11 Handlungsempfehlungen zur Gewinnung junger Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen

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Entscheidungs- und Arbeitshilfe

11 Handlungsempfehlungen zur Gewinnung junger Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement in Sportvereinen und Sportverb채nden aus der Evaluation im

Projekt JETST!

JETST!

Junges Engagement im Sport

i m D e u t s c h e n O l y m p i s c h e n S p o r t b u n d e. V.


i m D e u t s c h e n O l y m p i s c h e n S p o r t b u n d e. V.

Impressum Herausgeber/Bezug über:

Auflage:

Deutsche Sportjugend (dsj)

1. Auflage: Dezember 2011

im Deutschen Olympischen Sportbund e.V. Projekt JETST! – Junges Engagement im Sport

Bildnachweis:

E-Mail: info@dsj.de

© Fotopool Deutsche Sportjugend,

Internet: www.jetst.de

Projekt JETST! und dessen Modellprojekte,

www.dsj.de/publikationen

Kirsten Reinhold, www.kommunikationslotsen.de

Redaktion:

Förderhinweis:

Jörg Becker, Peter Lautenbach und Kathrin Rehberg,

Gefördert vom Bundesministerium für Familie,

alle Deutsche Sportjugend

Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Autoren/-innen:

Copyright:

Stefan Heinzmann, ISS, Frankfurt am Main

© Deutsche Sportjugend (dsj)

Dr. Daniel Illmer, Führungs-Akademie des DOSB, Köln

Frankfurt am Main, Dezember 2011

Wolfgang Kleemann, ISS, Frankfurt am Main Lena Opitz, ISS, Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmi-

Grit Sonntag, dsj, Frankfurt am Main

gung der Deutschen Sportjugend (dsj) ist es nicht gestattet, den Inhalt dieser Broschüre oder Teile daraus auf

Gestaltung:

fotodrucktechnischem oder digitalem Weg für gewerb-

Grafikstudio Thomas Hagel, Mönchberg

liche Zwecke zu vervielfältigen.

www.grafikstudio-hagel.de Druckerei: Druckerei Michael, Schnelldorf www.druckerei-michael.de

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Inhaltsverzeichnis En t s c h e i d u n g s - u n d A r b e i t s h i l f e

11 Handlungsempfehlungen

zur Gewinnung junger Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement in Sportvereinen und Sportverbänden aus der Evaluation im Projekt JETST! Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Annährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Handlungsempfehlungen 1 Triff eine Entscheidung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 2 Nimm dir Zeit und handele bewusst! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 3 Gehe aktiv auf die Jugendlichen zu! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4 Baue auf Beziehungen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5 Entwickle dein Selbstverständnis! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 6 Orientiere dich an der Lebenswelt der jungen Menschen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 7 Schaffe Mehrwert für alle und lasse ihn sichtbar werden! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 8 Kooperiere! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 9 Stelle Schnittstellen in den Sportvereinen/Sportverbänden her! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 10 Heiße die „Neuen“ willkommen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 11 Biete Qualifizierung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Fazit und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kontaktdaten der JETST! - Projektverantwortlichen und der acht JETST! - Modellprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . 32

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Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, mit dem Projekt „JETST!“, das junge Menschen mit er-

Selbstverständlich sind wir auch über das Projekt

schwerten Zugangsbedingungen für ein Engagement im

„JETST!“ hinaus weiter daran interessiert, beispielhafte

Sport fördert, hat sich die Deutsche Sportjugend einer

Modelle zu kommunizieren. Dazu finden Interessierte

Aufgabe gewidmet, die seit vielen Jahren im-

auch auf der dsj-Datenbank unter www.jugendprojekte-

mer mehr zu einem gesamtgesellschaftlichen

im-sport.de weitere Informationen.

Thema geworden ist. Der Sport und auch die Sportorganisationen können ohne das Enga-

Schließlich möchte ich noch allen, die an der Umsetzung

gement von Freiwilligen nicht bestehen. Auf-

und dem Gelingen des Projektes „JETST!“ beteiligt wa-

grund der aktuellen sich ändernden Struktu-

ren meinen herzlichen Dank aussprechen. Allen voran

ren und Entwicklungen ist es daher von

dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen

großer Bedeutung, diesem Wandel mit neu-

und Jugend (BMFSFJ), welches das Projekt finanziell ge-

en Ideen und Aktivitäten gerecht zu werden.

fördert hat und der dsj immer als guter Partner zur Seite stand. Selbstverständlich danke ich auch den Aktiven in

Das Projekt „JETST!“ soll hierbei für Sie als Funktions-

den Modellprojekten, die als zentraler Teil des Projektes

träger/-in, Multiplikator/-in und Verantwortliche der

einen großen Beitrag zur Entstehung dieser Handlungs-

Sportvereine und Sportverbände eine Hilfestellung leisten

empfehlungen geleistet haben. Nicht zuletzt gilt der Dank

und Impulse für Ihre Arbeit geben. Als Ideengeber sind

auch dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik

beispielhaft acht Modellprojekte für einen Zeitraum von

(ISS Frankfurt am Main) und der Führungs-Akademie

zwei Jahren innerhalb des Projektes „JETST!“ begleitet

des Deutschen Olympischen Sportbundes als wissen-

worden. Die Zielgruppen dieser Modellprojekte waren

schaftliche Begleitung, die maßgeblich zum Erfolg des

ebenso unterschiedlich, wie die Methoden, mit denen die-

Projektes beigetragen haben und mit denen wir stets eine

se erreicht wurden. Es war ein weiter Weg, der im Laufe

konstruktive Zusammenarbeit pflegten. Auch der dsj-

der Zeit immer wieder neue Perspektiven eröffnet hat. Als

Geschäftsstelle und der Arbeitsgruppe Junges Engage-

zentrales Ergebnis des Projektes „JETST!“ sind elf Hand-

ment, die das Projekt ebenfalls als dsj-Beratungsgremium

lungsempfehlungen entstanden. Diese bieten eine Orien-

begleitet hat, möchte ich hiermit meinen herzlichsten

tierung an den Erfolgsfaktoren für die Arbeit mit den

Dank aussprechen. Es war stets ein sehr gutes Arbeitskli-

Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wobei jede ein-

ma, das für alle Seiten anregend und bereichernd war.

zelne Handlungsempfehlung auf empirisch gewonnene Fakten beruht. Dabei wurde sowohl die Sicht der Verant-

Doch nun sind Sie an der Reihe! Ich wünsche Ihnen viel

wortlichen der Modellprojekte als auch die der jungen

Spaß mit der Lektüre und gutes Gelingen bei der prakti-

Engagierten berücksichtigt.

schen Umsetzung und Anwendung der Handlungsempfehlungen!

Diese Entscheidungs- und Arbeitshilfe ergänzt die bereits entwickelten Materialien aus dem Projekt „JETST!“ und

Alles Gute für diese Aufgabe wünscht Ihnen,

soll dazu beitragen, die Verantwortlichen bei der Arbeit mit der Zielgruppe "junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport" zu unter-

Grit Sonntag

stützen.

Vorstandsmitglied der Deutschen Sportjugend Frankfurt am Main im Dezember 2011

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JETST!

Einleitung Die Deutsche Sportjugend (dsj) hat für den Zeitraum

Dabei stehen die Modellprojekte beispielhaft für unter-

2009 – 2012 vor dem Hintergrund aktueller gesell-

schiedliche konzeptionelle Ansätze auf der Suche nach

schaftlicher Entwicklungen, dem demographischen

Antworten auf die Frage nach Zugängen der Zielgruppe

Wandel, dem Themenfeld soziale Integration und den

zu einem Engagement im Sport. Deren Erfahrungen und

Diskussionen um das „Lernfeld“ Freiwilliges Engage-

Ergebnisse flossen ebenso in die Handlungsempfehlungen

ment, das Projekt „JETST! - Junges Engagement im

mit ein wie die Erfahrungen aus dem Gesamtprojekt.

Sport“ aufgelegt, das durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im

Bei der Evaluation von „JETST!“ wurden zudem die Per-

Rahmen der Kampagne „Miteinander-füreinander“

spektiven der verantwortlichen und beteiligten Organisa-

gefördert wurde.

tionen ebenso berücksichtigt, wie die Perspektive der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, für die die Ange-

P

rojektziel war es, chancengleiche Zugänge zum En-

bote in den Modellprojekten entwickelt und durchgeführt

gagement im Sport für Jugendliche und junge Er-

wurden.

wachsene unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion oder Kultur zu eröffnen. In diesem Zusammen-

Die vorliegende Entscheidung- und Arbeitshilfe soll den

hang sollten bislang weniger erreichte Zielgruppen durch

Einstieg in und die Arbeit mit der Zielgruppe „junge Men-

innovative und attraktive Angebote zum bürgerschaft-

schen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Enga-

lichen Engagement motiviert und nachhaltige Netzwerke,

gement im Sport“ für Sportvereine und Sportverbände er-

Strukturen und Rahmenbedingungen für eine zielgrup-

leichtern und gleichzeitig als Handlungsleitfaden dienen.

pengerechte Engagementkultur im Sport geschaffen werden. Im Mittelpunkt des Projektes „JETST!“ standen dabei acht Modellprojekte, die zur Stärkung des Engagements benachteiligter Zielgruppen für einen Förderzeitraum von zwei Jahren als Best-Practice-Modelle in verschiedenen Sportorganisationen umgesetzt wurden. Zur Sicherung der Erkenntnisse und zur Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für den Sport wurde „JETST!“ durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS Frankfurt am Main), in Kooperation mit der Führungs-Akademie des Deutschen Olympischen Sportbundes wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Aufgabe der Evaluation war dabei, den aktuellen themenbezogenen Forschungsstand zu analysieren und die Umsetzung und Effekte der Modellprojekte zu erfassen, um Erkenntnisse zu bekommen, wie junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen für ein Engagement im Sport gewonnen werden können. Diese Erkenntnisse flossen nun in die Entwicklung von elf Handlungsempfehlungen ein.

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Annäherungen

S

ie können sich dem in dieser Entscheidungs- und Arbeitshilfe beleuchteten Thema auf vielfältige Art und

Weise nähern. Sie fragen zum Beispiel danach, welche Entwicklungen im Engagement für den Sport insgesamt in Deutschland zu erwarten sind, welche gesellschaftlichen Gruppen ein bisher noch zu wenig genutztes Potenzial für ein Engagement bergen und wie es gelingen kann, diese zu aktivieren. Oder Sie nehmen Sportvereine/ Sportverbände in den Blick, denen es manchmal nur schwer oder gar nicht gelingt, die eigenen Strukturen am Leben zu erhalten und Menschen zu finden, die sich engagieren und z.B. ein Wahlamt übernehmen. Oder Sie fragen danach, welche Bevölkerungsgruppen sich über das Mitmachen hinaus für ein Engagement im Sport entschieden haben – und danach, ob es Gruppen gibt, die vom Sport dafür bisher kaum oder gar nicht erreicht werden. Oder es bietet sich an, sich über die zentrale Fragestellung des zugrunde liegenden Projektes „JETST!“Junges Engagement im Sport - zu nähern, die gleichermaßen Ausgangs- und Zielpunkt der in dieser Entscheidungs- und Arbeitshilfe zusammengestellten Texte ist: „Wie kann es gelingen, Jugendliche mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport in ein Engagement im Sport zu bringen?“

Hintergrund I Der gemeinwohlorientierte Sport hat ein hohes sozial-integratives Potenzial und kann einen wichtigen Beitrag zur Förderung von jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen für ein Engagement im Sport leisten. Dafür braucht es allerdings eine pädagogische Orientierung und entsprechende Strukturen in den Sportorganisationen. Das Ziel des Projektes „JETST!“ - Junges Engagement im Sport war, diese beiden Aspekte der Sportvereins-/Sportverbandsentwicklung zu verbinden.

Hintergrund II Bei der vorliegenden Entscheidungs- und Arbeitshilfe handelt es sich um die Verdichtung sämtlicher empirischer Untersuchungen der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Projektes „JETST!“ durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS Frankfurt am Main) und die Führungs-Akademie des Deutschen Olympischen Sportbundes. Alle Handlungsempfehlungen in dieser Entscheidungs- und Arbeitshilfe gründen sich auf die spezifische Realität des Gesamtprojektes „JETST!“ und seiner acht Modellprojekte, die jeweils unterschiedliche

Indem Sie diese Entscheidungs- und Arbeitshilfe in die Hand genommen haben, haben Sie einen ersten wichtigen Schritt getan: Sie haben sich dafür entschieden, dass diese Thematik für Sie von Interesse ist. Damit sind wir bereits mitten im Thema und unserer ersten Handlungsempfehlung: „Triff eine Entscheidung!“

Zielgruppen, heterogene Projektansätze und damit auch unterschiedliche Ergebnisse umfassen. Die vorliegende Publikation soll interessierte Verantwortliche im Sport dabei unterstützen, die notwendige „Übersetzung“ in die jeweils spezifische Sportvereins-/Sportverbandsrealität vor Ort vorzunehmen.

Information Junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport Im Zusammenhang mit dieser Entscheidungs- und Arbeitshilfe sprechen wir von jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport. Im konkreten Projektkontext von „JETST!“ handelt es sich dabei in der Regel um junge Menschen mit individuell erhöhtem Förderbedarf, die aus verschiedenen Gründen einen erschwerten Zugang zum Engagement im Sport aufweisen, beispielsweise aus religiös-kulturellen Gründen, aufgrund des Bildungsstandes, des sozio-ökonomischen Standes oder aufgrund von geistigen Behinderungen. Solche individuell bedingt erschwerten Zugangsbedingungen gehen oftmals mit strukturellen Barrieren in den Sportvereinen/Sportverbänden einher, die für bestimmte junge Menschen eine Eintrittshürde darstellen.

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1 Triff eine Entscheidung!

!

Junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen für ein Engagement im Sport zu gewinnen, ist eine strategische Aufgabe für Sportvereine und Sportverbände, die bewusst als solche entschieden werden muss und die einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Diese Entscheidung hat Auswirkungen auf weitere Handlungsbereiche in den jeweiligen Sportorganisationen. Es klingt banal: Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt und der Entscheidung, diesen ersten Schritt zu tun. So verhält es sich auch mit unserem Thema: Verantwortliche

Diese Überlegungen müssen schrittweise auf allen Ebenen diskutiert, entschieden und unterstützt werden. Auf der... ■ normativen Ebene braucht es Anpassungen im Hinblick auf den Zweck und die Identität der Sportorganisation; auf der... ■ strategischen Ebene braucht es Anpassungen im Hinblick auf Ziele und Strukturen und auf der... ■ operativen Ebene braucht es die Entwicklung von konkreten Maßnahmen und Vorhaben, die umgesetzt werden können.

in Vereinsvorständen, Übungsleiter/-innen, Engagierte, Helfer/-innen und Mitglieder sind mit einer Vielzahl von Aufgaben und Anforderungen konfrontiert. Wir nehmen zu Beginn der Auseinandersetzung zunächst diejenigen in den Blick, die für die strategische und inhaltliche Steuerung eines Sportvereines/Sportverbandes verantwortlich sind: Die Vorstände. Sie sind es, die – unter Berücksichtigung der Gremien – grundsätzliche Entscheidungen treffen. Und genau dies ist notwendig: Eine bewusste Entscheidung für die Gewinnung von Menschen aus der Zielgruppe. Denn die Arbeit mit neuen Zielgruppen ist eine Investition in die Zukunft von Sportvereinen/Sportverbänden und jungen Menschen. Eine pädagogisch-orientierte Arbeit mit einer Zielgruppe, die wie in diesem Fall einer individuellen Förderung und Unterstützung bedarf, muss längerfristig angelegt und die Entscheidung dafür gut vorbereitet sein. Für die Umsetzung müssen Ressourcen bereitgestellt werden, die entweder neu geschaffen oder durch eine Umstrukturierung gewonnen werden können.

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2 Nimm dir Zeit und handele bewusst!

!

Die Gewinnung von jungen Menschen aus bisher wenig erreichten Zielgruppen für ein Engagement im Sport braucht Zeit. Sie sollte bewusst angegangen und als Lernprozess der eigenen Sportorganisation verstanden werden. Die dazu notwendigen Schritte müssen klar definiert, überschaubar sowie realistisch geplant und umgesetzt werden.

pelt, ob Partnerorganisationen wie Schulen, Jugendzentren oder Beratungsstellen benötigt werden, um den Zugang zu diesen jungen Menschen erfolgreich zu gestalten. Denn wie in der achten Handlungsempfehlung ab Seite 20 ausführlich beschrieben wird, ist die Kooperation mit anderen Organisationen gerade beim Zugang zu den jungen Menschen von entscheidender Bedeutung. Der Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung zu anderen Organisationen, beziehungsweise zu den darin tätigen

Ein zentrales Ergebnis aus der Evaluation des Projektes

Menschen ist zeitintensiv. Auch hier geht es darum,

„JETST!“ ist, dass es Zeit braucht, um Zielgruppen für ein

Vertrauen zu entwickeln und sich in einem gemeinsamen

Engagement zu begeistern.

Klärungsprozess über die Ziele, die Tiefe und die Reich-

Dabei sind zwei Aspekte von

weite der Kooperation zu verständigen.

zentraler Bedeutung. Erstens muss der persönliche Kontakt

Die Entwicklung der notwendigen Voraussetzungen für

zu den jungen Menschen ent-

eine Kooperation ist in der Regel ein Prozess der gegen-

wickelt und gestaltet werden,

seitigen Annäherung und Vertrauensbildung, der gesteu-

zweitens werden unter Um-

ert werden muss und der sich nicht einfach so einstellt.

ständen weitere Unterstützer/-

Für die Ansprache und Gewinnung der jungen Menschen

innen aus anderen Organisa-

gilt es, Angebote zu entwickeln, die junge Menschen mit

tionen benötigt. Auch mit diesen muss der Sportver-

erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im

ein/Sportverband erst einmal in Kontakt treten und die

Sport in ihrem Interesse ansprechen und die Möglichkei-

Grundlagen für eine Arbeitsbeziehung legen.

ten dieser berücksichtigen. Damit sich die Jugendlichen schließlich auch dauerhaft im Sportverein/Sportverband

Oft beginnt das Vorhaben, diese jungen Menschen für ein Engagement im Sport zu gewin-

Zitat „Ich glaube, es ist essentiell, eine Bin-

betätigen und sich über das Mitmachen hinaus engagieren, ist der Aufbau von Vertrauen essentiell.

nen damit, dass sich viele Sportvereine/Sportverbände den Zu-

Zitat

oder aufzubauen und einfach auf eine

gang zu den jungen Menschen

„Da wurde halt deutlich, dass es einfach ein langer Weg ist. Al-

Wellenlänge zu kommen, wo man sich

erst einmal erarbeiten müssen.

so, dass man nicht in einem Jahr Kinder oder Jugendliche

gut mit denen austauscht, oder wo

Am Anfang geht es also darum, sie

man irgendwie einen Draht hat. Und

für ein Mitmachen zu gewinnen.

das geht, glaube ich, nicht so ohne

Allein dieser Prozess braucht seine

Weiteres. Die müssen erst einmal

Zeit. Denn hier ist es erstens wich-

Das heißt dann für die Sportvereine/Sportverbände, die

tig, dass die Angebote auf ein

sich diesem Thema stellen wollen, dass sie auf jeden Fall

Interesse bei den jungen Men-

nicht mit schnellen Erfolgen rechnen können, sondern ei-

schen stoßen, und zweitens geht

nen langen Atem brauchen. Die Gewinnung von jungen

es darum, Vertrauen auf beiden

Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum

Seiten aufzubauen. Für diese jungen Menschen ist schon

Engagement im Sport ist kein „Selbstläufer“, sondern be-

eine Teilnahme an den Aktivitäten des Sportvereins/Sport-

deutet pädagogisch-orientierte Jugendarbeit. Dabei geht

verbands keine Selbstverständlichkeit und erst recht nicht

es vor allem darum, eine tragfähige Beziehung zu den

ein auf Dauer angelegtes Engagement. Gleichzeitig ist die-

jungen Menschen herzustellen und Vertrauen unterein-

se erste Phase des in Kontakttretens an die Frage gekop-

ander aufzubauen.

dung zu den Jugendlichen herzustellen

Vertrauen fassen. Und ich glaube, nur darüber hat man dann längerfristig eine Chance, da was zu bewegen.“ (Modellprojektverantwortlicher)

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komplett umkrempeln kann und dann erwartet, dass sie eigenständig in die Vereine gehen und sich dort auch engagieren.“ (Modellprojektverantwortliche)

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Diese Art der Beziehungsarbeit ist das entscheidende

für Sportvereine/Sportverbände sehr lohnend sein. Gleich-

Kriterium, damit es gelingt, die jungen Menschen für ein

zeitig muss aber auch klar sein, dass es Zeit und Geduld

Engagement im Sportverein/Sportverband zu gewinnen.

braucht, um Erfolge zu erzielen.

Und – das ist die gute Nachricht – das ist viel entscheidender, als das Vorhandensein von großen finanziellen

Zitat

Mitteln. Allerdings lässt sich ein solcher Prozess der Be-

„… mit Zeit geht das, mit pädagogischer Erfahrung geht das

ziehungsarbeit und des Aufbaus von Vertrauen nicht in

auch […] man muss schon sehr viel Empathie mitbringen und

kurzer Zeit und auch nicht in reinen Projektformen herstellen. Um Vertrauensbildung zu gewährleisten, braucht

auch Geduld.“ (Modellprojektverantwortlicher)

es eine langfristig ausgerichtete Herangehensweise. Die Arbeit mit den jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport kann

Pro und Contra + Pro ■ Die bewusste Auseinandersetzung mit den Interessenslagen und Lebensrealitäten der jungen Menschen kann dazu beitragen, einen Entwicklungsprozess im Sportverein/Sportverband anzustoßen. ■ Das Thema Engagementförderung kann mit Ruhe angegangen werden und stellt einen langfristig ausgerichteten Prozess dar. ■ Einmal aufgebaute Kooperationsstrukturen können vielseitig genutzt werden.

– Contra ■ Kurzfristige Erfolge sind nicht zu erwarten und es ist ein längerfristiger Prozess. ■ Gleichzeitig benötigt man Geduld bei der Umsetzung des Themas Engagementförderung und ein kontinuierliches „am Ball bleiben“, also eine gewisse Konsequenz. Es besteht die Gefahr, dass auf längere Sicht gesehen dieses Thema aus den Augen verloren und eben nicht mehr mit der notwendigen Energie verfolgt wird. ■ Investitionen lassen sich auf Grund der langfristigen und teils ungewissen Perspektive nicht immer leicht begründen.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Wozu soll uns die Arbeit mit den jungen Menschen aus der Zielgruppe dienen? ■ Was wollen wir erreichen? ■ Wie gehen wir mit Enttäuschungen und Misserfolgen in diesem Zusammenhang um? ■ Wie viel Vertrauen sind wir bereit zu investieren, um den jungen Menschen Verantwortung zu übertragen. ■ Mit wem wollen wir kooperieren, wie viel Eigenständigkeit wollen wir uns bei der Arbeit bewahren? ■ Wollen wir uns diese Zeit nehmen?

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3 Gehe aktiv auf die Jugendlichen zu!

!

