1 minute read

WarmUp

Next Article
Weitwinkel

Weitwinkel

WARM UP

von Thomas Kofler

Advertisement

THOMAS KOFLER

Vor über zwei Jahren hat der Begriff „Systemrelevanz“ einen anhaltenden Höhenflug erlebt. Er erschien in einem Selbstverständnis, als ob seine Definition schon immer so klar und die entsprechende Anerkennung des „Systemrelevanten“ offensichtlich gewesen wäre. Die Umkehrseite: Alle anderen Bereiche unserer reichhaltigen Gesellschaft wurden automatisch als „nicht systemrelevant“ abgestempelt. Auch die Bühne des Laufsports wurde verzichtbar. Diese grundsätzliche Polarisierung ist in einem gelebten demokratischen Zusammensein problematisch, weil in dessen Selbstverständnis jeder einzelne Beitrag wichtig ist. Es kann lediglich Abstufungen geben, die im konkreten situativen Kontext an Bedeutung gewinnen oder verlieren.

Kaum jemand würde fordern, im Frühjahr 2020 und in darauffolgenden Monaten hätten Laufevents mit Zigtausenden Menschen stattfinden sollen. Den Laufsport aber als verzichtbar zu deklarieren, selbst wenn es unbedacht passiert ist, ist spätestens in der Nachbetrachtung ein Treppenwitz. Angesichts seines Potenzials in dieser Gesundheitskrise, das nur ein Teil der Bevölkerung durch einen selbst

gewählten Lebensstil präventiv oder als Reaktion auf den Ist-Zustand ausgeschöpft hat, ergibt sich aus den jüngsten Erfahrungen eine eindeutige Sachlage: Eine Lebensweise, in die Laufen und regelmäßige sportliche Bewegung integriert sind, ist gesundheitsfördernd und bei Infektionskrankheiten vorbeugend Risikofaktoren reduzierend. Auch und besonders in dieser Pandemie. Im öffentlichen Diskurs wird noch seltener betont, dass das Laufen auch bei

Laufen ist unverzichtbar. Laufveranstaltungen auch.

der Prävention und Linderung psychischer Belastungen effektiv wirkt. Die Vorzüge des Aktivseins im zwischenmenschlichen Kontakt mit Freunden und Gleichgesinnten versandeten gar in Nicht-Beachtung – und damit auch ihr Potenzial.

Der Fortschritt der Menschheit erlaubte uns mit Beginn des Lauf- und Fitnessbooms vor einem halben Jahrhundert, Gesundheit aktiv vom Kontrast zu Krankheit zu lösen und sie als eigenständiges Ziel zu fokussieren. Heute ist die individuelle Gesundheit entscheidend, in unserer Gesellschaft dürfen und können (nahezu) alle lebensweisende Entscheidungen treffen und ihre Gesundheit als aktiv schützens- und begehrenswertes Gut betrachten. Gesundheit als etwas Kollektives zu definieren ist ein Rückfall in alte Muster. Besser wäre es, den nicht zeitgemäßen Begriff der „gesellschaftlichen Gesundheit“ als Summe der individuellen Gesundheit zu bewerten.

Für viele ist Laufen, insbesondere das Miteinander im Laufschritt, unverzichtbar. Noch viele mehr wären bei besserer Gesundheit, wäre das Laufen für sie unverzichtbar. Und Laufveranstaltungen? Dank ihrer Initiativen, der wunderbaren Bühnen, als Verstärker der Botschaft, Geber von Orientierung und Verbreiter von Motivation auch. Sie sind – wenn man den Begriff unbedingt verwenden will – tatsächlich „systemrelevant“.

This article is from: