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s ’ r e d l S ta 50 Kolumnen aus der Hotelwelt

von Adrian Stalder



s ’ r e d l S ta 50 Kolumnen aus der Hotelwelt

von Adrian Stalder 1. Auflage, Oktober 2015


Herzlichen Dank ...


an meine Frau

Ursula Stalder ohne die dieses Buch nicht entstanden wäre ‌ z


Vorwort

Stalder’s Hotelkolumnen


Als ich das Fachmagazin HOTELIER Ende 2009 neu konzipierte und lancierte, stand für mich fest: Adrian Stalder, der Hotelprofi und Kenner der Schweizer Hotelszene, muss eine eigene Kolumne im Magazin haben. Wir trafen uns in Ascona zum Aperitif – und waren uns sofort einig: “Stalder’s” heisst die Kolumne. Adrian Stalder schreibt seither jeden Monat über seine Erfahrungen aus der Hotellerie und Gastronomie, bringt persönliche Erlebnisse und Fachthemen ein. Er tut dies überaus pointiert und engagiert. Man spürt sofort: Da ist ein echter Profi und intimer Kenner der Branche am Werk. Einer, der weiss, wie Hotels und Gastronomiebetriebe ticken. Stalder’s Kolumne prägt heute den HOTELIER und sorgt für rege Diskussionen in der Branche. Ja, Adrian Stalder nennt das “Kind” beim Namen, er provoziert, lobt, regt an, aber stets mit konstruktivem Unterton. Aus dem Hotel- und Gastronomieexperten Adrian Stalder ist ein grossartiger und renommierter Branchenkolumnist geworden. Und jetzt also das Buch mit Stalder’s Highlights aus der wunderbaren Welt der Hotellerie – ein Lesevergnügen der besonderen Art! Hans R. Amrein Publizist und Chefredaktor HOTELIER www.hotelier.ch

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Editorial Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit ich Adrian Stalder erstmals begegnete. Es war im Giardino Ascona, das damals eine beispiellose Erfolgsstory zu schreiben begann. Als ersten sah ich freilich nicht Adrian, sondern Hans C. Leu. Der Revolutionär der Schweizer Luxushotellerie war so etwas wie Gast im eigenen Hotel und entwickelte dabei ein phänomenales Sensorium für die Bedürfnisse der Gäste. Im Büro, das er mit seinen jeweiligen Vizedirektoren teilte, zeigte sich Paradiesvogel Leu eher selten. Er überliess das Tagesgeschäft komplett seinen jeweiligen Vizes, denen er bedingungslos vertraute. Dass diese extrem gefordert waren, war später ihr grosses Kapital. Verliessen sie nämlich das Giardino, taten sie es als fixfertige Hoteldirektoren.

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Adrian Stalder war einer der ersten, der dieser grandiosen Giardino-Talentschmiede entsprang. Und er blieb einer der Besten. Sein Meisterstück vollbrachte er, als er Mitte der 90er-Jahre das Hotel Saratz in Pontresina aus dem Dornröschenschlaf erweckte. Als Tourismusverantwortlicher beim Wirtschaftsmagazin “Bilanz” hatte ich seinerzeit das Vergnügen, diesen Husarenstreich hautnah mitzuerleben. Und noch heute bin ich beeindruckt


von Adrians Gespür für die richtigen Leute und seine Motivationskünste. Schon während der Bauphase entfachte er ein Marketingfeuerwerk, dass der Konkurrenz Hören und Sehen verging. Junghotelier Stalder schaffte es in rekordverdächtigem Tempo, aus dem Saratz, das während Jahrzehnten alle Trends verschlafen hatte, einen Musterbetrieb der Schweizer Hotellerie zu formen. Mit einem innovativen, einzigartigen Konzept. Wir nannten ihn damals den Prinzen von Pontresina. Auch als Adrian sich selbständig machte, sind wir uns immer wieder begegnet. Aufmerksam verfolge ich bis heute seine Projekte – und stelle fest, dass ihm der Erfolg unverändert an den Fersen haftet. Das freut mich sehr, wundert mich aber nicht. Zu gut kenne ich seine grossen menschlichen und fachlichen Qualitäten. Als ich hörte, dass er seine HOTELIER-Kolumnen in Buchform herausgibt, fand ich die Idee bestechend. Denn auch als Kolumnist ist er für mich der Branchenprimus. Ich wünsche Adrians Sammelsurium von höchst lesenswerten Kolumnen von Herzen den verdienten Erfolg. Karl Wild, Hoteltester Autor und Herausgeber HOTELRATING SCHWEIZ www.karlwild-hotelrating.ch

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Inhalt 1. Aus der Vogelperspektive 10 Von den Grossen lernen Der ständige Wandel Bitte, keinen Blues mehr! Milchbüchleinrechnung

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2. Nur die Werte zählen 24 Und wie heisst das Zauberwort? Make me feel important! Ueli Pragers Erfolgsrezept Vom Placebo- & Nocebo-Effekt Frisches Brot fürs Team? Sterne für Mitarbeiterzimmer!

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3. Draussen vor der Tür 44 Die sieben Web-Sünden Rivella & Co. lassen grüssen Inszenieren Sie Hotel-Shopping Wenn der Newsletter zum Ärgernis wird Bin doch nicht blöööd ...

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4. Wissen Sie es – oder machen Sie es? 62

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Bei Ihnen PIPt’s wohl? Übung macht den Meister Warum machen Sie’s nicht wie die Schuhverkäufer? Train the Trainer

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5. Wie man in den Wald ruft … 76 Beherrschen Sie Ihren Werbespot? Bewerbungen. Und? Sie haben den Preis gewonnen! Von Sprachbarrieren

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6. Nur der Mensch zählt 90 Chrigel, oder wenn nur alle so freundlich wären ... Eine gute Investition! Der Check-in Automat Die Könige der Nacht “Es war einmal ...”

92 94 97 100 103

7. Verstecken gilt nicht 106 Chefs gehören an die Front Bitte keine Ausreden mehr! Der Hotelier ist nicht allein Was haben Spitzensportler und Hoteliers gemeinsam? Brauche ich einen Stellvertreter? Zelebrieren Sie Rituale!

108 111 114 117 120 123

8. Achtung Kunde! 126 Und den Gast hat niemand gefragt ... “Reserviert für Dr. Frei!” Der Moderatoren-Koffer ... Die Flop-Parade Der Gast will nicht König sein!

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9. Mehr als ein Lächeln 144 Seit wann arbeiten Sie ohne Leidenschaft in Ihrem Job? 146 Viele echte und nicht “getürkte” Souvenirs 149 Good morning, Sir. Breakfast for one? 152 Pit Bulls am Hoteleingang 154 Nur eine Schachtel Zigarren? 157 Nicht der Preis, sondern die Stimmung 160

10. Erkenntnisse 164 Mäzenentum in der Hotellerie – Fluch oder Segen? Was Sex, Sport und Kunst gemeinsam haben ... Austauschbar Von Raupen und Schmetterlingen Der Berater als “Totengräber”

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Kapitel 1

Aus der Vogelperspektive



1.1 Aus der Vogelperspektive

Von den Grossen lernen Im Tages-Anzeiger lese ich, dass der Konsument zunehmend unter “Gratisarbeit” leidet. So übernimmt er in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens die Arbeit, die früher von Mitarbeitern ausgeführt wurde. Als Beispiel werden im Artikel von Beat Metzler die “Self-Check-Out-Kassen” von Migros und Coop aufgeführt. Die Konsumenten scannen die Lebensmittel selber, packen sie ein und bezahlen direkt mit der Karte. Der Zeitungsartikel schliesst mit der Feststellung, dass die Kunden das erstaunlicherweise gerne tun und diese Gratisarbeit sogar als Befreiung erleben. Begründung: Die lästige Wartezeit fällt weg, die Maschinen stellen keine Fragen und kennen keine Unfreundlichkeit. Angefangen hat diese “Arbeits-Umlagerung” bereits vor Jahren mit Zigarettenautomaten und Selbstbedienungsrestaurants. Ikea hat uns Kunden schon früh zu Möbelbauern erzogen. Auch die SWISS Airlines und die SBB delegieren heute das Check-in und den Billetverkauf an uns Passagiere.

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Ein grosser Wandel, denn Grossmärkte aus meiner Kindheit erinnerten eher an Baumusterzentralen oder grosse Ersatzteillager, als an Lebensmittelgeschäfte. Jahre später haben dann diese Grossverteiler dazu gelernt und die bedienten Theken der “Tante-Emma-Läden” beim Fleisch und Käse kopiert. “Emmas” Spezialitätenladen konnte sich nur noch - wie es der Name sagt - über Spezialitäten differenzieren. Aber auch diese Nische wurde schon bald übernommen – zum Beispiel bei der Migros mit “Sélection” und bei Coop mit “Fine Food”. Im Buch “Die Kunst des klugen


Handelns” von Rolf Dobelli lässt sich nachlesen, warum es kein Zufall ist, dass sich die Ikea-Restaurants in der Mitte des geführten Einkaufrundgangs befinden: Hat der Blutkreislauf des Konsumenten zu wenig Blutzucker, fällt die Willenskraft zusammen und so die Lust zum Einkaufen. Offenbar opfert Ikea gerne einen Teil der Marge auf Schwedentorten und Kaffee, wenn der Kunde anschliessend wieder fit genug ist, um sich für den Kauf der Kerzenständer zu entscheiden! So kostet ein Hotdog bloss einen Franken - und “Family-Mitglieder” profitieren sogar von Gratis-Kaffee im Restaurant. Was früher die Stärke der “Kleinen” war - der Mix aus persönlicher Dienstleistung, Spezialitäten und Produktqualität, wurde von den “Grossen” schonungslos kopiert und mit Erfolg zu einem wesentlich tieferen Preis angeboten. Beim “orangen Riesen” werden die Mitarbeiter an der Kasse wieder von höchster Stelle motiviert, “danke”zu sagen, wenn der Kunde seine Einkäufe auf das Fliessband legt. Zudem wird erwartet, dass der Filialleiter bewusst Kundenkontakte pflegt: beim Rundgang oder während der aktiven Hilfe beim Einpacken der Einkäufe an der Kasse. Am gleichen Tag erscheint - neben dem erwähnten TagiArtikel - ein interessanter Bericht über Trinkwasser in der Berner Zeitung. Hier ärgert sich die Konsumentenschützerin Sara Stalder über die Praxis, dass in Berner Restaurants für drei Deziliter Leitungswasser drei Franken verlangt werden ... Während uns also die Grossverteiler links überholen den Kunden kostensparend für Dienstleistungen einspannen, ihn wieder mit Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft verblüffen oder mit Marketinggeschick die sogenannten “politischen” Preise brechen – verlangen die Wirte für Wasser und die Hoteliers fürs Wi-Fi Geld. Sie wollen nicht realisieren, dass sich auch hier die Zeit gewandelt hat.

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Für mich ein verständliches Kopfschütteln beim Konsumenten, wenn im Wasserschloss Schweiz für Leitungswasser Geld verlangt wird! Schon vor 20 Jahren liess ich im Hotel Saratz ungefragt “Quellwasser” in Karaffen auf die Tische stellen, die auf der Rechnung mit 0 Franken vermerkt waren. Diese Grosszügigkeit hatte keinen Nachteil auf den Umsatz - im Gegenteil: Die positiven Kundenreaktionen und die “Mund-zu-Ohr-Werbung” waren wertvolle Erfolgstreiber und beweisen immer noch, dass Argumente für das Verrechnen von Leitungswasser - wie “Karaffenkauf”, “Reinigungskosten”, “Mieten” und “Personalaufwand” nur Ausreden und falsch verstandenes Marketing sind. Wenn Leitungswasser im Restaurant gratis zur Verfügung steht, wird der Gast für serviertes Mineralwasser gerne bezahlen. Auch könnte ein Brot-Buffet zur Selbstbedienung am Mittag und Abend den Spassfaktor beim Kunden fördern, gleichzeitig den Brotverbrauch senken und die Arbeitswege der Servicemitarbeiter reduzieren. Eine Kaffeemaschine zur Selbstbedienung im Frühstückssaal oder sogar im à-lacarte-Restaurant hätte den gleichen Effekt.

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Wir alle haben die Wahl: Bei der Tradition zu bleiben und gegen die “Grossen” anzukämpfen - wie einst Don Quichote gegen die Windmühlen - oder die erfolgreichen Grossverteiler aufmerksam zu beobachten und ihre guten Ideen kreativ in den eigenen Betrieben umzusetzen. (Hotelier 7-8/13)


1.2 Aus der Vogelperspektive

Der ständige Wandel Wenn ich in Hotels die Umsetzung von Strategien prüfe oder Strategiemeetings moderiere, kommt mir jeweils die Aussage von Mahatma Gandhi in den Sinn: “Wenn du etwas zwei Jahre gemacht hast, betrachte es sorgfältig, wenn du es fünf Jahre gemacht hast, betrachte es misstrauisch, wenn du etwas zehn Jahre gemacht hast, dann mache es anders”. Im Gegensatz zu den Prozessen - die für eine gezielte und kontrollierte Umsetzung der Strategien im Betrieb sorgen werden die Strategien als mittelfristige Unternehmensziele nur sporadisch überarbeitet und so nicht ausreichend, den sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen, angepasst. Vielleicht liegt es daran, dass zertifizierte Prozesse ihre klar definierten Wächter haben. So bestehen ISO-Assessoren auf ihre vertraglichen Vorgaben: jährliche Aufrechterhaltungsaudits und alle drei Jahre eine Rezertifizierung. Nur so - lässt sich auf der Website von SQS nachgelesen - kann die ständige Verbesserung der unternehmensinternen Aufbau- und Prozessorganisation sichergestellt werden. Dass es bei der Regelmässigkeit der Audits verständlicherweise auch ums Business geht, wird nicht erwähnt. Wer einmal JA zu zertifizierten Prozessen gesagt hat, wird kaum riskieren, dass das Zertifikat nicht erneuert wird. Entsprechend sind Assessments jedes Jahr feste Budgetposten und die Umsetzung wird als Dauermandat an die internen Assessoren und die externen Spezialisten delegiert. Bei den Strategien jedoch fehlt dieser Druck von aussen - und so werden in vielen Hotelunternehmungen zwar die Prozesse systematisch angepasst, nicht aber die Strategien. Das macht wenig

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Sinn, denn die Strategien definieren das Verhalten der Unternehmung zum Erreichen der Ziele und sind so Basis und Ausgangslage für die Qualitätsprozesse im Betrieb. Wir leben in einer Zeit, in der die Planbarkeit immer schwieriger geworden ist, vielleicht fällt auch deshalb das zeitgerechte Anpassen von Strategien schwer. Denn wer hätte gedacht, wie schnell OTA’s* das Buchungsverhalten unserer Gäste ändern, oder wie schnell ein Konflikt in Europa oder eine Wechselkursschwankung Einfluss auf die Nachfrage haben kann? Folgende Punkte sind aus meiner Sicht wertvoll für ein Strategie-Meeting: Im Gegensatz zum langfristig ausgelegten Unternehmensziel - das in Vision und Unternehmensleitbild umschrieben ist - sollten die Strategien alle zwei bis vier Jahre vom strategischen Gremium (Verwaltungsrat) überarbeitet und aktualisiert werden. Ein klar definierter Zeitplan mit Traktandenliste stellt das systematische Überarbeiten der verschiedenen Teilstrategien sicher: • Der Moderator des Strategieprozesses sollte vorgängig über die Schwerpunkte und Erwartungen des Verwaltungsrates informiert werden. Dazu gehören mögliche Unternehmensrisiken im Falle eines Nachfragerückgangs in den Kernmärkten oder die Auswirkungen auf den Betrieb bei grösseren Währungsschwankungen.

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• Wichtig sind auch Absprachen bezüglich der Vorgehensweise und das Benennen möglicher “No-Gos” seitens der Aktionäre und Geldgeber. • Vor allem bei den Teilstrategien Marketing, Mitarbeiter und Beschaffung lohnt es sich, externe Spezialisten zum Strategiemeeting einzuladen. Das können im Bereich Marketing auch Gäste sein, die den Betrieb gut kennen. Auch Touristiker und Reisejournalisten bringen eine andere, wichtige Optik und Denkweise ein.


• In Teilbereichen wie Produktivität und Kostenstruktur im Team, Unterhalt und Nachhaltigkeit, Wohn- und Schlafkomfort in den Zimmern, Attraktivität des Angebots in den Restaurants und den damit verbundenen Warenkosten Iohnt sich das vorgängige Abholen der Einschätzungen der gesamten Führungsmannschaft. • Kurzreferate von Spezialisten im Bereich Arbeitsmarkt, Web-Marketing und OTA, von Food-Scouts und Trend-Gurus erweitern die Sichtweise. • Ideal ist ein kreatives Meetingumfeld, das Querdenken, Auslegeordnung und Diskussion zulässt. So braucht es Raum für Gruppenarbeiten und das richtige Moderationsmaterial. • Ziele sowie Massnahmen mit Terminierung und Verantwortlichkeit sollten schriftlich festgehalten werden. • Die Kommunikation der Resultate muss sichergestellt sein. Wichtiger als eine wortreiche Ausformulierung und farbige Illustrationen ist die Verständlichkeit der Werte auf allen Hierarchiestufen. Es geht also nicht darum, dass nach Strategiemeetings “alles” anders gemacht wird. Aber die sich immer schneller verändernden Rahmenbedingungen verlangen, dass das strategische Gremium sich mit neuen Trends und Verhaltensweisen der Kundensegmente, im Sinne eines “Fine Tuning” bewusst und ausführlich auseinandersetzt. Denn bekanntlich ist nichts beständiger als der Wandel - und darauf sollten wir möglichst gut vorbereitet sein. (Hotelier 10/14)

* OTA – Online Travel Agency wie z.B. booking.com

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1.3 Aus der Vogelperspektive

Bitte, keinen Blues mehr!

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Ich könnte Ihnen spontan fünf Restaurants aufzählen, in die mich meine Frau nicht mehr begleiten will. Da ein Restaurantbesuch alleine wenig Spass macht, werden diese Betriebe konsequenterweise von meiner Liste gestrichen. Meine Frau streikt nicht etwa, weil die Küche schlecht oder der Service unfreundlich wären. Sondern einfach deshalb, weil sich der Patron jeweils ungefragt an den Tisch setzt, über die wirtschaftlich schwierige Situation klagt, unfähige Mitarbeiter denunziert und zum Schluss noch Politiker, Wetterfrösche und Frau Holle verflucht, weil die offenbar die alleinige Schuld am schlechten Geschäftsgang haben. Diese Unsitte nennt sich “GastroBlues”. Bekanntlich haben ja Bauern und Wirte ein besonderes Flair, wenn es ums Jammern geht. Sicher das Letzte, was man sich wünscht, wenn man endlich Zeit findet, einen Abend zu zweit zu verbringen. Abgesehen davon, dass der Wirt uns nicht nur gemeinsame Zeit raubt, sondern meist auch noch den von uns bezahlten Wein wegtrinkt! Fakt ist: Wenn der Gast ins Restaurant oder ins Hotel geht, will er beim Erfolgreichen absteigen. Wenn er schon Geld fürs Essen oder Schlafen ausgibt, will er sich beim “Winner” wähnen und nicht beim “Looser” oder beim “GastroBlues-Sänger”. Sicher kennen Sie die Situation: Zwei Lokale stehen in einer fremden Stadt zur Auswahl. Vor dem einen Restaurant stehen die Leute Schlange, der Laden ist knallvoll und brummt. Der andere Betrieb gegenüber ist nett und das


stimmige Ambiente spricht an. Jedoch sind nur zwei Tische besetzt und die Bar leer. Ich bin überzeugt, dass auch Sie den Betrieb wählen, der bereits stark nachgefragt wird. Alle diese Menschen können sich ja nicht irren. Zudem hat jeder Hotelgast ein Bett in seiner Wohnung, und der Restaurantgast einen gefüllten Kühlschrank in seiner Küche. Es geht dem Kunden also nicht primär um Essen, Trinken oder Schlafen. Sondern darum, da zu sein, wo sich andere Menschen treffen und sich wohlfühlen. Auch wenn Angebot und Preis ähnlich sind; der stärker nachgefragte Betrieb strahlt halt auch mehr Erfolg aus – und das wirkt sexy! Und weil das Leben zu kurz für Experimente ohne Erfolgsaussichten ist, werden auch Sie sich in die Warteschlange stellen. Sie werden mit Spannung auf Angebot und Service warten und sich die Wartezeit mit Gleichgesinnten und einem angeregten Gespräch verkürzen. Beide Beispiele haben eines gemeinsam. Als Kunden wollen wir den Erfolg spüren und suchen deshalb Gastgeber, die den Erfolg verkörpern und die Heldenrolle spielen. Auf der Opernbühne erhalten die Tenöre und Sopranistinnen schliesslich auch mehr Beachtung als die Statisten. Gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit müssen wir uns als Dienstleister wieder bewusst auf die positive Ausstrahlung der Menschen im Unternehmen konzentrieren - auch wenn das nicht immer einfach ist. Der Gast darf nicht merken, wenn im Angebot, bei der Dekoration oder bei den Mitarbeitenden gespart wird. Aufgrund der wiederkehrenden - verständlicherweise Besorgnis erregenden - Anzeichen in den Bereichen Währung und Wirtschaft, ist es wichtig, vorsichtig beim Planen der Kosten zu sein. So macht es Sinn, mit einem “schlankeren Team” in den Winter zu starten sowie Hotelzimmer, Weine und Gerichte für verschiedene Budgets anzubieten oder für die Gäste aus dem Ausland Währungsgarantien zu offerieren.

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Fatal ist jedoch, wenn der Kunde spürt, dass der Rotstift angesetzt wurde, Krise angesagt ist oder eben, wenn Team-Mitglieder die Wirtschaftslage oder den Geschäftsgang offen beklagen. Die schwindende Vielfalt beim Frühstücksbuffet wird ebenso beachtet wie kritische Bemerkungen von Mitarbeitenden und Patrons. Neben dem Gast sind Hotelier und Wirt - sowie alle Mitarbeiter - die Schauspieler auf der Bühne Hotel oder eben Restaurant. Sie alle müssen ihre Rolle kennen - die Heldenrolle! Ich empfehle Ihnen – wie dies auch die richtigen Schauspieler tun - diese Rolle zu üben. Wenn nötig vor dem Spiegel. Wie Daniel E. Eggli schon vor Jahren sagte: “Wed wosch wüsse, ob ä glatte Siech bisch - muesch halt i Spiegel luege.” Überlassen Sie diesen wichtigen Eindruck nicht dem Zufall und verbieten Sie den “Gastro-Blues” in Ihrem Betrieb! (Hotelier 12/11)

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1.4 Aus der Vogelperspektive

MilchbüchleinRechnung Darunter versteht der Volksmund das einfache Zahlenverständnis der Milchmädchen. Gemäss der Überlieferung konnten diese Frauen als Milchverkäuferinnen mithilfe der Finger beider Hände auch anspruchsvolle Rechenoperationen durchführen. Wenn es um eine erste Einschätzung bezüglich der Machbarkeit eines Hotelprojektes, der Rentabilität eines Restaurants oder des rentabilisierbaren Kaufpreises einer Hotelliegenschaft geht, wende ich gerne Formeln an, für die es keine Rechenmaschine braucht. Verständlicherweise können bei diesen simplen Rechenschemata nicht alle Faktoren berücksichtigt werden, und es besteht die Gefahr, ein vorschnelles Urteil zu fällen. Beim späteren, detaillierten Nachrechnen erweisen sich die Resultate jedoch meist als zutreffend und stimmig. Meine TOP-5-Milchbüchlein-Rechnungen: • 50 Prozent der Investitionen in einen Hotelbetrieb mit Rooms und F & B - sollten pro Jahr als Umsatz erwirtschaftet werden. Rechnungsbeispiel: CHF 7 Mio. Umsatz bei einer Investition - inklusive Kauf - von 14 Mio. Franken. • Ein Hotelbetrieb (Rooms und F & B) mit weniger als 3 Mio. Franken Umsatz lebt an der Existenzschwelle. Bei einem Restaurant liegt diese Schwelle bei 1 Mio. Franken Umsatz. Der Druck auf das Volumen nimmt auch in unserer Branche immer mehr zu, und so braucht es für den

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wirtschaftlichen Erfolg ein Mindestmass an Zimmern und Sitzplätzen. Die Sockelkosten für Mitarbeiter, Werbe­ massnahmen und Investitionen sind - unabhängig vom Volumen - gleich hoch. So kostet zum Beispiel die neue Kücheninfrastruktur für ein 60-plätziges Restaurant gleich viel wie für einen doppelt so grossen Betrieb. Auch das Programmieren einer neuen Website wird bei einer tieferen Zimmeranzahl nicht billiger. Aus meiner Erfahrung beträgt die ideale Zimmergrösse eines FünfSterne-Hotels 80 Zimmer und mehr. Bei Vier-SterneHotels sollten es mindestens 90 Zimmer sein. Ausnahmen benötigen die Finanzstärke eines Mentors oder den überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz der Unternehmerfamilie. • Die Rentabilität eines unternehmergeführten Betriebes liegt 20 Prozent höher als in einem Betrieb mit Geschäftsführer oder Management.

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• Bei einem durchschnittlichen Monatslohn aller Mitarbei­ tenden von 4’500 Franken beträgt die minimale Soll-Produktivität je Mitarbeiter und Arbeitstag 800 bis 1’000 Franken je 100-Prozent-Einsatz. Der Tagesumsatz dividiert durch die anwesenden Stellenprozente - muss diesem Betrag entsprechen, wenn neben der Lohnzahlung auch die Refinanzierung und die Reinvestition sichergesteilt sein sollen. Rechnungsbeispiel: 4’500 Franken, zuzüglich der Sozial­ leistung Arbeitgeber und des 13. Monatslohns, divi­ diert durch 18 Präsenztage (=30 Tage, abzüglich Ferien, Feiertage und Freitage). Entsprechend betragen die Lohnkosten je 100-Prozent-Mitarbeiter rund 310 Franken pro Tag. Beträgt der Lohnkostenanteil zum Umsatz 36 Prozent, ergibt dies den erwähnten Soll-Umsatz.


• In der Restauration sollten die addierten ProzentZahlen von Waren- und Personalkosten maximal 69 Prozent betragen. Diese Faustregel von Gastropionier und Möven­ pick-Gründer Ueli Prager hat auch heute noch Gültig­ keit. Schliesslich sollte der Rest für Miete, Betriebs­ kosten, Verwaltung, Unterhalt und Gewinn reichen. Sicher gibt es noch andere einfache Rechenbeispiele, die eine schnelle Einschätzung ermöglichen. Ich erlebe auch Betriebe, die trotz diesen “Milchbüechli-Weisheiten” existieren. Meist sind dies jedoch Generationenbetriebe, bei denen Liegenschaft und Investitionen bereits vor Jahren amortisiert wurden. Im besten FalI mit den notwendigen Rückstellungen aus den “guten Jahren”. Auch treffe ich immer wieder Investoren an, die sich in ein Objekt verliebt haben und in diesem Feuer der Begeisterung entweder einen zu hohen Preis für eine Hotel- oder Gastroliegenschaft bezahlt oder Investitionen getätigt haben, die der Betrieb aufgrund seiner Grösse nie rentabilisieren kann. Diese Milchbüchlein-Rechnungen ersetzen selbstverständlich keinen Businessplan mit strukturierter SWOT-Analyse und einer rollenden Planerfolgsrechnung. Sie helfen jedoch, schnell eine realistische Einschätzung zu machen und so ganz sicher Zeit und Geld zu sparen - und vielleicht auch eine spätere Ernüchterung zu vermeiden ... (Hotelier 11/14)

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Kapitel 21

Nur der Aus Vogeldie Werte perspektive zählen



2.1 Nur die Werte zählen

Und wie heisst das Zauberwort?