Um junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport zu erreichen, erfordert es ein aktives Zugehen auf die Zielgruppe. Eine reine Öffnung des Sportvereins/Sportverbands, z.B. durch die Entwicklung von neuen Sportangeboten, ist nicht ausreichend, wenn dies nicht mit einem aktiven Zugehen auf die jungen Menschen verbunden wird.

lichen. Sich darauf zu verlassen, dass die schon kommen werden, wenn man ein vermeintlich attraktives Angebot unterbreitet, ist relativ wirkungslos, solange man nicht das persönliche Gespräch sucht. Das gilt für den ersten Kontakt zu der Zielgruppe genauso, wie in einem noch viel stärkerem Maße für die Frage, ob man diese jungen Menschen für ein Engagement im Sport gewinnen kann. Dabei kann es von großer Bedeutung sein, das familiäre Um-

„Da hingehen, wo die Jugend-

Zitat „Also ich glaube, man muss auf jeden

lichen sind!“, das ist die entschei-

Zitat „Also, die (…Eltern, Red.) haben na-

feld einzubeziehen. Gleichzeitig türlich Einfluss, weil ja von ihnen solegen die Ergebnisse aus der Eva- zusagen das Engagement mit kommen

Fall irgendeinen Weg finden zu den Ju-

dende Maxime eines neuen

gendlichen durchzudringen oder auch

Selbstverständnisses. Dies bedingt

luation des Projektes „JETST!“ muss zu sagen, geh zu den Angeboten, den Schluss nahe, dass die Eltern nutze die Angebote, das ist gut. Das ist

so ein bisschen deren Lebenswelt zu

eine Orientierung an der Lebens-

insgesamt keine zentrale Rolle zum Teil passiert. Andererseits haben

verstehen oder da reinzukommen auf

welt der jungen Menschen und

spielen, wenn es um die Frage wir bei anderen Angeboten festgestellt,

eine Art. Und ich glaube, gerade wenn

verlangt oftmals eine ganz andere

geht, ob sich die jungen Men-

Herangehensweise an die Anspra-

schen freiwillig engagieren. Die-

che und Gewinnung der neuen Zielgruppe als das üblicherweise

ses Ergebnis wird auch durch Be- (Modellprojektverantwortlicher) funde aus der Sozialisationsfor-

im Sportverein/Sportverband der

schung gestützt, die nahe legen, dass gerade in der sensi-

Fall ist. Entscheidend ist hier die verlässliche, authentische

blen Phase zwischen 14 und 20 Jahren Gelegenheiten

und vor allem persönliche und direkte Ansprache. Unter

wichtig sind, in denen Jugendliche Erfahrungen außer-

Umständen ist hier auch die Kommunikation über ver-

halb des Elternhauses machen1. Hier können Sportverei-

traute Multiplikator/-innen hilfreich. Das können bei-

ne/Sportverbände eine wichtige Funktion einnehmen, in-

spielsweise Lehrerinnen und Lehrer sein oder Pädagogin-

dem sie genau solche Räume außerhalb des Elternhauses

nen und Pädagogen aus Jugendeinrichtungen, die bereits

öffnen. Das heißt für die Verantwortlichen aus den Sport-

ein Vertrauensverhältnis zu den jungen Menschen aufge-

organisationen sensibel zu sein und vor allem Sensibilität

baut haben. Es können

für die Frage zu entwickeln, ob die Eltern eine wichtige

zudem Personen sein,

Rolle für die jungen Menschen einnehmen und diese auch

die beispielsweise auf-

bei einem möglichen Engagement von Bedeutung sind.

grund ihrer Herkunft

Gleichzeitig gilt es dafür zu sorgen, dass der Sportverein

oder einer ähnlichen

ein wichtiger Erfahrungs-, Lern- und Orientierungsraum

Lebenslage um die be-

für junge Menschen außerhalb des Elternhauses ist.

es um Engagementförderung geht, bringt es nichts so von oben irgendwas runter zu predigen.“ (Modellprojektverantwortliche)

dass es eben mitunter an den Eltern liegen kann, dass Jugendliche bestimmte Angebote nicht wahrnehmen.“

sonderen Kommunikationsmuster dieser Zielgruppe wissen. Wichtig ist in jedem Fall, die jungen Menschen in ihrer jeweils individuellen Perspektive ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Es reicht also nicht aus, einfach ein vermeintlich attraktives Angebot zu entwickeln und

1) vgl. bspw. Klaus Hurrelmann: Lebensphase Jugend.

dieses dann breit zu kommunizieren, sondern es erfordert

Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugend-

ein individuelles Eingehen und Einstellen auf die Jugend-

forschung, 5. Auflage 1997, Weinheim & München

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Junge Menschen benötigen auch ein

Zitate

Bild davon, wie ein freiwilliges Engage-

„Wenn jemand interessiert war in der Vergangenheit, dann haben wir denjenigen

ment aussieht. Dieses Bild und die Vor-

oder diejenige gezielt angesprochen. Also, es war so eine Mischung aus Interesse

stellung, wie ein Mitmachen und eine

wecken für unsere Sportarten und Angebote, die wir machen und auf der anderen

Mitarbeit im Sportverein/Sportverband

Seite aber schon auch in Schulen ein gezieltes Vorstellen unseres Projektes.“

konkret aussehen können, entwickeln

(Vereinsverantwortlicher)

junge Menschen vor allem „im eigenen Tun und Handeln“ oder eben durch

„… da kann man einen Flyer machen, da kann man ein Plakat hinhängen, wie man will, das zieht aber keine Jugendlichen. Also, ich glaube nicht in dem Klientel, wo

Erfahrungen, die sie aus ihrem privaten

wir uns da bewegen. Da muss man schon direkt dann auch vor Ort sein, muss in

Umfeld mitbekommen.

die Jugendclubs gehen, muss sich dort auch mal präsent zeigen, muss dort auch viel…, also einmal die Woche dort erscheinen und auch mit dem Projekt und mit dem Angebot was verbinden. (Vereinsverantwortliche)

Pro und Contra + Pro ■ Die Sensibilität für die Lebensrealitäten der jungen Menschen im Umfeld des Sportvereins/Sportverbands nimmt zu. ■ Das Zugehen auf die Zielgruppe kann zu einer Erweiterung der Aktionsräume einer Sportorganisation führen.

– Contra ■ Es erfordert eine hohe Verlässlichkeit und Konsequenz im Sportverein/Sportverband und möglichst eine Person, die dauerhaft als Ansprechpartner/-in fungiert. ■ „Wo die Jugendlichen sind“, sind häufig auch schon andere Anbieter (Jugendzentren etc.), die um die Zeit der Jugendlichen konkurrieren.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Welche Zielgruppe wollen wir konkret ansprechen? ■ Wo hält sich unsere Zielgruppe bevorzugt auf, beziehungsweise wo kann es gelingen, in einen persönlichen Kontakt zu treten?

Zitat „…da hinzugehen, wo die Jugendlichen sind, und die sind zu allererst in der Schule oder

■ Haben wir Zugang zu potenziellen Multiplikator/-innen?

sind dann auch irgendwo in den Unterneh-

■ Mit welchen anderen Institutionen müssen und wollen wir

men oder in Ausbildungsbetrieben drin. Das kommt dann jetzt immer aufs Alter an. Oder

gerne zusammenarbeiten? ■ Wie binden wir die Eltern sinnvoll ein und gestalten gleichzeitig Freiräume für die jungen Menschen? ■ Wie stellen wir möglichst ein offenes Klima her, in dem sich die jungen Menschen auf- und angenommen fühlen? ■ Wen beauftragen wir mit der Ansprache und dem Zugehen

bei Jugendtreffs oder Sonstigem, um sie dort anzusprechen. Mit diesen Institutionen zu kooperieren, kann ich nur jedem empfehlen.“ (Multiplikator)

auf die Zielgruppe?

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4 Baue auf Beziehungen!

!

Es werden Personen benötigt, die mit einer wertschätzenden und potenzialorientierten Haltung verlässlich auf die jungen Menschen zugehen und mit ihnen arbeiten. Beziehungsarbeit tritt neben „Sport treiben“ und „Sport vermitteln“. Beides muss sich wechselseitig ergänzen.

Entscheidende Voraussetzung für ein Engagement dieser jungen Menschen ist das Vorhandensein einer tragfähigen Beziehung und eines gegenseitigen Vertrauens zwischen den Verantwortlichen auf Seiten der Sportvereine/Sportverbände (Übungsleiter/-innen, Trainer/-innen, Vorsitzende etc.) und den jungen Menschen selbst. Hier sind die Verantwortlichen gefragt, offen und mit einer an den Stärken und Potenzialen orientierten

Zitat

spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Bei allem,

Haltung auf die jungen Men- „Aber in einigen Punkten wäre das einschen zuzugehen und aktiv für fach sehr, sehr wichtig gewesen, da viel

was der Sportverein/Sportverband plant und entwickelt,

einen guten Beziehungsaufbau aktiver als Pädagoge mit in diesem Pro-

Im Mittelpunkt stehen die jungen Menschen mit ihren

muss es an erster Stelle darum ge-

zu sorgen. Eine gerade im Sport jekt zu sein.“

hen, die Interessen und Möglich-

hervorragende Möglichkeit ist (Übungsleiter)

keiten der jungen Menschen im

dafür das gemeinsame sportliche Training. Dieses kann als

sich sehr positiv aus. Also, wenn man

Blick zu behalten und sich in den

eine ideale Möglichkeit verstanden und genutzt werden,

irgendeine Aktion plant und dann

eigenen Maßnahmen und Ange-

Vertrauen und Beziehung aufzubauen. Entscheidend ist,

wirklich mal zwei Tage hinter denen

boten genau daran auszurichten.

dass die Verantwortlichen diese Möglichkeiten entspre-

her telefoniert, die privat anruft und

Um diesem Anspruch gerecht zu

chend wahrnehmen und im Training viel mit den jungen

sagt, wie ist es, kommst du usw., dann

werden, werden bestimmte Perso-

Menschen sprechen, sie positiv stärken und für eine gute

kommt da auch was zurück. Oder

nen benötigt, die in der Lage sind,

Atmosphäre sorgen.

Zitate „Ich habe auch gemerkt, immer wenn man sich mehr einsetzt, dann wirkt das

dann merken sie, „wow, der ruft mich ja abends zu Hause an. Ist ja krass,

diese oft sehr unterschiedlichen Interessen und Möglichkeiten der

Die emotionale Bindung und die Begegnung auf Augen-

Irgendwie so was. Dem ist das wichtig,

Jugendlichen zu erkennen und

höhe zwischen den jungen Menschen und verantwort-

ja.“ (Modellprojektverantwortliche)

mit ihnen umzugehen. Da es aber

lichen Personen sind dabei von hoher Bedeutung und

gerade dieser Zielgruppe manch-

müssen entsprechend gestaltet werden. Diese Aufgabe des

„Insgesamt ist es eine der wesentlichen

mal nicht leicht fällt, die eigenen

aktiven Zugehens auf die jungen Menschen ist nicht vor-

Voraussetzungen, dass es eine relativ

Interessen auszusprechen, erfor-

aussetzungsfrei. Dafür braucht es Einfühlungsvermögen,

dert es ein Gespür für spezielle

ein echtes glaubhaftes Interesse an den Bedürfnissen jedes

Situationen, in denen die jungen

Einzelnen und – wie schon beschrieben – eine potenzial-

Menschen die Möglichkeit haben,

orientierte Haltung, die sich durch eine Orientierung an

wann ist der denn noch am Arbeiten.“

enge Beziehung, auch ein Vertrauensverhältnis geben muss.“ (Modellprojektverantwortlicher)

ihre Bedürfnisse zu äußern oder zu erarbeiten. Diese

den Stärken der jungen Menschen auszeichnet.

Situationen müssen unter Umständen speziell geschaffen werden, beispielsweise durch besondere Zeiten oder Gruppensituationen. Entscheidend ist dabei, dass sich die Interessen und Bedürfnisse der jungen Menschen stark von den Jugendlichen, die bereits im Sportverein/Sportverband etabliert sind unterscheiden können. Dafür gilt es, sensibel zu sein. 12

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Vielleicht fällt Ihnen bei der Beschreibung dieses Anfor-

das echte Interesse und eine bestimmte Haltung. Wer die-

derungsprofils sofort ein/e Trainer/-in oder eine andere

se Voraussetzungen mitbringt, kann viel erreichen.

verantwortliche Person aus Ihrer Sportorganisation ein? Vielleicht glauben Sie auch, dass einzelne Personen aus Ihrem Sportverein/Sportverband an einer solchen Aufgabe interessiert wären und eine solche Rolle gut ausfüllen

Zitat „Die Bindung ist einfach das A und O. Und zwar so, dass es ehrlich und authentisch ist.“ (Modellprojektverantwortlicher)

könnten? Hierfür muss man nicht unbedingt eine entsprechende Ausbildung vorweisen. Wichtig sind vor allem

Pro und Contra + Pro ■ Durch die Arbeit mit den jungen Menschen kann sich eine neue Kultur im Sportverein/Sportverband entwickeln, die insgesamt von hoher Wertschätzung geprägt sein kann. ■ Wenn mit Heterogenität richtig umgegangen wird, kann sie

Zitate „…aber das ist mir doch nochmal bewusst geworden, wie wichtig das ist, dass sich die Akteure von ihrer ganzen Persönlichkeit her

in Form von Vielfalt zu einer Stärke und einem besonderen

auch auf so eine Zielgruppe einstellen.“

Merkmal der Sportorganisation werden.

