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Die politische Macht von
Die politische Macht von YouTube
Mirko Drotschmann, alias MrWissen2go, hat mit seinen Lernvideos auf YouTube schon vielen Schülern durchs Geschichtsabitur geholfen. Nun werden seine Fähigkeiten als Vertretungslehrer an seiner ehemaligen Schule auf die Probe gestellt. Mit einer 11. Klasse des Albert-Magnus-Gymnasiums in Ettlingen diskutiert er über den politischen Einfluss von YouTube und YouTubern.
Vorher Vor der Stunde bildet sich ein vertrautes Szenario ab: Der Lehrer bekommt den Laptop nicht mit dem Beamer verbunden. In diesem Fall ist es nicht irgendein Lehrer, sondern YouTuber Mirko Drotschmann, der mit der Technik hadert. Aus der Ruhe bringt ihn das jedoch nicht, für einen kleinen Plausch mit seinem ehemaligen Direktor ist natürlich auch noch Zeit. Dieser bezeichnet Mirko und seinen Bruder sogar als Schullegenden, was Mirko selbst etwas bescheidener sieht: „Als Legenden würde ich uns jetzt nicht beschreiben, aber wir waren schon ziemlich aktiv. Ich war zuerst Mittelstufensprecher, dann einige Jahre Schülersprecher und zusätzlich Chefredakteur unserer Schülerzeitung.“ Der YouTuber hat seine weite Reise aus Mainz aber nicht nur angetreten,
„Ich fand die Stunde sehr interessant, wir konnten uns super einbringen.“
um in der Vergangenheit zu schwelgen, sondern hat auch ein ausgefeiltes Unterrichtskonzept für seine Vertretungsstunde dabei. „Ich möchte mit Schülern über die politische Macht von YouTube sprechen und darüber diskutieren, ob man Regularien für die Plattform finden sollte“, erklärt uns Mirko.
Während der Stunde Das Klassenzimmer ist von einer erwartungsvollen Spannung und verhaltenem Tuscheln erfüllt, als der Vertretungslehrer und YouTube-Star Mirko Drotschmann mit
einem freundlichen „Morgen!“ das Klassenzimmer betritt. Zunächst wirken die Schülerinnen und Schüler noch etwas angespannt, doch spätestens, als der Journalist Anekdoten aus seinem einstigen Chemieunterricht zum Besten gibt, weicht die Unsicherheit einer entspannten Atmosphäre. Zu Beginn will Mirko wissen: „Wer von euch hat das Video von Rezo Die Zerstörung der CDU gesehen?“ Beinahe alle Arme schießen in die Höhe. Für die wenigen, die sich nicht gemeldet haben, erklärt Mirko den Inhalt des Videos. Es heiße zwar Die Zerstörung der CDU thematisiere aber auch andere Parteien, wie die SPD oder FDP. „Rezo resümiert in seinem Video, dass die Parteien wenig gegen die Schere zwischen Arm und Reich gemacht haben, sondern diese sogar befeuerten“, erklärt Mirko und fährt fort: „Das Video war ein großes Thema, wenn es
um YouTube und Politik ging. Plötzlich haben die Politiker gemerkt, dass es bei YouTube relevante politische Inhalte gibt.“ Darüber wolle er gerne mit den Schülern sprechen und ihnen auch die Schattenseiten von YouTube wie Hassrede und Falschmeldungen zeigen, stellt der Journalist sein Unterrichtskonzept vor. „Was habt ihr gedacht, als ihr das RezoVideo gesehen habt?“, fragt Mirko interessiert. „Man hat gemerkt, dass es leicht überzogen war, aber durch die Quellen, die er eingeblendet hat, die dann auch wirklich gestimmt haben, klang es doch ziemlich glaubwürdig“, meldet sich Mika zu Wort. „Ich fand es aber sehr schwer, mit den Quellen umzugehen, da es so viele waren. Ich glaube nicht, dass viele die ganzen Quellen überprüft haben, während sie das Video gesehen haben“, entgegnet Sanya. Und was hält der Vertretungslehrer von dem Video? Aus seiner Perspektive als YouTuber sei das Video sehr gut, da es zeige, dass Politik auf YouTube Relevanz habe, erklärt Mirko seine Position. Aber aus journalistischer Sicht sei grundsätzlich problematisch, dass Rezo den Angesprochenen nicht die Möglichkeit zur
Die SPIESSER-Vertretungsstunde von Mirko gibt’s natürlich auch auf YouTube: youtube.com/SPIESSER Stellungnahme gegeben habe. Das führt direkt zum nächsten Thema. Man habe in der heutigen Zeit ein Gegenüber zwischen den klassischen Medien wie ARD oder ZDF und den neuen Medien wie YouTube, expliziert der Vertretungslehrer. „Wem würdet ihr denn eher vertrauen?“, fragt er in die Runde. „Ich würde beides anschauen und mir dann selber eine Meinung bilden. Man sollte nicht zu hundert Prozent auf eine der beiden Seiten vertrauen“, positioniert sich Ludwig. Nun werden weitere spannende Themen wie Falschmeldungen im Netz, die Zielgruppe von YouTube oder die Gefahren, die von der Plattform ausgehen, behandelt.