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Immer, wenn der Grossvater uns Buben einen “Batzen” zusteckte oder es von der Gotte ein Geschenk gab, folgte die Belehrung der Eltern: “... und wie sagt man? Wie heisst das Zauberwort?” Uns Kindern war dann sofort klar: Jetzt wurde das Wort “Danke” gefordert. Denn solche Zuwendungen waren ja nicht selbstverständlich, sondern als Belohnung für Gefälligkeiten oder für gutes Betragen gedacht. “Danke” ist das Wort, das gemäss Wikipedia benutzt wird, um Dank auszudrücken. Als Kinder haben wir also anschaulich gelernt, “Danke” zu sagen und so Dankbarkeit zu zeigen. Schade, dass wir Erwachsenen die wertvolle Kinderstubenlektion offenbar erfolgreich verdrängen. Nur so ist es für mich erklärbar, dass wir dieser Grundform der Freundlichkeit in der Kundenwelt kaum begegnen. So wird im Kleidergeschäft nicht mein Besuch verdankt sondern floskelartig nach meinem Kaufwunsch gefragt. Wenn ich als Kunde ein Hotelzimmer reservieren will, sind auch hier dem Mitarbeiter Zimmertyp und Personenzahl wichtiger als ein schlichter Dank für meinen Anruf. Schade, denn es wäre so einfach, den ersten Eindruck am Telefon positiv und sympathisch zu hinterlassen: “Danke für Ihren Anruf! Schön, dass Sie sich für unser Hotel interessieren.” Ein ehrliches “Danke” zu Beginn des Gesprächs prägt den weiteren Verlauf positiv und ist Zeichen einer offenen Kunden-Orientierung. Zudem hat der Mitarbeiter ja auch allen Grund, dem Kunden dankbar zu sein. Schliesslich zahlen nicht die Hotelbesitzer oder -direktoren die Löhne - sondern ausschliesslich der Gast. Ohne seinen Besuch


im Hotel oder im Restaurant könnte kein Umsatz verbucht, könnten keine Löhne bezahlt werden. Ja, liebe Hoteliers, schreiben sie das Ihren Mitarbeitern ruhig auf das Lohnblatt, so dass es jedem Mitarbeiter klar ist: Die Gäste bezahlen die Löhne nicht die Direktoren! Vielleicht ändert sich dann die Denkweise im Team. Kürzlich habe ich - gemeinsam mit den Verkaufs-Mit­ arbeitern eines Tourismusbüros in einem bekannten Kurort im Allgäu - Mystery-Calls bei den Mitbewerbern gemacht und so via Telefon Kundenfreundlichkeit und Verkaufsgeschick getestet. Die Live-Anrufe fielen einmal mehr ernüchternd aus. Kein einziges Mal wurde mir als Kunde für mein Interesse gedankt, geschweige denn, mir das Gefühl gegeben, dass ich als Kunde im jeweiligen Hotel willkommen bin. Keiner der Telefonverkäufer hat sich konkret nach meinen Bedürfnissen erkundigt. Dabei würde schon die Frage, “und wann ist Ihr Aufenthalt bei uns für Sie ein Erfolg?” Aufschluss über meine Bedürfnisse geben. Enttäuschend ist zudem, wie schlecht die Verkäufer am Telefon ihre “Werbespots” beherrschen. Oder anders formuliert, es erstaunt, wie schlecht am Telefon in wenigen Worten die wesentlichen Angebote bildhaft formuliert werden können. Aussagen wie “schönes Zimmer” oder “grosser Wellnessbereich” sagen wenig darüber aus, welchen Nutzen das Angebot mir als Kunde schlussendlich bringt; weshalb das Angebot einzigartig und nicht austauschbar ist; warum ich ausgerechnet in diesem Hotel buchen sollte. So sind auch Ausdrücke wie “Standard-Zimmer”, “Minibar” oder “Halbpension” nicht wirklich sexy und definitiv nicht ausschlaggebend für meinen Hotelentscheid oder für meine Zimmerbuchung. Machen Sie doch auch mal so einen Probeanruf! Wählen Sie einen erfolgreichen Hotelbetrieb und geben sich am Telefon als künftigen Bräutigam aus, der das Fest seines Lebens organisieren will. Sie werden selber erleben, mit wie wenig Emotionen auf eine Festanfrage mit hohem Emotions-

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Faktor geantwortet wird. Ich verwette eine gute Flasche Wein, dass kaum ein Mitarbeiter am Telefon ihre Anfrage verdankt. Sie werden es auch kaum erleben, dass sich das Gegenüber am Telefon mit Ihnen freut und mit spürbarem Enthusiasmus das Fest mit ihnen plant oder persönliche Tipps für das gute Gelingen gibt. Da wird Ihnen glatt die Freude am Heiraten vergehen, und sie werden sich fragen: Wann haben diese Mitarbeiter wohl die Leidenschaft für ihren Beruf verloren? Erinnern wir uns doch deshalb zwischendurch an unsere Kindheit und daran, wie positiv unsere Dankbarkeit aufgenommen wurde. Wie ein ehrlich gemeintes “Danke” ein Lächeln auf die Gesichter des Grossvaters und der Gotte zauberte. Vielleicht werden wir dann unseren Kunden wieder mit mehr Freude begegnen und glaubwürdiger Erleb­ nisse verkaufen sowie Emotionen und Vorfreude auf Ferientage schüren. Sagen sie doch einfach “Danke” zum Kunden. Als Kinder hätten wirs ja eigentlich gelernt... (Hotelier 03/11)

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2.2 Nur die Werte zählen

Make me feel important! Während eines Sprachaufenthalts in England - vor über 30 Jahren - besuchte ich mit einem Freund in London das berühmte Hotel The Dorchester an der Park Lane. Als junge Schweizer Köche faszinierte uns das Luxushotel vor allem, weil ein Schweizer - der Seeländer Anton Mosimann - damals seit acht Jahren für die Kulinarik verantwortlich war: Ein Halbgott in Weiss mit Goldmedaille, der sogar für Königin Elisabeth II kochte und im The Dorchester eine Brigade von 100 Köchen führte. Seine Küche wollten wir sehen - und so fragten wir in holprigem Englisch schüchtern an der Rezeption nach, ob denn eine Besichtigung von Mosimanns Wirkungsstätte überhaupt möglich sei. Da wir eigentlich eher mit einer Absage rechneten - verbunden mit einem strengen Blick und Kopfschütteln - nahmen wir den Griff der Rezeptionistin zum Telefon positiv überrascht zur Kenntnis. Mit einem Lächeln informierte sie, dass uns “ein Koch” an der Rezeption abholen würde. Nach kurzer Wartezeit kam er persönlich - Anton Mosimann himself! Wir waren beide völlig überrascht und sprachlos. Der Chef über 100 Köche kümmerte sich persönlich um die beiden Nobodys aus der Schweiz! Das hätten wir unseren damaligen Chefs in der Schweiz – allesamt KüchenPatriarchen - nie zugetraut! Mosimann aber freute sich über den Besuch aus der Schweiz und zeigte uns die riesige Produktionsküche, sein Büro und das neue Restaurant. Nicht wissend, dass er in diesem Lokal - nur wenige Jahre später - als erster Koch ausserhalb von Frankreich zwei

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Michelin-Sterne erkochen sollte. Er stellte uns einem seiner Sous-Chefs vor, der uns weitere 20 Minuten durch die anderen Restaurants des Hotels führte. Wir genossen die Aufmerksamkeit und sogen die vielen Eindrücke und Informationen wie Schwämme auf. Wir fühlten uns wichtig, wahrgenommen und wertgeschätzt. Wie VIPs wurden wir durch das Hotel geführt und waren so begeistert, dass wir noch vor Ort jeden The-Dorchester-Arbeitsvertrag unterschrieben hätten - ohne uns auch nur Gedanken bezüglich des Lohns zu machen. Szenenwechsel. Heute habe ich mein Auto in die Werkstatt gebracht. Der Wechsel von Winter- auf Sommerreifen war längst fällig. Wie in der Arztpraxis die Krankenakte, lag am Empfang das Dossier meines Autos schon bereit. Der Mitarbeiter erklärte mir - nach der freundlichen Begrüssung mit meinem Namen - kurz, welche Arbeiten ausgeführt und welche Kosten verrechnet werden. Charmant erklärte er mir, welche Zusatzleistungen mit dem Reifenwechsel verbunden werden könnten und offerierte mir - mit einem augenzwinkernden Blick auf mein schmutziges Auto - spontan eine Gratis-Autowäsche. Während der Wartezeit servierte er mir einen Kaffee mit einem Glas Wasser und schrieb mir den Wi-Fi-Code auf, als er mich mit dem iPad arbeiten sah. Ich wurde dann von einem Autoverkäufer mit Handschlag begrüsst. Er hatte mich vor kurzem professionell beraten und mir eine attraktive Umtausch-Offerte für das Auto meiner Frau unterbreitet. So verging die Wartezeit (etwa eine Stunde) im Nu. Vor der Wagenübergabe händigte mir der Kundenbetreuer die Rechnung aus, die er mir im Detail erläuterte. Er begleitete mich zum Auto, das frisch gewaschen und mit Sommerreifen ausgestattet bereits in Fahrtrichtung Nachhauseweg geparkt war. Was haben diese beiden Geschichten gemeinsam? In beiden Situationen fühlte ich mich als Mensch wahrgenommen, bei Mosimann als potenzieller Mitarbeiter und in “meinem” Autohaus als wertvoller Kunde.


Jeder Mensch hat - symbolisch gesehen - ein “neon-flashiges Schild” auf der Brust, auf dem steht: “Make me feel important”. Es muss uns nur gelingen, dieses Schild zum Leuchten zu bringen. Wir sind uns zwar bewusst, dass jeder Einzelne wahr- und wichtig genommen werden möchte. Doch Hand aufs Herz: Wo empfängt oder begrüsst der Chef persönlich junge Berufsleute auf der Durchreise und nimmt sich Zeit, sie von seinem Betrieb zu begeistern? Wie oft werden wir in der Kundenwelt denn schon auf Händen getragen, sodass wir nach Hause gehen und begeistert von diesem Erlebnis erzählen? Eben, weil solche Erlebnisse eher selten sind, bleiben sie fest in der Erinnerung haften - unabhängig davon, ob sie heute passierten oder schon vor 30 Jahren. Solche Erinnerungen schaffen eine starke Verbundenheit. So werde ich dem erwähnten Autohaus als Kunde auch die nächsten Jahre treu bleiben und bei meinen Freunden aktiv für sie Werbung machen. Beide Geschichten zeigen, dass sich persönliche Engagements lohnen und es eigentlich nicht schwer ist, das “neon-flashige Schild” auf der Brust von Mitarbeitern oder Kunden zum Leuchten zu bringen. Wissen alleine jedoch reicht nicht aus - auf das “Machen” und Umsetzen kommt es an! Manchmal braucht es auch einfach etwas Mut, besser sein zu wollen als der Durchschnitt. (Hotelier 7-8/12)

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2.3 Nur die Werte zählen

Ueli Pragers Erfolgsrezept

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Im Magazin “Salz & Pfeffer” wurden kürzlich die philosophischen Grundsätze der Mövenpick-Unternehmungen abgedruckt - und zwar in einer von Ueli Prager persönlich unterschriebenen Version aus dem Jahr 1980. Handschriftlich präzisierte der Gastro-Pionier und Mövenpick-Gründer auf dem Papier “... gelebt seit Beginn 1949”. Eindrücklich an diesem Dokument ist, dass die zehn Grundsätze auf einer A4-Seite Platz finden und auch 60 Jahre später noch so manchen Hotel- und Gastronomie-Betrieb erfolgreich machen könnten. Mit seiner Handnotiz unterstreicht Prager gleichzeitig die grösste Hürde in der Umsetzung von philosophischen Unternehmensgrundsätzen: “Werte können nur dann ihre Energie entwickeln und zum Erfolg führen, wenn sie auch tatsächlich im Alltag gelebt werden.” Unter dem Motto “Papier ist geduldig” verstauben in so vielen Managerschubladen die Schriftstücke mit Unternehmenswerten, die vor Jahren anlässlich eines Workshops mit der Geschäftsleitung niedergeschrieben wurden. Zu oft erlebe ich in Betrieben verschiedener Branchen, dass Unternehmenswerte oder Qualitätsnormen als Basis für Business Excellence bei den Mitarbeitern an der Kundenfront schlicht unbekannt sind. “Zu viel Wichtiges drängt in der Hektik des Berufs­ all­ tages Wesentliches in den Hintergrund. Der Alltag ist der wichtigste Tag im Leben, und manchmal eben auch der schwierigste!” (Zitat Ueli Prager)


Es ist kein Zufall, dass sich der 1. Grundsatz von Ueli Prager mit der Kundenzufriedenheit befasst: “Wir sind gäste- und kundenorientiert.” Denn ohne Kunden wäre der Geschäftsalltag langweilig und jede Firma unrentabel. Toll, wenn der Kunde spürt, wie wichtig er für die Unternehmung ist! Der 2. Grundsatz befasst sich mit dem Mitarbeiter - ohne ihn gibt es keine Qualität beim Gast: “Wir sind personalorientiert.” Im 3. Grundsatz umschreibt er den Stellenwert der Qualität: “Qualität vor Profit.” Damit diese Aussage kein Lippenbekenntnis ist, darf es keine Kompromisse geben, wenn es um die Qualität der Waren und der Dienstleistung geht. Der 4. Grundsatz ist wohl nur selten in einer Unternehmens-Werteskala zu finden und drückt aus, dass Arbeit auch Spass machen darf: “Abwechslung ist die Würze des Lebens.” Hier umschreibt Prager den Mut zur lustvollen Abwechslung im Angebot.“Gut in kleinen Dingen” zu sein, war wohl Pragers Erfolgsrezept schlechthin - und könnte auch heute wieder Erfolgstreiber sein. Im gewöhnlichen Alltag aussergewöhnlich gut zu sein, damit befasst sich auch der 5. Leitsatz: “Auch im Unscheinbaren wollen wir das Beste.” Im 6. Leitsatz geht es um das “Feu sacré”. Gutes kann bekanntlich nur entstehen, wenn das ganze Herz, die ganze Person jedes Verantwortlichen beim Erfüllen der übertragenen Aufgabe mit dabei sind: “Nichts funktioniert ohne den Glauben an das, was man tut.” Um die Fähigkeit, Bisheriges in Frage zu stellen, geht es im 7. Leitsatz: “Freudig bereit sein, in Frage zu stellen.” Was gestern noch gut war, kann heute vielleicht besser gemacht werden. Es braucht den Mut, Dinge, die wir tun oder getan haben, kritisch in Frage zu stellen. Aber eben, wer schreibt das heute noch in seine Unternehmensgrundsätze? Der 8. Grundsatz hat mit dem klaren Bekenntnis zur Alleinstellung zu tun: “Wir streben danach, einfach zu sein.” Simple Dinge kann jedermann tun. Wer das schreibt, sucht

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die Herausforderung und drückt die Bereitschaft aus, auch schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen, um sie mit Hartnäckigkeit und Ausdauer zu Ende zu führen. Im 9. Grundsatz geht es um den Mut, Dinge zu tun, die sonst noch niemand versucht hat und um den Willen, dafür Respekt und Beachtung zu verdienen: “Wir wollen nicht alles für alle sein.” Die Profilierung der Unternehmung als klares Erkennungs­ merkmal - es nicht allen recht machen wollen. Prager schliesst mit dem 10. Grundsatz den Kreis und kommt zurück zum Kunden: “Wir sind marktorientiert.” Nicht, was für die Unternehmung praktisch oder rentabel ist, steht im Vordergrund, sondern das, was den Kunden interessiert. Erfolg kann gemäss Prager nur haben, wer Kundenwünsche aufspürt und versteckte Kundenbegehren erahnt - und dafür einen Markt entwickelt.

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Ich bin überzeugt, es geht Ihnen wie mir, und Sie konnten jedem einzelnen Grundsatz mit Kopfnicken zustimmen. Doch auch Ueli Prager musste mehr tun, als nur Zutaten eines Erfolgsrezeptes niederschreiben. Es ist wie beim Rezept im Kochbuch - nicht beim Lesen, sondern beim Kochen fällt die grosse Arbeit an: Die Unternehmenswerte müssen jedem einzelnen Mitarbeiter täglich mit einfachen und verständlichen Beispielen vermittelt werden. Nicht zufällig schreibt Prager als Fussnote auf seinem Grundsatzpapier: “90 Prozent ist Fleiss, Zuverlässigkeit und Arbeit. Nur 10 Prozent sind Inspiration und Eingebung.” (Hotelier 09/12)


2.4 Nur die Werte zählen

Vom Placebo- & Nocebo-Effekt Wussten Sie, dass die Hummel mit einem Körpergewicht von 1,2 Gramm und einer Flügelfläche von 0,7 cm2 gemäss den Gesetzen der Aerodynamik nicht fliegen kann? Die Hummel weiss das aber nicht und fliegt trotzdem. Ähnlich geht es dem Patienten, der eine nachweisliche Verbesserung verspürt, obwohl ihm nur ein Schein-Arzneimittel ohne Wirkstoff verabreicht wurde. Als Placebo-Effekt wird die positive Veränderung des subjektiven Befindens bezeichnet. Der Glaube an die Wirkung versetzt hier offenbar Berge und stimuliert Gesundheit und Wohlgefühl positiv. Wir alle wissen, dass wirkstofffreie Medikamente Schmerzen lindern können, dass Scheinoperationen am Kniegelenk die gleich gute Wirkung haben wie die richtigen Eingriffe im OP und dass Farben und Namen von eingenommenen Tabletten nicht unwichtig sind. Wir müssen diese Pillen mit etwas Gutem assoziieren, dann wirken sie sich auch gut aus. Was beim Placebo-Effekt positiv ist, ist beim Nocebo-Effekt negativ: Wem ist es schon passiert, dass er nach dem Lesen des Beipack-Zettels eines Medikamentes die Übelkeit und Kopfschmerzen verspürte, die in der Rubrik “Nebenwirkungen” aufgeführt waren? Im Buch des Arztes Magnus Heier “Wer’s glaubt, wird krank.”, lässt sich nachlesen, dass sich unser Gehirn beeinflussen lässt, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung: Ein Placebo heilt, weil wir das wollen, ein Nocebo macht krank, aus dem gleichen Grund. Klingt wie Voodoo und ist es eigentlich auch; wenn auch unbeabsichtigt.

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Deshalb, lesen Sie künftig keine Zeitungsartikel mehr über Rezession, Depression, Job-Abbau und Lohnrückgang! Das ist Nocebo pur – und zwar in vernichtender Dosis für Unternehmergeist, Lebensfreude, Energie und Motivation. Die Tages-Anzeiger-Journalistin Rita Flubacher spricht mir aus dem Herzen, wenn sie im Frühling 2012 über die positiven Botschaften mit Placebo-Effekt schreibt: Die Industrieunternehmen lieferten reihenweise gute bis glänzende Zahlen für das letzte Jahr ab. Die USA - statt wie prognostiziert in Stagnation zu versinken - melden sich mit positiven Wachstumszahlen. Die Konjunkturlokomotive Deutschland, deren Stillstand auch schon herbeigeredet wurde, stampft unverdrossen weiter. Flubacher stellt die entscheidende Frage: “Sollte man ob dieser guten Nachrichten nicht vom Krisenmodus in die entspannte Heiterkeit wechseln?” Unbedingt, denkt sich, wer die frohe Botschaft aus Basel gelesen hat: “Rezession abgesagt”, titelte das private Konjunkturforschungsinstitut BAK Basel Economics in der ersten Märzwoche des Jahres 2012. Artikel wie dieser zeigen mir, dass es den Placebo und Nocebo-Effekt auch im Zusammenhang mit Nachrichten gibt. Leider liefert sich auch ein Heer von Ökonomen und Rating-Agenturen einen flotten Konkurrenzkampf um die Deutungshoheit der wirtschaftlichen Entwicklung - und müllt uns mit Nocebo zu. Wer an diese Prognosen glaubt, sieht für das Ferienland Schweiz und die Hotellerie verständlicherweise schwarz. Ich erwarte nicht, dass wir jetzt vor Realitäten wie etwa dem Logiernächterückgang oder dem Preisdruck aufgrund der Währungssituation die Augen verschliessen. Wir dürfen nur alle nicht vergessen, dass es auch sehr viele positive Zeichen gibt. Lassen wir uns also nicht die Hoffnung und die notwendige Energie rauben, die es braucht, um die kommenden Herausforderungen zu meistern. Leben Sie als


Chefs und Gastgeber “Placebo” vor, verbreiten Sie positive Ausstrahlung und glauben Sie an den Aufschwung! Mit dem Denken alleine ist es aber nicht getan. Es braucht auch entsprechendes Handeln. Machen Sie es wie die Hummel: Sie lässt sich nicht von den Gesetzen der Aerodynamikspezialisten beeinflussen. Sie fliegt einfach - denn anders als bei Flugzeugen sind ihre Flügel nicht starr, sondern schlagen durch die Luft. Dadurch erzeugen sie ihren Auftrieb auf ganz andere Weise als unsere Flugzeuge. Diese kleinen Luftwirbel verschaffen dem Insekt zusätzlichen Auftrieb. Das ist der Trick der Hummel und beweist, dass sich negative Prognosen - je nach Sichtweise - auch als falsch erweisen können. Daran Glauben ist das eine - danach Handeln das andere. Viel Spass beim Umsetzen! (Hotelier 04/12)

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2.5 Nur die Werte zählen

Frisches Brot fürs Team?

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“Der Erfolg des Gefechtes liegt in der Gamelle.” So lautete ein Leitspruch des Feldherren Napoleon. Schon als Fourier verantwortlich für die Truppenverpflegung in einer Kompanie - hatte ich diesen Grundsatz im Militärdienst beherzigt. Während meine Kollegen ihren Soldaten aus Spargründen das Brot erst servierten, wenn es drei Tage alt war, gab es in meiner Kompanie stets ofenfrisches Brot. Mit dem Resultat, dass das gute Frühstück schon zu Tagesbeginn einen positiven Einfluss auf die Soldatenmoral hatte. Was in Truppenverbäden funktioniert, hat auch an der Hotelfront beim Team Gültigkeit. Schon vor 20 Jahren haben Top-Betriebe wie das Albergo Giardino in Ascona oder das “Victoria Jungfrau” in Interlaken diesen Leitsatz beherzigt und sich bewusst der Mitarbeiterverpflegung und der Einrichtung des Mitarbeiterrestaurants gewidmet. Und das mit Erfolg! Abwechslungsreiches, schmackhaftes Essen sowie ein angenehmes Ambiente wirken sich auf die MitarbeiterMotivation positiv aus - und schlussendlich auf die Zufriedenheit des Gastes. Die Essenspause soll Freude machen und nicht nur den Magen füllen! Kürzlich durfte ich im “Grand Hotel Les Trois Rois” in Basel erleben, dass auch Mitarbeitende wie Gäste behandelt werden können. Besitzer und Geschäftsleitung sind nämlich überzeugt, dass nur Mitarbeiter, die Gastfreundschaft erleben, auch gastfreundlich sein können. Schon beim Eingang zum Mitarbeiter-Restaurant wird klar, dass hier die Mitarbeitenden - neben dem Gast – die Hauptrolle auf der


“Bühne Hotel” spielen. Vom visuellen Organigramm lachen einem alle Mitarbeitenden gleichzeitig entgegen. Die Fotos der einzelnen Teammitglieder sind mit Namen und Funktion beschriftet, so dass sich ein “Neuer” über seine Kolleginnen und Kollegen orientieren und sich Gesichter sowie Namen einprägen kann. Auf jedem Tisch im Restaurant steht neben dem Gratis-Wasser in PET-Flaschen ein Ständer mit der Inhouse-Info. Jeder im Team kann sich so über die aktuellen Events, über VIP-Gäste im Haus und anderes erkundigen. Zusätzliche Angaben über Auslastung und Aktivitäten bestätigen dem Mitarbeiter, beim richtigen Arbeitgeber zu arbeiten. Bei einem “Winner” eben - und nicht bei einem “Looser”. Als Winner fühlt sich der Mitarbeiter spätestens, wenn er vor dem Salatbuffet und der Schöpfstation der warmen Gerichte steht. Die Auswahl ist gross, frisch und liebevoll präsentiert. Wertschätzung pur! Selbstverständlich werden viele Hotelier-Kollegen jetzt sagen: “Die Mitarbeiter sind sich gar nicht bewusst, was ihnen geboten wird.” Möglicherweise haben sie sogar Recht. Für einige im Team wird dieses Angebot mit der Zeit zur Selbstverständlichkeit. Andere werden erst beim nächsten Job realisieren, wie gut sie es eigentlich hatten. Und dann gibt es noch die ewig Unzufriedenen, denen man es nie recht machen kann. Das ist aber kein Grund, nicht trotzdem das Beste zu bieten. “Wer nur mit Erdnüssen um sich schmeisst, ist nur von Schimpansen umgeben”, hat uns Klaus Kobjoll schon vor 20 Jahren gepredigt. Wer ein Team mit Top-Mitarbeitern haben will, muss halt das richtige Leistungspaket schnüren. Dazu gehört die MitarbeiterVerpflegung. Mit zur Wertschätzung gehört, dass auch die unterschiedliche Herkunft sowie die religiöse Zugehörigkeit bei der Verpflegung mit berücksichtigt werden. In den meisten Hotelbetrieben arbeitet ein bunter Mix von Menschen. Es gibt Hotels in der Schweiz mit über 30 Nationen im Team. Aber nur in wenigen Betrieben, wird dieser bunte Mix im Menüplan berücksichtigt. Warum nicht den Nationalfeier­ tag der verschiedenen Nationen im Team berücksichtigen?

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Am 1. August können die Mitarbeiter aus dem Ausland Bekanntschaft mit den Schweizer Spezialitäten und Traditionen machen. Am Tag der Deutschen Einheit macht auch Schweizern, Türken oder Franzosen ein Exkurs zu den kulinarischen Spezialitäten der Germanen Spass. Wer kennt schon die Nationalgerichte der Türken oder der Tunesier? Das Mitarbeiteressen sozusagen als Beitrag zur Völkerverständigung im Hotel. Die Rücksichtnahme auf die verschiedenen Kulturen und Religionen ist auch nicht so kompliziert, wie es scheint. Statt nur panierte Schweineschnitzel im Angebot zu haben, reicht die Alternative mit panierten Truthahnschnitzeln, um hier die nötige Rücksicht zu nehmen. Das Salatbuffet erfreut nicht nur die Vegetarier, und die Früchte auf dem Tisch ergänzen die Vitamine und reduzieren sicher auch die Krankheitstage. Wenn jetzt noch den Rauchern eine gemütliche Ecke mit Aschenbecher und Kaffeemaschine zur Verfügung gestellt wird, wird die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter bei den Gästen spürbar sein.

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Schade, dass die Realität oft anders aussieht und es immer noch Hotelbetriebe gibt, die am Mitarbeiteressen sparen. Auch beim Computer gibt es “ohne Input keinen Output”. Dass bei vielen Mitarbeitern einfach nur “der Tank gefüllt” wird, ist schlussendlich eine verpasste Chance und eine schlechte Voraussetzung, das tägliche Gefecht an der Gästefront zu gewinnen. (Hotelier 11/10)


2.6 Nur die Werte zählen

Sterne für Mitarbeiterzimmer! An das Personalzimmer meines Lehrbetriebs erinnere ich mich noch gut - und gerne. Es befand sich - mit vielen anderen im Dachstock des Hotels. Wir “Internierten” fühlten uns als kleine Schicksalsgemeinschaft, und ich schätzte das einfache Zimmer als Rückzugsort nach der strengen Arbeitszeit und als Freiraum weg vom Elternhaus. So bin ich überzeugt, dass auch heute ein Mitarbeiterzimmer mehr sein sollte als nur der Ort, wo Kleider und Koffer zwischengelagert werden und wo geschlafen wird: “Home away from home ...” - In den vergangenen Jahren habe ich viele solche Zimmer gesehen. Einige waren in gutem Zustand und in einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Die meisten jedoch sind auch heute noch lieblos und vernachlässigt. Dazu kommt, dass die geltenden Vorschriften der AHV bezüglich der Minimalabzüge und die Renditen-Rechnung der Hotelbesitzer oder -betreiber die Mieten oft ohne realen Gegenwert in die Höhe treiben. Als Resultat wohnen Mitarbeitende oft in karg möblierten und unterhaltsmässig völlig vernachlässigten Bruchbuden zu unrealistisch hohen Mieten. Liebe Hoteliers und Wirte, Hand aufs Herz: • Möchten Sie eine Woche in einem Ihrer Mitarbeiterzimmer wohnen? • Mit wie vielen Sternen würde Hotelleriesuisse diese Unterkünfte bewerten? • Wie oft pro Jahr kontrollieren Sie persönlich das betriebs­ eigene Wohnangebot?