(Modellprojektverantwortliche) „Also mir hat`s eigentlich geholfen, halt`nen

– Contra ■ Die verantwortliche Person darf in der Arbeit mit den jungen Menschen nicht „alleine gelassen“ werden. Notwendig ist eine

festen Ansprechpartner zu haben, den … (Name gelöscht). Also halt einfach Telefonnummern kurz auszutauschen, zu sagen,

Verständigung im gesamten Sportverein/Sportverband über die

wenn’s irgendwelche Probleme gibt oder

Bedeutung des Themas.

wenn’s irgendwas Neues gibt, halt kurz zu

■ Beziehungsarbeit mit jungen Menschen aus dieser Zielgruppe

reden.“ (Jugendliche)

verlangt eine pädagogisch-orientierte Grundhaltung bei den verantwortlichen Personen und vielleicht auch spezielle Kenntnisse über die Lebenslagen der jungen Menschen. Von daher ist die Übernahme dieser Aufgabe nicht voraussetzungsfrei. ■ Verlässliches Zugehen ist eine wichtige Voraussetzung, gleichzeitig aber auch ein unter Umständen langwieriger Prozess, dessen Ausgang ungewiss ist.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Welche Person ist bereit und in der Lage, sich diesem Thema verlässlich und auf längere Zeit anzunehmen? ■ „Welche Voraussetzungen muss diese Person mitbringen, um die Aufgaben erfüllen zu können?“ Steht der Sportverein/Sportverband hinter diesem Vorhaben und unterstützt die verantwortliche Person in ihrem Handeln? ■ Unterstützen die Vereinsmitglieder das Vorhaben und gibt es eine Kultur, die eine wertschätzende und annehmende Haltung vermittelt wie auch ausstrahlt? ■ Gibt es flexible Möglichkeiten, interessierte Jugendliche aus der Zielgruppe in das Sportvereins-/Sportverbandsleben zu integrieren?

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13


5 Entwickle dein Selbstverständnis!

!

Die Fokussierung auf die neue Zielgruppe erfordert eine Erweiterung bzw. Weiterentwicklung der Sportvereins-/Sportverbandsarbeit und des zugrunde liegenden Selbstverständnisses. Das verlangt nach einer pädagogisch-orientierten Grundhaltung und einer Ausrichtung an der realen Lebenswelt junger Menschen.

Es muss deshalb auch immer mit berücksichtigt werden, wie die jungen Menschen zu einer regelmäßigen aktiven Teilnahme und einem zuverlässigen Engagement motiviert werden können. Zudem erfordert es eine bewusste Entscheidung, auf die Zielgruppe zuzugehen und sich den jungen Menschen aktiv anzunehmen. Damit das gelingen kann, muss die ge-

Um junge Menschen mit erschwerten Zugangsbedingun-

samte Sportorganisation ihr Selbstverständnis neu aus-

gen zum Engagement im Sport überhaupt zu einer akti-

richten. Langfristig können junge Menschen mit er-

ven Teilnahme am Sport zu motivieren, muss auf sie zu-

schwerten Zugangsbedingungen für ein Engagement nur

gegangen werden. Jugendliche aus der Zielgruppe kom-

gewonnen werden, wenn hier ein entsprechendes „Klima“

men für gewöhnlich nicht von selbst auf den Sportver-

vorherrscht. Das heißt, dass die Entwicklung nicht aus-

ein/Sportverband zu, wie dies sonst der Fall ist, sondern

schließlich von einzelnen Personen, sondern vom gesam-

müssen in ihrem direkten Lebens-

ten Sportverein/Sportverband mitgetragen werden muss.

umfeld angesprochen werden. Dies erfordert zum einen Kenntnisse über die Lebenswelten der

Die Gewinnung von jungen Menschen mit erschwer-

jungen Menschen und zum ande-

ten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport

ren die Bereitschaft der jeweiligen

kann für eine Sportorganisation durch drei verschie-

Sportorganisation, sich von einer

dene Vorgehensweisen umgesetzt werden:

„Komm“- zu einer „Hol“-Struktur zu entwickeln.

Integration ■ Die Aufgabe, die jungen Menschen für ein Engage-

Darüber hinaus müssen neben dem sportlichen Bereich

ment zu gewinnen, wird in der bestehenden Struktur

auch pädagogisch-orientierte Angebote bereitgestellt

aufgegriffen und gelöst.

werden.

■ Die Aufgabe wird zu einem zentralen Zweck und damit zu einer Kernleistung des Sportvereins/Sportver-

Wenn man mit dieser Zielgruppe arbeiten möchte, müs-

bands.

sen niedrigschwellige, zielgruppenspezifische und offene Angebots- bzw. Engagementformen geschaffen werden.

Auslagerung

Niedrigschwellige Angebote meinen in diesem Fall Mög-

■ Die Aufgabe wird in neu zu errichtende Strukturen

lichkeiten für Jugendliche, sich umsonst oder gegen einen

bzw. Einrichtungen „ausgelagert“ (Abteilungen,

sehr geringen finanziellen Monatsbeitrag unverbindlich

Jugendhaus).

sportlich betätigen oder engagieren zu können. Die offene und unverbindliche Art solcher Angebote kommt den

Erweiterung

Wünschen und der Alltagsrealität der Jugendlichen ent-

■ Die bestehenden Strukturen werden erweitert und

gegen, stellt den Sportverein/Sportverband aber auch vor organisatorische Probleme. Gleichzeitig besteht bei sol-

angepasst (z.B. über offene Angebote). ■ Die bestehenden Strukturen werden durch die

chen niedrigschwelligen Angeboten die Gefahr, dass sie

Entwicklung einzelner Maßnahmen, Projekte oder

von den jungen Menschen eher sporadisch aufgesucht

Angebote ausgebaut.

werden.

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Information Lebenswelt Die Lebenswelt der jungen Menschen beschreibt ihren Lebensmittelpunkt innerhalb des Sozialraums, in dem sie leben. Sozialraum ist dabei der Raum, in dem sich jede/jeder Einzelne individuell bewegt und ihre/seine sozialen Beziehungen pflegt. Gestaltet werden diese Lebenswelten unter anderem durch Freunde, Familie, Ausbildungs- oder Arbeitsstätte und Freizeitverhalten.

Aktions- oder Aneignungsräume Die Aktions- oder Aneignungsräume von jungen Menschen sind geprägt durch deren Mobilität aus ihrer Lebenswelt und ihrem Sozialraum hinaus (z.B. Berufsschule, Disco, etc.), die sich außerhalb des Sozialraums befinden. Diese Aktionsräume reichen je nach individuellem Verhalten mehr oder weniger weit über den Sozialraum hinaus und erweitern diesen. Tendenziell weiten sich diese Aktions- und Aneignungsräume mit dem Alter und dem Bildungsgrad aus.

Selbstverständnis Das Selbstverständnis beinhaltet die Vorstellung des Sportvereins oder Sportverbandes von sich selbst und wie sich dieser in der Öffentlichkeit präsentiert. In der Regel wird das Selbstverständnis über ein Leitbild oder die Satzung geregelt. Neben den sportlichen Aktivitäten werden hier auch soziale oder politische Gedanken, Vorstellungen oder Richtlinien aufgenommen, die für die Mitglieder richtungweisend sind. Die Berücksichtigung der Zielgruppe sollte im Selbstverständnis des Sportvereins/Sportverbands verankert sein.

Pro und Contra + Pro ■ Reflexion des Sportvereins/Sportverbands zu seinem Selbstverständnis. ■ Von einem neuen Klima können alle Mitglieder profitieren. ■ Es besteht die Möglichkeit, sich gegenüber anderen Organisationen als besonders ganzheitlich arbeitende Sportorganisation mit Fokus auf individuelle Entwicklungsaspekte zu profilieren.

– Contra ■ Die Auseinandersetzung mit der Lebenswelt der jungen Menschen erfordert Zeit und Energie. ■ Die Lebenswelten der jungen Menschen können mit den Vorstellungen des Sportvereins/Sportverbands nicht vereinbar sein. ■ Niedrigschwellige Angebote sind oft schwer in strukturierte Trainingsformen zu überführen. ■ Es bedarf der Unterstützung der gesamten Sportorganisation; auch Einzelne können ein Klima bereits empfindlich stören.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Wie sehen die Lebenswelten der jungen Menschen aus der Zielgruppe aus? ■ Wie lassen sich diese Lebenswelten in ein Konzept zur Engagementförderung in den Sportorganisationen integrieren? ■ Wie hoch ist die Bereitschaft im Sportverein/Sportverband zur Gestaltung eines neuen Selbstverständnisses? ■ Gibt es Personen, die sich dauerhaft um die Begleitung der Jugendlichen kümmern können und wollen? ■ Haben wir die nötigen Ressourcen, um niedrigschwellige Angebote anzubieten?

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6 Orientiere dich an der Lebenswelt der jungen Menschen!

!

Bei der Arbeit mit jungen Menschen aus bisher wenig erreichten Zielgruppen ist eine Orientierung an der Lebenswelt und am Sozialraum dieser entscheidend. Beide Aspekte müssen von den Sportvereinen/Sportverbänden neu in den Blick genommen und in die Handlungskonzepte von Engagementförderung für die Zielgruppe integriert werden.

um die es geht. Dies erfordert eine Orientierung an der jeweiligen Lebenswelt der jungen Menschen. Der Sozialraum, in dem der Sportverein/Sportverband und die Lebenswelt der jungen Menschen verankert sind, ist nur in den seltensten Fällen deckungsgleich. Viel mehr bewegen sich die jungen Menschen in dem Sozialraum und punktuell darüber hinaus in Aktionsräumen, die maßgeblich von den Freundinnen und Freunden, dem

Neben der Orientierung an der Lebenswelt der jungen

Freizeitverhalten und ggf. der Schule beziehungsweise der

Menschen muss sich ein Sportverein/Sportverband auch

Ausbildungs- oder Arbeitsstätte bestimmt werden. Mit

in dem Sozialraum, in dem er selbst verankert ist, öffnen.

zunehmendem Alter und Bildung verändert sich das

Sozialraumorientierung bedeutet, Kenntnisse über die

Freizeitverhalten der jungen Menschen und damit ihre

politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedin-

Mobilität und Bereitschaft, die eigene Lebenswelt über

gungen im Einzugsgebiet der Sportorganisation zu haben

den eigenen Sozialraum hinaus auszudehnen.

und die Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Institutionen (Schulen, Kindergärten, Jugendzentren etc.) in diesem Umfeld zu suchen.

Zitat „Die fahren nicht mit dem Bus, die laufen auch nicht irgendwohin. Die musst du schon ans Händchen nehmen und ab-

Diese Kenntnisse sind ei-

holen.“

ne Grundvoraussetzung,

(Modellprojektverantwortliche)

um geeignete Kooperationen schließen und Vernet-

Daher sollte eine Betrachtung des Sozialraums und der

zungen knüpfen zu kön-

Lebenswelten durch ihre Aktionsräume ergänzt werden,

nen, die eine pädagogisch-

weil so die Interessen und Bedürfnisse der jungen Men-

orientierte Arbeit mit den

schen besser erfasst werden.

jungen Menschen ermöglicht. Als zentraler Fokus dürfen die jungen Menschen aber nicht aus den Augen verloren werden. Sie sind diejenigen,

Information Sozialraum Als Sozialraum im Kontext dieser Handlungsempfehlungen wird neben der lokalen Verankerung auch die soziale, politische und ökonomische Vernetzung des Sportvereins/Sportverband in dessen Einzugs- und Wirkungsbereich verstanden. Der Sozialraum stellt die strukturelle und operative Einbettung der Organisation in ihrer direkten räumlichen Umgebung dar.

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Pro und Contra + Pro ■ Es kann eine Win-Win-Situation entstehen, von der alle Beteiligten profitieren. ■ Die Öffnung des Sportvereins/Sportverbands in dessen Sozialraum stärkt und festigt seinen lokalen Bezug. ■ Durch die Übernahme sozialer Verantwortung für den Sozialraum können der Sportorganisation Vorteile (z.B. bei der Hallen- oder Platzvergabe) entstehen. ■ Gewonnene Kenntnisse über den Sozialraum der Organisation können vielfältige Entwicklungsprozesse anstoßen. ■ Eine Orientierung an der Lebenswelt der jungen Menschen aus der Zielgruppe kann einen anderen Blickwinkel auf das Geschehen ermöglichen, der unter Umständen wieder neue Perspektiven eröffnet.

