multinationalen Konzerne und dem ­Hunger in weiten Teilen der Welt aufzuzeigen. Seine Schlussfolgerung: „Wir lassen sie verhungern“ – so der Titel seines jüngst erschienenen Buches. Seine Kritiker werfen Ziegler Einseitigkeit vor: Während er vor allem die USA und Israel anprangere, unterstütze er Diktatoren wie Fidel Castro in Kuba, Robert Mugabe in Simbabwe oder – ­damals noch – Muammar al-Gaddafi in Libyen. Die angebliche Nähe zu Gaddafi war auch der ­offizielle Grund dafür, dass er als Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele 2011 ausgeladen wurde. Inoffiziell munkelte man, sein Auftritt sei am Veto Die Bühne im Hof, 13.11.2012: der Festspielsponsoren gescheitert. Die Rede w ­ urde Vortrag Jean Ziegler „Wir lassen sie verhungern“. nachträglich unter dem Titel „Der Aufstand des GeIm Rahmen des Dialoges zwischen den Kulturen. wissens“ publiziert. Jean Ziegler lässt sich nicht entmutigen und kämpft Publikationen von Jean Ziegler u. a.: weiter: gegen den Hunger, gegen die Gleichgültig„Wir lassen sie verhungern“, Verlag Bertelsmann, 2012; keit und für das „Menschenrecht auf Glück“. „Der Aufstand des Gewissens“, Ecowin-Verlag, 2011.

„Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“ Jean Ziegler

spielorte

Hinterbühne 15


NEUSTART AM LANDESTHEATER NIEDERÖSTERREICH: die Künstlerische Leiterin BETTINA HERING HAT SICH NICHT NUR FÜR IHRE ERSTE SPIELZEIT VIEL VORGENOMMEN. IM INTERVIEW VERRÄT SIE, WIE SIE DAS HAUS GEMEINSAM MIT DEM ENSEMBLE, DEN MITARBEITERN UND GÄSTEN POSI­TIONIEREN UND DAS PUBLIKUM ÜBERZEUGEN WILL. Von Maria Rennhofer

das theater

als lebendiger Platz Sie leiten zum ersten Mal ein Theater – wie sehr identifizieren Sie sich damit?

Ich fühle mich für das ganze Haus verantwortlich, vom Keller bis zum Dach. Damit ein gewisser Geist herrscht, müssen alle Abteilungen zusammenpassen. Daher ist es für mich wichtig, mitten im ­Betrieb zu sein, denn das künstlerische Konzept geht nur auf, wenn es von allen mitgetragen wird.

Wo sehen Sie das Landestheater Niederösterreich verankert, sowohl als Institution in der Stadt als auch in der regionalen und internationalen Vernetzung? Man muss sich

l­ okal ausrichten, ohne provinziell zu sein. Ausgehend vom bisher erfolgreich Aufgebauten will ich ­schauen, in welche Richtung das Schiff weiter segeln kann. Ich möchte eine große Vielfalt an­ bieten, dazu gehören ­Eigenproduktionen, aber auch weiterhin Gastspiele, die Fenster öffnen und zeigen, wie Probleme anderswo verhandelt werden. Und ich möchte mit dem Theater über die ­eigenen Grenzen hinausgehen und Koproduktionen – wie heuer mit dem Berliner Ballhaus Naunynstraße – eingehen, um sich der Sicht von außen zu stellen.

„Man muss mutig sein, den Kontakt zum Publikum nicht verlieren und wissen, für welchen Ort man Theater macht!“ Bettina Hering Wie wollen Sie das Gleichgewicht zwischen Kontinuität des bisherigen Konzepts und ­Abgrenzung von ihrer Vorgängerin Isabella Suppanz halten? Ich bin eine andere Persön-

lichkeit und bringe automatisch andere Leute und andere Interessen mit, aber ich suche keine bewusste Abgrenzung. Mir geht es darum, was kann man tatsächlich kreieren. Zum Beispiel Bürger­theater. Das ist keine Attitüde, sondern ich will die Tür öffnen und sehen: Wer lebt hier, für welche Art ­Theater interessieren sich die Leute, welche Probleme soll das Theater behandeln? Das ist natürlich nicht auf eine Spielzeit, sondern längerfristig angelegt, und da sehe ich viel Entwicklungspotenzial.