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Die Zimmer, die mein Sohn während zweier Wintersaisons in den Schweizer Bergen bewohnte, bestätigen leider das tiefe Niveau bei diesem wichtigen Leistungspaket für Mitarbeiter: Es fehlten Vorhänge und Lichtschutz. Die Möbel wie auch das zu kurze Bett - würde jedes Brockenhaus ablehnen. Die Matratzen, das Duvet und die Kissen stammten wohl alle aus der Gant eines Konkurshotels. Die verbogenen Wegwerfkleiderbügel aus der chemischen Reinigung, die defekten Steckdosen und die fehlende Tisch- und Leselampe bestätigten die unterlassene Kontrollverantwortung des HR-Chefs. Mit verfärbten Duschtassen, Toilettenschüsseln mit Urinstein-Ablagerungen sowie schmutzigen Wänden mit Rückständen von den Klebstreifen der verschiedenen Vorgänger könnte diese Liste noch endlos weitergeführt werden. Selbstverständlich habe ich Verständnis, wenn bei knappen Budgets der Gästebereich bei Investitionen Vorrang hat. Es gibt jedoch viele Massnahmen, die nicht mit dem fehlenden Geld entschuldigt werden können:

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• Hotelkonzepte - wie die “Superbude” in Hamburg - beweisen, dass die Minimaleinrichtung eines Zimmers nicht viel kosten muss, genügend Stau- und Ablage­ fläche bietet und erst noch originell sein kann. • Ein Besuch bei Ikea & Co. sorgt für kostengünstige Farbtupfer: Zimmer- und Duschvorhänge, Kleiderbügel, Nachttischlampen und Bettwäsche. • Auch sind bequeme Matratzen mit Schoner sowie Kissen und Duvets zum Waschen heute ein günstiger Komfort. Dass wöchentlich frische Bettwäsche zur Verfügung gestellt wird, sollte selbstverständlich sein. • Funktionstüchtige Storen und intakte Stromsteckdosen sind Minimalanforderungen. Extras wie Doppelsteck­ dose, Verlängerungskabel, Adapter, Wi-Fi und Zimmerkühlschrank sorgen für einen Hauch von Luxus. • Wenn die Zimmer selber gereinigt werden, sollte auch das notwendige Putzmaterial vom Kessel mit Mob bis zum funktionierenden Staubsauger zur Verfügung stehen.


• Schön, wenn sich die Hausordnung nicht wie ein BussenKatalog liest und auch für ausländische Mitarbeiter verständlich ist. • Wie beim Gast darf auch das Check-in beim Mitarbeiter eine persönliche Note haben. Die Übergabe ist Chefsache und sollte vom HR-Verantwortlichen nicht wegdelegiert werden. Wenn zusätzliche Räume zur Verfügung stehen, sorgen im Gemeinschaftsraum TV und Fussballkasten für Kommunikation unter den Bewohnern. Wo kann oder darf geraucht werden? Bei einer Gemeinschaftsküche sollte es genügend Sitzmöglichkeiten sowie Geschirr und Kochutensilien haben. Teekocher und Kaffeemaschine machen das Leben angenehm, Waschturm mit Trockner und Bügelmöglichkeit sind ein Must. Und sollte dennoch renoviert werden: Magnetleisten an den Wänden für Bilder und Poster vermeiden unschöne Rückstände. Gut schliessende Türen reduzieren Störungen und Reklamationen. Toll, wenn die Heizung individuell eingestellt werden kann und ein Kellerraum für Koffer, Ski oder Bikes zur Verfügung steht. - Tragen Sie dazu bei, dass das “Zuhause auf Zeit” Ihrer Mitarbeitenden wohnlich und angenehm ist. Denn nicht allen fällt es leicht, aus dem Koffer zu leben. Grad in der wirtschaftlich angespannten Zeit sind diese Werte für die Mitarbeitenden wichtig: Wer viel leistet, dem soll auch etwas geboten werden! Motivierte und aufgestellte Mitarbeiter werden es Ihnen danken, und der Gast wird schlussendlich davon profitieren und gerne dafür bezahlen. (Hotelier 06/14)

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Kapitel 31

Aus der Draussen Vogelvor der TĂźr perspektive



3.1 Draussen vor der Tür

Die sieben Web-Sünden Als Mitglied des Fachgremiums und der Fachjury des Awards “Best of Swiss Gastro” darf ich jedes Jahr mit anderen Branchenspezialisten eine Erstbeurteilung der Bewerberbetriebe vornehmen. In individuellen Dreierteams werden zum Beispiel die Websites der gemeldeten Betriebe studiert, die mit dem Publikumspreis ausgezeichnet werden möchten. Mit den Augen potenzieller Kunden besuchte und studierte auch unser Team rund 70 Websites. Wir hatten zu beurteilen, ob der virtuelle Auftritt Lust auf einen Besuch macht und die wichtigsten Fragen eines Neukunden beantwortet. Entsprechend interessierten uns neben einer aussagekräftigen Bildwelt im Bereich Ambiente, Kulinarik und Team auch die aktuellen Angaben zu Angebot und Preis. Ebenso wichtig waren uns verbindliche Kontaktdaten sowie Informationen bezüglich Öffnungszeiten und Anreise.

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Alles banal und selbstverständlich, sollte man meinen. Nur präsentierte sich die digitale Realität unserer Branche einmal mehr ernüchternd anders. ... und das sind sie, die sieben Web-Süden: 1. Es gibt tatsächlich noch Restaurants in der Schweiz, die nicht über eine Website verfügen. Diese Wirte haben nicht verstanden, dass der Kunde heute mehr Zeit für den digitalen Konsum aufbringt als für den Blick in den TV-Bildschirm.


2. Der Upload von Dokumenten, Videos und Bildern funktioniert nicht oder nur langsam, weil die Dateien entweder zu viele Daten aufweisen, der Pfad nicht mehr aktuell ist oder weil mit dem Adobe Flash-Player gearbeitet wird. Dies obwohl Apple bereits mit seinen ersten iOS-Geräten den Flash Player ausschloss und auch heute noch mit iPhone & Co. solche Videos und Bilder nur bedingt betrachtet werden können. 3. Das Bildmaterial ist oft unprofessionell und nicht aussagekräftig. Was als Handy-Schnappschuss für Facebook reicht, ist noch lange nicht Websitetauglich! Wer auf einem Foto “alles” zeigen will, hat nicht an die portablen Geräte mit kleinerem Bildschirm gedacht. 4. Nur selten ist eine Website smartphone-fähig - und das in einer Zeit, in der Hotels, Unterkünfte in Privatwohnungen, Taxis und Restaurants mit den Taschencomputern gefunden und gebucht werden. In der Schweiz sind mehr von diesen mobilen Geräten im Einsatz als es Einwohner gibt. So erstaunt nicht, dass über 25 % der Hotelbuchungen “mobil” getätigt werden. Das Handy ist zum wichtigsten Alltagsgegenstand geworden und ersetzt ÖV-Fahrpläne, Agenden, Uhren und Gourmetführer. 5. Das Angebot ist nicht ersichtlich, es passt nicht zur Saison, oder es fehlen die Preise. 80 Prozent der Kunden wollen - vor der Wahl des Lokals - Angebot und Preisstruktur abrufen können. 6. Wer nicht mit Google+ oder Social Media wie Facebook & Co. verlinkt ist, vergibt sich die Chance, dass Fans den Betrieb weiterempfehlen.

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7. “What’s the story of the place?” Was zeichnet das Restaurant aus? Was sind die Spezialitäten des Chefs? Warum soll ich als Kunde diesen Betrieb besuchen? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, will ich als Kunde nicht 20 Minuten auf der Website surfen ... Wohlbemerkt ist dies das Resümee eines intensiven Tages im “world wide web” auf den Seiten von Bewerbern, die sich freiwillig gemeldet haben! Unternehmer, die überzeugt sind, besser zu sein als der Durchschnitt der Branche und dafür eine Auszeichnung erwarten! Dabei wäre es doch ganz einfach, sich auf dem Web professionell zu präsentieren, um so Neukunden für einen Besuch zu motivieren sowie Stammgäste zu binden: • Dank mediengerechtem Webdesign und mobilen Applika­ tionen eine angepasste Darstellung auch für Smartphone User sicherstellen ... • Gewährleisten, dass Bilddateien von iOS bis Android geladen werden können ...

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• Keine Hintergrundmusik! Das ist altmodisch und wird von Usern mit mobilen Geräten in der Öffentlichkeit nicht geschätzt ... • Keine komplexen Dateien und PDFs mit grossen Datenmengen, die sich mit Smartphones nicht oder netzbedingt nur schwer öffnen lassen! HTML-Dateien sind eine Alternative ...


• Nur Profibilder mit Kundenfokus aufschalten, die Stimmung und Ambiente authentisch wiedergeben ... • Sinnvolle Links und Accounts einrichten: Online Tischreservation, Besucher-Feedback, Social Media, PresseArtikel oder “show me the menu” sind nur einige wenige Beispiele. Zudem honorieren viele dieser Plattformen die Einträge mit einer besseren Platzierung auf den Suchportalen. Es ist bekannt, dass User im Schnitt 14 Mal pro Tag ihren Facebook-Account besuchen ... • Den persönlichen Bezug - wer steht hinter dem Produkt nicht vergessen. Dank Stories zu Menschen und Produkten im Betrieb, steigern Sie das Kundeninteresse ... Die Welt der Kommunikation ändert sich rasend schnell und damit die Erwartung Ihrer Kunden an Ihre Präsenz im Web. Zu Risiken und Nebenwirkungen konsultieren Sie Ihren Web-Spezialisten! (Hotelier 7-8/14)

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3.2 Draussen vor der Tür

Rivella & Co. lassen grüssen

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Kennen Sie den Witz von den beiden Verliebten, die sich in Florenz vor Jahren im Caffè Segafredo verabredet hatten und sich immer noch suchen, weil jede zweite Café-Bar in dieser Stadt mit diesem Namen angeschrieben ist? Diese Geschichte könnte auch aus der Schweiz stammen - wenn auch mit anderen Markennamen. Bei uns heissen die Bars und Restaurants - je nach Region - Eichhof, Rivella oder Schützengarten. Neben dem Logo schreiben die Lieferanten, die diese Restaurant- oder Barbeschriftungen bezahlen, netterweise auch noch den richtigen Namen des Restaurants auf die Leuchtreklame. Verständlicherweise wesentlich kleiner. So dass erst beim zweiten Blick aus der Miller Bar das Rössli oder das Kreuz wird. Für mich ist das eine falsche Bescheidenheit der Wirte und Hoteliers und eine verpasste Kommunikationschance! Schnell wird hier klar, dass diese Marketingidee System hat: Auch die Schiefertafel vor dem Hotel und das Parkplatzschild haben Coca Cola oder Chicco D’Oro bezahlt, den Menükasten Calanda und die Rechnungsmappe Amexco. Dass Feldschlösschen das Buffet finanziert hat, ist am grossen Logo auf der Lampe erkennbar. Heineken und Erdinger grüssen von der Zapfsäule mit beleuchtetem Medaillon und natürlich vom Bierteller auf den Tischen. Schon von weitem ist dank der Sonnenschirme erkennbar, dass hier – auf Plastik-Standard-Karten - Eis von Frisco angeboten wird. Das Zelt im Garten hat Red Bull montiert, dank Henniez kann sich der Wirt Tischsets leisten, die Ser­ vietten offeriert Thommy, die Aschenbecher Marlboro und die Streichhölzer Engel & Völkers. Im Hotelzimmer ist schnell


erkennbar, dass es ohne Bucherer keine Zimmermappe geben würde, ohne die UBS kein Schlüsselbüchlein und ohne RangeRover kein Hotelauto. In dieser Aufzählung fehlen noch die Gläser von Ice-Tea oder Champagnerlieferanten, die Zuckerbeutel und die Tassenuntersetzer vom Kaffee-Röster sowie die Blöcke und Kugelschreiber der Hausbank im Seminarraum, etc. Auch die Köche laufen schon - wandelnden Litfasssäulen gleich – in Jacken herum, auf die Formel-1-Fahrer neidisch wären. Die Label der Lebensmittelindustrie, Sojasaucenlieferanten und Fertigproduktproduzenten werden von den Punkteköchen sogar mit Stolz auf die Weste genäht - jetzt fehlen nur noch die Werbekrawatte und der Aufnäher auf dem Hemdkragen bei den Hoteliers! Schade, dass so wertvolle Werbeflächen der Industrie verschenkt werden - statt die wunderbaren Kommunikationsmöglichkeiten für die eigenen Betriebe zu nutzen. So bergen grade einfachste Dinge wie Zuckerbeutel, Streichhölzer oder Zahnstochersets eine wunderbare Chance fürs Cross-Selling. Im Ramada Hotel in Feusisberg weisen Postkarten auf den Tischen der Seminarteilnehmer auf die Fleischkompetenz des Inhouse-Restaurants Fuego hin und im Restaurant selber und sogar auf der Toilette gibt es augenzwinkernde Hinweise auf ein romantisches SPA-Weekend im Hotel. Wie sonst würde der Restaurantbesucher das Zimmerangebot wahrnehmen oder der Seminarbesucher von der Hausspezialität mit dem knochengereiften Dry Aged Beef erfahren? Im Gegensatz zum Werbevorleger drücken von Künstlern entworfene Tischsets den Charakter des Restaurants aus und bieten - ohne Farben auf festes Papier gedruckt - zudem eine tolle Malunterlage für Kinder. Beim Verschenken dieser Zeichnung macht das Kind sogar Dritte auf den Betrieb aufmerksam, weil Webadresse und Telefonnummer diskret aufgedruckt sind.

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Zudem sind Postkarten mit Stimmungsbildern aus den eigenen Räumlichkeiten günstige, aber effiziente Werbebotschafter. Das Misani in Celerina macht mit Bildkarten und Kleinprospekten auf den Tischen im Restaurant auf die Hotelzimmer und die Partnerbetriebe Lej Staz und La Rösa mit Erfolg aufmerksam. Selbstverständlich: Werbung kostet Geld - und das in jedem Falle. Auch die oben genannten einfachen Beispiele können nicht gratis umgesetzt werden. Interessant ist jedoch, dass Betriebe, die geschickt in krea­­ tive Werbeträger investieren - statt diese der Industrie zu überlassen - nicht in den “Inserate-Friedhöfen” der regionalen oder überregionalen Zeitungen zu finden sind. Denn tolle Ideen brauchen kein Anzeiger-Inserat; sie werden vom Kunden aufgenommen und gratis weiterkommuniziert. Der tolle “Nebeneffekt” ist zusätzlicher Umsatz - und damit lassen sich kreative Marketingideen realisieren, die dem Kunden das Gefühl geben im “richtigen” Betrieb zu sein und nicht in der austauschbaren Segafredo Bar in Florenz. (Hotelier 07-08/10)

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3.3 Draussen vor der Tür

Inszenieren Sie Hotel-Shopping Was viele Frauen beim “Lädele” lieben, geniesse ich beim Hotel-Shopping: Es macht schlicht Spass, sich in einem schönen Ambiente Zeit zu nehmen, um sich unbeschwert mit den schönen Seiten des Lebens zu beschäftigen. Dinge anzuschauen, die einem gefallen, Eindrücke zu sammeln, andere Menschen zu beobachten und sich nicht zuletzt als begehrten Kunden zu fühlen. Wie beim richtigen Shopping, so geht es hier nur in zweiter Linie um den Kauf oder um die Buchung. Wenn das Produkt oder die Dienstleistung schlussendlich stimmen, die Verkaufsargumente überzeugen und auch der Preis passt, ist jeder Shopper auch gerne Kunde oder zumindest positiver Botschafter des Shops oder des Hotels gegenüber seinen Freunden und Bekannten. Tatsache ist, dass Restaurant- und Hotelszenen faszinieren. So ist es kein Zufall, dass in Actionfilmen die Verfolgungsjagd in der Küche und in der Hotelwäscherei stattfindet und DokuSoaps mit Restauranttestern wie Christian Rach, Frank Rosin oder Daniel Buman hohe Einschaltquoten erreichen. Profitieren Sie als Hoteliers von dieser Kundenneugier und inszenieren Sie Hotel-Shopping! Liebe Hoteliers, überlassen Sie Hotelführungen nicht dem Zufall! Ich empfehle Ihnen, immer einen Show-Room zur Besichtigung bereitzuhalten. Wenn möglich nicht die “Standard” Variante im Parterre mit Sicht auf den Parkplatz. Sondern ein stimmig eingerichtetes Wohlfühlzimmer der gehobenen Kategorie. Früchteteller, Blumen, Welcome-Karte,

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Anreisegetränke und Amenities entsprechen dem VIP-Treatment Ihres Hauses. Da Licht, Geruch und Musik wichtige Stimmungsfaktoren sind, ist das Zimmer gelüftet, die Lampen sind stimmig gedimmt und das Radio oder der Flat Screen ist auf Sendung. Die Demo mit dem iPod-Anschluss und der Zusatznutzung des Fernsehers als externen Bildschirm für den Laptop begeistert den technisch interessierten Shopper. Sollte das Zimmer eine schöne Aussicht bieten, wären geschlossene Gardinen eine verpasste Chance, die Lage des Hotels und den schönen Ausblick zu unterstreichen. Die Betten sind aufgedeckt, damit der Kunde sich von der Weichheit der Matratzen persönlich überzeugen kann. Der Duft im Bad regt die Sinne an und erinnert nicht an Ajax oder Meister Proper. Das Feuer im Cheminée überzeugt selbst den letzten Zweifler, dass die Stimmung im Zimmer auf Zeit mindestens so gut ist wie zu Hause - und diesen Anspruch hat der kritische Gast an sein Hotelzimmer! “Home away from home.”

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Solche Stimmungen sagen mehr aus als 1’000 Webseiten und prägen sich beim Kunden ein. Schon während dem Rundgang stellt er sich vor, wie gemütlich es sein muss, nach dem Skitag an dem wärmenden Kaminfeuer zu sitzen und den Whisky zu trinken, der dem Gast im Dekanter grosszügig offeriert wird. Kino im Kopf - Szenenbilder zum Weitererzählen! Inszenieren Sie Hotelführungen auch in anderen Bereichen. Der Hotel-Shopper wird positiv überrascht sein, wenn er in der Küche auch etwas probieren darf oder wenn im Weinkeller ein Degustationsschluck die Produktkompetenz des Sommeliers unterstreicht. Die Sicht auf der Dachterrasse mit einem Überraschungs-Prosecco könnte das Erlebnis beschwingt abrunden. Alles Geschichten, die sich einprägen und weiter erzählt oder via Facebook-Posts weiter kommuniziert werden und schlussendlich nur einen Bruchteil des Werbebudgets ausmachen.


Der Hotel-Shopper hat nicht immer den Mut, an der Rezeption nach einer Hotelführung zu fragen. Als aufmerksamer Hotelier erkennen Sie ihn trotzdem, denn sein Verhalten ist anders als das des Hotelgastes. Er verrät sich durch das langsame und bedächtige Wandeln durchs Hotel. Fast wie ein Museumsbesucher studiert er Interieur, Prospekte und Menükarten. Er wird sicher nicht “Nein” sagen, wenn ihm spontan eine Hausführung oder eine Zimmerbesichtigung angeboten wird. Sie können die Neugier des Hotel-Shoppers sogar schamlos ausnutzen, indem Sie die Türe des Show-Rooms einen Spalt weit offen lassen. Er wird der Versuchung nicht widerstehen können. Geben Sie dem Hotel-Shopper nach der Führung auf jeden Fall zwei Hotelprospekte persönlich mit. Einen für ihn, den anderen für seinen besten Freund ... Wenn man bedenkt, wie viel Geld in Werbung investiert wird - nur um Kunden auf das Hotel aufmerksam zu machen, ist es doch erstaunlich, wie knausrig und unprofessionell dann vor Ort mit dem interessierten Kunden umgegangen wird. Paradox? Nein - Realität! (Hotelier 1-2/12)

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3.4 Draussen vor der Tür

Wenn der Newsletter zum Ärgernis wird Es ist noch nicht lange her, da waren SMS-Botschaften der neueste Werbegag. Über die entsprechenden Web-Plattformen war es einfach und günstig, Kurzinformationen an die Kunden zu senden. Informationen, die jedoch in der informationsüberfluteten Welt heute meist nur nerven. Ich weiss nicht, wie Sie solche SMS-Botschaften empfinden wenn ich durch das “Bling” des Handys gestört werde - dann bitte nur mit Informationen, die mir persönlich wichtig sind! Dummerweise ist das Abmelden von solchen SMSVerteillisten gar nicht so einfach, und entsprechend negativ bleibt die Firma Störenfried auch in Erinnerung. Weil bei SMS-Botschaften das Textvolumen limitiert ist und diese Form von Werbe-Kurznachrichten überhandnahm, wurde der Newsletter per E-Mail erfunden. Ein weiterer Störfaktor war geboren: Newsletter mit Spam-Status!

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Macht ein Newsletter heute - bei 30 bis 50 Mitteilungen pro Tag im E-Postfach - immer noch Sinn? Wie muss ein Newsletter konzipiert sein, damit er trotzdem beachtet wird und nicht sofort - der Delete-Taste sei Dank - ungelesen entfernt wird? Hier die Meinung eines KommunikationsSpezialisten: “Online-Newsletter sind ein hervorragendes Gästebindungs-Instrument mit hohem Verkaufspotenzial - wenn sie gut gemacht sind. Und wirklich nur dann.” Wie recht doch diese Profis haben. Allein heute habe ich drei nervige Newsletter dank “unsubscribe” in die ewigen Weiten des World Wide Web geschickt und so riskiert, einem SPAM-botProgramm meine E-Mail Adresse als “echt” zu bestätigen.


Früher musste man sich gut überlegen, welche Gastadressen man mit Informationen bedient. Damals kostete die Bewirtschaftung einer Gastadresse via klassischem Postmailing wegen den Druck- und Versandkosten – schnell mal drei bis fünf Franken pro Adresse. Entsprechend wurden die Botschaften und Adressen sensibel selektiert. Heute können Sie dank Internet mit geringstem Aufwand und minimalen Kosten gleich Tausende bedienen und belästigen. Auch hier hat der Profi recht, wenn er sagt: “Die Erlaubnis, einem Gast einen Newsletter schicken zu dürfen, stellt an sich schon ein Kapital dar.” Mit diesem Einverständnis sollte sorgfältig umgegangen werden. Das heisst: Gäste nicht mit lästigen Werbemails attackieren, sondern mit gut aufbereitetem, nützlichem Inhalt mit Kundenbindungsfaktor informieren. Die Texte sollten dezent und unaufdringlich formuliert sein, marktschreierische Werbesprache wird von den meisten Gästen nicht goutiert. Achten Sie darauf, dass Sie keine Floskeln und leeren Worthülsen verwenden, schliesslich können Ihre Gäste auch an anderen Orten “die Seele baumeln lassen”, “ein Wochenende der anderen Art” geniessen oder “wild auf Wild” sein. Nützliche Informationen sollten gegenüber rein werblichen überwiegen. Tja, leichter gesagt als getan! Ein Newsletter ist nur dann ein guter Newsletter, wenn er dem Empfänger einen Mehrwert bietet und “Insider-Status” hat. Informationen also, die nicht auf der Webseite oder im Prospekt publiziert werden. Zum Beispiel ein ausgesuchtes Angebot - das so unverschämt exklusiv ist, dass es nur von Newsletter-Abonnenten gebucht werden kann. Mit anderen Worten: “Ein Angebot für Freunde; es het, solang’s het!” Nur wenige Betriebe haben so viel zu kommunizieren, dass es sich lohnen würde, einen Newsletter wöchentlich oder zweiwöchentlich zu versenden. Der Monatsturnus hat sich bei vielen Betrieben gut bewährt. Für kleinere Unternehmen

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sind manchmal auch vier Newsletter, verteilt aufs ganze Jahr, ausreichend. Weniger sollten es allerdings nicht sein, denn grössere Zeitintervalle wirken sich meist negativ auf die Abonnentenzahl aus. Soweit wiederum der Tipp der Kommunikationsprofis. Aber Achtung: Versenden ist gut, Erfolgskontrolle ist besser. Moderne Newsletter-Programme erlauben es, Statistiken zum Versand auflisten zu lassen. Diese sollte man regelmässig studieren. Nur so sehen Sie, wie viele aktive Gäste Sie genau beliefern, welche Beiträge am meisten interessieren und wie viele Abonnenten sich nach welcher Newsletter-Ausgabe womöglich wieder abgemeldet haben. Diese Statistiken sind der Grundstein für die stetige Verbesserung Ihres Newsletters. Fazit: Ein gut gemachter Newsletter bindet Kunden, er kostet aber Zeit und Geld. Wer dies nicht investieren kann oder will, sollte lieber die Finger davon lassen.

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Wenden Sie sich also an die Profis der Werbebranche, wenn Ihre Newsletter nicht zum Ärgernis werden sollen und kommunizieren Sie nur dann, wenn Sie wirklich etwas Interessantes mitzuteilen haben - und vergessen Sie den “unsubscribe-button” am Schluss des Newsletters nicht. Der Kunde soll frei entscheiden können, ob er auch künftig von Ihren Informationen profitieren will - oder sich von den Infos belästigt fühlt. Plagiats-Schutz: Die Bemerkungen der Kommunikationsprofis las ich in einem Newsletter von SPOT Werbung in St. Moritz. (Hotelier 11/11)


3.5 Draussen vor der Tür

Bin doch nicht blöööd … Ich bin viel unterwegs und übernachte entsprechend oft in Hotels. Selbstverständlich treibt mich die berufliche Neugier immer wieder in neue Betriebe. Was liegt da näher, als sich auf booking.com - einem der bei vielen Hoteliers unbeliebten Webportale - über die Verfügbarkeit der Zimmer zu informieren. So fällt mir auf, dass die offerierten Preisangebote sehr oft riesige Unterschiede zum Angebot vor Ort aufweisen. So lag bei einem Viersternehotel in Pontresina das Webangebot bei 89 Franken für ein Einzelzimmer. Als Hotelier wollte ich aber einem Hotelierkollegen - bei diesem Tiefpreis - nicht auch noch die über 15% Kommission zumuten. Also erkundigte ich mich direkt via Telefon an der Hotelrezeption nach dem attraktivsten Tagespreis. Die offerierten 210 Franken machten mich sprachlos. Nicht weil ich den Preis für unangemessen hielt, sondern weil er sich so stark vom Tiefstangebot auf booking.com unterschied und sogar eine noch tiefere Zimmerkategorie betraf. Der charmante Berater am Telefon reduzierte dann auch spontan und ohne Zögern den Preis. Wenn der Berater auch ein guter Verkäufer gewesen wäre, hätte er mir zumindest die nächst höhere Kategorie für die offerierten 210 Franken angeboten. Auch im Viersternehotel in Winterthur war der Preis auf dem Webportal 50 Prozent(!) tiefer als bei der Telefonanfrage. Auf den Preisunterschied angesprochen, erklärte mir der Mitarbeiter, dass es sich beim Lockvogelangebot auf dem Web um eine nicht annullierbare Buchung handle und

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meine Kreditkarte auch bei “no-show” belastet würde. Ich wollte ja buchen und war auch bereit, diesen Willen mit der Angabe meiner Kreditkartennummer zu unterstreichen. Musste ich jetzt wirklich den Anruf beenden und über das Web buchen? War das Hotel wirklich bereit auf über 15 % zu verzichten und so die Brutto-Marge Rooms beträchtlich zu beschneiden? Offenbar war der Mitarbeiter aber nicht befugt, eine Preisentscheidung zu treffen. Wenigstens offerierte er mir Abklärung und Rückanruf. Wenn diese Beispiele Schule machen, werden künftig noch mehr Gäste über das Web buchen: “Bin doch nicht blöd”, wird sich der Kunde sagen. Zudem machen sich die meisten Kunden keine Gedanken über Vermittlungskommissionen, sondern sind Preis fokussiert.

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Die letzten Herbstferien plante ich entsprechend via Web. Dank der übersichtlichen und informativen Darstellung buchte ich via booking.com eine Junior Suite in den Cinque Terre in Italien. Noch am gleichen Abend erhielt ich zwei Telefonanrufe. Beim ersten entschuldigte sich das Hotel für die Doppelbuchung und teilte mir mit, dass es entsprechend mit dem Aufenthalt nicht klappt. Der zweite Anruf erreichte mich nur wenige Minuten später. Zu meiner grossen Überraschung war booking.com aus London am Apparat. Die charmante Dame entschuldigte sich auf Englisch für den Fehler und offerierte ihre Unterstützung bei der Suche nach einer anderen Unterkunft in Italien. Da ich in der Zwischenzeit bereits in einem Hotel eine ideale Alternative gefunden hatte, offerierte mir die Dame, für alle zusätzlichen Kosten aufzukommen. Konkret: Das Web-Portal hätte die Zusatzkosten von Flugumbuchung, Mehrkosten beim Zimmerpreis und sogar Taxikosten übernommen. Ein TOP Service in Verbindung mit hohem Kundennutzen. Das ist der Stoff, aus dem “Fans” gemacht werden ...