– Contra ■ Der vorgefundene Sozialraum und die vorgefundenen Lebenswelten müssen nicht mit der Vorstellung der Sportorganisation übereinstimmen. ■ Sozialraumorientierung und Lebensweltorientierung sind langfristige Aufgaben, die kontinuierlich reflektiert werden müssen, dies erfordert personelle und zeitliche Ressourcen.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Was genau ist unser Sozialraum? ■ Wie sieht die (Sozial-)Struktur des Sozialraums aus? ■ Wer sind wichtige Kooperationspartner im Sozialraum? ■ Wie lassen sich Aspekte des Sozialraums in ein Konzept zur Förderung des Engagements im Sportverein/Sportverband integrieren? ■ Fühlen wir uns in unserem Sozialraum verankert und vernetzt? ■ Können und wollen wir uns auf die Lebenswelten der Jugendlichen einlassen?

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7 Schaffe Mehrwert für alle und lasse ihn sichtbar werden!

!

Damit Engagementförderung im Sport von den jungen Menschen sowie von Sportverein/Sportverband als sinnvoller Prozess erlebt wird und im Sozialraum verankert werden kann, muss ein Mehrwert für alle Beteiligten in diesem Gefüge sichtbar werden.

Junge Menschen werden für ein Engagement motiviert, wenn sie im Tun Selbstwirksamkeit erleben und sich selbst neue Handlungsspielräume eröffnen können. Ein Mehrwert entsteht nicht in erster Linie durch materielle Dinge, wie die Zahlung einer Aufwandsentschädigung, sondern durch die Übergabe von Vertrauen und das Zutrauen von Dritten darin, dass die Jugendlichen die Verant-

Die Generierung eines subjektiv erlebten Mehrwerts ist

wortung selbst tragen können.

notwendige Voraussetzung und Rahmenbedingung. Dieser muss zugleich auch Ergebnis bei der Auseinandersetzung

Mehrwert für den Sportverein/Sportverband entsteht

mit dem Thema sein.

durch die Gewinnung neuer, sich engagierender Mitglie-

Der Mehrwert ist die

der und dadurch kann auch eine größere Vielfalt in der

Grundlage der Motiva-

Struktur entstehen.

tion aller Beteiligten, miteinander zu intera-

Das Erleben und Kennenlernen von Teilhabe und Zuge-

gieren. Dies schließt ei-

hörigkeit ist ein wichtiger Grund für Engagement. Um

nen Mehrwert für die

dies zu gewährleisten, kann erneut auf die Relevanz eines

jungen Menschen, die

entsprechenden Klimas – einer entsprechenden Kultur –

für ein Engagement im Sport gewonnen werden sollen,

verwiesen werden, die von der gesamten Sportorganisa-

ebenso mit ein, wie die Sportorganisation und einzelne Per-

tion getragen werden muss.

sonen, die sich konkret mit der Zielgruppe beschäftigten. Zitat

Mehrwert entsteht dann, wenn alle Akteure den Sinn

„… das Zertifikat […] das finde ich natürlich sehr schön, aber

ihres Handelns selbst erkennen und die Bedürfnisse und

ich find´s auch sehr schön, dass das so hoch erachtet wird und

Interessen der beteiligten Akteure befriedigt werden.

dass das, was wir gemacht haben, nicht einfach übersehen wird.“ (Jugendliche)

Information Mehrwert Der Mehrwert dient für alle Beteiligten zur dauerhaften Motivation dafür, miteinander in Kontakt zu treten und zu bleiben. Nur wenn für alle Beteiligten ein vorteilhafter Nutzen entsteht und eine Win-Win-Situation erzeugt wird, werden sie auch langfristig bereit sein, ihre Zeit und Energie in ein solches Unterfangen zu investieren.

Pädagogisch orientierte Grundhaltung Die pädagogisch orientierte Grundhaltung setzt ein besonderes Verständnis und Einfühlungsvermögen für die jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport voraus. Es ist aber keine spezielle pädagogische Ausbildung notwendig.

Selbstwirksamkeit Durch die Selbstwirksamkeit erfahren die jungen Menschen Wechselwirkungen zwischen ihrem Verhalten und Umwelteinflüssen. Sie nehmen wahr, dass ihr positives Handeln auch zu positiven Reaktionen führt. Dies schärft ihr vorausschauendes Denken in diesem Bezug und fördert ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion.

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Pro und Contra + Pro ■ Es kann eine Win-Win-Situation entstehen, von der alle Beteiligten profitieren. ■ Es werden nicht zwingend finanzielle Ressourcen benötigt. ■ Sichtbar gemachte Mehrwerte können dazu motivieren, weitere Schritte zu gehen.

– Contra ■ Der Mehrwert muss für alle Beteiligten sichtbar werden. ■ Mehrwerte für die Jugendlichen müssen nicht zwangsläufig die gleiche Bedeutung wie für den Sportverein/Sportverband darstellen.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Welchen Mehrwert gibt es für die jungen Menschen? ■ Welchen Mehrwert gibt es für den Sportverein/Sportverband? ■ Welchen Mehrwert gibt es für die Mitglieder in der Sportorganisation, vor allem für die, die mit den jungen Menschen arbeiten? ■ Welchen Mehrwert gibt es für den Sozialraum? ■ Wie lassen sich die einzelnen Mehrwerte über eine Engagementförderung verbinden? ■ Können wir Engagementformen bereitstellen, in denen die Jugendlichen Selbstwirksamkeit erfahren können?

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8 Kooperiere!

!

Der Zugang zu jungen Menschen aus der Zielgruppe wird durch institutionelle Kooperationspartner erleichtert (z.B. Schulen, Ausbildungsbetriebe, freie Träger etc.).

Zitat „Wenn man jetzt außerschulisch das machen würde, dann müsste man wieder gucken, wann hat man Zeit, wann würde es da klappen.“ (Jugendlicher)

Zitat

Den jungen Menschen wird damit niedrigschwellig die

„Da hinzugehen, wo die Jugendlichen sind. Und zwar, sind sie

Möglichkeit geboten, sich auf das Sportangebot einzulas-

zu allererst in der Schule oder sind dann auch irgendwo in den

sen. Sie können probeweise ohne großen Aufwand und

Unternehmen oder in Ausbildungsbetrieben drin. […] Oder

Hürden Angebote nutzen. Dadurch haben jungen Men-

bei Jugendtreffs oder Sonstigem, um sie dort anzusprechen. Mit diesen Institutionen zu kooperieren, kann ich nur jedem empfehlen.“ (Modellprojektverantwortliche)

schen einfacher die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren und die mit der Sportart verbundene, eventuell neue Herausforderung nebenbei kennenzulernen.

Mit den jungen Menschen in Kontakt zu kommen und diese für ein Engagement zu gewinnen ist nicht immer

Werden die Sportangebote im Rahmen des Pflichtunter-

einfach. Deswegen bietet es sich an, mit den Institutionen

richts oder im Rahmen eines Betriebs bereitgestellt, wird

zusammen zu arbeiten, in denen sich die jungen Men-

der Zugang zum Sport erst einmal dadurch erleichtert,

schen aufhalten, wie z.B. Schulen, Ausbildungsbetriebe

dass die jungen Menschen in diesen Bereichen verpflich-

oder Jugendzentren. Es ist die Aufgabe des Sportver-

tend vor Ort sind. Sie können somit leichter für attrak-

eins/Sportverbands, ein Angebot

tive Sportarten gewonnen und auch anschließend in ein

in Absprache mit der Institution

Engagement gebracht werden. Der später wegfallende

zu entwickeln, welches innerhalb

Pflichtcharakter kann als sehr positiv wahrgenommen

deren Einrichtung oder direkt im

werden, da jungen Menschen unter anderem freiere Ent-

Anschluss an das Angebot des

scheidungsmöglichkeiten haben.

Kooperationspartners stattfinden kann. Ein wichtiger Punkt ist da-

Die Kooperationsmöglichkeiten sind nicht nur auf Schu-

bei, auf eine räumliche Nähe zu

len oder Betriebe beschränkt. Als weitere potenzielle Part-

achten.

ner kommen Jugendclubs, Freizeiteinrichtungen oder jede Organisation in Betracht, in der junge Menschen aus

Zitat

der Zielgruppe bereits integriert sind. Die Entscheidung

„Manchmal ist es einfach nur die Entfernung. [...] „Ah, nein,

für geeignete Kooperationspartner sollten die Sportverei-

das ist uns zu weit.“ Also, ich denke mal, die Angebote sollte

ne/Sportverbände immer in ihrem jeweiligen Umfeld tref-

man schon dort vor Ort machen, wo halt die Jugendlichen

fen.

sind.“ (Modellprojektverantwortlicher)

Bei der Kooperation mit den jeweiligen institutionellen Es bietet sich hier zum Beispiel an, dass der Sportver-

Akteuren ist aber auch auf deren unterschiedliche Zeit-

ein/Sportverband Angebote für die jungen Menschen im

rhythmen zu achten. Wenn funktionierende Kooperatio-

zeitlichen Anschluss und direkter räumlicher Nähe zu den

nen angestrebt werden sollen, ist es wichtig, sich an den

Abläufen des Kooperationspartners bereitstellt (z.B. Fuß-

jeweiligen Zeitrhythmen der Institutionen auszurichten

ballangebot nach Schulschluss). Genauso wäre es auch

und diese im Blick zu behalten. So können aufwendige

möglich, dass der Sportverein den Sportunterricht (mit)

Werbeaktionen durch den falschen Zeitpunkt (z.B. kurz

gestaltet. Die Ziele des Angebots für die beiden Koopera-

vor den Sommerferien) schnell untergehen.

tionspartner sollten gemeinsam abgestimmt werden.

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Zitat

leichter ein vertrautes Verhältnis, wenn sie bemerken, dass

„..unterschiedliche Organisationen, unterschiedliche Ziele,

ihnen bekannte (und mit positiven Gefühlen verbunde-

unterschiedliche Arbeitsorganisationsweisen, unterschiedliche

ne) Bezugspersonen (z.B. aus Jugendclubs) und Vereins-

Strukturen […] und natürlich auch Konkurrenzdenken...“

mitglieder in einem freundschaftlichen Verhältnis zuein-

(Modellprojektverantwortliche)

ander stehen. Wenn die jungen Menschen mit der Person des Sportvereins/Sportverbands schon etwas verbinden

Mit Plakaten und Flyern ist es dabei alleine nicht getan.

oder bereits wissen, wer ihr Ansprechpartner oder ihre

Wie schon beschrieben, ist die direkte Ansprache der jun-

Ansprechpartnerin ist, reduziert sich ihre Unsicherheit,

gen Menschen entscheidend, damit sie auf Angebote auf-

die durchaus umfangreicher ist, als man es vielleicht

merksam werden. Oftmals können sie die Tätigkeiten gar

denkt. Das Ausprobieren des Sportangebots fällt ihnen

nicht einordnen und fühlen sich allein schon deswegen

dadurch wesentlich leichter, weil erste Hemmschwellen

von dieser Art von Werbung nicht angesprochen. Allge-

bereits vorweggenommen wurden.

mein entwickeln die jungen Menschen schneller und

Pro und Contra + Pro ■ Die jungen Menschen sind schon vor Ort und können direkt angesprochen werden. ■ Kooperationspartnerschaften mit Schulen und Ausbildungsbetrieben haben eine Signalwirkung nach außen. ■ Einschätzungen zu den jungen Menschen können auch von anderer, zusätzlicher Seite eingeholt werden. ■ Es können vielfältige Synergieeffekte durch die Kooperationen entstehen, die auch in anderen Bereichen der Sportvereins-/Sportverbandsentwicklung wirksam werden.