Die erste Spielzeit steht unter dem Motto „Mit subversivem Humor zur Gegenwarts­­ bewältigung“ – kann denn das Theater zur Bewältigung oder gar zur Verbesserung bei­ tragen? Ich glaube, zur Weltverbesserung bin ich nicht geeignet! Aber als Dramaturgin ist es mir

wichtig, dass ein Spielplan nicht ein Sammelsurium von Beliebigem ist, sondern Ideen weiter gesponnen werden und mehrere Facetten eines Themas widerspiegeln. Ein Motto vermittelt einen Zusammenhang. Wenn man das konventionell nennt, macht mir das gar nichts!

Wie viel kann man tatsächlich bewirken, und wo sind die Grenzen des Theaters?

Das Theater muss immer gesellschaftlich und politisch verankert sein, alles andere würde mich nicht interessieren. Wenn man Themen findet, die die Leute interes­sieren, dann hat man es auch schon geschafft, dass da­rüber gesprochen, nachgedacht und vielleicht etwas verändert wird.

16 Hinterbühne

spielorte


Sabine Gruber

Das herbstliche Literatur­ festival Blätter­ wirbel geht ins ver­flixte 7. Jahr. Kein Grund zur Beunruhigung!

bis 14.10.12 | Dominikanerkirche Krems

ab 29.09.12 | Landesmuseum

Von Thomas Fröhlich

jetzt schlägt’s

sieben!

Angefangen hat’s, wie oft, im Wirtshaus – in diesem Fall im Kulturbeisl EGON: Eine aus Kunstschaffenden und -vermittlern beste­ hende Gruppe, zu der maßgeblich die damalige künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich Isabella Suppanz zählte, schmiedete hier 2005 einen Kulturentwicklungsplan für St. Pölten. Doch stand ihnen der Sinn nicht nur nach grauen Theorie­papieren. Ausgehend von der Landesbuchausstellung entwickelte man das Konzept eines unkonventionellen, unterschiedliche Ausdrucksformen und Spielstätten umfassenden Literatur- und Theaterfestivals, den Blätterwirbel. Das Land Nieder­ österreich wie auch die Stadt St. Pölten zeigten sich von Anfang an von der Idee begeistert. Und so gestaltete die „EGON-Runde“ im Herbst 2006 den ersten Blätter­wirbel mit Lesungen, Ausstellungen, Theater­abenden, Filmen und WorkLandestheater Niederösterreich, shops. Es wurde auf Cinema Paradiso, Stadtmuseum Anhieb ein Riesen­ St. Pölten u. a., 13.10.–04.11.2012: erfolg. Eine Fort­setzung Festival Blätterwirbel 2012 – Lesefest, war daher Ehrensache. Literaturwoche, Kulinarisches Nach der Eröffnung mit Informationen zu den einzelnen Veraneiner Rede des Kulturstaltungen unter www.blaetterwirbel.at publizisten Klaus Nüchtern widmet das Landestheater Niederösterreich unter seiner neuen künstlerischen Leiterin Bettina Hering im Rahmen der nunmehr siebenten Auf­ lage des Blätterwirbels den drei österreichischen AutorInnen Sabine Gruber, Anna Mitgutsch und Paulus Hochgatterer je einen Abend für eine umfassende Personale, die unter anderem von Birgit Doll, Klaus Nüchtern, Christine und Rudolf Scholten moderiert werden. Hinzu kommen Matinéen, u. a. mit dem Komponisten Karlheinz Essl, eine Residenz-Verlags­präsentation, eine ­Mumien-Nacht, ein Liederabend beim Heurigen und, und, und ...