Neben der professionellen Kundenbetreuung bieten diese Web-Portale meist besseres Bildmaterial als die Hotels, eine neutrale Gästebewertung mit Testimonials sowie eine sofortige schriftliche Buchungsbestätigung. • Warum also noch in Hotels anrufen, Zeit verlieren und erst noch höhere Preise bezahlen? • Warum diese grossen Preisunterschiede, obwohl zusätz lich noch 15 – 25 % Kommission in Abzug kommen? • Warum sehen die Hoteliers solche Webportale nicht als Chance neue Gäste zu gewinnen? • Warum werden solche Gäste nie aktiv angesprochen und mit einem Direktbucher-Vorteil motiviert das nächste Mal via Hotel-Rezeption zu buchen? • Warum sind über 70 % der Hotel-Webseiten nicht Smart phone-fähig, obwohl immer mehr Kunden über mobile Geräte buchen? • Warum sind die Hotelmitarbeiter im besten Fall Berater und nicht Verkäufer? Die klassischen Marketingkosten sind Fixkosten, die keine Sicherheit für eine Buchung geben. Die Kommissionen beim Webportal sind jedoch variable Kosten - sie entstehen also nur, wenn auch eine Buchung getätigt wird. Interessant wäre es doch, diese Kosten auf 100 % Umsatz zu kapitalisieren. Viele Hoteliers bestätigen mir, dass die Webportale neue Gäste ins Hotel bringen, die - bei Top-Betreuung und fairem Preis - künftig auch direkt über die Hotel-Rezeption buchen. Eine Akquise-Maschine also! Warum also sind Buchungsportale das Feindbild der Hoteliers? Für mich als Kunde ist klar, dass ich mich vor einem Reservationsgespräch mit dem Hotel zuerst via Web über die Vakanz und Preissituation erkundige. Wo ich dann schlussendlich buche, das hat das Hotel in der Hand. “Bin doch nicht blöd!” (Hotelier 06/13)

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Kapitel 41

Aus der Wissen VogelSie es – perspektive oder machen Sie es?



4.1 Wissen Sie es – oder machen Sie es?

Bei Ihnen PIPt’s wohl? Nach dem Ausschiffen bunkert ein Kreuzfahrtschiff für die neuen Passagiere innerhalb von kurzer Zeit Tonnen von Lebensmitteln. Gleichzeitig kommt die neue Crew mit über 1’000 Mitarbeitern aus bis zu 20 Nationen an Bord. Es bleibt nur wenig Zeit bis zum “Boarden” der 2’000 Passagiere und schon läuft das Schiff aus. Für eine umfassende Schulung der Crew blieb aus Zeit- und Kostengründen vor dem Auslaufen keine Zeit. Damit dennoch alle Mitarbeitenden auf dem gleich hohen Ausbildungsstand sind und somit eine hohe Dienstleistungsqualität auf hoher See gewährleistet ist - wurde in der Kreuzfahrtbranche das “PIP” erfunden.

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“PIP” steht für das permanente Instruktionsprogramm. Ein kontinuierliches Ausbildungstool für die tägliche oder wöchentliche Schulung, die von Mitarbeitern für Mitarbeiter durchgeführt wird. “PIP” funktioniert nicht nur auf hoher See, sondern eignet sich auch bestens für Landratten und sollte in der Hotellerie ebenso eine wichtigere Rolle spielen. Ähnlich wie auf Hotelschiffen werden auch in der SaisonHotellerie die Teamschulungen vom Saisonbeginn weg auf die Hauptsaison verschoben. Grund dafür ist, dass die Hotelcrew aus Kosten- und Auslastungsgründen zum Saisonstart noch nicht komplett ist. Geschult wird sinnvollerweise, wenn alle Team-Mitglieder vor Ort sind. Bei “Voll-Last” können jedoch nicht alle gleichzeitig an den Schulungen teilnehmen. Eine Problematik, die auch die Stadthotellerie kennt. Auch hier können nicht ganze Service- oder Rezeptionsteams gleichzeitig an Schulungen geschickt werden.


Wer kümmert sich dann um den Gast, und was ist mit den Mitarbeitenden, die frei haben oder im Urlaub sind? Diese Aufgabe löst “PIP” auf eine einfache und überzeugende Art: Im Unterschied zum “training on the job” werden Schulungs­ inhalte nicht “top-down” definiert, sondern sie werden aufgrund der Informations- und Schulungsdefizite aus Sicht der Mitarbeitenden fixiert. Jeder im Team hat also die Möglichkeit, den Schulungsplan mitzuprägen und identifi­ ziert sich so mit dem Inhalt. Gleichzeitig werden auch die Mitarbeiter bestimmt, die die Umsetzung einer “PIP”-Schulung übernehmen. Durch die Thematik motiviert, melden sich meistens ungewohnt viele freiwillig für diese Aufgabe. So auch der Whisky-Fan, wenn es um ein Spirituosen-“PIP” geht. Dieser wird aus eigenem Antrieb beim Lieferanten einige Degustations-Spezialitäten auftreiben oder sogar seinen persönlichen Favoriten aus der Privatsammlung mitnehmen. Selbstverständlich können in die “PIP” auch Themen aus Gästereklamationen oder Mystery-Feedbacks einfliessen. Denn “PIP” ist flexibel und findet regelmässig statt. Je Abteilung empfiehlt sich ein zehn- bis fünzehnminütiges “PIP” pro Woche. Wichtig ist, dass am Schluss die Lerninhalte auf drei bis maximal fünf Punkte zusammengefasst werden. Diese Learnings, kann sich jeder Einzelne im Team leicht einprägen, und sie können auch einfach wieder abgefragt und kontrolliert werden. Entsprechend lohnt sich ein kurz gefasstes Vollzugsprotokoll, das dem Hotelier einerseits zeigt, wann, was und mit wem “gePIPt” wurde. Zudem bilden diese Protokolle ein wertvolles Nachschlagwerk für Mitarbeiter, die später eintreten oder am “PIP”-Tag abwesend waren. Dass solche Kurzschulungen einerseits die TeamMotivation fördern und andererseits dem Kunden und dem Betrieb zugutekommen, zeigt das folgende Beispiel mit dem “Staubsauger-PIP”. Sie werden sich jetzt fragen: Was kann denn im Umgang mit einem Staubsauger eigentlich Sinnvolles geschult werden? Schliesslich handelt es sich hier ja um ein Gerät, das täglich eingesetzt wird und mit dem jeder

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und jede auch ohne Schulung umgehen kann. Deshalb gefällt mir dieses Beispiel ganz besonders, denn oft sind es die einfachen Dinge, die grossen Effekt beim Kunden haben. Sicher hat jeder von uns schon erlebt, wie unangenehm es in den Zimmern riechen kann, wenn mit einem vollen Staubsack gesaugt wird. Im Hotel Saratz in Pontresina gab es vor Jahren sogar fast einen Schwellbrand im Office, weil ein Mitarbeiter am Morgen das Cheminée mit der noch warmen Asche gestaubsaugt hat. Damit die Mitarbeiter künftig mit dem wichtigen Arbeitsgerät richtig umgehen und den eigenen Arbeitsplatz nicht gefährden, hat ein Portier mit Stolz seinen Kollegen und Kolleginnen im “PIP” gezeigt, wie ein Cheminée fachgerecht geputzt und die Asche in einem Metalleimer entsorgt wird. Gleichzeitig machte er alle darauf aufmerksam, dass mit einem vollen Staubsack nicht effizient gearbeitet werden kann, wo die ReserveSäcke sind und wie ein Wechsel schnell und fachgerecht gemacht wird. Ebenso regte er an, nach dem Wechsel Duft­ tabletten einzusaugen und periodisch den Filter zu wechseln, um so den schlechten Geruch nach dem Saugen im Zimmer zu verhindern. Simpel? Ja, simpel - aber mit grosser Wirkung in Bezug auf Sicherheit, Arbeitseffizienz und Wohlgefühl im Hotelzimmer. Zehn Minuten “PIP”-Schulung, die einiges verändern können.

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“Bei Ihnen PIPt’s wohl!” ist also das Gastkompliment für eine kontinuierliche, gut strukturierte und wöchentlich umgesetzte Kurzschulung von Mitarbeitern für Mitarbeiter. Für Risiken und positive Nebenwirkungen der “PIP” konsultieren Sie einfach Ihren Gast oder “PIP”-Coach. (Hotelier 01-02/11)


4.2 Wissen Sie es – oder machen Sie es?

Übung macht den Meister Bei den einen sträuben sich die Nackenhaare, andere reagieren mit geröteten Wangen oder Hühnerhaut. Die Rede ist nicht von Kinobesuchern während einer HorrorfilmVorführung, sondern von Workshop-Teilnehmern bei der Ankündigung von Rollenspielen. Auch meine Versprechen, dass es während den Präsentationen weder Videoaufnahmen noch eine Live-Schaltung zu Youtube oder Facebook gibt, tragen selten zur Beruhigung bei. Dass ein Verkaufsgespräch, das Verhalten beim Empfang, die Verabschiedung der Gäste oder die richtige Reaktion bei Einwänden und Reklamationen nicht geübt werden müssen, ist leider eine weit verbreitete Fehleinschätzung in unserer Branche. Das geht dann schon irgendwie, ist die Mehrheit der Hotel- und Restaurantmitarbeiter sowie deren Chefs überzeugt. Meine Erfahrungen in der meist emotionslosen Kundenwelt beweisen mir jedoch immer wieder, dass das richtige Training fehlt, gute Ansätze von der Routine erfolgreich verdrängt oder von den Chefs nicht vorgelebt werden. Mein Vergleich mit den Profis im Sport lässt die Workshop-Teilnehmer dann aufhorchen: Dass ein Sport-Ass wie Roger Federer Tennis spielen kann, bestreitet niemand ernsthaft. Dass er diese Virtuosität jedoch nur erlangen und erhalten kann, wenn er auch Routine-Abläufe - wie den Aufschlag - tagtäglich aufs Neue übt, leuchtet auch den letzten Zweiflern ein. Auch ein Simon Ammann wurde nicht zufällig Doppel-Olympiasieger. In den Zeitungen konnten wir nachlesen, dass er über tausend Video-Aufnahmen analy-

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sierte, um seinen Stil zu perfektionieren. Üben, üben, üben ist im Sport eine Selbstverständlichkeit und der einzige Weg zum Erfolg - vorausgesetzt, das nötige Talent ist vorhanden. Dass “Machen” effizienter ist als “Wissen”, beweist auch die Tatsache, dass noch kein Mensch nur vom Lesen eines Diätbuches ein Kilo abgenommen oder durch das Auswendiglernen der Golfregeln die Platzreife erreicht hat. Diese Logik kann 1:1 in unsere Branche übertragen werden. Mal abgesehen von der Talentfrage, lohnt sich auch im Gewerbe mit dem Gast Training, Engagement sowie Freude am Job. Jeder Gast wird Ihnen bestätigen, dass der Prozess der Dienstleistung für die Zufriedenheit beim Kunden viel wichtiger ist, als das Resultat. So schätze ich es zum Beispiel, wenn statt dem bestellten Glas Weisswein (=Resultat) der Mitarbeiter mit der Flasche an den Tisch kommt. Mir mit ein paar passenden Worten oder einer Anekdote den Wein präsentiert, einschenkt und mit einem schalkhaften Lächeln sagt: “Sie haben gut gewählt! Der Wein passt ausgezeichnet zum Menü und ich bin überzeugt, dass er auch Ihnen schmecken wird.” (=Prozess)

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Gerne erinnere ich mich an die Szene in der legendären Widder-Bar in Zürich. Eigentlich wollte ich nach dem Workshop nur noch einen Whisky (=Resultat) trinken und studierte überfordert das riesige Sortiment des Lokals. Wer die Bar nicht kennt: Die Wand hinter der Bar Theke ist eine grosse, visuelle Whisky-Karte - die “Library of Spirits” mit über 250 verschiedenen Single Malts, wie ich später erfuhr. Dem Barmann fiel meine Verwirrung offenbar auf, denn er schlug charmant eine spontane Degustation vor. In ein Glas goss er einen kleinen Schluck seines Lieblings-Whiskys und ins andere Glas ein gegensätz­ liches Produkt. “Wir werden Ihren Whisky-Favoriten schon herausfinden”, lachte er und überliess mich der Probe und dem Studium der Etiketten der jeweiligen Destillate. Sie


können es sich vorstellen, wie der Abend zu Ende ging: Ich trank mehr als einen Whisky und verliess als überaus zufriedener Gast einige Stunden später die Bar - die übrigens brechend voll war. (=Prozess) Die Geschichte habe ich schon oft weitererzählt. Ein schönes Beispiel dafür, dass wir nicht 4cl Whiskey, sondern Erlebnisse verkaufen sollten! Der Preis für die 4cl ist austauschbar — das Erlebnis nicht. Es wird noch in Erinnerung bleiben, wenn der Preis für die 4cl längst vergessen ist. Deshalb, liebe Hoteliers, machen Sie es wie Roger Federer und trainieren sie selber regelmässig. Üben sie mit ihren Mitarbeitern die Alltagsprozesse im Umgang mit dem Kunden. Leben Sie Ihrem Team vor, wie aus Routineabläufen Kundenerlebnisse entstehen - und erarbeiten sie mit ihnen, was sie dabei zu beachten haben. Der Spass bei der Umsetzung und die positiven Gästereaktionen werden dann ganz sicher die anfänglichen Ängste vor Rollenspielen vergessen lassen. (Hotelier 06/11)

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4.3 Wissen Sie es – oder machen Sie es?

Warum machen Sie’s nicht wie die Schuhverkäufer?

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Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie kommen ins Schuhgeschäft und die Verkäuferin zeigt ihnen nach einer knappen Begrüssung spontan eine Auswahl Schuhe. Eine Auswahl, die wohl bemerkt die Verkäuferin getroffen hat - und zwar ohne Sie als Kunden zu fragen, was für Schuhe Sie suchen, für welchen Zweck die Schuhe benötigt werden oder gar an welche Preiskategorie Sie gedacht haben. Eine unvorstellbare Situation im Schuhgeschäft - nicht jedoch im Hotel. Hier werden am Telefon grundsätzlich Zimmer verkauft, bevor das Bedürfnis des Kunden abgefragt wird. Bevor abgeklärt wird, ob der Kunde das Hotel schon kennt oder sich bereits über die verschiedenen Angebote und Kategorien auf der Webpage informiert hat. In MysteryCalls stelle ich immer wieder fest, dass eine Zimmer­ anfrage auch nie verdankt wird. Geschäftstüchtig wird sofort offeriert, was der Buchungsplan hergibt. Die wesentlichen Informationen für einen erfolgreichen Zimmerverkauf bleiben da jedoch auf der Strecke. Die Fragen beschränken sich auf Datum, Verfügbarkeit, Preis und Buchungsgarantie. So interessieren sich die Hotel-Mitarbeitenden nie für die Gründe meiner Buchung - oder worauf ich bei meinem Aufenthalt besonderen Wert lege.


Vor allem in der Ferien-Hotellerie macht es Sinn, sich mit den Wünschen und Erwartungen des künftigen Gastes auseinanderzusetzen, um schliesslich ein auf den Kunden massgeschneidertes Angebot offerieren und verkaufen zu können. Aber auch in der Stadt-Hotellerie macht der Verkauf über Leistung Sinn: er lenkt vom reinen Verkauf über den Preis ab. Von den Flugreisen her wissen wir: Wenn eine Leistung austauschbar ist, entscheidet der Preis. Wieso also werden mir als erstes immer Standard-Zimmer mit dem tiefsten Preis angeboten? “Standard” bedeutet ja so viel wie Regel, Norm, einheitlich und gleich wie alle anderen Standard-Zimmer anderer Hotels. Mit anderen Worten: austauschbare Zimmer. Wen wundert’s also, dass es bei Buchungen schlussendlich immer um den Preis geht. Klar, auch beim Schuhkauf wird der Preis ein Entscheidungskriterium sein. Bei einem guten Verkäufer jedoch nicht das einzige! Er fragt zuerst nach den Bedürfnissen, beschreibt anschliessend das Angebot, den Kundennutzen und erwähnt erst zum Schluss den Preis. Warum machen Sie es also nicht wie die Schuhhändler und sind so cleverer als die meisten Standard-Zimmer-Verkäufer in der Hotellerie? Erfragen Sie vor der eigentlichen Offerte die Bedürfnisse des Kunden, damit sie im Gesprächsverlauf die richtigen Argumente für das “Erlebnis Hotel” einbringen können und nicht das Zimmer zum Tiefpreis verkaufen müssen. Ein weiterer interessanter Unterschied zum Schuhgeschäft: Beim Markenhändler trägt die Verkäuferin Markenschuhe. Sie kennt also die Vorzüge ihrer Marke, und ihre Verkaufsargumente wirken entsprechend glaubwürdig gegenüber dem Kunden. Regelmässig stelle ich in Verkaufs-Workshops fest, dass die Hotel-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter das eigene Produkt - die eigene Marke - nicht oder nur unvollständig kennen. Nur wenige Hotel-Direktoren haben erkannt, dass die Mitarbeiter an der Front das Produkt Hotelzimmer und -infrastruktur einmal selber erleben müssten. Denn

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Mitarbeitende, die als Gäste in den verschiedenen Zimmer­ kategorien übernachtet haben, werden beim Verkauf am Telefon nicht Standard, sondern Marke verkaufen und so viel glaubwürdiger die Vorzüge der verschiedenen Zimmertypen aus Kundensicht beschreiben. Die Verkäufer werden so zu Experten, die aus persönlicher Erfahrung vom Angebot erzählen; davon schwärmen und konkrete Empfehlungen aussprechen. So wird auch beim Up-Selling die höhere Kategorie nicht nur mit Quadratmetern begründet, sondern dank zusätzlichem Kundennutzen verkauft. Erinnern Sie sich an die Verkäuferin, die ihnen die letzten Schuhe verkauft hat? Ich mich auch. Aber die letzte Zimmerreservation habe ich unter “Standard” abgebucht! (Hotelier 05/10)

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4.4 Wissen Sie es – oder machen Sie es?

Train the Trainer Damit jeder Hotel-Mitarbeiter die Unternehmenswerte und Dienstleistungsmaximen im Alltag leben kann, braucht es intensives Training im Sinne von konsequenter und regelmässiger Schulung: Ohne Input kein Output! Ein externer Trainer ist die richtige Unterstützung, wenn es zum Sensibilisieren in den Kernprozessen Kundenfokus und Teamorientierung die neutrale Aussensicht braucht. Auch vermittelt er professionell neue Techniken und erarbeitet wertvolle Messkriterien im Team. Wenn es jedoch um das Verankern der erarbeiteten Werte und Ziele im Alltag geht, braucht es gute Inhouse-Trainer. Wie im Sport wird auch im Hotelbetrieb Virtuosität nur dank intensivem Training erreicht. Im Sport - so Wissen wir - ist der Trainer “matchentscheidend”. Entsprechend braucht es auch im Betrieb engagierte Chefs und Abteilungsleiter, die als Trainer motivieren, die Leistung steigern und reagieren, wenn es Abweichungen vom Qualitätsziel gibt. Also Persön­ lichkeiten, die gerne Wissen vermitteln, täglich vor Ort die Abläufe aktiv mit beeinflussen und die einzelnen Mitarbeiter persönlich kennen. Mitarbeiterschulung ist also nichts anderes als ein höchst effizientes Führungsinstrument. Schade nur, dass die meisten Chefs in Hotellerie und Gastronomie miserable Trainer sind - und ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Bei Weiterbildungen sind die Chefs kaum präsent, sie denken, dass sie als Chefs Schulung nicht mehr nötig haben, und vernachlässigen die so wichtige Kernaufgabe sträflich! Wird von der Direktion oder vom Verwaltungsrat innerbetriebliche Schulung verlangt, wird der Abteilungschef

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meist ungewollt zum Trainer. Da er diese Aufgabe bisher meist delegierte oder an externen Schulungen nicht präsent war, fehlt ihm als “Ad-hoc-Trainer” die Übung, und es passieren ihm die klassischen Fehler: • Es werden zu viele Themen/Erwartungen in die einzelnen Schulungen gepackt. • Vieles wird als “bekannt” vorausgesetzt; es fehlt die “Augenhöhe-Mitarbeiter”. • Langweilige Monologe anstelle einer interaktiven Moderation. • Zu viel Theorie und zu wenig konkrete und realisierbare Umsetzungsbeispiele. • Aufgrund der zu kurz bemessenen Vorbereitungszeit fehlt ein “roter Faden”. • Unsicherheit wird mit Überheblichkeit kaschiert. • “Abweichler” werden im Plenum blossgestellt. • Die Verantwortlichkeit bleibt auf Stufe “wir”, und der einzelne Mitarbeiter fühlt sich bezüglich Umsetzung nicht persönlich angesprochen oder verantwortlich.

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Meine Tipps für Betriebstrainer: • Jede Trainingseinheit braucht einen logischen Ablauf: - Warm-up (Einstimmen auf den Workshop, Ziele/Erwartungen und Ablauf) - Sensibilisieren auf das Thema (aufrütteln, provozieren, die Notwendigkeit der Schulung aufzeigen) - Präsentation von Techniken (Umsetzungshilfe für den Alltag). - Umsetzung (Rollenspiel und üben, üben, üben...). - Zusammenfassung des vermittelten Stoffs (maximal drei Kernaussagen). • Nehmen Sie sich Zeit für die sorgfältige Vorbereitung: Sammeln Sie zum Beispiel konkrete Beispiele für TopService-Leistungen und für Situationen, die optimaler gelöst werden müssen. Eine gute Basis für Rollenspiele während des Trainings.


• Definieren Sie Qualitätsstandards mit dem ganzen Team und erarbeiten Sie gemeinsam das notwendige Verhalten für die Ziel-Erreichung. • Überlassen Sie die Verständlichkeit der Präsentation nicht dem Zufall. Auch Trainer brauchen Schulung und Weiterbildung, damit Tonalität und Sprache, Körpersprache und Gestik sowie Visualisierungstechniken gekonnt eingesetzt werden können. • Informieren Sie die Mitarbeiter frühzeitig, und vergeben Sie zur Einstimmung kleine Vorbereitungsaufgaben. • Definieren Sie klare Messkriterien für die Umsetzungskontrolle und die entsprechenden Konsequenzen bei Abweichungen; analog den “gelben und roten Karten” im Fussball. • Stellen Sie einen Masterplan für die Schulungen auf, damit das Vermitteln der definierten Lerninhalte in vernünftiger Dosierung sichergestellt ist. Ihre Gäste und Mitarbeiter werden Ihnen Ihren Trainereinsatz verdanken - den Erfolg der Schulungen messen Sie am GOP! (Hotelier 4/14)

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Kapitel 51

Wie Aus man der in den Wald Vogelruft ‌ perspektive



5.1 Wie man in den Wald ruft...

Beherrschen Sie Ihren Werbespot? Tagtäglich kommen wir mit Werbung in Kontakt. Erleben wir, wie sich Firmen, Produkte oder aktuell die politischen Parteien von ihrer besten Seite zeigen. Bildhaft und sprachlich virtuos wird uns vermittelt, warum die Firma A um Längen besser ist als die Firma B, warum das eigene Produkt wirkungsvoller reinigt als das der Konkurrenz oder warum das Programm der XYZ-Partei das einzig wählbare ist. Zudem sind die Schauspieler in den Werbespots immer topmotiviert, fröhlich und felsenfest von ihrem Produkt überzeugt.

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Diese Werbe-Penetration führt dazu, dass sich der Kunde daran gewöhnt, dass ihn die wesentlichen Verkaufsargumente eines Produktes oder einer Firma in gebündelter, verständlicher und sympathischer Form erreichen. Nicht so in der Hotellerie. Hier trifft der Kunde meist auf ein emotionsloses Standardrepertoire der Verkäufer. Statt mit Alleinstellungsmerkmalen (USPs) im Bereich Infrastruktur und Dienstleistung zu werben, werden floskelartig Basis- und Standardleistungen aufgezählt. Das “Doppelzimmer HP”, der “schöne Wein” oder die “gute Küche” sind alles austauschbare Begriffe, die beim Kunden keine Emotionen hervorrufen. “Kaffeepause”klingt halt wirklich nur nach Beutel-Orangensaft, trockenen Aufbackgipfeli und Thermoskannenkaffee. Wer nur “Seminarpauschalen” anbietet, darf nicht erstaunt sein, wenn der Preis plötzlich im Vordergrund steht. Und wer von Ihnen möchte schon in einem “Standardzimmer” wohnen? Da kann der Kunde ja grad im “Standardhotel” zum


“Standardpreis” buchen! Denn wenn die Leistung austauschbar ist, dominiert der Preis - was beim aktuellen Eurokurs besonders fatal ist. Beherrschen die Verkäufer in den Hotels ihren Werbespot? Das wollte ich genau wissen und tätigte mit Teilnehmern eines Workshops zum Thema “Gästezufriedenheit” 1:1 Mystery Calls bei Elitebetrieben im Event- und Seminargeschäft des Grossraums Zürich. Bei den ersten Calls habe ich mich obwohl ich schon 27 Jahre glücklich verheiratet bin - als heiratswilligen Bräutigam ausgegeben, der das Fest seines Lebens organisieren will. Da die Vorfreude auf die eigene Hochzeit etwas Einzigartiges ist, sind beim Anrufenden viele Emotionen mit im Spiel. Wird der Wedding-Planner diese Stimmung aufnehmen und sie mit mir teilen? Mit erwartungsschwangerer Stimme meldete ich mich also telefonisch bei einem Hochzeits-Spezialisten, erzählte von meinen Plänen und davon, dass die Wahl für diesen wichtigen Anlass auf seinen Betrieb gefallen ist. Sehr schnell war klar, dass in diesem Betrieb nicht Emotionen, sondern Busi­ ness im Vordergrund standen. “Da verbinde ich Sie mit der Bankett-Abteilung”, lautete die Begrüssung. Ich wurde schnell weiterverbunden, kaum war klar, dass ich “nur” ein Bankett besprechen und kein Zimmer buchen wollte. So wie in Bundesämtern, wurde ich auch hier ohne Angabe meines Namens und meiner Bedürfnisse “weitergeschoben”. Ich wiederholte also brav Namen und Wünsche beim neuen Ansprechpartner und erfuhr, dass in “seinem” Hotel über 50 Hochzeiten pro Jahr ausgerichtet werden. Auf die Frage warum denn so viele Paare gerade diesen Betrieb auswählen, folgte zuerst eine längere Pause. Im Fussball wird diese Situation “Steilpass” genannt: Der Ball liegt vor den Füssen des Spielers und braucht nur noch ins Tor gekickt zu werden. Statt dem passenden “Hochzeitswerbespot” - gespickt mit positiven Gästefeedbacks und den beliebtesten HochzeitsHighlights - folgten nur pauschale und austauschbare

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Bemerkungen über “Apéro auf der Terrasse” oder den “Saal mit Bankettbestuhlung und Tanzfläche”. Eine verpasste Chance also, den heiratswilligen Gast für seinen Betrieb zu gewinnen. Angebote und Attraktionen, die dieses Hochzeitshotel von allen anderen unterscheidet, fehlten. Der entscheidende Werbespot inexistent - der Steilpass verschossen. Ganz anders der Testanruf im Seedamm Plaza in Pfäffikon. Auch wenn hier die Hochzeitsspezialistin nicht erreichbar war, verkaufte ihre Stellvertreterin das Hotel professionell und sympathisch. Immer wieder wurden meine Bedürfnisse erfragt und dank bildhaften Beschreibungen konnte ich mir das Fest nun förmlich vorstellen. Auch wenn ich als Mysteryanrufer anfänglich nicht die Absicht hatte, meine Adresse zu hinterlassen, gab ich nach dem Hinweis “gerne sende ich Ihnen eine Check-Liste zu, die Ihnen die Organisation Ihres Festes erleichtert” motiviert meine Koordinaten an.