„Mir hat die Stunde sehr gut gefallen, da er das Thema sehr interessant gestaltet hat und auch persönliche Eindrücke geteilt hat.“
Ludwig, 17, Note: 1-2
erblickte am 30. April 1986 in Malsch das Licht der Welt. Nach seinem Abitur am Albert-MagnusGymnasium in Ettlingen hospitierte er zunächst beim SWR und war anschließend als freier Mitarbeiter sowie als Berichtserstatter und Moderator für Das Ding tätig. Darauf folgte ein Studium an der Universität Karlsruhe in Geschichte und Kulturwissenschaften. Nach seinem Abschluss arbeitete er für das ZDF, die Stuttgarter Zeitung und absolvierte ein journalistisches Volontariat beim SWR. Im Jahr 2012 gründete Mirko seinen erfolgreichen YouTube-Kanal MrWissen2go, auf dem er Videos zu geschichtlichen und gesellschaftspolitischen Themen veröffentlicht.
Mirko ist der Meinung, dass Kanäle, die im Netz eine hohe Reichweite haben, sich in irgendeiner Form an Regeln halten sollten. Dafür muss aber zunächst eine neue rechtliche Definition von Rundfunk her.
Doch plötzlich wird die interessante Stunde vom Pausengong unterbrochen. Die Schüler lassen sich davon aber nicht aus ihrer Konzentration reißen und opfern für die Vertretungsstunde gerne ihre 15-Minuten-Pause. So kann Mirko noch sein letztes Thema anschneiden: „Es gab aus der Politik die Forderung, für Inhalte von YouTubern und Influencern die gleichen Regeln anzusetzen wie für Journalisten. Was ist eure Meinung dazu?“, stellt er den Jugendlichen eine weitere Frage. „Wir haben in Deutschland die Meinungsfreiheit und wenn man YouTube einschränken würde, fände ich das etwas widersprüchlich“, äußert sich Jan zu dem polarisierenden Thema. „Ein Gegenargument dazu wäre, dass man für den Start eines Fernsehsenders eine Lizenz benötigt und danach von der Landesmedienanstalt überprüft wird. Wenn du einen YouTubeKanal startest, kannst du mitunter mehr Leute erreichen als mit einem Fernsehsender und unterliegst gar keinen Regularien.
„Ich fand die Stunde von Mirko sehr gut. Die Themen, die wir heute behandelt haben, werden meistens nicht im Unterricht besprochen, und da die Lehrer neutral bleiben müssen, wird eine Diskussion erschwert.“ Lilien, 16, Note: 1-2
Manche sagen, so entstehe ein schiefes Bild. Wie seht ihr das denn?“, hakt Mirko nach. „Ich finde, jeder sollte selber beurteilen, wie sehr er einem YouTuber vertraut. Das kann ja nicht die Politik entscheiden“, findet Mika. Und wie sehen das die anderen Schüler? Diese Frage klärt sich bei einer Abstimmung: Wenig mehr als die Hälfte der Jugendlichen sind gegen die Regulation von YouTube. Zum Schluss will Mirko den Schülerinnen und Schülern noch einen Rat mitgeben: „Glaubt nicht alles, was ihr im Netz seht, und prüft immer die Quellen. Seid immer kritisch, betreibt Recherche und vertraut niemandem im Internet.“ Grinsend beendet er die Stunde: „Mir erst recht nicht.“
Nachher Nach dem Unterricht äußert sich der frischgebackene Vertretungslehrer begeistert über die vergangene Schulstunde: „Es war super spannend. Die Schüler waren wirklich aufmerksam, haben mitgemacht und mitdiskutiert. Die Zeit ging so schnell rum, ich dachte wir sind jetzt gerade bei 20 Minuten und plötzlich waren 45 vorbei.“ Gerne hätte er noch länger mit der Klasse über Falschmeldungen geredet und die Themen Hassrede und verbale Gewalt noch vertieft. „Das machen wir dann beim nächsten Mal“, fügt er lachend hinzu.
Text von Naomi Asal, 19, ehemalige SPIESSER-Praktikantin, erfreut sich seit Kurzem am Leben als freie Autorin.
Fotos von Daniel Scholz, Fotograf aus Dresden, regelmäßig für SPIESSER unterwegs, auf Instagram zu finden @daniel_fotura.