Zitat „Bisher lief es gut, wir waren mit

– Contra

unserem Projekt beim Integra-

■ Es können (teilweise) Abhängigkeiten von Kooperationspartnern entstehen.

tionsforum präsent. Die anderen

■ Es entstehen ein hoher und dauernder Kommunikationsaufwand und vielfältige

Gruppen haben positiv reagiert, wir waren im Arbeitskreis Schu-

Abstimmungsaufgaben. ■ Die Schule hat einen Pflichtcharakter für die jungen Menschen, so dass sich die Teilnahme an Sportangeboten in der Schule von der Freiwilligkeit im Sportverein/Sportverband unterscheidet. ■ Der Übergang der jungen Menschen von einem verpflichtenden Schulangebot in ein freiwillig strukturiertes Angebot kann sich schwierig gestalten. ■ Auch der Übergang von freien und offenen Angeboten – beispielsweise in Jugendhäusern –

le/Sport, da haben die einzelnen Schulen, die anwesend waren durch die Lehrer, die Fachleiter, Fachleiterinnen, durchwegs positiv reagiert. […] Es geht aus meiner Sicht nun da-

in die Angebote von Sportvereinen/Sportverbänden kann sich schwierig gestalten,

rum, ganz konkrete Wege zu be-

da unter Umständen die jeweilige Kultur des Umgangs eine andere ist.

schreiten, ganz konkrete Ange-

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ In welche Institutionen gehen die jungen Menschen, die wir erreichen möchten? ■ Können im Rahmen des Schulsports Kooperationen stattfinden?

bote zu machen. Und auch das deutet sich ja an, weil die eine Schule bereits gefragt hat, können wir hier mehrere Projekttage durchführen. Ja, bisher läuft das

■ Zu welchen Zeiten ist es uns möglich, Sport anzubieten?

gut.“

■ Passt der Kooperationspartner zu uns?

(Modellprojektverantwortlicher)

■ Möchten wir in der internen und externen Wahrnehmung mit diesem Kooperationspartner in Verbindung gebracht werden? ■ Was sind attraktive Angebote für die Zielgruppe, die sich im Rahmen von z.B. Schulunterricht verwirklichen lassen? ■ Gibt es vor Ort schon bestehende Netzwerke, in denen die Institutionen zusammenkommen? ■ Wer könnten die Ansprechpartner/-innen sein, um den ersten Kontakt mit den Institutionen herzustellen? J E TS T ! - J U N G E S E N G AG E M E N T I M S P O RT - H A N D LU N G S E M P F E H LU N G E N

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9 Stelle Schnittstellen in den Sportvereinen/Sportverbänden her!

!

Wenn die jungen Menschen aus bisher wenig erreichten Zielgruppen über institutionelle Kooperationspartner gewonnen werden, ist dem Übergang in die Sportorganisation eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

handene Möglichkeiten zur Ausübung der gewünschten Sportart präsentieren. Die jungen Menschen sollten erfahren können, in welchem Sportverein sie die gewünschte Sportart ausüben können. Ein umfangreiches Netzwerk von Sportvereinen im näheren Umkreis ist für den Sportverband ein Gelingensfaktor für die nachhalti-

Solange die jungen Menschen im Rahmen einer anderen

ge Vermittlung junger Menschen in den regelmäßigen

Institution als einem Sportverein am Sportangebot teil-

Sport und eine sich daran anschließende Förderung eines

nehmen, sind meist Motivationen und Verpflichtungen

Engagements. Es kann den jungen Menschen damit eine

(z.B. Schulpflicht) vorhanden, die auf die Institution be-

vielfältige Auswahl an Sportarten angeboten werden,

zogen sind. Die Schwie-

wenn die Sportverbände klare, enge Verbindungen zu den

rigkeit besteht oftmals

relevanten Sportvereinen im Lebensraum des jungen

darin, jungen Menschen,

Menschen haben. Für den Aufbau einer solchen Vernet-

die in solchen Angeboten

zung kann es nützlich sein, den potenziellen Koopera-

aktiv sind, dann auch tat-

tionspartnern die Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Arbeit

sächlich für die eigene

zu verdeutlichen.

Sportorganisation zu gewinnen. Dem Übergang

Aus Sportvereinssicht spielt schon die Angebotsgestaltung

von solchen offenen An-

eine wesentliche Rolle. Für die jungen Menschen sollte ei-

geboten in das Sportvereins-/Sportverbandsleben ist also

ne gewisse Kontinuität der Angebote des Sportvereins so-

besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

wohl innerhalb als auch außerhalb (im Rahmen der

Um den jungen Menschen einen problemlosen Übergang

Kooperationspartnerschaft) der Sportvereinsstruktur

vom Sportangebot innerhalb des Rahmens der institutio-

erkennbar sein, damit sie auch im Sportverein wiederfin-

nellen Einrichtung in den Sportverein/Sportverband zu

den, wofür sie im institutionellen Rahmen gewonnen

ermöglichen, sollten die Übergangsstrukturen zwischen

wurden. Diese Kontinuität betrifft sowohl das Angebot

der eigenen Sportorganisation und den Kooperations-

selbst, als auch die Personen, die das Angebot leiten. Aus

partnern rechtzeitig ausgebildet werden.

der individuellen Sicht ist es für die jungen Menschen wichtig, dass sie ähnliche Angebotsstrukturen im Sport-

Zitat

verein wiederfinden, die sich über die Zeit allerdings

„...um die Zielgruppe erfolgreich in den Verein zu bringen,

verändern können.

braucht man Vermittler oder die Unterstützung von Institutionen.“

Zitat

(Modellprojektverantwortlicher)

„Das ist die Frage, wie sehr man dann so eine Freizeittruppe [oder eine Gruppe aus einem anderen Kontext] auch in die

Die Herangehensweisen an die Frage nach dem gezielten

Strukturen des Vereins reinpressen kann.“

Übergang in den Sportverein sind für den einzelnen

(Modellprojektverantwortlicher)

Sportverein/Sportverband tendenziell unterschiedlich. Wenn die jungen Menschen in den Sportverein wechseln, Aus Sportverbandssicht sind zur Unterstützung des Über-

ist zu beachten, dass sie aus einem Umfeld mit einem ein-

gangs in einen Sportverein im Wesentlichen Strukturen

deutigen Pflichtcharakter (z.B. Schule oder Betrieb) kom-

förderlich, die den jungen Menschen zuerst einmal vor-

men, und dass sie in ein Angebot innerhalb eines Sport-

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vereins wechseln, das durch Freiwilligkeit gekennzeichnet

mithelfen und erst im Laufe der Zeit und mit gezielter

ist. Dies bedeutet für die jungen Menschen einen Wech-

Unterstützung in weiterführende Formen des Engage-

sel der Verbindlichkeit, mit der sie am Angebot teilneh-

ments gebracht werden. Bei dieser Zielgruppe ist es jedoch

men. Dies kann für sie sowohl positive als auch negative

wichtig, darauf zu achten, dass die jungen Menschen die

Auswirkungen haben.

Sportvereins-/Sportverbandstätigkeit tendenziell eher nicht aus ihrem sozialen Umfeld kennen und mit mehr

Zitat

Unterstützung als andere Zielgruppen an ein Engagement

„Wenn alles nur über die Schule läuft, die ja einen Pflicht-

herangeführt werden müssen. Dabei ist es von Bedeutung,

charakter hat, dann kann es funktionieren, aber das ist eben

dass das längerfristig angestrebte Ziel, die Förderung eines

nur eine Schiene.“ (Modellprojektverantwortlicher)

Engagements, nicht aus dem Blick gelassen werden sollte.

Für die gezielte Förderung des Engagements sollten vor al-

Zitat

lem auch die Engagementstrukturen für die jungen Men-

„Bei der Zielgruppe eigentlich ziemlich wenig, die schon mal

schen „einladend“ sein. So sind von Seiten der Sportorga-

einen Vereinskontakt hatten. Von daher ist bei uns die Er-

nisation offene und zielgruppengerechte Engagementfor-

kenntnis entstanden, sie überhaupt in einen Verein zu bringen,

men und -möglichkeiten hilfreich, die den jungen Men-

dass sie überhaupt mal Mitglied in einem Verein sind. Dass das

schen den Einstieg erleichtern und ihnen gleichzeitig den

schon mal erstes Ziel ist oder das schon eine hohe Hürde ist,

vorerst ungezwungenen Rahmen lassen, sich in einer

sie dazu zu bringen und dass das regelmäßige Engagement

„neuen“ Struktur zu orientieren und ihren eigenen Platz zu finden. Denkbar wäre für die erste Einbindung in ein

noch ziemlich weit weg ist.“ (Modellprojektverantwortlicher)

Engagement, dass die jungen Menschen bei Aktivitäten

Pro und Contra

Zitat „...diesen Übergang Schule in

+ Pro ■ Junge Menschen werden dort „abgeholt“, wo sie sind. Einmal aufgebaute und vorhandene Strukturen können dauerhaft genutzt werden.

den Verein, […] eine Zauberformel haben wir noch nicht gefunden, leider.“ (Modellprojektverantwortlicher)

– Contra ■ Den Übergang der jungen Menschen von einem Angebot in einer Organisation, die ihnen vertraut ist, in eine andere, zum Teil vielleicht fremde Organisation zu gestalten, ist sehr zeit- und arbeitsintensiv.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Was erwarten wir von den jungen Menschen, die zu uns kommen? ■ Was erwarten die jungen Menschen von uns, wenn sie zu uns kommen? ■ Gibt es Personen in unserer Sportorganisation, die die jungen Menschen bei dem Übergang in den Sportverein/Sportverband „an die Hand nehmen“ können?

Konsequenzen des Wechsels in eine andere Struktur negativ

positiv

■ Verunsicherung

■ Neustart

■ neue Belastung

■ neue Chance

■ unbekanntes neues Umfeld

■ vorurteilsfreier Start

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10 Heiße die „Neuen“ willkommen!

!

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind entscheidende Elemente für die erfolgreiche Förderung des Engagements. Es muss nach innen und außen kommuniziert werden, dass die Menschen, auf die der Sportverein/Sportverband zugehen will, sich dort willkommen, aufgenommen und geschätzt fühlen. Entscheidend ist die persönliche Ansprache.

punkt abgepasst werden. Diese Außendarstellung dient in

Die Sportorganisation sollte bewusst ansprechende und

Gleichzeitig muss die Kommunikation innerhalb der

öffentlichkeitswirksame Informationen an die Zielgruppe

Sportorganisation erfolgen. Eine nach innen zu den vor-

herantragen. Es ist nützlich, wenn die jungen Menschen

handenen Mitgliedern gerichtete Kommunikation, die al-

über die Angebote und Möglichkeiten innerhalb des

le Beteiligten für das Vorhaben, neue Zielgruppen zu er-

Sportvereins/Sportverbands und dessen Strukturen im

reichen, mitnimmt, ist genauso entscheidend, wie die

Groben informiert sind. Die jungen Menschen müssen

Darstellung nach außen. Die bloßen Absichtserklärungen

aber vor allem erkennen können, was ihnen ein Engage-

einzelner Mitglieder reichen hier nicht aus, um die jungen

ment bringen könnte und wie sie selbst davon profitieren

Menschen für ein Engagement zu begeistern. Die Ent-

können.

scheidung für die gezielte Förderung des Engagements der

der Regel gleichzeitig auch als Nebeneffekt der Wertschätzung der bereits vorhandenen Mitglieder. Zitat „…wichtig eine öffentlichkeitswirksame Methode für sich zu entwickeln, die in deren sozialen Lebensraum funktioniert.“ (Modellprojektverantwortlicher)

jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingen zum Zitat

Engagement im Sport muss von der gesamten Sportorga-

„...gesucht wirst Du, wenn Du etwas verändern möchtest oder

nisation getragen werden. Das Einbinden und die Betei-

wenn Du was Neues erfinden…, also ein neues Angebot ma-

ligung der wesentlichen Gremien, Arbeits- und Projekt-

chen möchtest.“ (Modellprojektverantwortliche)

gruppen und deren Mitglieder sind von zentraler Bedeutung.