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Bekanntlich geht es in guten Zeiten allen gut und in schlechten nur den Besten. Entsprechend sollten sich die Verkäufer in den Hotels fit machen für den Kampf um den Kunden und nicht mit der Routine der letzten Jahre “Standard” verkaufen. Ein Tipp an alle Verkäufer an der Rezeption, im Eventbereich und in den Restaurants: Lassen Sie sich einen cleveren und sympathischen Werbespot einfallen und trainieren Sie ihn mit Ihrem Team. Wenn Sie nicht wissen, wie es geht, schauen Sie fern, und zappen Sie durch die besten TV-Werbespots! (Hotelier 10/11)


5.2 Wie man in den Wald ruft...

Bewerbungen. Und? In den letzten Jahren durfte ich einige Mandatsbetriebe auch bei der Kaderstellensuche sowie bei der Besetzung von Direktionsposten unterstützen. Nach den Ausschreibungen landet deshalb jeweils eine grosse Anzahl von Bewerbungen in meinem E-Postfach und selten auch mal ein physisches Dossier im Briefkasten. Bei der ersten Durchsicht der Bewerbungspost fällt mir immer wieder auf, dass sogar auf Stufe Top-Kader viele Bewerbungen oberflächlich und lieblos abgefasst und verschickt werden. Diese Kandidaten machen es mir leicht, eine erste Auswahl zu treffen - und nach wenigen Minuten ist klar, bei wem sich ein genaueres Studium der Unterlagen lohnt und wer bereits nach dem ersten Sichten eine Absage erhält. Oft habe ich den Eindruck, dass diese Kandidaten gar kein echtes Interesse an einer Anstellung haben und ich nur eine Alibibewerbung fürs die regionale Arbeitsvermittlungsstelle (RAV) in den Händen halte: Zeitdiebe! Wer einen Job wirklich haben will, sollte die folgenden fünf Fehler auf jeden Fall vermeiden: • Persönliche Anschrift: Mit “Sehr geehrte Damen und Herren” oder “an die Personal-Verantwortliche” fühle ich mich nicht wirklich persönlich angesprochen. Eine “Copy and Paste” Bewerbung - so nenne ich Zuschriften, die ohne Anpassung einfach weitergeklickt werden haben auf Stufe Top-Kader keine Chance, in die erste Auswahl zu kommen.

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• Begleittext: Gerade bei einer E-Mail-Zuschrift sind die ersten Sätze entscheidend. Sie motivieren – oder eben nicht -, die angefügten Dokumente zu lesen. Ein Begrüssungsatz wie “Grazie x la visione” ist ein Grund, die “Delete”-Taste zu drücken. • Unvollständige Unterlagen: Wenn Zeugnisse, Referenzen oder Stärken-Schwächen-Profile in der Ausschreibung verlangt werden, dürfen sie nicht einfach weggelassen werden. • Foto: Ausschnitte aus Ferienbildern am Strand sind für Kaderbewerbungen völlig ungeeignet. Bewerbungen mit unprofessionellen Fotos, ohne Lächeln und fehlender positiver Ausstrahlung, sind somit ein weiteres “KillerKriterium”. • Fehler: Auch holprige Übersetzungen und Schreibfehler sind ein “No-Go”. Die gängigen Übersetzungsprogramme im Internet liefern meist nur schlechte Resultate und eignen sich definitiv nicht für Bewerbungen. Es ist, wie wenn die legendäre Aussage von John F. Kennedy an der Berliner Mauer 1961, “Ich bin ein Berliner”, mit “I’m a Donut” übersetzt wird. Mit diesen fünf Tipps werden Sie bei einer Bewerbung positive Punkte holen können:

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• Eindruck: Auf Stufe Top-Kader erhalte ich persönlich gerne ein physisches Dossier per Post und keine E-MailZuschrift. Schon die Anschrift auf dem Umschlag sagt einiges über den Bewerber aus und gibt zusammen mit einem sympathischen und professionellen Foto, einem charmanten Brief sowie der Farb- und Papierauswahl der Mappe ein Gesamtbild. • Begleitbrief: Ein paar persönliche Zeilen von Hand vielleicht sogar mit einer Füllfeder - sprechen an und


zeigen Stil. Unbedingt in der Sprache der Annonce schreiben. Nutzen Sie - falls nötig - die Unterstü­ t­ zung eines Profi-Übersetzers und laden Sie Freunde zum Gegen­­ lesen ein. Ist Ihre Motivation für die Bewerbung im Schreiben erkennbar? Jeder Arbeitgeber will spüren, dass sich der Bewerbende für das Unternehmen interessiert. Studieren Sie also vorgängig die Firmenwebsite und nehmen Sie im Schreiben zum Beispiel Bezug auf eine Aussage des CEO, oder kommunizieren Sie glaubhaft, was Sie zum Unternehmenserfolg beitragen wollen. • Sie als Person: Im Betrieb werden Sie sich ja nicht nur als “Arbeitskraft” einbringen, sondern auch als “Mensch”. Erzählen Sie in den Unterlagen auch von sich, was Sie bewegt und welche Ziele Sie noch haben. Wenn ein Bewerber zum Beispiel über Jahre eine Jugendmannschaft im Handball trainiert hat, kann dies Rückschlüsse auf seinen Führungsstil und auf seine Freude an der Zusammenarbeit mit jungen Menschen geben. • Bewerbungsunterlagen: Ordnung, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit setze ich auf Stufe Top-Kader voraus. Leider erhalte ich nur selten Testimonials von Gästen, aus der Presse oder von den Referenzpersonen. Wie will jemand - der sich selber schlecht verkauft - später stimmige Werbung für den neuen Betrieb machen? • Sie als Führungskraft: Was sind Sie für ein Chef? Das wird die zentrale Frage beim Vorstellungsgespräch sein. Geben Sie bereits im Vorfeld Wissenswertes über sich selber preis, indem Sie zum Beispiel Ergebnisse von Persönlichkeitsanalysen (Insight Discovery, HDI, Persönlichkeits-Struktogramm...) beilegen oder auflisten, was Ihre persönlichen Führungsmaximen sind. Ich freue mich, wenn Ihnen diese Aufstellung bei einer künftigen Bewerbung hilft, in die erste Runde zu kommen. (Hotelier 03/14)

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5.3 Wie man in den Wald ruft...

Sie haben den Preis gewonnen! Lieber Felix Muster* Danke für Ihre Bewerbungsunterlagen, die ich studiert habe. Bitte entschuldigen Sie meine direkte Antwort, aber wenn es einen Preis für die unprofessionellste Bewerbung geben würde, Sie hätten ihn gewonnen!

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Und ich sage Ihnen jetzt auch warum: • Statt eines persönlichen Briefs senden Sie eine schlecht lesbare Fotokopie mit Handkorrekturen und Textfehlern. • Es ist nicht klar, für welchen Betrieb oder aus welchem Anlass Sie sich bewerben. • Sie verzichten auf eine persönliche Anrede. • Statt “sehr geehrte Damen und Herren” hätten Sie meinem Namen aus dem Inserat übernehmen können. • Sie nehmen keinen Bezug auf die künftige Stelle. Was interessiert Sie besonders an diesem Job? Warum sind Sie der Richtige? Welche Ihrer Fähigkeiten passen auf die ausgeschriebene Stelle? • Das nur sehr undeutliche Foto in privaten Kleidern zeigt eher einen freizeitorientierten Mitarbeiter - jedoch nicht die gesuchte Führungspersönlichkeit, die fähig ist, als Vorbild ein sechsköpfiges Team zu führen. • Sie bewerben sich um die falsche Position; es wurde die Stelle eines Küchenchefs mit Erfahrung ausgeschrieben, nicht die eines Sous-Chefs! • Der nicht aktualisierte Lebenslauf, die fehlenden Referenzen und Zeugnisse drücken wenig Transparenz und Offenheit aus. Diese Liste könnte noch um weitere Punkte ergänzt werden und normalerweise beantworte ich solche Standardbewerbungen


höchstens mit einem Standardbrief. Die Summe an Fehlern hat mich jedoch provoziert, dem Bewerber ein paar offene Zeilen zu schreiben: “Ich weiss nicht, was Ihr Beweggrund war, dieser Bewerbung nicht mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn es Ihnen mit der Suche nach einem guten Job ernst ist - und davon gehe ich aus, beherzigen Sie doch künftig meine Anregungen. Sie sind konstruktiv und nicht destruktiv gemeint. Ich wünsche Ihnen bei der nächsten Bewerbung mehr Erfolg.” Diese “preisgekrönte Bewerbung” ist mir in den letzten Wochen immer wieder in den Sinn gekommen, denn ich habe festgestellt, dass nicht nur Mitarbeiter oft mit ihrem Image verantwortungslos umgehen, sondern auch viele Gastround Hotelbetriebe. So fehlen bei vielen Webseiten die aktuellen Informationen oder die konkreten Offerten für die verschiedenen Gastsegmente. Der Kunde muss sich selber durch die komplizierten Preislisten wälzen. Oder in der E-Mail-Vorlage sind in den Januarmails immer noch die Weihnachtsglückwünsche vom Dezember gespeichert. Am schlimmsten jedoch werden die Info-Vitrinen vor den Hotels vernachlässigt. Ausgerechnet jene Auslagen, die eine positive Botschaft für Neukunden nach aussen vermitteln sollten, präsentieren sich oft selbst gebastelt und laienhaft dekoriert. So stammen die kleinformatigen und vergilbten Fotos häufig noch aus den achtziger und neunziger Jahren. Besonders unschön sind in diesem Zusammenhang auch kleingedruckte Infos auf Pergamentpapier mit abgeflämmten Rändern. Die ganze Präsentation mutet dann als “gut gemeint” statt “gut gemacht” an - ähnlich der Stellenbewerbung von Felix Muster. Übrigens: Besagter Koch hat sich einige Tage später telefonisch bei mir gemeldet und sich für mein ungewöhnliches Schreiben bedankt. Die Kunden, die wir mit unprofessionellen Webseiten oder Infokasten abschrecken, werden dies wohl kaum tun. * Der Name Felix Muster ist erfunden; die Bewerbung habe ich tatsächlich erhalten. (Hotelier 03/10)

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5.4 Wie man in den Wald ruft...

Von Sprachbarrieren

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Nur ein paar Jahre ist es her, dass ich als Coach die Hotelteams der grössten Flusskreuzfahrtschiffe schulen durfte. Schwimmende Hotels der Luxusklasse, die auf den grössten Wasserstrassen Europas - wie dem Rhein, dem Main und der Donau - unterwegs sind. Im Vergleich zu herkömmlichen Hotelbetrieben sind diese Grossschiffe, die bis zu 200 Passagieren komfortable Unterkunft bieten, wesentlich komplexer organisiert. Neben der eigentlichen Hotel-Crew arbeiten auch die Teams der Reederei mit Kapitän und Matrosen sowie die Mitarbeiter des Reiseveranstalters an Bord. Auch wenn das Oberkommando beim Kapitän liegt, haben diese drei Mannschaften unterschiedliche Arbeitgeber und somit auch unterschiedliche Chefs und Richtlinien. Erschwerend kommt hinzu, dass alle an Bord sowohl die Arbeits- wie auch die Freizeit gemeinsam auf kleinstem Raum verbringen und nur selten vom Landgang profitieren können - und dies oft über mehrere Monate ohne Frei- oder Ferientage. Zudem werden die Crew-Mitglieder aus bis zu sieben verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen Sprachen rekrutiert. Dass es bei einer solchen Konstellation - ohne eine gemeinsame Bordsprache - Verständigungsprobleme geben würde, liegt auf der Hand. Ähnlich wie beim Turmbau zu Babel im ersten Buch Mose, würde wohl auch hier bereits nach kurzer Zeit Streit ausbrechen, die Arbeit vernachlässigt oder gar aufgegeben. So war es meine Aufgabe als Coach, gemeinsam mit den verschiedenen Nationalitäten an Bord die notwendigen Werte und Verhaltensregeln für eine effiziente Teamarbeit zu erarbeiten sowie die Wichtigkeit einer gemeinsamen Bord-


sprache verständlich zu machen. Alle im Hotelteam mussten verstehen, dass diese gemeinsame Sprache jedoch nur dann leben und sich entwickeln kann, wenn sie von allen Beteiligten jederzeit - also auch in den Pausen und in der Freizeit - gesprochen wird. Dass die gemeinsame Sprache auch in Hotelbetrieben an Land ein Thema sein muss, wurde mir kürzlich wieder bewusst, als ich die Hauswirtschaftsteams verschiedener Schweizer Hotels auf Kundenfokus und Teamspirit sensibilisieren durfte. So erlebte ich Betriebe, in denen die Hausdame und die Zimmerfrauen einen “Staat im Staat” darstellen: Portugal im Berner Oberland! Auch wenn einige der portugiesischen Mitarbeitenden bereits über 20 Jahre in der Schweiz leben und arbeiten, sprechen und verstehen sie kein Deutsch - die Sprache der anderen Kollegen und vieler Gäste im Betrieb! Wie können da gemeinsame Werte gelebt, wie kann so abteilungsübergreifend kommuniziert; und wie können so die Wünsche der Gäste aktiv abgefragt werden? Auch in Alterszentren und -heimen habe ich Betriebe mit den erwähnten Sprachinseln kennen gelernt. Den Beteiligten bleiben für die notwendigste Kommunikation nur gerade “Hände und Füsse” oder die “Dubbeli-Sprache”, mit der sich Robinson Crusoe mit seinem “Freitag” verständigte. Auch die paar wenigen Brocken portugiesisch oder spanisch - die einige Chefs aus den Ferien kennen - prägen die Kommunikation nur einseitig und helfen dem Mitarbeitenden aus dem Ausland nicht, unsere Sprache zu lernen. Jeder Chef nimmt den Mitarbeitenden mit anderer Muttersprache die Chance der Integration an seinem Wohn- und Arbeitsplatz ... ... wenn keine Hotelsprache klar definiert und durch gesetzt wird! ... wenn Chefs tolerieren, dass sich Mitarbeitende anderer Nationalitäten über Jahre nur in ihrer Sprache unter halten!

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... wenn sich bei den Pausen- und Essenzeiten sich aus schliessende Sprachgruppen bilden! In Hotelbetrieben, in denen diese Punkte zutreffen, fehlen den betroffenen Mitarbeitenden verständlicherweise der nötige Druck und die Motivation zum Lernen. Ein berufliches Weiterkommen wird so erschwert oder gar verunmöglicht. Um diese Sprachbarriere aufzubrechen, greifen erfolgreiche Betriebe zur regelmässigen internen Sprach­ unterstützung und zu zusätzlichen externen Sprachstützkursen. Die zusätzlich aufgewendete Geduld bei Erklärungen in korrektem Deutsch wird durch die Lernfreude sowie einen aktiveren Umgang dieser Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit, dem Betrieb, den Kollegen anderer Abteilungen sowie den Gästen belohnt. In Babel soll Gott - gemäss Überlieferung - das Vorhaben, einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel zu bauen, unblutig zum Stillstand gebracht haben, indem er für Sprachverwirrung sorgte. Liebe Hotelchefs, verhindern Sie die Sprachverwirrung in Ihren Betrieben, so dass Ihre Vorhaben von allen Mit­ arbeitenden mit voller Energie und vollem Tatendrang umgesetzt werden! (Hotelier 12/14)

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Eigene Notizen:

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Kapitel 61

Nur der Aus VogelMensch perspektive zählt



6.1 Nur der Mensch zählt

Chrigel, oder wenn nur alle so alle so freundlich wären ...

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Über die Festtage haben wir entspannende Tage in Arosa genossen. Ja, Entspannung ist auch mitten in der Hochsaison in einem attraktiven Ferienort in den Bergen möglich! Wie viele andere Gäste schätzen wir die schönen Winterwanderwege des Valser Dorfes. Heute war ein Liegestuhl auf der Sonnenterrasse der Tschuggen-Hütte das Tagesziel. Ein Ziel, das wir uns mit einer Schneewanderung verdienen wollten. Im Dorf bestiegen wir den grossen Ortsbus Richtung Prätschli. Verständlicherweise in dieser Jahreszeit, war der Bus mehr als voll - übervoll. Was musste das für ein Stress für den Chauffeur sein?! Die verschneiten und vereisten Strassen mit den unsicheren UnterländerAutofahrern auf der Gegenfahrbahn sowie die ungeduldigen Passagiere mit Skiern oder Boards im Bus... Doch der “Chrigel” - dieser Name steht in grossen Lettern über der breiten Frontscheibe - lässt sich nicht stressen, sondern begrüsst (zu unserem grossen Erstaunen) jeden Fahrgast fröhlich und lächelt ihn an. Wir beobachten, dass diese freundliche Geste vom Chrigel so manches Lächeln auf die anfänglich verdutzten Gesichter der Bus-Passagiere zaubert. Bei jeder Haltestation wiederholt sich diese charmante Begrüssung, was ganz offenbar zu einer guten Stimmung unter den Passagieren führt. Wir hören, wie verschiedene Fahrgäste über die nicht gewohnte Freundlichkeit des Chauffeurs diskutieren. Chrigels Art wirkt ansteckend.


Ein sympathischer Virus in Zeiten von Grippe und Schweinepest! Um der ganzen Freundlichkeit noch die Krone aufzusetzen, informiert Chrigel fröhlich via Mikrofon über das Ende der Reise: “So, liebe Gäste, wir sind beim Prätschli angekommen, und ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Tag! Toll, dass Sie in Arosa unsere Gäste sind!” Wie in einem Weihnachtsfilm aus Hollywood, bedanken sich die Fahrgäste im Chor, einige schütteln dem charmanten Chauffeur sogar die Hand und verlassen dann fröhlich lachend den Bus. Der Virus wirkt! Auf dem ganzen Weg Richtung Mittelstation unterhalten wir uns darüber, wie einfach Gastfreundlichkeit doch eigentlich ist. Es braucht lediglich Freude am Job, am Umgang mit Menschen und etwas Mut, anders zu sein als der Durchschnitt. Auf der Terrasse der Tschuggen-Hütte werden wir von einer fröhlichen Mitarbeiterin empfangen. Sie bringt dem Hund unserer Nachbarn ein Körbchen mit Wolldecke. Sodass auch der Hund - trotz schneebedeckter Terrasse - an einem warmen Platz liegen kann. “So können wir verhindern, dass es sich die Hunde auf den Liegebetten bequem machen - den Hunden gefällt’s und auch die Herrchen schätzen den Service”, bemerkt die Frau schmunzelnd. Ob der Busfahrer “Chrigel” auch sie mit seinem Freundlichkeitsvirus angesteckt hat? (Hotelier 01-02/10)

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6.2 Nur der Mensch zählt

Eine gute Investition!

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Wenn im Hotel eine Investition ansteht - wie zum Beispiel der Kauf eines neuen Kochherds - werden mindestens drei verschiedene Offerten eingeholt. Auf den Traktandenlisten verschiedener Sitzungen wird die geplante Anschaffung aufgelistet, und auch der Verwaltungsrat nimmt sich Zeit, um ein abschliessendes Urteil abzugeben. Je nach Grösse und Funktion wird der Herd schliesslich 80’000 Franken oder mehr kosten. Auch ein Mitarbeiter kostet aufs Jahr gerechnet 80’000 Franken oder mehr. Vor allem wenn alle Komponenten - der 13. Monatslohn, die Arbeitgeberbeiträge für Sozialleistungen und Versicherungen, die Investitionen in den jeweiligen Arbeitsplatz sowie die Quersubventionen bei Verpflegung und Unterkunft - mit eingerechnet werden. Jeder einzelne Mitarbeiter ist also auch eine grosse - jährlich wiederkehrende - Investition, die ab dem ersten Arbeitstag eine gute Leistung bringen darf und soll. Leider haben längst nicht alle Neuen im Team eine ideale Startsituation und oft werden sie bereits am ersten Arbeitstag sich selber überlassen. Dabei gibt es fünf gute Gründe, warum sich die fundierte Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters Iohnt: 1. Sie verhindert, dass die fehlende oder unvollständige Einschulung zu Demotivation beim Mitarbeiter und so zu Unzufriedenheit beim Gast führt. 2. Sie garantiert, dass die professionelle Einführung Dynamik und Entwicklung in Führungsaufgaben bringt, letztendlich die Führungskräfte entlastet und ihnen mehr Zeit für ihre Hauptaufgaben lässt.


3. Sie verspricht, dass gut instruierte Mitarbeiter die Unternehmens- und Führungskultur schneller umsetzen und das Wissensmanagement im ganzen Team fördern. 4. Sie stellt sicher, dass der neue Mitarbeiter schnell eine volle und optimale Leistung erbringt, die Qualitätsziele erreicht und produktiv ist – zur Freude der Gäste, des Teams und der Aktionäre. Schliesslich darf und muss sich die Investition ja auch rentabilisieren! 5. Sie motiviert Mitarbeiter, als Image Botschafter für den Betrieb zu werben und andere gute Mitarbeiter zu vermitteln. Mit den folgenden Massnahmen stellen Sie sicher, dass der neue Mitarbeiter ideal startet und professionell in seine neue Herausforderung eingeführt wird: • Das Team wird bei der Auswahl neuer Mitarbeiter mit­ einbezogen. Dies fördert später die Akzeptanz und Integration im Team. • Der Neue im Team erhält vor Arbeitsbeginn einen detaillierten Jobbeschrieb sowie Unternehmensunterlagen zum Einlesen. Das steigert die Vorfreude und den Willen zur Identifikation. • Vor dem ersten Arbeitstag kann sich die ganze Mannschaft am Infobrett über den Neuen im Team - mit Foto, Hobbys sowie Berufsstationen - informieren. Dies erleich­ tert das Einleben im Betrieb. • Im aktiven Coaching durch den direkten Vorgesetzten während der Probezeit werden die Erwartungen kommuniziert und mit den Leistungen verglichen. Der Mitarbeiter

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arbeitet in der Probezeit ja “auf Probe” und weiss, dass er sich bewähren muss. • Bereits ab dem ersten Tag werden die Standards und die Werte des Betriebs vermittelt. Kennt der Mitarbeiter seine Hauptaufgaben und Ihre Erwartungen? Weiss er, auf welche Details Sie besonderen Wert legen? Kennt er die No-Go’s? • Der Mitarbeiter weiss, wo sich die notwendigen Informationen, Checklisten oder Prozess-Anforderungen für die optimale Leistungserbringung befinden, respektive dass sie von ihm abgerufen werden können. • Der Götti - der dem neuen Mitarbeiter während der Einarbeitungszeit zur Seite steht - ist für diese Arbeit qualifiziert und ausgebildet. • Am ersten Arbeitstag wird der Neue im Team durch den ganzen Betrieb geführt und den wichtigen Bezugspersonen vorgestellt. • Nur ein detaillierter Einschulungsplan sichert die Kommunikation der notwendigen Schulungsinhalte, misst den Umsetzungserfolg und zeigt Lücken auf.

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Ohne Schleifen wird aus einem Rohdiamanten eben kein Brillant - und am Ende ist es doch die schönste Aufgabe als Chef, tolle Berufsleute für den Betrieb zu begeistern und von Anfang an zu fördern. (Hotelier 10/13)


6.3 Nur der Mensch zählt

Der Check-in Automat Da ich nun schon zum zweiten Mal - innerhalb von kurzer Zeit - in diesem Viersterne-Superior-Stadthotel übernachte, fahre ich wie ein Stammgast direkt in die Tiefgarage und gelange via Lift zielstrebig in die Hotelhalle. Der Mitarbeiter am Empfangsdesk sieht, wie ich auf ihn zukomme. Er begrüsst mich mit: “Guten Abend.” Nach dem Gruss schaut er mich fragend an und erwartet wohl, dass ich ihm jetzt erkläre, warum ich mit Mantel und Koffer vor ihm stehe. Dass ich soeben angereist bin und als Hotelgast gerne einchecken würde. Es ist bereits Abend; und ich gehe davon aus, dass ein Gast mit einem Koffer vor der Rezeption stehend um diese Uhrzeit wohl kaum ein anderes Bedürfnis haben kann. So sage ich auch: “Guten Abend”, und dass ich Stalder heisse. Er schaut wortlos in den Computer. Nach der stummen Suche schreibt er eine Zimmernummer in das Schlüsselbüchlein. Er schiebt mir das Dokument mit einem langen “sooooo” über den Tresen, wohl um meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erlangen. Es folgt der knappe Hinweis, dass der Lift nur benutzt werden kann, wenn ich die Zimmerkarte in den Schlitz stecke und anschliessend den Knopf mit dem gewünschten Stockwerk drücke. Das war’s. Wenn es einen Preis oder Award für das wortkargste und unpersönlichste Check-in geben würde, er hätte ihn gewonnen! “Ein Check-in-Automat wie am Flughafen”, geht es mir durch den Kopf. Im Zimmer begrüsst mich ein Schild, auf dem “Welcome to Business Class” steht. Wenn das soeben ein “Business-Class-Check-in” war, will ich ja wirklich nicht

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wissen, wie in diesem Hotel Economy-Gäste eingecheckt werden! Unter der Begrüssung auf dem Schild lese ich, was ein gastorientierter Mitarbeiter an der Rezeption eigentlich nur hätte ablesen müssen: “Lieber Gast. Willkommen in Ihrem Business-Class-Zimmer. Folgende Leistungen werden kostenfrei angeboten ... Die Aufzählung ist lang und die Leistungen sind attraktiv. Nur wurden mir weder ein Code für den High-Speed-Internetzugang noch die Tageszeitung oder das Lifestyle-Magazin angeboten. Dass Mitarbeiter wie Automaten agieren, ist wohl der Grund dafür, dass an Flughäfen Menschen immer mehr durch Check-in-Maschinen ersetzt werden.

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Dabei wärs doch so einfach: • Herzlich willkommen im Hotel XY ...! • Nach dem Blick in die Reservationsmaske: Wie ich sehe, sind Sie bereits zum zweiten Mal Gast im Hotel XY ... und dieses Mal sogar im Business-Class-Zimmer! Da haben Sie gut gewählt, Herr Stalder! So profitieren Sie zu sätzlich von ... • Welche Tageszeitung lesen Sie denn am liebsten ...? • Gerne schreibe ich Ihnen noch den Wi-Fi-Code auf, der auch für verschiedene Geräte verwendet werden kann ... • Das Restaurant ist noch geöffnet, ich habe für Sie schon mal einen Tisch vorreserviert ... • Wenn Sie mir Ihre Kreditkarten-Nummer verraten, können Sie Ihre Konsumation auch direkt auf die Zimmerrechnung schreiben lassen ... • Sind Sie mit dem Auto angereist? Gerne offerieren wir Ihnen als Businessgast den Parkplatz in der Garage ... • Was kann ich sonst noch zu einem schönen Aufenthalt beitragen? • Um welche Zeit dürfen wir Sie wecken? • Haben Sie einen speziellen Wunsch bezüglich Kissen? Die Hausdame bringt Ihnen gerne ihren Favoriten! • Schön, dass Sie bei uns sind, Herr Stalder!


Erst der Besuch des Hotels auf dem Web zeigt, dass der Mitarbeiter noch viele weitere Argumente gehabt hätte, um meinen Aufenthalt attraktiver zu machen und um mich für weitere Hotelbesuche zu begeistern. So erfahre ich erst nach eigener Recherche im Web, dass Hotelgästen ein kleiner SPA zur Verfügung steht und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Fitnessklub kostenfrei besucht werden kann. Auch auf das Valet Parking wurde ich mit keinem Wort aufmerksam gemacht. Der Hotelier hat in diesem Fall eigentlich nur zwei Möglichkeiten: a. Aktives Schulen der Mitarbeiter an der Gastfront und Sensibilisieren auf die Added Values sowie auf ihre Gastgeberrolle. b. Entlassen sämtlicher Mitarbeiter an der Rezeption und Ersatz durch Reservations- und Check-in-Automaten! (Hotelier 11/13)

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6.4 Nur der Mensch zählt

Die Könige der Nacht Jedes Hotel ist ein 24-Stunden-Betrieb. Zwei Drittel davon sind “Kernzeit”; dann nämlich wird der Umsatz des Tages in den Verkaufsstellen generiert, werden Gäste begrüsst und verabschiedet, sind die Chefs präsent. Nach der Kernzeit folgt die Nacht: Der Grossteil der Mitarbeiter und die Chefs gehen nach Hause. Die meisten Gäste ziehen sich in die Zimmer zurück, und mit dem General-Pass wird dem “König der Nacht” symbolisch die Verantwortung über das ganze Hotel delegiert. Im Fachjargon heissen diese Spezialisten je nach Lohnstufe “Night Manager” oder “Nachtportiers”. Wenn im Kleinbetrieb der Hotelier aus Kostengründen einen Pickettdienst grad selber übernimmt, ist in den anderen Hotels während der Nacht der Mitarbeiter vor Ort die einzige Ansprechperson für die Inhouse-Gäste und für noch ankommende Kunden.