Ein richtiger Wirbel wird das wieder … ohne Frage!

spielorte

short cuts Zeit Kunst Niederösterreich. Nach dem Start mit Manfred Wakolbingers drei Jahrzehnte umspannender Werkschau „UP TO THE SKIES“ in Krems wird in der adaptierten Shedhalle des Landesmuseums Niederösterreich mit der Landesgalerie St. Pölten der zweite Standort der neuen Initiative für bildende Kunst eröffnet. Unter dem Titel „REFLECTIONS“ zeigt dort Hans Kupelwieser einen facettenreichen Querschnitt durch sein Werk. Der Künstler, dem es immer um das Ausloten und Erweitern von Gattungsgrenzen und technischen Möglichkeiten geht, präsentiert sich als Grenzgänger zwischen den Medien Fotografie, Skulptur und Konzeptkunst.

20.10.2012 | Festspielhaus Lizz Wright. If Gospel’s the preacher, then Blues is the teacher. Oder war’s umgekehrt? Einerlei. Wenn Lizz Wright, von ihrer ­fulminanten Band begleitet, zu singen anhebt, ist das Gospel, Blues, Rock, Soul und Jazz zusammen. Oder einfacher aus­gedrückt: Musik – und zwar von herz­zerreißender Schönheit. Richtig? Right. Wright!

30.11.2012 | Die Bühne im Hof French Connection. Was passieren kann, wenn Lehrer gute Arbeit leisten, macht die ­For­mation French Connection deutlich. So gesteht Mastermind Fritz Fuchs: „Mein Interesse für Chansons hat ein sehr ­enga­gierter Französisch-­ Professor geweckt. Seit meiner Gymnasialzeit beschäftige ich mich damit.“ So intensiv, dass er vor 15 Jahren die Formation French Connection ins Leben rief, die seither dank außergewöhnlicher Arrangements, humorvoller Erklärungen und Mitsing-Passagen für Furore sorgt – auch bei Nicht-Franzosen, wie Fuchs augenzwinkernd verspricht.

hinterbühne 17


ein tag mit

Festspielhaus St. Pölten, 13.10.2012, Österreich-Premiere: „Aszure Barton: Project XII“

Natürlich ist Renate Aichinger mit dem Zug nach St. Pölten ge­kommen. Immerhin hat sie das erste Bürger­theater, das sie im Landestheater Niederösterreich er­arbeiten wird, unter den Titel „aufgleisen!“ ­gestellt.

Aszure Barton & Artists. Regie und Choreografie: Aszure Barton. Licht­design: Burke Brown. Kostüme: Linda Chow. Musik: Curtis Macdonald, Lev Zhurbin.

Renate Aichinger

Von Johannes Reichl

„Das Wort gibt es wirklich“, lacht sie über meinen überraschten Blick. Doch während es der Duden quasi metaphorisch übersetzt, war es in ­Aichingers Fall schlicht die erste Assoziation mit St. Pölten: „Auf Gleisen bin ich an der Stadt früher vorbeigefahren.“ Das Wortspiel faszinierte sie: „Du fährst auf Gleisen durchs Leben. Bringst dein Leben bis zu einem gewissen Alter auf Schiene.“ Gerade der letzte Aspekt hat denn auch die Ziel­ gruppe fürs erste Bürgertheater vorgegeben: Gesucht werden Menschen zwischen 18 und 35 Jahren zum Mitmachen. Zwölf bis fünfzehn von ihnen werden mit Renate Aichinger gemeinsam das Stück erarbeiten. Nichts – bis auf den Titel – ist vorgegeben. „Mich interessieren ja die Menschen, ihre Lebensgeschichten, das, was sie mit einbringen.“ Erst aus der Fülle dessen wird Aichinger ein Theaterstück herausdestillieren. „Das Theater ist unser Gefäß, in das wir alles einfließen lassen, es anschließend bunt durcheinander mixen und das Ergebnis schließlich im Zuge eines schönen Theaterabends aufführen!“ Innerhalb von drei Monaten werden die Teilnehmer „aufgleisen!“ kreieren und einstudieren. „Die Leute werden das Theaterleben richtig kennenlernen. Es wird spannend!“, fiebert ­Aichinger der Fahrt auf neuem Gleis entgegen.

künstlerinnen fragebogen

Die Tänzerin und Choreografin Aszure Barton bedient sich der Technik des klassischen Balletts, geht aber in ihrer Bewegungssprache weit über dieses hinaus. Ihr „Project XII“ ist eine atmosphärisch dichte Spurensuche nach „dem Weiblichen“ schlechthin, musikalisch kongenial unterstützt mit Musik des Saxofonisten Curtis Macdonald und des Bratschisten Lev „Ljova“ Zhurbin. Barton verknüpft auf virtuose Weise Tanz und Theater und schafft so einen emotionsgeladenen Dialog zwischen Bühne und Publikum.