Um diese Punkte zu erreichen, empfiehlt es sich, dass der Sportverein/Sportverband gezielt nach außen tritt und al-

Zitate

len jungen Menschen sowie der relevanten Öffentlichkeit

„...eine strategische Sache für die Vorstandschaft im Verein.

die eigenen Angebote und Möglichkeiten innerhalb der

Dass man sagt, okay, wir überlegen uns, wie man diese Ziel-

Organisation verständlich darstellt.

gruppe stärker mit einbinden kann.“ (Modellprojektverantwortliche)

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass insbesondere die jungen Menschen, um die es hier geht, eine Idee davon haben,

„...also jeder, der eigentlich bei […uns…] aktiv ist, ob ehrenamtlich, ob hauptamtlich, der sollte eigentlich das Projekt wirklich wahrgenommen haben.“ (Modellprojektverantwortlicher)

was in einem Sportverein/Sportverband passiert und alles mög-

Dabei ist es wichtig, dass das Selbstverständnis – diese jun-

lich ist. Ihnen fehlt dazu die per-

gen Menschen zu fördern – von allen Mitgliedern mitge-

sönliche Erfahrung bzw. die per-

tragen wird, damit sich die jungen Menschen in allen

sönliche Beziehung zu Menschen mit Sportvereins-/

Instanzen willkommen und verstanden fühlen. Um dies

Sportverbandskontakt und Vereins-/Verbandshintergrund.

zu gewährleisten, ist eine kontinuierliche Gesprächsbe-

Damit die werbenden Aktionen der eigenen Sportorgani-

reitschaft und vor allem ein aktives Zugehen auf die

sation gut von der Öffentlichkeit und den jungen Men-

Mitglieder von Seiten der Verantwortlichen notwendig.

schen wahrgenommen werden, sollte der richtige Zeit-

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Zu beachten ist auch, dass die Kommunikation sowohl

Zitate

nach außen als auch nach innen vor allem realistisch und

„Und dann ist Authentizität […] wichtig. […] Jugendliche –

authentisch als solche erkennbar sein muss. Bei der An-

und das betrifft jetzt nicht nur die Zielgruppe, sondern ganz

sprache und der Kommunikation der jungen Menschen,

allgemein – merken, ob jemand sozusagen auch hinter einem

die bereits von sich aus in den Verein gekommen sind, um

Anliegen steht, hinter einer Zielsetzung steht […] Da kommt

die Angebote zu nutzen, sollte aktiv auf sie zugegangen

ja was rüber auf der persönlichen Ebene, auf der Beziehungs-

werden und man sollte sie über die verschiedenen Engagementformen informieren. Man kann (leider) nicht da-

ebene.“ (Modellprojektverantwortlicher) „...nicht nur zu sagen, ihr seid bei uns willkommen, sondern

von ausgehen, dass die jungen Menschen sich die Infor-

das dann eben durch Handeln, durch den Umgang mit diesen

mation von selbst suchen. Das Konzept, die „Neuen“ will-

Jugendlichen, das auch deutlich machen.“

kommen zu heißen, muss in den Alltag im Sportverein/

(Modellprojektverantwortliche)

Sportverband integriert werden.

Pro und Contra + Pro ■ Die Außendarstellung wird insgesamt verändert und kann zu einer deutlichen Profilschärfung beitragen. ■ Es entsteht die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit den Organisationsstrukturen für alle Mitglieder. ■ Es kann eine nachhaltige Verbesserung der internen Kommunikation stattfinden, die sich auch gegenüber den schon bestehenden Mitgliedern deutlich positiv auswirkt. ■ Durch eine intensiv betriebene aktive Kommunikation kann sich ein gesteigertes Commitment und Zugehörigkeitsgefühl aller Beteiligten einstellen.

Zitate „Natürlich war es schleppend angelaufen. Wir sind halt eine Jugendeinrichtung und wir mus-

– Contra

sten das ja auch erst mal publik

■ Alle Sportvereins-/Sportverbandsmitglieder zu überzeugen, kann ein langer Prozess sein. Widerstände einzelner Mitglieder können entstehen. ■ Insgesamt handelt es sich um ein langfristig angelegtes Vorhaben, das immer wieder reflektiert werden muss und das für die gesamte Sportorganisation gilt. ■ Es gibt kein „Patent-Kommunikationsmittel“, mit dem die jeweilige Zielgruppe

machen, sodass die Jugendlichen überhaupt wissen, dass es die Möglichkeit gibt, sich in so einem Projekt auch zu engagieren.“ (Modellprojektverantwortlicher)

erreicht werden kann.

Fragen, die Sie sich stellen sollten !

„Also langer Atem, auch sozusa-

■ Wie stellen wir uns nach außen dar? Muss unser Bild ggf. aktualisiert werden?

den eigenen Vorstellungen viel-

■ Sprechen wir mit dieser Wahrnehmung junge Menschen aus der Zielgruppe an?

leicht auch mal anecken kann

■ Wie gestaltet sich die Kommunikation innerhalb unseres Sportvereins/Sportverbands?

und bestimmte Umsetzungen

■ Wird ein neues Konzept von allen Beteiligen mitgetragen?

nicht so erfolgen können, wie

■ Wie können wir authentisch ein Bild unserer Sportorganisation kommunizieren,

man sich das vorstellt. Aber die-

das junge Menschen aus der Zielgruppe anspricht? ■ Ist es realistisch, dass alle Gremien und Mitglieder die neue Ausrichtung und Kommunikation unterstützen oder ist mit Widerständen zu rechnen?

gen akzeptieren, dass man mit

ses offene Ohr ist, glaube ich, wichtig.“ (Modellprojektverantwortliche)

Information Commitment (Bestandteile) ■ Verbundenheit mit den Zielen und Werten des Sportvereins/Sportverbands (Identifikation). ■ Verbundenheitsgefühl, das Bedürfnis in der Sportorganisation zu bleiben und engagiertes Handeln.

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11 Biete Qualifizierung!

!

Die Qualifizierung von jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport im Rahmen von bestehenden oder angepassten Aus- und Weiterbildungsangeboten kann Erleichterung oder Anreiz auf dem Weg in ein Engagement sein.

Inter view/Zitat Interviewer: „Juleica machen ist ja auch anstrengend, oder? Ich meine, da muss man kommen, muss man extra was lernen. Ist Euch das nicht irgendwie zu doof?“ Projektteilnehmerin: „Ja, also das frühe Aufstehen fiel halt schon schwer. Man hatte Ferien, will ausschlafen. Aber es lohnt sich wirklich. Es hat auch Spaß gemacht, weil wir haben nach jeder Pause ein Spiel gespielt z. B., um uns aufzulockern. Und

Der organisierte Sport in Deutschland setzt hohe Stan-

wenn man das will, dann macht das auch richtig Spaß. Und

dards in seinen Aus-, Weiter- und Fortbildungsprogram-

ich bin ja hingegangen, weil ich das wollte von selber und

men mit und ohne DOSB-Lizenzierung. Diese Program-

nicht, weil ich dazu gezwungen wurde. Deshalb hat es mir auch

me sind weit ausdifferenziert und bieten je nach Sportart

Spaß gemacht.“

vielfältige Möglichkeiten. Abhängig von der Art des Engagements und der jeweiligen Sportart kann eine

Die Umsetzung angepasster Qualifizierungsangebote for-

Qualifizierung aber nicht nur eine

dert von den Sportorganisationen eine strukturelle Flexi-

Erleichterung, sondern auch eine

bilität und die Berücksichtigung individueller Vorausset-

notwendige Voraussetzung für das

zungen und Notwendigkeiten. Gerade bei diesen jungen

Engagement sein.

Menschen sind die standardisierten Angebote oftmals nicht tragfähig und müssen an die jeweiligen Vorausset-

Diese vielfältigen Möglichkeiten

zungen angepasst werden.

werden von den jungen Menschen durchaus unterschiedlich wahrge-

Inter view/Zitat

nommen: Zum einen erkennen

Modellprojektverantwortliche: Und das finde ich einfach auch

sie häufig die in den Angeboten liegenden Chancen, zum anderen entsprechen gerade Qualifikationen mit hoher

immer ganz wichtig, oder das ist uns einfach wichtig, dass wir zusammen mit den Jugendlichen immer alles besprechen und ausarbeiten.“

Einstiegshürde und hohem Aufwand nicht ihren Vorstel-

Interviewer: Das heißt, dass sie auch vorher schon wissen, wor-

lungen und Möglichkeiten – es sei denn, sie werden

auf sie sich einlassen?“

direkt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und der Nutzen

Modellprojektverantwortliche: „Genau. Worauf sie sich ein-

einer Qualifizierung ist offensichtlich erkennbar.

lassen und was sie wollen. Weil, dann haben wir ja einfach die Sicherheit, das wollt ihr und dann sind sie auch viel interessierter daran, als wenn wir ihnen irgendwas Trockenes vorle-

Zitat „Wir haben verschiedene Jugendliche gezielt angefragt, ob sie eine Ausbildung machen möchten. War zu aufwendig. Also, ich habe es so interpretiert: zu den ganzen Terminen, die sie haben, so die ganze Woche über noch was dazuzunehmen, so mit Trainerschein und irgendwo anders hingehen. Das ist schwierig. Schwieriges Thema.“ (Modellprojektverantwortlicher)

Ein solcher Nutzen liegt beispielsweise dann vor, wenn durch die Qualifizierung ein bestimmter Zugang oder eine bestimmte Aufgabenübernahme erst möglich wird, die in der Lebenswelt der jungen Menschen eine hohe

gen und sagen, so müsst ihr mal hier das Jugendschutzgesetz lernen. Das wäre Quatsch. Und dementsprechend, es gibt natürlich Themen, die müssen einfach dabei bleiben. Aber das ist wichtig, das gehört zur Grundausbildung. Aber so das Restliche, wie das ablaufen könnte und was ihnen besonders wichtig ist .“

Allerdings sind auch „maßgeschneiderte“ Angebote keine Garantie dafür, dass sie von den jungen Menschen wirklich auch angenommen werden, wie das folgende Zitat aussagt.

Bedeutung haben.

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Zitat „Letztendlich wollte ich ihnen ja am Schluss noch Club-

sammenerstellt, wobei sie die Punkte teilweise gegenseitig ver-

assistentenscheine verleihen. Das war auch ein Kern eigentlich

geben konnten. Also, so ein bisschen teambuildingsmäßig.

meines Projektes, dass wir diese Clubassistentenausbildung für

Und letztendlich kam dann aber raus, dass auch da nicht so vie-

diese Schüler anbieten, extra ein bisschen umgestalten und ih-

le interessiert waren, als dann wirklich rauskam, „ah okay, wir

nen das am Schluss verleihen. Und dafür habe ich mir teilweise

könnten dann im Verein als ,Übungsleitergehilfen’ tätig wer-

noch neue Inhalte etc. überlegt, und vor allem überlegt, was

den.“ Dann kam heraus, dass es doch für den Großteil nicht

müssen sie alles erfüllen, damit sie diesen Schein kriegen. Ich

unbedingt auf dem Plan ist, …“

habe ein eigenes Punktebewertungssystem mit ihnen zu-

(Modellprojektverantwortlicher)

Pro und Contra Gerade der Qualifizierungsbereich stellt Sportorganisationen bei der Gewinnung von jungen Menschen mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport vor große Herausforderungen: Sie liegen in den strukturellen Hürden selbst, die gerade in diesem ausdifferenzierten und auch langjährig etablierten System überwunden werden müssen.

+ Pro Die hier zu Wort gekommenen jungen Menschen machen deutlich, dass sich ein Perspektivwechsel lohnt. Angebote könnten verstärkt aus der Bedürfnislage der jungen Menschen heraus entwickelt und umgesetzt, vorhandene Strukturen und Abläufe aus dieser Perspektive heraus auf ihre Praxistauglichkeit – am besten gemeinsam mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen – überprüft und weiterentwickelt werden. Dann gibt es eine reelle Chance für ein Engagement – und Bewegung in der Sportorganisation insgesamt!

– Contra Aufwand und Nutzen in einem praxistauglichen Verhältnis zueinander: Das ist eine der Kernherausforderungen insbesondere für „kleine“ Sportvereine/Sportverbände insgesamt. Bestehende und funktionierende Qualifizierungssysteme bedarfs- und bedürfnisorientiert weiterzuentwickeln, kann einfach nicht machbar sein – bei allem Verständnis für das, was „eigentlich“ getan werden sollte.

Fragen, die Sie sich stellen sollten ! ■ Was genau ist es, was an individuellem Unterstützungsbedarf notwendig ist? ■ Welche der im Sportverein/Sportverband angebotenen Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote ließen sich mit vertretbarem Aufwand unter der Prämisse des beschriebenen „Perspektivwechsels“ weiterentwickeln? ■ Muss es immer gleich „die ganz große Nummer“ sein? Also: Welche kleinen Lösungen bieten sich an?

Information „Dem Sport wird insgesamt eine maßgebliche Bildungswirksamkeit zugesprochen, die zunächst die unmittelbar körperbezogenen Kompetenzen (Körpererfahrung, -ästhetik, -ausdruck), aber auch nicht unmittelbar sportbezogene Kompetenzen im sozialen, politischen und kognitiven Bereich einschließt (Teamfähigkeit, Selbstvertrauen, Selbstorganisation, Verantwortungsfähigkeit).“ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005: 376): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht

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27


Fazit und Zusammenfassung

!