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Auf diesen meist männlichen Mitarbeitern lastet - unabhängig vom Titel - eine grosse Verantwortung, die auch in den Anforderungen “Klassifikation” des Schweizerischen Hoteliervereins umschrieben ist: • Die Alarmorganisation ist durch eine interne SOS-Telefon Nummer 24/24 Stunden zu gewährleisten. • Ab der Dreisterne-Klassifikation muss während der ganzen Nacht eine Bezugsperson direkt von innen und aussen er reichbar und innert 10 Minuten vor Ort sein. • Alle Zugangsbereiche zum Hotel müssen auch während der Nacht überwacht werden.


In der Prioritätenliste der Hotelklassifikation steht “Sicherheit” als Themenblock sogar an 1. Stelle - noch vor der Zustandsbewertung, den Kriterien und Normen! Nun sind wir uns alle bewusst, dass es — neben Küchenchef oder Hausmechaniker - ausgerechnet die Mitarbeiter der Nacht sind, die am schwierigsten rekrutiert werden können. Wer will schon alleine und dann noch in der Nacht arbeiten? Vielleicht auch deshalb wird die verantwortungsvolle Aufgabe der Einfachheit halber meist an willige Hilfsmitarbeiter delegiert, die dann in der Nacht putzen und das Silberbesteck reinigen. Der hohen Verantwortung gegenüber dem Gast, seinem eingebrachten Gut sowie den Unternehmenswerten sind sich die wenigsten Hoteliers bewusst. Der Hotelier ist froh, dass diese wenig beliebte Arbeitszeit abgedeckt werden konnte, und die Mitarbeiter an der Rezeption sind glücklich, dass sie nicht im Turnus zum Nachteinsatz verknurrt werden. Der eine oder andere Hotelier ist sich sicher nicht bewusst, dass es mit dem Einsatz eines willigen Mitarbeiters im Nachtdienst nicht getan und die Verantwortung gegenüber dem Gast und dem Betrieb so bei Weitem nicht abgedeckt ist! Die nachfolgende 10-Punkte-Checkliste gibt dem interessierten Hotelier Aufschluss darüber, ob der Nachtbetrieb in seinem Hotel als “ungenügende Notlösung” organisiert oder die Verantwortung professionell abgedeckt wurde: Der Mitarbeiter im Nachtdienst ist der “König der Nacht”, wenn er: • die Geschäftsphilosophie kennt und danach handelt. Entsprechend lebt er Gastfreundlichkeit und Kunden orientierung wie ein Mitarbeiter im Tages-Einsatz ... • weiss, wie spät anreisende Gäste begrüsst und ein gecheckt respektive wie früh abreisende Gäste ausge checkt und verabschiedet werden ... • sich mit einem Gast verständlich unterhalten kann und neben der “Hotelsprache”, je nach Kanton, auch noch Englisch spricht ...

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• weiss, was zu tun ist, wenn ein Gast im Lift stecken bleibt ... • weiss, wo Ersatzwäsche, zusätzliche Decken oder Kissen zu finden sind ... • weiss, was zu tun ist, wenn ein technischer Alarm auftritt oder der Strom ausfällt. Er wurde als “interner Feuerwehrmann” ausgebildet und kennt den Sicherheits Beauftragten (SIBE) und die interne Alarm-Organisation (Mindestkriterium des Kriterienkatalogs Hotellerie suisse). • als Nothelfer ausgebildet ist und einem Gast auch in den entscheidenden Minuten - wie bei einem Herz anfall — beistehen und mit Herzdruckmassage oder Beatmung “Erste Hilfe” leisten kann. Er kennt die wich tigen SOS -Nummern und die Handy-Nummer des Hausarztes ... • weiss, wie er sich bei einem Überfall oder einer Terrorwarnung verhalten muss ... • das Vertrauen verdient, den Generalpass - und somit Zugang zu sämtlichen Betriebsräumen, Lagern, Büros sowie Gastzimmern - auf sich zu tragen ... • via Check-Liste seine Kontroll-Rundgänge protokolliert und zum Beispiel festhält, dass die Zugangsbereiche über wacht wurden oder dass die Fluchtwege frei sind ...

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Wie während des Tagesbetriebs müssen auch in der Nacht Aufgaben delegiert werden können. Die Schlussverantwortung jedoch bleibt während 24/24 Stunden immer beim Hotelier selber. Deshalb darf vor allem in der Nacht das “Delegieren” nicht mit dem “Abschieben” verwechselt werden. (Hotelier 09/14)


6.5 Nur der Mensch zählt

“Es war einmal …” Mit diesem Einstiegssatz wurden uns die Märchen in der Kindheit erzählt. Aus mutigen und ideenreichen Personen wurden in den Geschichten Ritter, Prinzen und Königinnen. Auch die Hotellerie kennt viele solche wundersame Geschichten - in der Fachsprache “Karriere” genannt. Erfolgsstories von jungen Menschen, die dank Fleiss, Mut und Kreativität märchenhafte Erfolge feiern. Die “Tellerwäscher-Karrieren” zeigen, dass in unserer Branche junge Menschen Erfolg haben können - unabhängig von Herkunft und Funktion. Die Bilderbuchkarrieren der Küchenchefs, Wirte und Hoteliers illustrieren, dass - ähnlich wie im Märchen - in unserer Branche Mut, Fleiss und Cleverness belohnt werden. Einzig der Märchenschluss bleibt bei vielen dieser Geschichten offen. Die Märchen der Gebrüder Grimm enden mit dem Satz: “Und sie lebten glücklich bis an ihr seeliges Ende.” In der Hotellerie gibt es für die angestellten Chefs leider oft kein Happy End. Viele Maîtres oder Chefs de Réception arbeiten ab 45 in Banken oder Versicherungen, die Küchenchefs unterrichten an Gewerbeschulen oder gehen in die Industrie, und die Direktoren werden Berater. Nur wenige schaffen es in unserer Branche, “in Ehren” alt zu werden. Meistens sind es diejenigen, die den mutigen Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und geschafft haben. Dass Gastronomie und Hotellerie eine Branche der Jungen ist, beweisen schon die Stellengesuche. Oft wird die Alters-Guillotine bei Kaderleuten und Direktion bei 45 Jahren angesetzt. Bewerber ab 50 Jahren werden schon gar nicht mehr zum Bewerbungsgespräch eingeladen und verbringen oft unfreiwillig einen längeren

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“Sabbatical, oder wechseln wie erwähnt die Branche. So erstaunt es nicht, dass die “Entdeckung des Jahres” im Gault/Millau nicht viel älter als 25 und die neuen Direktoren der Vier- und Fünfstern-Hotellerie knapp 30 Jahre alt sind. Ich freue mich für diese jungen Kaderleute und bin überzeugt, dass sie diese Positionen verdient haben und in ihrem Job erfolgreich sein werden. Nur - was ist mit den “Alten”? Ist die Hotellerie und Gastronomie wirklich eine Branche, in der es nur für “Pittbulls” Platz hat, die mit voller Energie an der Karriereleine zerren und sich ohne Hemmung in die neue Aufgabe verbeissen? Hat es für die “Golden Retrievers”, die treu und überlegt ihre Aufgaben erfüllen, keinen Platz mehr? Haben die Verwaltungsräte Angst, dass ab 50 die Energie für die “Herausforderung Hotel” nicht mehr reicht? Liegt es an der Überzeugung, dass junge Kaderleute einfacher zu führen sind? Oder gehören Hoteliers ab 50 schon zur “alten Generation”, die sich gegenüber den Neuerungen im Bereich Kommuni­ kation, Führungsstrukturen oder technischen Möglichkeiten verschlossen haben? Tatsächlich zeigen die Direktionsdossiers - die immer wieder auf meinem Tisch liegen dass es erschreckend viele Bewerber ab 50 gibt, die ihre Handlungs- und Denkweise den heutigen Rahmenbedingungen nicht angepasst haben.

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Im Märchen - wo es um die Tradition der Roastbeef-Zubereitung geht, lobt der frischvermählte Mario seine Frau Maria: “Das hast Du toll zubereitet - das Roastbeef schmeckt wunderbar. Kannst Du mir das Rezept verraten?” Maria freut sich über das Kompliment und antwortet: “Ja, das schmeckt dank unserem Familienrezept so gut - schon die Nonna hat so Roastbeef zubereitet. Du nimmst ein schön durchzogenes Bratenstück, schneidest links eine Scheibe ab und schneidest dann rechts eine Scheibe ab, würzt das Ganze mit Salz, Pfeffer und schiebst es für eine Stunde in den vorgewärmten Ofen! So einfach ist das”, antwortet ihm


Maria. “Ja, aber warum muss links und rechts eine Scheibe vom Bratenstück weggeschnitten werden?” fragt Mario. “Ja, das ist eben Tradition, das haben wir in unserer Familie schon immer so gemacht, frag meine Mama!” Auch die Mama bestätigt die Familien-Roastbeef-Tradition, kann aber auf die Fragen nach dem “Warum” keine Antwort geben. Mario lässt nicht locker und erkundigt sich schliesslich bei der Nonna. “Ja, weisst Du, Mario”, sagt die Nonna, “ich habe das Fleisch immer beim Metzger um die Ecke gekauft. Weil sein Geschäft nicht so gut lief, schnitt er an Stelle des gewünschten Kilos immer ein schwereres Stück ab. Deshalb musste ich immer links und rechts eine Scheibe vom Bratenstück wegschneiden, damit es in den kleinen Ofen passte!” Schade, wenn sich die Hoteliers ab 50 von jungen, top ausgebildeten Profis verdrängen lassen, nur weil sie ihre Erfolgsrezepte von früher nicht hinterfragen und nicht auf die heutigen Bedürfnisse zuschneiden. Denn ihre Erfahrung in der Gästebetreuung, im Führen von Mitarbeitern, ihr Geschick in Verhandlungs- oder Konfliktsituationen können die jungen Profis nicht in der Schule lernen. Auch sie werden für den Erwerb dieser Kenntnisse Zeit investieren müssen. Kein Happy End also? Im Gegenteil - aber nur für diejenigen, die Tradition und Gewohnheiten – wie im Roastbeef-Märchen mit dem Familienrezept - hinterfragen! “Und wenn sie nicht gestorben sind, ...” (Hotelier 12/10)

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Kapitel 71

Aus der Verstecken Vogelgilt nicht perspektive



7.1 Verstecken gilt nicht

Chefs gehören an die Front

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Ein Amerikaner kommt in eine Bar in Bangkok und bestellt einen Whisky. Das Getränk schmeckt ihm - und auf die Frage nach dem Preis antwortet der mässig motivierte Barmann: “One Dolla’, please!” Überrascht vom günstigen Preis, bestellt der Tourist einen weiteren Whisky - diesmal eine doppelte Portion. Auch für die grössere Menge verlangt der Mitarbeiter den gleichen Preis: “One Dolla’, please!” Da dem Amerikaner der Whisky schmeckt, bestellt er gleich eine ganze Flasche zum Mitnehmen. Als der Asiate auch für die ganze Flasche lediglich “One Dolla’, Sir” verlangt, fühlt sich der Geschäftsmann verpflichtet, den offensichtlich nicht geschäftstüchtigen Barmann aufzuklären. Es kann ja unmöglich ein Whisky gleich viel kosten wie die doppelte Portion oder gar die ganze Flasche! Auf die Kalkulation angesprochen, klärt der Barmann seinen Gast auf: “You know; my boss is f*cking my wife upstairs - so I’m f*cking his business downstairs!” Szenenwechsel: Ich sass kürzlich mit Freunden im grossen Smokersraum eines Schweizer Fünfstern-Superior-Hotels. Es herrschte eine gute Stimmung, die Zigarren rauchten, die Drinks schmeckten, und wir warteten auf unsere Kollegen, die nächstens zu uns stossen sollten. Wie jedes Jahr, trafen wir uns zum zweitägigen Gedankenaustausch in einem renommierten Schweizer Luxushotel. Entsprechend gross war die Vorfreude auf das Ausklingen des ersten Tages und auf die tollen Gespräche an der Hotelbar. Diese “Big-talk-Stunden”


waren jeweils der Höhepunkt der Treffen, die erfahrungsgemäss bis in die frühen Morgenstunden dauerten. Persönlich hatte ich die zuständigen Organisatoren des Hotels auf unser Grüppchen und unsere Erwartungen aufmerksam gemacht und betont, dass es viele Weinliebhaber unter uns gibt, die gerne einige Flaschen - darunter auch grosse Gewächse geniessen. Gerade als wir über die Elektro-Girlanden an den Fenstern - als spätes Überbleibsel der Weihnachtsdekoration - schmunzelten, wurde diese Aussenbeleuchtung ausgeschaltet. Offenbar fing nun - zumindest beleuchtungstechnisch - der Frühling an, lachten wir. Dass das “Spiel mit dem Licht” einen völlig anderen Hintergrund hatte, begriffen wir erst, als die Bar-Mitarbeiterin auf uns zukam: “Darf ich bitte noch die letzte Bestellung aufnehmen? Wir schliessen nämlich jetzt die Bar!”, sagte sie mit aufgesetztem Lächeln um Punkt 00:15 Uhr. Uns war nicht mehr zum Lachen zumute. Wären die Sessel nicht so schwer und die Scheiben nicht mit dem Rahmen verschraubt, hätte sie - um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen nicht nur das Licht gelöscht, sondern womöglich auch die Stühle auf den Tisch gestellt und die Fenster geöffnet, ging es mir durch den Kopf. Die anderen Hotelgäste im Smokersraum des Luxushotels waren ebenso erstaunt wie schockiert. Auf das wilde und lautstarke Durchei­ nander der Protest-Argumente gegen die frühe Barschliessung (“Es ist doch erst kurz nach Mitternacht und noch keine Polizeistunde ... Wir sind doch alles Hotelgäste ... Wir erwarten noch 20 umsatzfreudige Kollegen ... Wir hatten das doch abgesprochen ... Das ist doch das einzige noch offene Restaurant ... wir sind doch hier in einem 5-Stern-Superior-Hotel”), zuckte die Mitarbeiterin mit den Schultern und meinte: “Ich habe meine Anweisungen.” Dass über 30 Hotelgästen auf diese plumpe Art quasi verboten wurde, “Umsatz zu machen”, war nun Gesprächsthema Nummer eins des Abends sowie des nächsten Tages. Dass in diesem und vielen anderen Hotels die Umsätze und die Margen

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sinken, machte dieses Erlebnis noch unverständlicher. Allen war aufgefallen, dass tagsüber viele Mitarbeiter und viele Chefs da waren, um Gäste zu begrüssen und zu betreuen. Am Abend waren die Chefs dann nicht mehr präsent und die wenigen verbleibenen Mitarbeiter entschieden in eigener Regie, wie Gastfreundschaft in diesem Luxushotel ausserhalb der “Bürozeiten” gelebt wurde. Was nützen da ISOProzesse und Unternehmenswerte, wenn die Umsetzung nicht auch in den Abendstunden von Chefs kontrolliert und sichergestellt wird? Wenn die “Katzen aus dem Haus sind, tanzen die Mäuse auf dem Tisch”, sagt der Volksmund bitter. Wenn die “Mäuse” wenigstens nur “tanzen” würden!

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Es ist eine Tatsache, dass in der Hotellerie die am besten ausgebildeten Mitarbeiter - eben die Chefs - am weitesten weg sind vom Gast. In diesem Luxusbetrieb überliess man es offenbar zwei Mitarbeitern, zu entscheiden, ob ein toller Barumsatz erzielt und 30 Personen als Fans ans Hotel gebunden werden, oder eben durch die frühe Barschliessung das Image dieses Top-Hotels negativ geprägt wird. Auch der Smokersraum machte um 2.30 Uhr den Hotel-Sternen keine Ehre mehr. Die Aschenbecher waren übervoll und die teuer gekauften - jetzt leeren Flaschen – hatte niemand serviert und räumte niemand mehr ab. Auch der NachtConcierge blickte nicht von seiner Liste auf, als ich direkt vor seinem Pult vorbei in Richtung Zimmer ging. “And they are f*ucking the business downstairs” - kam mir die Pointe des Bangkok-Witzes in den Sinn ... (Hotelier 04/13)


7.2 Verstecken gilt nicht

Bitte keine Ausreden mehr! Schön, wenn beim Jahreszielplan am Schluss tolle Ideen mit einem feierlichen Ritual, Unterschrift und einem Glas Prosecco begossen werden. Schade, dass dann oft ein Jahr später bei der Nachlese ernüchtert feststellt wird, dass der Alltag mit allen seinen Anforderungen wohl Schuld daran war, dass viele Ziele nicht umgesetzt oder nicht gelebt wurden. Oder war es gar die euphorische Stimmung während des Workshops, die zu (zu) hohen Zielen verleitet hat? Meist liegt es jedoch einfach nur daran, dass die Liste mit den Zielen und den Commitments unter dem Stapel der vielen Pendenzen verloren ging. Vor lauter “Wichtigem” wird leider zu oft “Wesentliches” vergessen - die Umsetzung wird immer wieder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Gerne gebe ich Ihnen hier ein paar Anregungen und Tipps, welche die Umsetzung im Hotelalltag erleichtern: 1.Die gemeinsam gefassten Ziele offen kommunizieren! Denn was bringen gemeinsam verabschiedete Ziele und Unternehmenswerte, wenn sie an der Basis nicht bekannt sind und so nicht von allen Beteiligten gelebt werden? Die offene Kommunikation erhöht den Druck auf die Umsetzung, weil kritische Mitarbeiter jetzt Fragen stellen: “Was bedeutet diese Ziel für unsere Abteilung? Wie sieht mein Beitrag dazu aus?” Zudem können Abteilungsleiter nicht mehr von einem “Befehl von oben” sprechen, sondern outen sich als aktiver Teil dieser Ziele.

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2.Teilaufgaben verteilen. Ziele sind gebündelte Energie, weil sie das Streben nach Herausforderungen auslösen, motivieren und anspornen. Weshalb also nicht diese Chance nutzen und den Mitarbeitenden in die Umsetzung mit einbinden? Ziele also verständlich und konkret formulieren und in erreichbare Etappenziele (Massnahmen) aufteilen. Die Übernahme zusätzlicher Aufgaben wird selbstverständlich im späteren Zeugnis lobend erwähnt und verdankt. 3.Die Umsetzungsmassnahmen in den Alltag einfliessen lassen. Zum Beispiel als festes Traktandum an den wöchentlichen Team-Meetings oder an den regelmässigen Coachings mit den Führungskräften. So wird die Umsetzung gepuscht und die Wichtigkeit der Zielerreichung unterstrichen. 4.Fördern durch Fordern. Es gibt nur wenige Mitarbeiter, die sich für Herausforderungen schlicht nicht interessieren. Ich bin überzeugt, dass die meisten im Team für Ziele zu begeistern sind. Sollte es in ihrem Team trotzdem noch Mitarbeitende geben, deren einzige Motivation Pausen, Freitage, Ferien und die Überweisung des Gehalts Ende des Monats sind, dann ist es höchste Zeit, die rote Karte zu ziehen.

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5.Loben. Qualifikationsgespräche bieten die Chance - vor dem Äussern der kritischen Voten - den Mitarbeiter zu loben. Auch wenn es möglicherweise nicht viel zum Loben gibt, machen Sie es trotzdem! Es erleichtert die Aufnahme kritischer Punkte und entkrampft das Gespräch. Zudem ist ein ehrliches, offenes Lob oft mehr wert als eine Geldprämie oder Lohnerhöhung. Je nach Leistung sollen auch die anderen im Team vom Lob erfahren. Kritik hingegen sollte nicht nach aussen dringen.


6. Leistungsanreize bieten. Die Beispiele sind bekannt, werden aber aus unerklärlichen Gründen kaum umgesetzt. Beim Auto haben alle begriffen, dass die teure Anschaffung gepflegt werden muss, damit Betrieb und Leistung auf Jahre garantiert werden kann. Ohne regelmässige Check-up’s riskiert der Fahrer, dass sein teurer Wagen plötzlich nicht mehr “rund läuft” oder gar seinen Dienst versagt. Diese Schlussfolgerung kann auch auf Mitarbeitende übertragen werden! Auch ein Mitarbeiter ist eine teure Investition. Schade, wenn nur die Hände genutzt werden, denn Kopf und Herz sind im Preis inbegriffen. Damit der “ganze Mensch” bei der Sache ist, braucht es die richtigen Anreize! So ist es bedauerlich, dass gemeinsam definierten Zielen oft nicht die nötige Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Ausrede – “ich kann nicht alles alleine machen” – lasse ich nicht gelten. Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, das Team in die Umsetzung mit einzubinden. Aber eben, “Wissen” ist zwar wichtig, aber “Machen” bewirkt den Erfolg. Spätesten beim nächsten Jahreszielplan werden Sie in den Spiegel schauen müssen, wenn es das Messen der Zielumsetzung geht. (Hotelier 03/13)

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7.3 Verstecken gilt nicht

Der Hotelier ist nicht allein

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Bis jetzt konnten sich viele Schönwetterkapitäne noch an Bord ihrer Unternehmung halten. Sollten die Turbulenzen jedoch zunehmen, wird die Gefahr eines Schiffbruchs grösser. Wer beim aktuellen wirtschaftlichen Wellengang den gewohnten Kurs nicht mehr steuern kann - oder wie der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia mit waghalsigen Manövern imponieren will - riskiert, die Unternehmung zum Kentern zu bringen. Wie auf dem Schiff, so ist auch der Hotelier in seinem Betrieb nicht alleine an Bord. Gut, wer also frühzeitig mit seinem engsten Team die Szenarien für eine mögliche Schlecht-Wetter-Front bespricht und so fürs Schlimmste gewappnet ist. Vielleicht wäre die Titanic nie ein Kinoklassiker geworden, wenn der Kapitän nicht von der Unsinkbarkeit seines Schiffes überzeugt gewesen wäre. Die Liebe zum Betrieb soll nicht blind machen und zum Verhängnis führen. So ist der Jahreszielplan - mit der gesamten Führungsmannschaft - der geeignete Prozess zum Eruieren verschiedener Szenarien sowie zum Definieren von Zielen fürs kommende Geschäftsjahr. In den letzten Wochen durfte ich viele Jahreszielpläne als Coach moderieren. Gerne gebe ich Ihnen meine Erkenntnisse in Form von zehn Tipps weiter: • Organisieren Sie den Workshop ausserhalb des Betriebes und verhängen Sie während den ein bis zwei Tagen Handyund E-Mail-Verbot.


• Sensibilisieren Sie Ihr Team mit realen und verständlichen Kennzahlen. Oft fällt es Mitarbeitern auf Führungsstufe nicht leicht, Statistiken, Erfolgsrechnungen oder gar Bilanzen zu interpretieren. Nur selten kennen Kadermitarbeiter die notwendige Produktivität je Mitarbeiter oder den Break-Even ihrer Abteilung. Prüfen Sie die Bereiche Produkt, Team, Kommunikation und Organisation sowie Infrastruktur je Abteilung. Am besten gelingt dies mit einer Auslegeordnung, bei der jeder Beteiligte je Abteilung und Bereich die positiven und negativen Situationen und Vorkommnisse notiert. So werden im Anschluss Erfolgstreiber und Erfolgsbremsen auch besprochen. • Priorisieren Sie mit Ihrem Team die notierten Punkte, so dass nicht nur die “Luxusprobleme” - wie der Taxidienst nach Mitternacht für Aushilfen, die kostenfreien Süssgetränke im Mitarbeiterrestaurant oder der unbeliebte Teildienst - die Diskussion beherrschen, sondern die wesentlichen Themen besprochen werden. • Definieren Sie mit Ihrem Team klare Regeln, damit es bei der anschliessenden Diskussion nicht zum Streit kommt. So helfen Aussagen wie “jeder Beitrag ist zulässig” oder “es geht um die Sache, nicht um die Person” die Offenheit in der Diskussion zu fördern. • Bestehen Sie immer auf konkrete Beispiele, damit Überbegriffe wie Respekt oder Toleranz nicht später interpretiert werden. • Sprechen Sie nie von Problemen, sondern von Aufgaben. Das Wort Aufgabe zeigt, dass es Lösungen gibt - und nicht wie beim Problem Hürden und Grenzen. Entsprechend kann jede Aufgabe als Ziel formuliert werden. Die Massnahmen zur Zielerreichung werden gemeinsam diskutiert und beschlossen. Jeder wird so Teil der Vereinbarung.

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Umsetzungstermin und der Name des Verantwortlichen erleichtern die spätere Kontrolle. Das Gegenteil also von “man sollte” und “wir müssten”. • Offen und klar werden die gegenseitigen Erwartungen an die Führung besprochen. Jeder Chef in der Unternehmung muss wissen, dass seine Aufgabe mit Entscheiden (das Schlimmste ist ein Chef, der nicht entscheidet), Führen (das heisst, auch vormachen und vormachen können - also Vorbild sein) sowie Kontrollieren (eine Führungsverantwortung, die nicht delegierbar ist) zu tun hat. • Beim Vorlesen seines persönlichen Beitrages am Erfolg drückt jeder einzelne Teilnehmer seine Bereitschaft und die Qualität seiner Ziele aus. • Nun geht es nur noch darum, die Mannschaft mit ins Boot zu holen. Am besten gelingt dies mit der Präsentation der formulierten Ziele und Massnahmen. Diese Transparenz prägt die Erwartung der Mannschaft und erhöht so auf sympathische Weise den Druck auf die Realisierung.

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Ich wünsche Ihnen viel Spass dabei, Ihre Mannschaft auf eine mögliche Kurskorrektur einzustimmen. Sie werden sehen, dass Transparenz bei den Guten im Team die Identifikation und Loyalität fördert. Die Anderen werden - wie die sprichwörtlichen “Ratten auf dem Schiff” - den Betrieb wohl frühzeitig verlassen. Zum Glück, denn der Schlechtwetterkapitän kann nur Matrosen brauchen, die einen Sturm nicht fürchten. (Hotelier 10/12)


7.4 Verstecken gilt nicht

Was haben Spitzensportler und Hoteliers gemeinsam? Ein “Tages-Anzeiger-Artikel” hat sich mit der Frage befasst, was die Besten von den Guten im Sport unterscheidet. Die Schlussfolgerungen überzeugen und lassen sich sehr gut auf die Hotellerie übertragen: Hochleistungssport als Analogie für Spitzenleistungen in der Branche mit dem Gast! Auch wenn im Sport Erfolge nur mit Punkten, Toren oder Hundertstelsekunden gemessen werden, sind die Parallelen zur Hotellerie frappant: Die Persönlichkeit der einzelnen Menschen, ihr Teamgeist und der Wille zu gewinnen unterscheidet die wahren Champions im Sport und in der Dienstleistungsbranche vom Durchschnitt! So spürt im “Mannschaftssport Hotellerie” der Gast sehr schnell, ob ein Team – um es in der Fussballsprache zu sagen – sich nach den Grundsätzen des Grümpelturnier-Tschuttens ausrichtet oder nach den Ansprüchen der Champions League: Den einen reicht es, Fussball zu spielen; die anderen wollen zu den Besten gehören und gewinnen. Das gemeinsame Bier nach der Dusche als Belohnung oder Spielmotivation werden sicher beide geniessen. Das Spielresultat selber ist bei der Variante “Grümpelturnier” eher zweitrangig. Die Spieler mit der Champions-League-Mentalität hingegen haben hart trainiert, wollen ein Topspiel liefern, die Fans begeistern - und die Partie unbedingt gewinnen. Gewinnen heisst bei einem Hotel-Team dieser Klasse: Bestnoten vom

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Publikum (bei Gäste-Feedbacks oder Mystery-Checks), eine Topklassierung auf der Bestenliste (in den Hotel-Ratings von “Sonntagszeitung” oder Tripadvisor) sowie das erreichte oder gar überschrittene Budget. Im “Tages-Anzeiger-­ Artikel” wird eine Erkenntnis aus der Sportforschung zitiert, die besagt, dass unabhängig von der Sportart nur erfolgreich sein kann, wer zehn Jahre oder 10’000 Stunden intensiv auf ein Ziel hintrainiert hat. Diese Gewissenhaftigkeit im Training ist auch für die erfolgreiche Hotelmannschaft die Voraussetzung für den Erfolg. In der Praxis heisst das, dass auch Routineabläufe als “Trainings on the Job” immer wieder geübt und perfektioniert werden müssen. Dass sich Chefs bewusst auf schwierige Teamsituationen vorbereiten und auch Mitarbeiter an der Gastfront wissen, wie sie in heiklen Kundensituationen reagieren müssen. Entscheidend für den Erfolg ist entsprechend auch der Umgang mit Niederlagen. Hier hat jeder von uns prägende Bilder aus der Sportwelt in Erinnerung, so zum Beispiel den Kopfstoss von Zinédine Zidane gegen Marco Materazzi im WM-Finale 2006 oder die im Zorn zerschlagenen Tennisrackets von Roger Federer. Der Weltklasse­ spieler kassierte sogar eine Strafe, weil er sich in einem Match gehen liess und offenbar nicht sein Bestes gab. Heute hat Federer, dank einem Sportpsychologen, diese Emotionen im Griff. Zeichen von mentaler Stärke im Wettkampf sind auch bei uns im Berufsalltag gefragt: Nicht jeder kann mit sich selber klarkommen und mit Schwierigkeiten umgehen. Dies ist einerseits abhängig von der Persönlichkeit und andererseits vom Willen, seine persönlichen Schwächen zu erkennen, zu akzeptieren und zu verbessern. Dass der Umgang damit lernbar ist, zeigt das erwähnte Beispiel des Schweizer Tennis-Stars. Entsprechend listet der “Tages-Anzeiger-Artikel” als grundlegendes Element im Spitzensport die Leistungsmotivation auf, die aus zwei Faktoren besteht: dem Willen, einfach besser als der Gegner zu sein, und dem unbedingten Wunsch, sich selber


zu verbessern. Ein anderer Sportartikel zeigt, dass es zum Erfolg von Sportstars auch Fans braucht, die positive Signale aussenden. Usain Bolt antwortete auf die Frage: “Fühlen Sie sich den Fans gegenüber verpflichtet?” – “Natürlich. Ohne sie wäre ich nicht, was ich bin. Es ist meine Pflicht, ihnen mit einer tollen Show zu danken.” Auch wir können Fans statt Kunden haben - wir müssen nur besser sein als der Durchschnitt! Der Vorteil ist offensichtlich: Kunden muss man akquirieren; Fans kommen von alleine. Kunden reklamieren; Fans verzeihen ... Also, worauf warten Sie noch? (Hotelier 12/12)

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7.5 Verstecken gilt nicht

Brauche ich einen Stellvertreter?