BEWEGUNG IST FÜR MICH …

Energie.

MUSIK BEDEUTET FÜR MICH …

Vibration und Energie. Renate Aichinger wurde bereits „mit 16 Jahren vom Theatervirus infiziert.“ Die Regisseurin, Dramaturgin und Autorin arbeitete bereits u. a. für Junge Burg Wien, Junges Schauspielhaus Zürich, Stadttheater Gießen, Landestheater Bregenz. Zuletzt erschien ihr Buch „Welt.All.Tag“. Landestheater Nieder­ österreich, 17.11.2012: Infoabend zum Bürger­ theater, Anmeldung unter 02742 / 90 80 60-600.

18 Garderobe

EIN GUTER TAG BEGINNT MIT …

einer Tasse Tee und einem Spaziergang im Park mit meinem Hund.

DIESES BUCH LIEGT BEI MIR AUF DEM NACHTTISCH … Knut Hamsun, Erzählungen. EINE HELDIN IST FÜR MICH …

meine Mutter.

WEIBLICHKEIT IST …

zyklisch und wundervoll.

DIE WELT WIRD IM DEZEMBER 2012 NICHT UNTERGEHEN, WEIL …

Zeit unendlich ist.

spielorte


psychospiel

& stumme Helden Im November wird das Festspiel­ haus im Rahmen des „Jugend­ klub/300“ zum vierten Mal krea­ tive Spielwiese für alle von 15 bis 25 Jahren. Nach den ganztägigen Workshops zu Tanz, Theater, Musik und Medien finden abwechslungs­ reiche Abendvorstellungen für alle statt. Von Althea Müller

Les 7 doigts de la main: PSY

PSY – Mind-Blowing Circus

Fesselnd, verstörend, humorvoll, berührend: Weit reicht die Gefühlspalette, die die kanadische Truppe „Les 7 doigts de la main“ (die 7 Finger der Hand) auslöst. In ihrem vierten Stück „PSY“ stellen die Akrobaten die menschliche Psyche ins Zentrum der Performance, nehmen den Besucher mit in nur scheinbar alltägliche Situationen, sind wild und reißerisch, liebevoll mitfühlend. Ungezähmt verbinden sich ­Musik, Tanz und Artistik. Und rauben schlicht den Atem. „Wir zoomen Akrobatik, wie man sie aus dem Zirkus kennt, näher heran“, erklärt die künstlerische Leiterin Shana ­Carroll, die auch schon für den Cirque du Soleil – u. a. für die Oscar-Show vor 40 Millionen TV-Zusehern – verantwortlich zeichnete, die Beweggründe ihrer 7 doigts. „Wir treten im Theater auf, nicht im Zelt, so hat uns das Publikum viel direkter vor Augen. Die Leute sehen den Schweiß der Akrobaten, sind involvierter“, sagt sie und bringt PSY auf den Punkt: „Ganz viel Emotion.“

Buster Keaton – Double Act

„I don’t act. My pictures are made without script.“ Buster Keaton

Buster Keaton als Weltpremiere

Seit 2010 begeisterte Tänzer Grayson Millwood das Festspielhaus-Publikum immer wieder mit ausgefallenen Projekten und poetischen Performances. 2012/13 ist der Australier als Artist in Residence wieder zu Gast in St. Pölten, diesmal mit seinem Stück „Buster Keaton – Double Act“ im Gepäck, einer extravaganten, von Slapstick und Stummfilmästhetik geprägten Hommage an den großen Mann des frühen Kinos, der in unzähligen Produktionen nur ein einziges Mal lächelte. Kongeniale Ergänzung erfährt Millwood von ­seinem langjährigen Kollegen Gavin Webber und ihrer eingespielten Com­ pagnie ­Animal Farm Collective.