Die Förderung des Engagements bei der beschriebenen Zielgruppe in den Sportvereinen oder Sportverbänden kann für beide Seiten sehr lohnend sein.

jungen Menschen stellen möchte, noch gar nicht bedacht wurde. Sich darauf einzulassen und mit großem eigenen Engagement und Neugier den Kontakt zu den jungen Menschen zu gestalten, ist sicherlich eine Herausforderung, denn

Die Sportvereine/Sportverbände können zum Beispiel

a) oft gibt es keinen schnellen und einfachen Zugang zu

■ von einer Gewinnung neuer Zielgruppen,

diesen jungen Menschen, sodass dieser erst erarbeitet

■ von einer klaren Festlegung auf eine pädagogisch-

werden muss; und

orientierte Ausrichtung oder/und ■ durch die Bildung von neuen Kooperationsbeziehungen profitieren.

b) oft ist es auch so, dass dieser Zugang über andere Organisationen gewonnen werden muss und der Sportverein/Sportverband darüber hinaus dann aufgefordert ist, neue und speziell für diese jungen Menschen aus-

Insgesamt kann durch eine solche neue Ausrichtung im

gelegte Möglichkeiten für eine Teilnahme an Sport-

Sportverein/Sportverband etwas Neues entstehen, oder

vereins-/Sportverbandsaktivitäten und erst recht für

sich ein Mehrwert entwickeln, der in den ersten Überle-

ein Engagement zu entwickeln.

gungen zu der Frage, ob man sich dem Thema und den

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Die jungen Menschen können von einem Engagement in

Für die Verantwortlichen aus den Sportvereinen/Sport-

einer Sportorganisation zum Beispiel profitieren, durch:

verbänden besteht dann die Herausforderung darin, für

■ die Möglichkeit, eigene Interessen wahrzunehmen und aktiv zu verfolgen, ■ die Möglichkeit, Verantwortung zu erhalten und damit auch eine neue Form der Selbstwirksamkeit zu erleben, ■ das Gefühl, etwas zu leisten, von dem die jungen Menschen vorher nicht wussten, dass sie das können, ■ das Erhalten von Anerkennung für ihr Handeln.

alle Beteiligten einen Mehrwert zu schaffen. Also sicher zu stellen, dass sowohl die jungen Menschen als auch die eigene Sportorganisation und die Kooperationspartner von einer Zusammenarbeit und dem aktiven Engagement profitieren. Wie ein konkretes Vorgehen aussehen kann, wenn sich ein Sportverband oder Sportverein diesem Thema nähert, beschreibt die nachfolgende Abbildung.

Zugang Ansprache und Gewinnung

Entwicklung angepasster Gelegenheitsstrukturen

Mitmachen / Sport treiben Ansprache und Gewinnung

Entwicklung angepasster Engagementstrukturen

Qualifizierung und Unterstützung

Engagement Bindung

Reflexion und Lernen

Weiterqualifizierung

Verabschiedung

Kontinuierliche Reflexion in der Sportorganisation

Kontinuierliche, intensive und individuelle pädagogisch orientierte Begleitung und Förderung der jungen Menschen

Entscheidung für ein neues Selbstverständnis

Zu Beginn steht die Entscheidung zu der Frage an:

Ist diese Entscheidung getroffen, gilt es, den Zugang zu

„Wollen wir uns dem Thema, junge Menschen aus der

den jungen Menschen herzustellen und mit ihnen in Kon-

Zielgruppe für ein Engagement zu gewinnen, konsequent

takt zu kommen. Hier sind zwei Maßnahmen zentral.

annehmen und dabei in der Sportvereins-/Sportverbandsentwicklung neue Wege beschreiten?“ Dieser Frage muss

■ Erstens geht es darum, die Ansprache und Gewinnung

auf allen Ebenen zugestimmt werden, damit eine lang-

der jungen Menschen sicher zu stellen und dafür ge-

fristige und konsequente Arbeit am Thema garantiert wer-

eignete Kooperationspartner wie Schulen, Jugendzen-

den kann. Langfristig angelegtes Handeln ist wichtig,

tren, Betriebe oder andere Institutionen zu gewinnen

denn Zeit spielt eine zentrale Rolle, wenn es um die Fra-

und gleichzeitig an die Bedürfnisse der jungen Men-

ge des Zugangs und der Engagementförderung bei diesen

schen angepasste Angebote zu entwickeln. Dies ge-

jungen Menschen geht. Der erste Schritt ist also – wie

schieht in der Regel gemeinsam mit den Koopera-

bereits bei den Handlungsempfehlungen begründet – die

tionspartnern, denn der Zugang lässt sich am besten

bewusste Entscheidung in den Gremien für eine gezielte

dort herstellen, wo sich die jungen Menschen sowieso

Arbeit mit der Zielgruppe und die Anerkennung, dass es

aufhalten. Auf die jungen Menschen aus dieser Ziel-

dafür Zeit und Ressourcen braucht.

gruppe muss daher aktiv zugegangen werden.

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■ Im zweiten Schritt müssen Angebote entwickelt wer-

einzubinden oder für diese jungen Menschen eigene

den, die dann entweder im Sportverein oder durch den

Sportangebote zu entwickeln. Um vom „Mitmachen“ in

Sportverband gemeinsam mit den Kooperationspart-

ein „Engagement“ zu kommen, braucht es parallel ange-

nern durchgeführt werden. Der entscheidende Unter-

passte Möglichkeiten und Angebote für ein Engagement,

schied zwischen den beiden Wegen besteht in der

die mit den Interessen und Möglichkeiten der jungen

räumlichen Präsenz. Veranstaltet der Sportverein/

Menschen zusammenpassen. Hilfreich kann es sein, be-

Sportverband ein solches Angebot mit den eigenen

reits in dieser Phase passende Unterstützungs- und Qua-

Möglichkeiten, so ist die Absenderschaft klar erkennt-

lifizierungsangebote zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es

lich. Wird das Angebot hingegen in den Räumen der

wesentlich, die Interessen der jungen Menschen wahrzu-

Kooperationspartner veranstaltet, sollte sich die Sport-

nehmen und auf Augenhöhe über mögliche Unterstüt-

organisation frühzeitig Gedanken darüber machen,

zungsangebote, Qualifikationen und Einsatzfelder zu re-

wie ein guter Übergang des Angebots in die eigenen

den. Die Initiative kommt dabei von den Verantwort-

Strukturen aussehen kann. Wichtig an dieser Stelle ist

lichen und ist geprägt von großem Verständnis für die Be-

es, Personen zu finden, die mit großem Engagement

lange der jungen Menschen sowie von unvoreingenom-

authentisch und offen auf die jungen Menschen zu-

mener Wertschätzung.

gehen und diese aktiv ansprechen. Ist es gelungen, junge Menschen mit erschwerten ZuIst der Kontakt hergestellt, geht es darum, die jungen

gangsbedingungen zum Engagement im Sport zu gewin-

Menschen aus der Zielgruppe für ein regelmäßiges Mit-

nen, geht es darum, sie in ihrem Engagement zu beglei-

machen zu gewinnen, sie also in bestehende Sportgruppen

ten und zu unterstützen, um dadurch ein nachhaltiges En-

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gagement zu fördern. Dazu kann es notwendig sein, wei-

gewählten Vorgehensweisen und Maßnahmen ist not-

tere Möglichkeiten der Qualifizierung anzubieten oder

wendig und sinnvoll, gerade weil Engagementförderung

den jungen Menschen neue Möglichkeiten zu eröffnen.

und das „Sich-Einlassen“ auf Verantwortungsübergabe

Genauso wichtig kann es aber auch sein, einen guten Ab-

und Verantwortungsübernahme Zeit und viel Einsatz-

schied aus dem Engagement zu finden, wenn die jungen

bereitschaft von Seiten der Sportorganisationen benötigt.

Menschen dieses nicht mehr weiter fortführen können oder wollen. Gerade in dieser Phase eines regelmäßigen Engagements bei der beschriebenen Zielgruppe ist es von zentraler Bedeutung, eine gute Balance zu finden. Zudem

Dieser Weg kann sich für die JUGENDLICHEN und die SPORTORGANISATIONEN lohnen

ist es wichtig, die Eigenständigkeit zuzulassen, Verantwortung zu übertragen, bei Bedarf Unterstützung anzubieten sowie als Ansprechpartner/-in immer zur Verfügung zu stehen. Insgesamt braucht es für den gesamten Prozess eine kontinuierliche pädagogisch-orientierte Begleitung und Förderung der jungen Menschen mit einem gleichzeitig stattfindenden internen Prozess der Reflexion unter den Ver-

Schaubild über 11 Handlungsempfehlungen.

antwortlichen im Sportverein/Sportverband. Eine regel-

Entstanden während der „JETST!“-Konferenz

mäßige Überprüfung des eingeschlagenen Weges und der

vom 10.-11. Dezember 2011 in Kamen

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!


Kontaktdaten der JETST! - Projektverantwortlichen

i m D e u t s c h e n O l y m p i s c h e n S p o r t b u n d e. V.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Deutsche Sportjugend im Deutschen Olympischen Sportbund e.V.

Hans-Peter Bergner

Projekt JETST!

Monika Reinhard

Peter Lautenbach, Kathrin Rehberg

Rochusstraße 8 - 10

Otto-Fleck-Schneise 12

53123 Bonn

60528 Frankfurt am Main

Tel: 03018/555-0

Tel: 069/67 00-269

hans-peter.bergner@bmfsfj.bund.de

lautenbach@dsj.de

monika.reinhard@bmfsfj.bund.de

rehberg@dsj.de

Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V.

Führungs-Akademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V.

Wolfgang Kleemann

Dr. Daniel Illmer

Stefan Heinzmann

Stadthaus, Willy-Brandt-Platz 2

Zeilweg 2

50679 Köln

60391 Frankfurt am Main

Tel: 0221/221 275 97

Tel: 069/95789-0

illmer@fuehrungs-akademie.de

wolfgang.kleemann@iss-ffm.de stefan.heinzmann@iss-ffm.de

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und der acht JETST! - Modellprojekte

Bayerischer Landes-Sportverband e.V. – Bezirk Oberpfalz

Hamburger Sportjugend im Hamburger Sportbund e.V.

Thomas Fink

Anne Michaelsen

Dr.-Gessler-Str. 2

Schäferkampsallee 1

93051 Regensburg

20357 Hamburg

Tel: 0941/29726 0

Tel: 040 /419 08 123

thomas.fink@blsv-oberpfalz.de

a.michaelsen@hamburger-sportjugend.de

DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.

Special Olympics Deutschland e.V.

Meltem Yavuz

Tom Hauthal

Subbelrather Straße 17

Invalidenstraße 124

50823 Köln

10115 Berlin

Tel: 0221/57 98 20

Tel: 030/246 252-10

E-Mail: meltemyavuz@ditib.de

tom.hauthal@specialolympics.de

Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke

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Fortsetzung

Sportkreis Stuttgart e.V.

TSG Bergedorf von 1860 e.V.

Carola Bugert

Carola Kludasch

Fritz-Walter-Weg 19

Bult 8

70372 Stuttgart

21029 Hamburg

Tel: 0711/28 077 660

Tel: 040/735 981 00

carola.bugert@gemeinschaftserlebnis-sport.de

carola_kludasch@tsg-bergedorf.de

Thüringer Sportjugend im LSB Thüringen e.V. in Kooperation mit dem SSB Weimar

Turnverein 1861 Rottenburg e.V.

Aenne Kürschner (Thüringer Sportjugend)

Seebronner Straße 50

Marco Frank (SSB Weimar)

72108 Rottenburg

Werner-Seelenbinder-Str. 1

Tel: 07472/18 61

99096 Erfurt

nv@tv-rottenburg.de

Norbert Vollmer Kaya Ucar

Tel: 0361/3 40 54 41 03643/7431-56 od. -57 a.kuerschner@lsb-thueringen.de info@ssb-weimar.de

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www.dsj.de

Alle jungen Menschen fรถrdern & fordern und wertvolle Potenziale aktivieren !

JETST!

Junges Engagement im Sport

In die Zukunft der durch Sport

Jugend investieren -

Kontakt Deutsche Sportjugend im Deutschen Olympischen Sportbund e.V. Projekt JETST! Otto-Fleck-Schneise 12 60528 Frankfurt am Main Telefon Telefax E-Mail Internet

069/67 00-269 069/67 02 691 info@dsj.de www.dsj.de

Gefรถrdert vom

i m D e u t s c h e n O l y m p i s c h e n S p o r t b u n d e. V.


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