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Der unerwartete Tod von Carsten Schloter hat nicht nur aufgezeigt, dass Herausforderung zu Überforderung führen kann. Er hat auch klar gemacht, dass ein unerwarteter Ausfall der Unternehmensleitung die Zurückgebliebenen vor grosse Herausforderungen stellt. Bei der Swisscom hat der VR-Präsident vorbildlich reagiert und bei Mitarbeitern und Kunden dank offener Kommunikation für Ruhe gesorgt. Da bereits vorgängig die Stellvertretung definiert war, konnte der “Überbrückungs-CEO” seine Aufgabe schnell und kompetent übernehmen und so für Vertrauen sorgen. Dieses Beispiel zeigt die Wichtigkeit auf, auch den eigenen Notfallplan im Hotel zu überprüfen. Es kann, aber muss nicht immer ein Todesfall sein, der eine funktionierende Stellvertretung notwendig macht. Bekanntlich können sowohl ein Burn-out oder ein unverschuldeter Autounfall für eine plötzliche und längere Abwe­ senheit sorgen. Sogar Naturereignisse können für eine unfreiwillige Absenz verantwortlich sein: So musste aufgrund des grossen Ascheausstosses des Vulkans Eyjafjallajökull in Island der Flugverkehr über Nord- und Mitteleuropa für mehrere Tage eingestellt werden. In solchen Fällen entscheidet eine gute Stellvertretung für die reibungslose Weiterführung der Unternehmung. Wie sieht es also in Ihrem Betrieb aus mit der Stellvertretung des CEO oder von Kadermitarbeitern in Schlüsselpositionen? Um das herauszufinden, werten Sie die folgenden


15 Aussagen. Sollte die Summe der Wertung unter 50 liegen, besteht Handlungsbedarf. Werte unter 30 bedingen eine sofortige Reorganisation der Stellvertretungsregelung: So ist meine Stellvertretung geregelt (Wertung 0 = nicht geregelt; 6 = top organisiert):

Mein Stellvertreter kennt meine Hauptaufgaben und weiss, bei welchen Aufgaben er mich vertritt und er tut es auch. So nimmt er beispielsweise während meinen Absenzen (Ferien, Weiterbildung) an meiner Stelle an den Meetings teil. Mein Stellvertreter weiss, welche Kompetenzen und Vollmachten er ausüben soll, wenn er mich vertritt. Diese Verantwortung ist in seiner Stellenbeschreibung klar geregelt. Es finden regelmässige Gespräche oder Meetings statt, die seine Rolle als Stellvertreter stärken und entwickeln. Er kennt alle Passwörter und weiss, wo die Schlüssel zu den verschlossenen Unterlagen sind. Mein Stellvertreter besitzt die Fähigkeiten, die notwendig sind, um mich in meiner Funktion zu vertreten.

Meine Zusammenarbeit mit meinem Stellvertreter (Wertung 0 = trifft nicht zu; 6 = trifft zu):

Ich delegiere gerne Verantwortung an meinen Stellvertreter - und nicht weil ich muss. Ich delegiere auch schöne, spannende Aufgaben und nicht nur solche, die ich nicht gerne mache. Mein Stellvertreter kann anhand der delegierten Aufgaben in seine Rolle hineinwachsen, also sozusagen den Ernstfall üben. Gegenüber meinem Stellvertreter habe ich keine Geheimnisse, und es fehlen ihm keine Informationen, sollte er unvorhergesehen meine Stellvertretung übernehmen müssen.

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Ich frage meinen Stellvertreter vor wichtigen Ent scheiden nach seiner Meinung und bereite mit ihm wich tige Meetings oder Klausuren vor. So stehe ich hinter der Stellvertretungsregelung (Wertung 0 = trifft zu; 6 = trifft nicht zu):

Wenn ich einen starken Steilvertreter habe, ist das für mich ein Machtverlust. Wenn ich einen Stellvertreter schule und ausbilde, führt das doch nur dazu, dass er selbst Chef werden und mehr verdienen will. Ich kann es mir nicht leisten, dass mein Stellvertreter erst noch viele Fehler macht, bevor er seinen Aufgaben gewachsen ist. Meinen Qualitätsanforderungen kann ein Stellvertreter nicht standhalten. Warum soll ich einem Stellvertreter all mein Wissen preisgeben, dass ich mir so hart erarbeitet habe?

TOTAL PUNKTE Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Bewerten sowie den Mut für eine konsequente Umsetzung der notwendigen Massnahmen, damit Ihr Hotel auf einen personellen Notfall optimal vorbereitet ist!

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(Hotelier 09/13)


7.6 Verstecken gilt nicht

Zelebrieren Sie Rituale! Wir schätzen sie, und sie sind uns wichtig. Jeder hat seine eigenen, sich immer wiederholenden Handlungsabläufe, die wir Rituale nennen. Im Gegensatz zur Routine haben Rituale eine symbolische Bedeutung. Am besten erklärbar mit dem “Zähneputzen”. Das Putzen alleine ist Routine - das muss sein. Der Reinigungsprozess wird zum Ritual, wenn er den Übergang von der Tagesaktivität zur Nachtruhe darstellt. Jeder pflegt so - bewusst oder unbewusst - seine Rituale. So kennt jeder Raucher die Wichtigkeit der ersten Ziga­ rette nach dem Aufstehen und ist sich bewusst, dass ohne Zigarette und Kaffee am Morgen der Tag für ihn nicht ideal beginnen kann. Dabei geht es nicht in erster Linie um Nikotin und Koffein, sondern um den mentalen Einstieg in den Tag: das Morgen-Ritual. Mein Marathon-Ritual, zum Bespiel, bestand aus der Finnen-Diät. So habe ich eine Woche vor dem Lauf nur Gerichte ohne Kohlenhydrate gegessen und so den Glykogenspeicher meines Körpers “entleert”. Zwei Tage vor dem Ereignis kamen dann nur noch Speisen mit Kohlenhydraten auf den Teller. Sogar das Frühstück vor dem Start war ein Stärkepaket aus Milchreis und karamellisierten Bananen. Dieses Ritual gab mir die Sicherheit - zumindest im Bereich der Ernährung die notwendige Energiebasis für die 42,2 oder die 78 km gelegt zu haben. Im Sport sind Mannschaftsrituale - mit dem übergeordneten Ziel, dem Team Sicherheit und Kampfwillen zu geben - gang und gäbe. So sind beim Eishockey der initiale Handschlag oder die “Goali-Beschwörung” rituelle Spielbestandteile.

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Gut orchestriert, wirken diese Abläufe nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den Fans wie EP0. Welcher Fan würde es sich nehmen lassen, nach Ansage der Spieler-Vornamen via Platz-Speaker im Chor mit den anderen Fans den Nachnamen seiner Mannschaftsspieler zu brüllen? Wie Sportler und Kinder schätzen auch Mitarbeiter Rituale, sie geben ihnen Sicherheit, Bestand, Anerkennung sowie Zugehörigkeitsgefühl. Nutzen Sie als Hoteliers diese Energie und zelebrieren Sie bewusst Rituale in Ihrem Betrieb: • Die Party zum Saisonstart und zum Saisonschluss. Warum nicht mit einem DJ oder einer Coverband - die sich auch auf die Musik der jungen Generation versteht - den stimmigen Rahmen fürs Tanzen bieten? Toll, wenn alle mit dabei sein können und für einmal die Direktion gemeinsam mit dem Kader für das ganze Mitarbeiter-Team kocht.

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• Der Lehrlingsausflug mit dem Chef persönlich. Diese “Stiften-Reisli” gehören zu den amüsantesten Erlebnissen aus meiner Zeit als operativer Hotelier. Vom gemeinsamen Schlitteln mit anschliessendem Fondue bis zur Wanderung mit Würsten vom Grill und anschliessendem TeamFoto - hier bieten sich unendlich viele Möglichkeiten. • Der Jahreszielplan mit der Führungsmannschaft und ihren Stellvertretern. Gut moderiert ein Prozess, der das ganze Team zusammenschweisst. Ein strukturierter Ablauf unterstützt den Einbezug aller Beteiligten sowie die Priorisierung auf Themen, für die der Alltag meist keine Zeit bietet - dem Einzelnen aber wichtig sind.


• Die Incentive-Reise nach dem Vorliegen des Jahresabschlusses. Je nach Resultat werden Destination und Reiseprogramm für den Ausflug mit der engsten Führungs­ mannschaft zusammengestellt. Ein Privileg, das geschätzt wird und für viele Zusatzleistungen und Entbehrungen dankt. Solche Reisen sind mehr als nur Unterhaltung: Der Besuch von Top-Hotels im Ausland, von Degustationen bei Spitzenwinzern und Meisterköchen hat auch Weiterbildungscharakter. Erlebnisse, die der Einzelne sich selber nicht leisten würde, und Destinationen, die er aus eigenem Antrieb nie besucht hätte. Die Beispiele zeigen, dass Rituale das Potenzial aufweisen, Menschen in der Unternehmung eine “Heimat” und nicht nur einen Arbeitsplatz zu bieten. Rituale schweissen zusammen, fördern das Team und spornen zu Höchstleistungen an! Rituale brauchen jedoch die regelmässige Wiederholung. Sie müssen für die Beteiligten attraktiv sein und einen Mehrwert bieten, sonst verkommen sie zur Routine und verlieren ihre “magische” Wirkung. (Hotelier 01-02/14)

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Kapitel 81

Aus der Achtung VogelKunde! perspektive



8.1 Achtung Kunde!

Und den Gast hat niemand gefragt ...

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Zum Architektur Think Tank in Deutschland hatte die renommierte Branchenzeitschrift AIT Architektur eingeladen. Ziel des Treffens war der Austausch von Erfahrungen im Projektgeschäft Hotel, um künftig die Zusammenarbeit mit allen wesentlichen Planungs- und Ausführungsbeteiligten zu optimieren. Entsprechend repräsentierten die zwölf Teilnehmer die Innenarchitekten und Architekten, die Investoren, die Fachplaner, Hoteliers, Techniker sowie die Unternehmensberater. Drei Vertreter grosser Bau-ZulieferFirmen - in den Bereichen Bodenbeläge, Gebäudeinstallation und Bad - komplettierten die Runde der wichtigsten Beteiligten an Hotelbauten und Hotelprojekten. Entsprechend wertvoll war die von AIT moderierte Diskussion, bis es die Innenarchitektin und Inhaberin von “JOI-Design” Hamburg am Ende des zweiten Tages auf den Punkt brachte: Der einzige, der in dieser Runde fehlte, war der Gast. Und sie erzählte von ihrem Alltag als Innenarchitektin und zitierte aus einem Fachartikel ihres Mannes: Meist werden die Spezialisten von einem Hotelbetreiber für ein Projekt empfohlen, schliessen im Anschluss den Vertrag mit dem Investor ab. In der Planungsphase wünscht sich der Betreiber gewebte Teppiche und vergoldete Wasserhähne. Der Investor versichert glaubhaft, dass das Budget nur einen PVC-Belag hergibt - und die Wasserhähne waren sowieso nie budgetiert, weil sie schlicht vergessen wurden. Kommt dann das Thema Design ins Spiel, hat der Investor plötzlich eine Frau, die schon immer gerne Innenarchitektin geworden wäre. Auf jeden Fall hat sie einen


besonders guten Geschmack und muss sich in dem Hotel auch irgendwie wiederfinden. Ausserdem hat sie einmal einen Kurs bei einer Feng-Shui-Beraterin gemacht. Der Investor selbst setzt auf klassisches Design, das seine Wertbeständigkeit schon bewiesen hat. Schliesslich lässt sich damit am wenigsten falsch machen. Das steht allerdings im Widerspruch zum mediterranen und warmen Design, das sich die Frau vorstellt. Das Problem ist, dass beide davon ausgehen, den Innenarchitekten für sich zu vereinnahmen und zu einem Kompromiss zu bewegen. Die Hausdame wünscht sich dunkle Teppichböden, damit man die Flecken nicht so sieht. Der Verkauf ist überzeugt, dass sich heutzutage doch die modernen, hellen Hotelzimmer am besten vermarkten lassen. Der Hoteldirektor möchte zwar auch ein helles, freundliches Hotel. Aber bei ihm zu Hause hat seine Frau auch grad so schöne, warme Terracottatöne ausgesucht, die mediterrane Stimmung verbreiten. Der Verantwortliche für die technische Beratung übergibt einen Ordner mit den Spezifikationen für alle Materialien. Schliesslich steht er für bewährte Lösungen, die den Praxistest erfolgreich bestanden haben. “Objektgeprüft” nennt sich das in der Fachsprache. Was zumindest bei den Betten und Matratzen zum Schmunzeln anregt. Berücksichtigt werden muss die Aversion des Konzernchefs der Hotelkette bezüglich der Farbe Grün und auch seine Vorliebe für wandverschraubte Nachttische. Der Architekt fühlt sich dem Bauhausstil verpflichtet und kann sich überhaupt keine anderen Farben im Gebäude vorstellen als Schwarz, Weiss und Grautöne. Schliesslich hätten Architekten wie Mies van der Rohe und Corbusier doch alles in ihren Bauten in Bezug auf Schlichtheit, Reduktion, Simplifizierung, Achsialität, Symmetrie und so weiter vorweggenommen. All das, was auch heute noch gutes Bauen ausmache. Und schliesslich wollen wir doch etwas Gutes bauen und gegenüber den geschmacklichen Ignoranten zusammenhalten. Einig sind sich alle darin, dass der Hotelbau einmalig sein muss. Ein richtiger Knüller, etwas, was noch niemand

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vorher gemacht hat. Ja, und gemütlich muss es sein! Auf keinen Fall zu cool, zu unpersönlich und unpraktisch, wie das in vielen Designhotels heute schon erlebt werden kann. Und der Gast? Was will der eigentlich? Klar, den kann ja noch keiner fragen. Der wird sich hinterher nur wundern, was die Spezialisten aus dem Projekt gemacht haben. Tja, es ist wie beim Fischen: Der Köder sollte dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Es lohnt sich, sich frühzeitig mit den Bedürfnissen der künftigen Fische, respektive Kunden, auseinanderzusetzen. Damit der Köder - also das künftige Hotel - dem Fisch schmecken wird. Laden Sie deshalb bei Ihrer nächsten Projekt- oder Bausitzung - neben den Spezialisten - auch Gäste ein. Schliesslich bezahlen die das Ganze ja! (Hotelier 04/10)

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8.2 Achtung Kunde!

“ Reserviert für Dr. Frei!” Sind Sie auch der Meinung, dass die Apéro-Zeit die schönste Zeit des Tages ist? Die Restaurantkette “T.G.I. Friday’s” lässt den Freitag als Wochentag hochleben - und sichert sich mit einem umsatzstarken Freitag ein verlängertes Businesswochenende. Clever! Einige wenige Hoteliers und Wirte lassen die Apéro-Zeit hochleben und sichern sich so gleich an sieben Wochentagen Zusatzumsätze! Noch cleverer! Leider sind es nur einige wenige. Denn zu oft erlebe ich, dass die schönsten Tische auf der Terrasse oder im Restaurant schon ab 17 Uhr für die “guten Gäste” reserviert sind und so für die Gäste, die “bloss etwas trinken” möchten, unerreichbar bleiben. Viele Tische auf den schönen Terrassen und Plätzen der Schweiz werden nämlich bereits am Nachmittag aufgedeckt und bleiben so dank Gedeck, Reservationsschild und noch geschlossener Küche leer. Leer, das heisst auch ohne fröhliche und zahlende Gäste und das für zwei Stunden oder mehr. Bis dann um 19.30 oder 20 Uhr die ersten sogenannten “guten” Gäste kommen. “Gute” Gäste, weil der Umsatz je Sitzplatz beim Nachtessen meist höher ausfällt als beim Apéro. Logisch. Nur, welcher umsatzentlohnte Kellner macht sich schon Gedanken bezüglich Rendite? Entsprechend interessiert es diese Serviceprofis natürlich nicht, dass ein Flasche Weisswein oder zwei Glas Champagner in Franken mehr Marge generieren als die Vorspeise oder der Hauptgang am Abend. Um Spreu vom Weizen zu trennen, werden Gäste von den Servicemitarbeitern entsprechend kritisch auf Ihre Bonität geprüft. Haben Sie ihn auch schon erlebt, den “Body-Scan” der Servicemitarbeiter? Ich nenne

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ihn auch den “Terminator-Blick”, weil der Kunde mit schnellem Blick von Kopf bis Fuss “gescannt” wird. Das Resultat - mit der Einteilung in die Kategorien “guter Gast”oder “nur ein Gast, der etwas trinkt” - erscheint prompt auf dem imaginären Display im Kopf des “ServiceTerminators”. Wenn dieser erste Scan noch Zweifel offen lässt, folgt die programmierte Frage: “Essen oder nur etwas Trinken?” Eine Begegnung der dritten Art? Nein, ernüchternder Alltag! Entschuldigungen für den Verzicht auf Apéro-Gäste wie “keine Zeit für Mise-en-Place” oder “zu wenig Umsatz und zu viel Aufwand” sind Ausreden. Die Industrie hat längst Hilfsmittel erfunden, die das Aufdecken erleichtern und lange Wege verkürzen. Ich denke da spontan an Bestecktaschen, dezentrale Servicestationen, KlappBöcke für Plateaus und anderes. Erfolgreiche Konzepte beweisen, dass nicht nur die reine Mittags- und Abendbesetzung der Tische ausschlaggebend ist, sondern die regelmässige und mehrfache Belegung. Ein kreatives Apéro-Angebot am Mittag und Abend bringt zusätzliche Frequenz. Kreative Drinks mit und ohne Alkohol, in Kombination mit Appetit anregenden Apéro-Beilagen, steigern die Apéro-Freude und Gästefrequenz. Selbstverständlich dürfen das entsprechende Ambiente und die Musik nicht fehlen. Schade, dass so viele Hoteliers und Wirte die Chance nicht nutzen, ihre Gäste mit entsprechenden Häppchen auf die Kulinarik ihres Betriebs aufmerksam zu machen! Das meist gereichte Knabberfutter repräsentiert nicht die Spezialitäten auf der Karte. Die Ristoranti und Bars in Mailand machen es vor und zelebrieren das Apéro-Büfett mit belegten kleinen Brötchen, Käse- und Wurststücken. Oder eben mit Degustationshappen der verschiedenen Pizza-Spezialitäten, die dann am Abend bestellt werden können. Betriebe wie die Beach Lounge in Ascona hatten vor Jahren die Idee erfolgreich übernommen und damit allen anderen Betrieben Konkurrenz gemacht, die immer noch keine Alternative zu den langweiligen Appetitkillern wie Chips und Erdnüsse gefunden haben. Machen Sie


mit und profitieren Sie vom schönen Nebeneffekt, dass der Betrieb während längerer Zeit lebendig ist, die Arbeit mehr Spass macht und schlussendlich auch mehr Gewinn abwirft. Betriebe mit fröhlichen Menschen wirken zudem sexy - im Gegensatz zu menschenleeren gedeckten Tischreihen. Toll, wenn es künftig mehr Betriebe gibt, die den Apéro als Chance erkennen und ihrem Serviceteam verbieten, Gäste in “gut” und “schlecht” einzuteilen. Ich freue mich auf lebendige Apéro-Zonen und Service-Mitarbeiter, die mich mit “herzlich willkommen” begrüssen - statt mit “haben Sie reserviert?!” Dann sind nämlich auch die Pseudo-TischReservationen nicht mehr notwendig. Eben die Tische, die schon um 17 Uhr aufgedeckt werden, obwohl es noch gar keine Reservation gibt. Eben die Tische, die dann mit “Dr. Frei” - dem Pseudonym für “freier Tisch” - angeschrieben werden und Stunden später immer noch leer sind ... (Hotelier 10/10)

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8.3 Achtung Kunde!

Der ModeratorenKoffer ... Was haben eine Frauenhandtasche und ein Moderatorenkoffer gemeinsam? Die Grösse, die Ordnung, die vielen nützlichen und unwichtigen Dinge, das verzweifelte Suchen, wenn es um einen bestimmten Gegenstand geht? Der Mann beobachtet, schweigt und tut gut daran, die Handtasche als treuen Begleiter der Frauen nicht in Frage zu stellen oder gar zu kritisieren. Auch der Moderatorenkoffer hat eine grosse Aussagekraft. Er ist Spiegelbild der Liebe fürs Detail sowie der Professionalität des jeweiligen Betriebes im Seminargeschäft. Im Gegensatz zur Handtasche ist hier der kritische Blick erlaubt und sogar notwendig! Denn - trotz rückläufiger Umsätze im Seminarbusiness - wird dieser POS in vielen Hotels immer noch lieblos und stiefmütterlich behandelt. Hier ein paar Anregungen und Tipps zur “Seminar-Hardware” aus meiner Optik als Trainer und Seminarleiter von weit über 500 Workshops:

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Seminar-Raum: Das Wort “eierlegende Wollmilchsau” passt auf die meisten Räume, die gleichzeitig für Hochzeiten, Seminare und Abdankungsfeiern hinhalten müssen. Ein Kreativ-Workshop kann unmöglich im gleichen Raum stattfinden, in dem Ölbilder mit Goldrahmen, Louis-XV-Stühle sowie schwere Teppiche und Tapeten den Ton für feierliche Anlässe angeben. Auch der Raum im Halbparterre (mit vergittertem Lichtschacht und Aufputzleitungen) macht den Seminartag für Teilnehmer und Trainer zur Qual. Störend sind auch frei verlegte und mit Klebeband am Boden fixierte Kabel. Mit kleinem Aufwand


könnten magnetisierte und beschreibbare Wände, Kreativfarben nach Goethe sowie Kabelschächte mit Bodensteckdosen einen ersten professionellen Eindruck prägen. Einrichtung: Welcher Hotelier möchte freiwillig einen ganzen Tag auf seinem Bankettstuhl sitzen? In den Hotelzimmern wird oft eine Auswahl verschiedener Kissen angeboten. Warum also nicht auch im Seminarraum dem Gast verschiedene Sitz-Möglichkeiten - vom Ball bis zum Keilkissen - zur Verfügung stellen? Auch könnten, statt dem genormten BankettMobiliar, nierenförmige oder geschwungene Tischformen, beschreibbare Tischplatten und unterschiedliche Tischund Stuhlhöhen für kreative Gespräche und Betrachtungsoptik sorgen. Oft sind es aber einfach die simplen Dinge, wie Garderobe oder Papierkorb, die ich im Raum vergeblich suche. Auch ein Raumduft wäre eine zusätzliche Möglichkeit, den ersten Eindruck positiv zu prägen. Moderations-Material: Erstaunlich, dass ich in vielen Seminarhotels immer noch einen Heilraumprojektor antreffe. Auch wenn das offenbar robuste Gerät nach so vielen Jahren immer noch funk­ tioniert, bitte nur auf ausdrücklichen Wunsch in den Raum stellen! Das Relikt aus der Vergangenheit drückt nicht wirklich technologischen Fortschritt aus. Wer kontrolliert in Ihrem Hotel, ob Pinnwände wacklig sind, oder wie sich der Flipchart in der Höhe verstellen lässt? Warum fehlt immer das Reservepapier beim Flipchart? Warum ist das einzig prägende im Moderatorenkoffer die “Diebstahl-Warnung”, die darauf hinweist, dass fehlendes Material selbstverständlich verrechnet wird? Bis jetzt hat mich das Angebot an trockenen Markern, einem abgegriffenen Rest an Metaplankarten und Klebepunkten nicht in Versuchung geführt. Da auch fehlende Magnete, eingetrocknete Klebestifte, verbogene Pinnwandnadeln und leere Scotch-Rolls keine Hilfe sind, hat jeder Trainer gezwungenermassen sein eigenes Moderationsmaterial mit dabei.

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Lichtabstimmung und Musik: Die Generation meiner Kids konsumiert Filme und Musik nur noch via Wi-Fi – der notwendige Internetzugang ist in vielen Hotels mit einem akzeptablen Down- und UploadVolumen immer noch unerreichte Zukunft - oder dann kostenpflichtig. Auch Manager benötigen für die Arbeit in den virtuellen Offices ein schnelles Netz. Zudem fehlen meist fest verkabelte Lautsprecher sowie Dockingstationen für iPod & Co. Nur selten lässt sich das Licht in den Seminarräumen dimmen und so auf die verschiedenen Moderationssituationen abstimmen. Am schlimmsten ist das Tagen in Minergieräumen. Ich brauche doch keinen Computer, der mir vorschreibt wie warm es im Raum sein muss, wie stark die Lüftung bläst, wann der Sonnenschutz am Tag Kunstlicht notwendig macht oder mir verbietet in den Pausen die Fenster zu öffnen. Technische Infrastruktur: Toll, wenn ein Profi schnell erreichbar ist und persönlich die Funktionalität des Beamers sicherstellt, so dass die Power-Point-Präsentation nicht zur Zitterpartie wird. Multifunktionsdrucker kosten bei “bin doch nicht blöd” weniger als die Seminarpauschale für eine Person. Ein günstiger, aber wertvoller Zusatznutzen für den Seminarleiter!