Scratch the surface

DJ Grazzhoppa’s DJ Big Band bringt den Spaß zurück an die Turntables – gleich sechsköpfig und unter dem Motto „Back to Scratch“ mit original Hip-Hop wie vor über 30 Jahren, sprich schweren Beats, dumpfen Samples, Funk, Jazz und einer starken Soulstimme von Monique Harcum. Ruhig sitzen und still zuschauen? Keine Chance!

spielorte

DJ Grazzhoppa’s DJ Big Band

Festspielhaus St. Pölten, 01.–04.11.2012: Jugendklub/300, Workshops & Abendveranstaltungen 01.11.2012: „Les 7 doigts de la main: PSY“ 02./04.11.2012: „Buster Keaton – Double Act“ (UA) 03.11.2012: Konzert „DJ Grazzhoppa’s DJ Big Band“

Garderobe 19


Landhaus in der Herrengasse mit Abgeordneten und Februarpatent (1861)

ein gutes land

seit grillparzers Tagen

1513 erwarben die Niederösterreichischen Stände ein Palais in der Nähe der Hofburg aus dem Besitz der Familie Liechtenstein. Es diente hinfort als Verwal­ tungssitz, Versammlungsort, Parlament. Wer aber waren die Niederösterreichischen Stände? Von Gerhard Tötschinger Sie waren neben dem Landesherrn die Träger der Macht. Zu ihnen gehörten der Hochadel, das waren Freiherren und Grafen, der niedere Adel – Ritter und Edle, die Prälaten – die Vorsteher der großen Klöster mit Grundbesitz und die autonomen Städte und Märkte. Landesherr und Stände hatten gegenseitige Verpflichtungen, sie regierten auf der Basis der ­Landesverfassung. Diese Zeit endete mit dem Revolutionsjahr 1848. Am 22. Juli dieses Jahres trat zum ersten Mal eine neue Instanz ins politische Leben Österreichs – der Reichstag. Unter dem Präsidium von Erzherzog Johann versammelten sich die Vertreter der Kronländer Österreichs, also aller Landesteile mit Ausnahme Ungarns.

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In die wenigen Monate seines Bestehens – er wurde schon im März 1849 wieder aufgelöst – fällt eine wichtige Entscheidung: Im Oktober 1848 wurde die Befreiung der Bauern von der Erbuntertänigkeit beschlossen. Das Gebäude im Zentrum Wiens, genannt das Nieder­ österreichische Landhaus, hatte sich seit dem Ankauf von 1513 stark verändert. Nebenhäuser waren zugekauft worden, der Eindruck war nicht mehr der eines einzelnen Palais’, es gab verschiedene Bau­ höhen, Giebel, Tore. Ein Umbau in den Jahren 1837 bis 1839 sorgte für ein nun einheitliches Bild: das uns ver­ traute Landhaus, das heutige Palais Niederösterreich, das 1848 und noch bis 1920 auch Wien diente.

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„Als Raab und Figl mit der Einigung auf einen Staats­ vertrag aus Moskau zurückkamen, begann für Österreich eine neue Periode.“ Gerhard Tötschinger

DEMOKRATIE

In Wien, dann in Baden, Melk, Klosterneuburg ­wurden Nationalgarden gegründet – paramilitärische Einheiten, die nicht dem regulären Heer angehörten. Die Zensur wurde im April 1848 aufgehoben, im ­selben Monat wurde die erste österreichische Verfassung eingeführt. Das alles änderte sich sehr schnell wieder, aber mit 1848 war der Beginn für eine künf­ tige demokratische Entwicklung gesetzt, die Grund­ lage geschaffen – und jetzt wirklich im Zeitraffer: Infolge der Aufhebung der Grundherrschaft gab es 1851 die ersten Gemeinderatswahlen im Land, das nunmehr von einem Statthalter regiert wurde, bis dahin von einem Landmarschall. Das beginnende Industriezeitalter prägte auch die folgenden Jahrzehnte in Niederösterreich – 1854 Bau der Semmeringbahn, ab 1858 der Westbahn. Dann kam der schwere Rückschlag – 1866 standen die siegreichen Preußen vor Wien, in Schloss Hof nahm der deutsche Reichskanzler Bismarck Quartier. Ein wesentlicher Schritt war das Allgemeine Wahlrecht ab dem Jahr 1907. Das Ende der Monarchie brachte auch Niederösterreich große Änderungen – ab November 1918 gab es einen Landeshauptmann als Regierungschef. Am 30.11.1920 trat erstmals die Niederösterreichische Landesregierung zusammen. Nun wurde Wien abgetrennt, Niederösterreich ab 1.1.1922 ein selbstständiges Bundesland. Die Not der Kriegsjahre und der Zwischenkriegszeit traf das Land, das nach dem Einmarsch Hitlers zum Gau Niederdonau erklärt wurde, ganz besonders ­heftig. Der Zweite Weltkrieg und die Besetzung des Landes durch sowjetische Truppen brachten es an den Rand des Ruins. Doch gerade niederösterreichische Staatsmänner prägten den Aufstieg der wieder gegründeten Republik, vor allem Julius Raab und ­Leopold Figl. Die Entscheidung, dem Land eine eigene Hauptstadt zu geben, erwies sich als richtig. Ein Aufschwung nie erhofften Ausmaßes setzte mit Beginn der Neun­ zigerjahre ein. Niederösterreich konnte seinen traditionellen Charakter erhalten – und wurde zugleich führend in Europa in wirtschaftlicher, kultureller, touristischer Hinsicht.

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Landesmuseum Niederösterreich, 12.05.2012–27.01.2013: „Ein Land im Zeitraffer – Niederösterreich seit 1848“ Höhen und Tiefen, Blütezeiten und tiefe Krisen, künstlerische Höhenflüge und technische Spitzenleistungen, charismatische Persönlichkeiten und wegweisende politische Entscheidungen prägten die Entwicklung Niederösterreichs während der vergangenen Epochen. Die Ausstellung „Ein Land im Zeitraffer“ dokumentiert diese bewegte Geschichte von 1848 bis heute. Wie aber erreicht man, dass abstrakte historische Fakten auch „im Zeitraffer“ konkret und anschaulich werden? Am besten, indem man sie an Personen, Gebäuden oder einschneidenden Ereignissen festmacht.

Massenparteien und Radikalisierung, hier Heimwehraufmarsch in Traismauer

Die dem Lande entwachsende Haupt- und Residenzstadt gehörte noch über viele Jahrzehnte zu Nieder­ österreich. In ihr hatte die Revolution im März 1848 begonnen, nun erreichte der Aufstand schnell andere größere und kleinere Städte, Dörfer, Märkte.

Zum Autor: Gerhard Tötschinger, zunächst Schauspieler, dann jahrzehntelang in der Theaterleitung tätig, ist heute Regisseur und Autor. Seine zahlreichen Bücher, vorwiegend zu kulturhistorischen Themen, wurden in viele Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen ist ein Buch über Franz Liszt sowie „Viva l’Italia!“.

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short cuts Festspielhaus | 04.10.2012 Erinnerungen an die Ewigkeit. Von der namensgebenden Osttiroler Almwiese bis ins Wiener Burgtheater, von Blasmusik bis zu Mahlerliedern – ein weiter Weg? Nicht für die Musicbanda Franui, die Volksmusik und Klassik auf unverwechselbare Weise zu neuen, vielschichtigen, mal schrägen, mal melancholischen Klängen verbindet. Sven-Eric Bechtolf, Bühnenstar und Schauspielchef der Salzburger Festspiele, rezitiert dazu Texte des Büchnerpreisträgers Walter Kappacher. Achtung: Kult­gefahr für aufgeschlossene Ohren!

Festspielhaus | 29.11.2012 „Und wenn ich auf dieser Erde nirgends meinen Platz finden sollte ...“. Heinrich von Kleist war zu seinen Lebzeiten ein Außenseiter der Literatur. Dass dem heute nicht mehr so ist und seinen Worten Transzendenz innewohnt, beweisen Burgschauspielerin Sabine Haupt und Musiker Bernhard Mos­ hammer. Mit größtem Respekt vor dem Künstler und ausdrucksstarker Stimme und Musik lassen sie den Literaten durch seine eigenen Briefe in einer musika­ lischen Lesung wieder auferstehen.

Die Bühne im Hof | 17.10.2012 Heiter lieben. Aus ihrem ersten Buch „Spitzbuben und Sternschnuppen – Wahre Liebesgeschichten“ liest Österreichs TV-Talkerin Barbara Karlich vor. Und so dem wirklichen Leben von den Lippen: Denn wie Paare zusammen­ finden, ist selten Hollywood, dafür oft verrückte Laune des Schicksals. 42 Geschichten recherchierte Karlich, unter anderem die eigene, als sie durch „ein verhängnisvolles Interview“ mit ihrem Mann verbandelt wurde. Das Publikum erwartet eine Lesung zum (Mit-)Lachen – mit ein bisschen Rührung im Augenwinkel.

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blick

nach vorne

Es war ein Abend, wie er zum Förder­ verein Kulturbezirk passte: Hoch­ interessant, geistreich und gesellig, als wollte man das Geheimnis des Erfolges anhand der 10-Jahresfeier auf dem Dach des NV Forums selbst manifest machen. Von Johannes Reichl Was aber am meisten fasziniert: Stand das Jubiläum auch ganz im Zeichen der bisherigen „magic moments“, all der schönen, inspirierenden und unterhaltsamen Stunden; wurde einmal mehr bewusst, welche Verdienste sich der Verein um die Förderung des Kulturbezirks und des St. Pöltner Kulturlebens erworben hatte, ebenso wie seine nicht unwesentliche Rolle als Brückenbauer zwischen Stadt und Land, so war man zugleich doch schon wieder mit dem Blick in der Zukunft. Präsident Lothar Fiedler stellte klar. „Zehn Jahre Förderverein Kultur­bezirk St. Pölten bedeutet vor allem ein Versprechen für Kommendes. Wir stellen noch immer ungebrochenes Interesse an unserem Verein fest, wir wachsen!“ So hat sich der Verein von ehemals 70 Mitgliedern auf mittlerweile über 500 vervielfacht: 500 kulturinteressierte Bürger, die nicht nur das spannende Angebot des Fördervereins und seiner Institutionen nutzen, sondern sich zugleich – und zurecht – als aktive Förderer der haupt­ städtischen Kulturszene verstehen. „Letztlich ist eines unserer ganz ­großen Anliegen, auf Sicht auch aktives Sponsoring für die Einrichtungen zu betreiben“, so Fiedler, wobei er damit Anschaffungen und Projektförderungen im Sinn hat, die im „normalen“ Budget der Häuser sonst keine Berücksichtigung finden. Auch den eingeschlagenen Weg einer „Verjüngung“ des Vereins möchte der Präsident konsequent fortsetzen, „das heißt, wir werden das Familien- und Jugendan­gebot weiter ausbauen!“ Schließlich schwebt Fiedler auch eine weitere Vertiefung der Beziehung mit anderen städtischen Kulturinstitutionen vor, „etwa mit dem Stadtmuseum, dem Diözesan­museum, dem Cinema Paradiso oder der Mozart­ gemeinde.“ Klingt schwer danach, dass auch die nächsten zehn Jahre des Fördervereins Kulturbezirk sehr spannend bleiben. Infos: www.kulturbezirk.at

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pressestimmen „Eine stimmungsdichte Produktion und mitreißende Inszenierung, die theatralisch, musikalisch und choreografisch stark beeindruckt. Das Publikum war von Joachim Schloemers hervorragender Arbeit begeistert.“ Volkmar Parschalk, Kronen Zeitung, über „Nostalgia“ im Festspielhaus.

kung fu heritage – their flying kicks, their backflips, their shadow-boxing. Practised as part of the monks’ spiritual discipline, these maniacally dangerous and beautiful moves also carry the aura of compelling ritual.” Judith Mackrell, The Guardian, über „Sutra“. Am 21./22.09.2012 im Festspielhaus.

„Mit filmischen Mitteln, grotesker Gestik, Pantomime, Psychokrimimusik und ­schaurigen Lichteffekten schafft Fritsch zwar ein Horrorszenario wie aus alten Stummfilmzeiten, doch erreicht er auf wundersame Weise eine Leichtigkeit und Beschwingtheit, die uns berührt, weil sie wahrhaftig ist.“ Monika Nelissen, Welt online, über „Nora oder ein Puppenhaus“. Ab 20.10.2012 im Landestheater.

„Alles andere als konventionell: ‚Der Bauer als Millionär‘ ... ist ausgesprochen schräg und witzig. Etwas anderes war von Jérôme Savary auch gar nicht zu erwarten. Das romantische Zaubermärchen ist bereits das dritte Raimund-Stück des argentinischfranzösischen Theaterregisseurs … Der ironisiert, persifliert und karikiert den Hokuspokus rund um mächtige Feen und Geister … ‚Jedermann‘-Vater Klaus Ofczarek (Das hohe Alter) entsteigt einem Medikamentschrank. An den Brüsten der Zu­ friedenheit (Katharina von Harsdorf) nährt sich Fortunatus Wurzel (Peter Faerber). Heinz Zuber (Magier Ajaxerle) kommt aus

“The Shaolin monks put on a five-star performance just by being themselves. It’s not just the collective virtuosity of their

publikumsstimmen „Die Vorstellung GRENADE war bezaubernd schön: Tanz pur – Leichtigkeit – Humor – exakt getanzt – tolle Musik­ auswahl! Einfach ein GENUSSABEND!“ Eine Besucherin über „Grenade: Les 20 Ans“ im Festspielhaus. „... das war das bisher absolut Schönste, was ich an Tanz gesehen habe!“ Eine Besucherin zu „Sadler’s Wells presents Russell Maliphant: The Rodin Project“ im Festspielhaus.

„Ein ganz DICKES LOB für die ausgezeichnete Broschüre „Spielzeit 12/13“. Habe etwas vergleichbares noch von keinem Wiener Theater gesehen! Informativ, übersichtlich mit genauen Terminen für die ganze Spielzeit. TOLL, dass man schon ab dem 19. Juni fürs ganze Jahr bestellen kann, ist vorbildlich. Gekränkt bin ich nur, dass das Bürgertheater mit 35 Jahren beschränkt ist.“ Dr. Wilfried Kovarnik, Klosterneuburg, zur Spielzeitbroschüre des Landestheaters.

dem Mikrowellenherd. Überzeugend und burschikos: Iréna Flury (Die Jugend) mit Tattoo, auch mit „Brüderlein fein.“ Werner Rosenberger, Kurier, über „Der Bauer als Millionär“. Ab 11.10.2012 im Landestheater.

gewinn! spielorte verlost Eintrittskarten und Kataloge. Mitmachen ist ganz einfach: E-Mail senden an redaktion@spielorte.at

Die Bühne im Hof spielorte verlost 1 × 2 Karten für „The Lyrical Roses“ am 06.10. (19:30 Uhr) in der Bühne im Hof. Festspielhaus spielorte verlost 1 × 2 Karten für „Sadler’s Wells presents Sidi Larbi Cherkaoui: Sutra“ am 21.09. (19:30 Uhr) im Festspielhaus. Landesmuseum spielorte verlost 1 × 2 Eintrittskarten für das Landesmuseum sowie einen Katalog Ihrer Wahl. Landestheater spielorte verlost 1 × 2 Karten für „Wir sind noch einmal davongekommen“ am 24.10. (19:30 Uhr) im Landestheater.

Die nächste Ausgabe von spielorte erscheint im Herbst 2012. Leserbriefe & Einsendungen an redaktion@spielorte.at

Von Dr. Lothar Fiedler, Präsident Förderverein Kulturbezirk St. Pölten

fiedlers lokaltipp

Die Vielseitigkeit der Villa mit ihren vielen Räumlichkeiten setzt sich in der Genusswelt fort. Ein Mix aus gutbürgerlicher Küche wird durch saisonal wechselnde Köstlichkeiten verfeinert. Biologisches Gemüse aus dem eigenen Glashaus. Ein Kräutergarten ist in der Balustrade integriert. Restaurant, Bühne, ein herrlicher Biergarten für warme Sommerabende – ideal als Einstimmung für einen Kulturevent oder zum Ausklang. Restaurant Die Villa, Herzogenburger Straße 67, Tel. 02742 / 35 73 59.

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