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Fazit: Selbstverständlich ist diese Aufstellung nicht vollständig. Die Tipps und Anregungen sind vielen Hoteliers bekannt, werden nur leider nicht umgesetzt. Es braucht tatsächlich wenig, um in der austauschbaren “08/15-SeminarWelt” positive Akzente zu setzen und Schwung in das Seminargeschäft zu bringen. Wer das anpacken will, fängt am besten beim Moderatorenkoffer an. Denn bereits hier trennt sich die “Spreu vom Weizen”. (Hotelier 05/13)


8.4 Achtung Kunde!

Die Flop-Parade Von der Aussenbeschilderungen und den Leuchtreklamen an Restaurant- und Hotelfassaden profitiert meist nur die Zulieferindustrie: Dank der gesponserten Werbung dominiert sie mit ihren Logos die Werbebotschaft und reduziert so den gewollten Marketingeffekt. (siehe Kapitel 3.2 “Rivella & Co. lassen grüssen”) Auch mit der Inhouse-Beschilderung gehen viele Wirte und Hoteliers fahrlässig um. Dass sie sich offenbar nicht bewusst sind - dass die internen Schilder oft einen negativen Kommunikationsinhalt haben - zeigt die folgende Flop-Parade der unnötigen Gastronomie- und Hotelschilder: Den Platz 10 verdient das unnötige Schild “Nichtraucherzimmer”. Erstaunlich, dass es immer noch Gastgeber gibt, die den weltweiten Trend des Nichtrauchens nicht erkannt haben. Raucher schätzen es, wenn es in der Halle eine Raucherlounge gibt oder wenn auf dem Tisch des Zimmerbalkons ein Aschenbecher steht. Aber nur die wenigsten von ihnen wollen im eigenen Zigaretten- oder Zigarrenrauch auch schlafen. Auf Platz 9 steht das Schild “Wait to be seated”. In Amerika mögen sich die Menschen an diesen Befehl zum Warten gewöhnt und den scharfen Ton akzeptiert haben. Bei uns kann der gleiche Effekt mit einem Empfangspult beim RestaurantEingang und einem fröhlich lächelnden und grüssenden Mitarbeitenden auch sympathischer erreicht werden. Platz 8 gehört dem Schild “Picknick verboten” und wird in den meisten Ausflugsbetrieben verwendet, um “Billig-Gäste” abzuweisen, die im Rucksack Sandwich und Thermoskanne mitbringen. Dass ein Ausflugsrestaurant von konsumierenden

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Gästen lebt, ist jedem klar. Dennoch könnte statt des Verbots in der Nähe eine Picknick-Infrastruktur für Gäste mit kleinerem Ferienbudget gratis zur Verfügung gestellt werden. Eine sympathische Geste, die weniger als ein Zeitungsinserat kostet und auch imagefördernd wirkt. Den Platz 7 verdient ein Schild, dass ich im Winter in einem Top-Hotel im Engadin entdeckt habe: “Bitte vor dem Eintreten die Schuhe reinigen!” Hand aufs Herz - wenn Sie schon mit dem grossen Ferienbatzen unterwegs sind, lassen Sie sich kaum vorschreiben, die Schuhe abzuwischen, bevor sie die Halle betreten. Das Schild auf dem 6. Platz richtet sich an die vierbeinige Kundschaft: “Hier darfst Du nicht.” Dem klugen Hund ist nach dem Lesen des Hinweises sicher sofort klar, was damit gemeint ist. Nur hätte sein Herrchen den Wink besser akzeptiert, wenn statt dem Verbotsschild ein Robi-Dog zur Problemlösung beitragen würde. Davon abgesehen bezahlen die Hunde in den meisten Hotels ebenso für die Nutzung des Zimmers und der Infrastruktur. Statt einem Verbot wäre hier eine Hilfestellung zur Problemlösung angebrachter, denn auch Hunde müssen mal ...

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Das Schild “Toilettenbenutzung ohne Konsumation CHF 1.-” steht auf Platz 5. Der Nicht-Gast wird für die Verrichtung seines Geschäfts kaum den gewünschten Betrag bezahlen, sondern sich über die kundenfeindliche Beschriftung ärgern und nicht mehr wiederkommen - auch nicht als zahlender Gast. Fehlt nur noch, dass Toilettenkontrolleure wie im Zug oder Tram eingesetzt werden und Bussen fürs “SchwarzPinkeln” ausstellen. Das Schild “staff only” erreicht den 4. Platz. Statt auszugrenzen, könnte hier Sympathie kommuniziert werden: “Hier arbeiten wir für Sie - mehr über diesen Bereich erfahren Sie an der Rezeption!”


Das Schild “Geschlossene Gesellschaft” gehört auf Platz 3 der Flop-Parade der unnötigen Schilder, denn es übermittelt die unmissverständliche Aussage: “Für Dich ist hier kein Platz - Du gehörst nicht dazu!” Diese ausgrenzende Botschaft könnte kundenfreundlicher kommuniziert werden: “Das Restaurant ist heute Abend ausgebucht - gerne sind wir morgen wieder für Sie da.” Lösungsorientierte Gastgeber schlagen dem Gast zusätzlich eine stimmige Alternative für das ausgebuchte Restaurant vor. Das Schild auf Platz 2 der Schilder-Flop-Parade wirkt auf Nicht-Hotelgäste abweisend und unfreundlich: “Nur für Hotelgäste!” Warum nicht dem “Noch-nicht-Gast” bei dieser Gelegenheit aufzeigen, was hinter der Absperrung den Hotelgästen alles geboten wird; was er verpasst, wenn er nicht Hotelgast ist? Vielleicht motiviert dies den Besucher ja, Hotelgast zu werden! Gleichzeitig kann auf dem Schild auf die Hausführung aufmerksam gemacht werden, um dem angeregten Interesse noch mehr Nahrung zu geben. Trauriger Gewinner auf Platz 1 ist “Kein Durchgang”. Diesen Text auf eine Türe zu schreiben ist reiner Unsinn - eine Türe ist ein Durchgang! Statt also Dinge auf Türen zu schreiben - welche die Intelligenz der Gäste beleidigen – besser erwähnen, wohin der Durchgang führt und gleichzeitig über Angebot und Dienstleistung informieren. “Hinter dieser Türe lagert der Chianti XY, den Sie heute Abend im Restaurant geniessen können”, oder “Hier beginnt der Arbeitsbereich der 40 Mitarbeiter, die Ihren Aufenthalt unvergesslich machen”. Jetzt liegt es an Ihnen: Die “Bad-Image-Schilder” abzumontieren oder sympathisch umzuformulieren! (Hotelier 04/11)

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8.5 Achtung Kunde!

Der Gast will nicht König sein!

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Wer hat ihn erfunden - den Spruch der Gast ist König? Wie sollte es auch anders sein – natürlich ein Schweizer! Dank einem Buchantiquariat konnte ich eines der vergriffenen Bücher von Ernst Scherz ergattern, das unter dem Titel “... und jeder König nur ein Gast” als Erstauflage 1982 im Scherz Verlag erschien. Scherz übernimmt im Buch den Slogan des damaligen Gstaader Kurdirektors Paul Valentin: “Jeder Gast ein König und jeder König nur ein Gast.” Auf 195 Seiten beschreibt der Hotelpionier Scherz seine Erlebnisse mit den Königen und Berühmtheiten der damaligen Zeit. Erzählt eindrücklich, wie er zu Beginn des Zweiten Weltkriegs das Palace-Hotel in Gstaad als Direktor übernahm und es durch die Wirren der Kriegs- und Krisenjahre führte. Beschrieben ist auch, wie Scherz das Hotel käuflich erwerben konnte und es während beinahe 50 Jahren zum heutigen weltberühmten Palace - zum Zuhause von berühmten Gästen und Königen - aufbaute. Mich beeindrucken im Buch vor allem die vielen Episoden, in denen Scherz Könige verwöhnte, indem er sie “nur” als Gast behandelte. Dass dies heute nicht mehr so gehandhabt wird, zeigen die floskelartigen Werbebotschaften vieler Hoteliers in Prospekten und auf Webseiten: “... bei uns sind Sie König“ oder “... jeder Gast ist bei uns König”. Versprechen, die beim Gast falsche Erwartungen schüren und schlicht nicht erfüllbar sind. Auch Aussagen wie “... bei uns gibt es kein Nein, wir erfüllen dem Gast jeden Wunsch”, fallen in das gleiche Kapitel. Ernst Scherz bringt es auf Seite 163 seines Buches auf den Punkt: “Allen Gästewünschen zu entsprechen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.”


Eigentlich wollen wir ja als Gäste und nicht wie Könige behandelt werden. Wer von uns will schon von devoten Domestiken und Lakaien umgeben sein? Von Dienern, die ihre Arbeit unterwürfig und lustlos ausführen? Auch für Hotelmitarbeitende kann es keine wirklich motivierende Vorstellung sein, als Untertan zu dienen und zu tun, was König Gast befiehlt. Mit Cäsar Ritz hat ein anderer Schweizer Hotelpionier einen Grundsatz geprägt, der die Gast- und Mitarbeiterrolle ins richtige Licht rückt: “We are Ladies and Gentlemen – serving Ladies and Gentlemen.” Noch vor dem Ersten Weltkrieg führte Ritz als Direktor Betriebe wie das RigiKulm und das Grandhotel National in Luzern. Um die Jahrhundertwende eröffnete er das Hôtel Ritz in Paris, das The Ritz in London und das Ritz Carlton in New York. Auch wenn die Aussage von Ritz somit über hundert Jahre alt ist, passt sie doch heute noch ins moderne Gastmanagement der Hotellerie. Kein Wunder, wird das Motto von Ritz auch heute noch von der Ritz-Carlton-Gruppe gelebt. Der Leitspruch verdeutlicht, dass Dienen und Dienstleistung nicht unterwürfig sein sollten. Im Gegenteil! Ein offener Umgang auf “Augenhöhe”, in Verbindung mit einer Top-Dienstleis­ tung, Respekt und Rücksicht lässt eine Partnerschaft zwischen Gästen und Mitarbeitern entstehen. Dies bedingt jedoch, dass der Mitarbeiter seine Rolle kennt und er geschult wird, Gästewünsche zu erfragen und auf Gast-Bedürfnisse entsprechend einzugehen. Ebenso muss der Mitarbeiter charmant “Nein” sagen können, sollte der Gast Wünsche haben, die nicht zum Angebot oder zur Dienstleitung des Unternehmens passen. Dies jedoch immer lösungsorientiert und somit begleitet von einem Alternativ-Vorschlag. Auch sollte ­ der Mitarbeiter wie ein Schauspieler auf die Bühne seines Hotels passen. Sei es in Bezug auf seine Bekleidung oder sein Auftreten. Wie viele Mitarbeiter wirken denn (selbst-)sicher vor dem Gast und kennen die Wirkung ihrer

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Worte und Körpersprache? Das Motto von Ritz sagt auch viel aus über die Rolle des Gastes. Auch vom Gast wird das Verhalten einer Lady oder eines Gentleman erwartet. Ein “König” würde sich hier wohl kaum Vorgaben machen lassen. Würde sich nicht nach Rauchverboten richten oder akzeptieren, dass ab 22 Uhr nur noch die kleine Speisekarte gereicht und vor 7 Uhr kein Frühstück serviert wird. Doch auch ganz normale Gäste lassen sich nur bedingt “erziehen”. Besser ist die positive Beeinflussung durch das eigene Verhalten sowie die gegenseitige Wertschätzung und Achtung. Wollen Sie als Hoteliers denn wirklich Könige als Gäste und Lakaien als Mitarbeiter? Wenn nicht, dann bieten Sie mit Ihrem Team dem Gast einzigartige Service-Erlebnisse statt Versprechen, die Sie weder erfüllen können noch wollen. Vielleicht werden sich diese Gäste am Schluss sogar wie Könige fühlen - wenn auch in einem tieferen Sinne! “Let’s Ritz!” (Hotelier 06/12)

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Meine Ideen:

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Kapitel 9

Mehr als ein Lächeln



9.1 Mehr als ein Lächeln

Seit wann arbeiten Sie ohne Leidenschaft in Ihrem Job? Auf meinen Reisen durch die Schweiz bin ich immer wieder als Gast verschiedenen Kundensituationen ausgesetzt. So unterschiedlich diese Gastkontakte auch sind, prägend in Erinnerung bleiben vor allem Situationen in denen Einstellung und Motivation der Menschen im Dienstleistungsprozess Hauptrolle spielen.

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Als ich in Klosters am Abend im zentral gelegenen DreiSterne-Hotel eincheckte, war es für ein üppiges Essen zu spät. So ging ich ins kleine Hotelrestaurant, um mit einem Glas Rotwein und einer dazu passenden Kleinigkeit den Tag ausklingen zu lassen. Trotz fortgeschrittener Stunde war im Lokal jeder verfügbare Platz fürs Nachtessen aufgedeckt und nur an zwei 2er-Tischen sassen Gäste. “Saisonschluss-Stimmung in Klosters”, seufzte ich. Obwohl im Lokal offensichtlich nichts los war, liess mich die Servicemitarbeiterin warten, nachdem sie mir wortlos die Karte gereicht hatte. Zwanzig Minuten dauern in einem fast leeren Lokal unheimlich lange! Das Ventilatorensurren der Salatkühlvitrine schien immer lauter zu werden. Mit jeder verstrichenen Minute fielen mir lieblose Details auf: die klebrige Speisekarte, die Reklame-Bierteller und die ungeputzte MaggiMenage passten perfekt zur fehlenden Aufmerksamkeit der Bedienung. Ich hatte plötzlich Zweifel, ob denn das riesige


Angebot auf der Karte aufgrund der schwachen Belegung überhaupt frisch sein konnte. Nein, auf die Reste der Saison hatte ich keine Lust! Immer noch nicht als Gast wahrgenommen, stand ich auf und verliess das Lokal. Kein Wunder, dass auch diese Aktion niemandem auffiel. Auch nicht dem Hotelier, der mich ja eine halbe Stunde vorher eingecheckt hatte und jetzt nicht mal mehr vom Rezeptions-Tresen aufschaute, während ich an ihm vorbeiging. Das italienische Restaurant auf der anderen Strassenseite war zur Hälfte besetzt. Warum herrschte hier nicht auch Saisonendstimmung? Von einem sympathischen Italiener wurde ich empfangen - und nach zehn Minuten genoss ich hauchdünn geschnittenen Serano-Schinken mit einem Glas Nero d’Avola aus Sizilien. So wie ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Was eine Strassenbreite in dem Bündner Dorf ausmachen kann! Nach der Enttäuschung im Hotel gegenüber, war ich offen für die Geschichten meines Kellners im “La Torre” und liess ihn von seiner Heimat Ischia schwärmen. Toll, ein Vollblut-Italiener mit Gastgeber-Flair! Die nächste Nacht hatte ich im Hotel “Vallatscha” in Curaglia gebucht. Ein Bericht in der “Hotel & Touristik Revue” hatte mich auf dieses Hotel aufmerksam gemacht. Ein Blick in die Speisekarte war hier nicht nötig, weil der Patron persönlich beim Einchecken ansprechende kulinarische Tipps und Empfehlungen abgab. Fürs Frühstück am nächsten Tag hatte seine Frau für mich (als Alleinreisenden)einen Tisch mit Ausblick aufs Tal reserviert. Eine charmante Aufmerksamkeit, die ich natürlich genoss. Hatte ich doch Gastfreundschaft vor kurzem noch anders erlebt. Dass es im Hotel - trotz Saisonschluss und abgelegenem Standort - viele Gäste hatte, begründete der Patron mit der bewussten Ausrichtung auf Tourenskifahrer. Wie ich im Gespräch von Hotelgästen erfuhr, ist - neben dem Tourenangebot - vor allem das Gastgeberpaar mit seiner persönlichen Art Schuld daran, dass die Gäste gerne an den abgelegenen Ort an der Lukmanier-Passstrasse kommen.

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Zwei Tage später fuhr ich im Zug nach Yverdon. Der Taxichauffeur, der vor dem Bahnhof wartete, schien nicht erfreut zu sein, einen Fahrgast zu erhalten. Als ich ihm mein Reiseziel nannte, sah ich ihm an, dass er für den offenbar kurzen Weg die Zeitung nicht gerne beiseitelegte. Vielleicht lag es an meinem Koffer, den er in den Kofferraum hieven musste - oder an meinem “Français fédéral”. Jedenfalls hatte er keine grosse Lust, sich mit mir zu unterhalten. Er liess mich spüren, dass Taxifahrer ja schliesslich zum Fahren da sind und nicht zur Fahrgastunterhaltung. Schliesslich heissen die Schaffner der SBB heute auch Zugsbegleiter und nicht Betreuer der Reisenden. So wurden meine Fragen nach den Sehenswürdigkeiten des schönen Städtchens am Neuenburgersee im Stil der Radiohörer im Morgenquiz “ABC-SRF-trüü” einsilbig und emotionslos beantwortet. Den Seufzer, den er nach der Bitte zum Ausstellen einer Quittung hören liess, bestätigte, dass das Arbeiten für ihn eher eine Qual sein musste. “Und jetzt erzählen Sie mir nur noch, wann Sie die Leidenschaft an Ihrem Job verloren haben!”

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Eigentlich hätte ich ihn das fragen sollen. Liess es aber sein, überzeugt davon, dass er, der Hotelier und die Serviceangestellte in Klosters, den tieferen Sinn dieser Frage nicht verstanden hätten. Die drei würden mir auch kaum zupflichten, dass Menschen, denen die Arbeit mit dem Gast nicht Spass macht, im Tourismus nur Schaden anrichten, und dass in unserer Branche nur arbeiten sollte, wer Menschen gern hat. Aber glücklicherweise gibt es die (wenigen?) erfreulichen Beispiele von Menschen, die ihren Job mit Freude und Leidenschaft ausüben. Sie werden auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Erfolg, Job und eine tiefe Befriedigung an ihrer Arbeit haben. Das ist doch fair, oder? (Hotelier 05/12)


9.2 Mehr als ein Lächeln

Viele echte und nicht “getürkte” Souvenirs Wenn meine Kinder das Ferienhotel “cool & easy” finden, ist auch meine Frau happy. Wenn meine Frau die Ferien geniessen kann, habe auch ich Ferien. Dank dieser Erkenntnis überliess ich grosszügig die Auswahl der Destination und des Hotels meiner Frau und meiner Tochter. Kurz vor dem Abflug habe ich das Hotel gegoogelt und mich über den Club informiert. Was ich auf www.holidaycheck.com gelesen habe, hat mich misstrauisch gemacht: Über unsere Ferienanlage in der Südtürkei fand ich fast nur positive Einträge. Ausgerechnet auf einem Internetportal, das doch eher für kritische FerienFeedbacks bekannt ist! Da ist doch etwas faul, dachte ich mir und ging nach der Ankunft im Ferienclub entsprechend misstrauisch und neugierig auf Entdeckungsreise. Schnell fiel es der ganzen Familie Stalder auf: In dieser Ferienanlage waren alle Mitarbeiter äusserst zuvorkommend und freundlich. Zudem war es in der ganzen Anlage - trotz der 2’000 Gäste - enorm sauber. Überall und zu jeder Zeit waren Mitarbeiter mit Mopp und Besen unterwegs. Kaum liess ein Feriengast ein Glas fallen (endlich ein Ferienclub mit Weingläsern statt Plastikbechern), wurden die Scherben aufgewischt. Bereits früh am Morgen reinigten die fleissigen Geister Strandliegen oder schrubbten Plätze und Wege. Anders als wir das von anderen Clubs gewohnt waren, wurden wir an den Bar- und Restauranttischen bedient. “Ich laufe gerne für Sie!” sagte der Servicemitarbeiter lachend und reinigt nach der Bestellungsaufnahme gleich noch den Tisch mit einem Lappen sauber. “Wie machen die das nur?” ging es

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mir durch den Kopf. So viele freundliche und hilfsbereite Mitarbeiter in so einem grossen Resort – das hatten wir noch nie erlebt! Offenbar waren die Einträge auf “holidaycheck” doch real und nicht “getürkt” wie die Kopien der Markenuhren, T-Shirts und Ledertaschen auf den türkischen Märkten. Auffallend war die Präsenz der Chefs. Den Executive Küchenchef sahen wir jeden Abend in den verschiedenen Restaurants bei der Überwachung der Abläufe oder beim Aufbau der Büfetts. Sogar der Manager persönlich begrüsste mit südländischem Charme (in dem riesigen Laden!) die Gäste, beobachtete sein Team und gab Anweisungen. Vom redseligen Masseur erfuhr ich, dass der Grund für die Teammotivation die genügend grosse Anzahl von Mitarbeitern ist. Alle - von der Zimmerfrau bis zum Kellner - hätten neben ihrer Basisarbeit Zeit für Gästeunterhaltung und das Erfüllen von Extrawünschen. Auch würden Mitarbeiter, die sich nicht ins Team integrieren können, sofort ersetzt. Selbst wenn dieser Mitarbeiter engagiert arbeiten würde - die Stimmung untereinander habe Priorität. Und in den Teamunterkünften findet man höchstens Doppelzimmer und nicht Massenlager wie in anderen Clubs. Bereits zwei Tage nach der Ankunft wurden wir persönlich von einem Guest-Relation-Mitarbeiter angefragt, ob das Zimmer unseren Vorstellungen entspricht und ob wir alles hätten, um schöne Ferien zu geniessen. Auch bei der Tisch­ reservation im à-la-Carte-Restaurant wollte der Mitarbei­ ter wissen, wie es uns denn im Hotel gefalle. Der Masseur meinte: “Erzählen Sie es Ihren Freunden weiter - ich lege Wert auf Mund-zu-Ohr-Werbung.” Einen Kellner habe ich am Morgen beobachtet, wie er mit kleinen Blumenblüten den Namen “Julian” auf den Tisch geschrieben hat. “Habe ich das richtig geschrieben”, fragte er mich strahlend. Offenbar hatte ein Julian im Hotel Geburtstag. “Kommen Sie doch hier durch, Sie sind doch hier zu Hause!”, ruft uns der Wellness-Chef zu und zeigt uns eine Abkürzung vom Strand zum Hotelzimmer. Andere Feriengäste bestätigen unsere Ein­


drücke: “Wir waren schon vor fünf Jahren hier - und sind wieder gekommen; wir kommen schon zum dritten Mal; wir sind schon zum fünften Mal hier.” So tönt es von links und rechts bei unseren Strandnachbarn. Offenbar lohnen sich die Anstrengungen: Das Hotel ist ausgebucht und viele der 2’000 Gäste sind Stammgäste! So bringe ich viele echte und nicht “getürkte” Souvenirs mit nach Hause. Nicht in Form von Kleidern, Schmuck oder Gewürzen, sondern in Form positiver Eindrücke und toller Beispiele zum Umsetzen. Übrigens wurden Gäste mit sehr positivem Feedback motiviert, ihre Eindrücke auch auf www.holidaycheck.com zu posten ... (Hotelier 09/10)

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9.3 Mehr als ein Lächeln

Good morning, Sir. Breakfast for one?

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In einem ****Businesshotel in Hannover. Ich komme zum Frühstück und eine charmant lächelnde Mitarbeiterin steht beim Empfangspult und begrüsst mich mit: “Good morning Sir; breakfast for one?” Verdutzt schaue ich sie an. Wahrscheinlich hat sie mit allen möglichen Antworten gerechnet, nur nicht mit einer Gegenfrage: “Sie sind doch Deutsche, und wir sind in Deutschland. Warum sprechen sie nicht einfach Deutsch mit Ihren Kunden?” Sie stammelt etwas von “Businesshotel” und “vielen englischsprachigen Gästen”. Meine spontane und ungewollt schroffe Reaktion hat die junge Dame offenbar aus der Fassung gebracht. Jedenfalls schaut sie mich an, als wäre ich E.T. persönlich. Sicher wird sie sich gefragt haben, warum dieser Gast schon früh morgens so eine schlechte Laune hat. Meine Reaktion war spontan und ich war verärgert, denn die Dame hatte mit der englischen Begrüssung bei mir einen wunden Punkt getroffen: Mich stört es nämlich jedes Mal, wenn ich in Schweizer Hotels als Schweizer auf Englisch angesprochen werde. Und nun passiert mir das auch in Deutschland! Mich ärgern weniger die vielen englischsprachigen TV-Programme durch die ich mich in Schweizer Hotelzimmern durchzappen muss, bis ich zu einem deutschsprachigen Sender komme. Sondern unpersönliche Begrüssungen und Wake-up-Calls auf Englisch. Wo ist denn da unser Stolz, in der Schweiz zu leben und zu arbeiten? Ist es wirklich zu viel verlangt, unsere Gäste in “Schwiizerdütsch” - im regionalen Dialekt - zu begrüssen? Zum Beispiel mit einem herzlichen “Allegra”, einem “Bun di”, “Grüezi” oder “Bonjour”? Ich bin überzeugt, dass unsere Gäste aus dem Ausland - egal ob der Besuch der Schweiz beruflich motiviert oder Ferien orientiert ist – auch die


Schweizer Eigenheit und Echtheit suchen und sich über einen Schweizer Gruss freuen. Wir sind als Deutschschweizer ja auch enttäuscht, wenn uns im Tessin der Kellner auf Deutsch statt auf Italienisch anspricht. Ganz sicher werden auch englischsprachige Gäste einen fröhlichen Schweizer Gruss sympathisch finden. Nach der Begrüssung kann dann ja auf die Sprache des Kunden gewechselt werden; dann können wir immer noch unsere Vielsprachigkeit unter Beweis stellen. Am meisten Verbesserungspotenzial hat offensichtlich der Weckruf in den Schweizer Hotels. Aus Faulheit werden diese Dienste einfach auf Englisch ausgeführt. Dabei genügt doch ein Blick auf die Gästeliste, um die Sprache des Gastes zu erkennen. Er kann so sympathisch mit einem Schweizer Gruss und einem netten Satz in seiner Sprache - statt in Standardenglisch - geweckt werden. Wenn nach der Begrüssung noch eine freundliche verbale Aufmerksamkeit folgt, wird sogar ein Weckruf zu einem besonderen Erlebnis. So wirkt zum Beispiel eine zusätzliche Bemerkung zum Wetter (“... ein wunderschöner Tag erwartet Sie!”) oder zum Besuchsgrund (“... ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Seminar!”) positiv und aufmerksam. Im Flughafen Zürich haben es viele schon selber erlebt, wie sympathisch Heidi, Kuhglockengebimmel, Jodeln und die Begrüssung auf Schweizerdeutsch auf die Passagiere im Verbindungszug vom Check-in zum Terminal E wirken. Sogar die Schweizer schmunzeln und freuen sich. Von vielen Schweizern höre ich immer wieder, dass sie den Urlaub in Österreich verbringen, weil es da offenbar mehr einhei­ mische Mitarbeiter gibt als in Schweizer Hotels. Vielleicht liegt es ja daran, dass bei den Mitarbeitern in Österreich der Landesstolz ausgeprägter ist als bei den Schweizern - oder den Ausländern, die in der Schweiz arbeiten. Liebe Hotel-Chefs! Schafft doch dieses Klischee aus der Welt und sorgt dafür, dass eure Kunden in der Landessprache begrüsst und geweckt werden und der Gast sich so in der Schweiz und nicht in Amerika oder England wähnt! (Hotelier 06/10)

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9.4 Mehr als ein Lächeln

Pit Bulls am Hoteleingang

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Im Herbst genoss die Familie Stalder ein paar Ferientage in Marrakesch. Um das Ambiente der lebendigen Stadt noch intensiver zu erleben, hatten wir in einem Riad zwei Zimmer gebucht. Als Riad werden die privaten Stadthäuser in der Medina bezeichnet, die sich auf die Unterbringung von Gästen spezialisiert haben und nur über sehr wenige Zimmer verfügen. Glücklicherweise nahmen wir den offerierten Abholdienst in Anspruch - denn ohne diese Hilfe hätten wir im Gassengewirr des Altstadt-Zentrums das Haus wohl kaum gefunden. Für ein Taxi hat es in den engen Gassen schlicht keinen Platz und die Eingangstüren der Riads unterscheiden sich kaum von den anderen Eingangstüren. Passierbar war das Gässchen also nur für Fussgänger, die allgegenwärtigen Kleinmotorräder und Transportkarren. Der einhei­ mische Guide war sehr freundlich und bewies, dass es zum Lachen keine Zähne braucht. Fröhlich bahnte er mit seinem Gepäckkarren einen Weg durch das Gewirr von Strassenhändlern. Den Weg ins Riad nutzte er für einen Schnellkurs im Feilschen und im Abwimmeln aufdringlicher Verkäufer. Wertvolle “Überlebenstipps” in den Souks von Marrakesch, wie wir später feststellten. Auch der Empfang im Riad war überaus freundlich. Das Haus verfügte über sieben rustikal möblierte Zimmer, alle mit stilvollen Dekorelementen der marokkanischen Tradition geschmückt. Im palmengeschmückten Innenhof wurde uns am ersten Abend der obligate Couscous serviert, der zum kulinarischen Pflichtprogramm für MarokkoReisende gehört. Zu unserer Freude entkorkte der Portier


die Flasche eines regionalen Weissweines. Schön, dass uns nicht die Regeln der hiesigen Religion aufgezwungen wurden. Am Folgetag genossen wir den kleinen Hamam auf dem Dach. Der schlicht eingerichtete Raum bewies, dass es für Wellness keine 2’000 m2 braucht. Da es während unseres Aufenthalts fast täglich regnete, wurde das Frühstück im Innenhof serviert, statt auf der Dachterrasse mit Pool und Blick über die Medina. Damit wir das einzigartige Ambiente “über den Dächern von Marrakesch” doch noch geniessen konnten, servierte der Portier während einer kurzen abendlichen Aufhellung den Apéro mit Kräuter-Oliven spontan in der mit Kerzen und Eisenlaternen beleuchteten RooftopLounge. So muss Aladin gelebt haben - vom kühlen regionalen Weisswein mal abgesehen. Nach dem bunten USP-Strauss im einfachen Riad, wollten wir auch die Luxus Hotelwelt von Marrakesch kennen lernen. Schon von weitem war die Grösse des Hotels und der Parkanlage des “La Mamounia” beeindruckend: Ein Märchen aus 1’000 und einer Nacht! Beim pompösen Hoteleingang gab es eine Personenkontrolle. Verständlicherweise wurde auf die Privacy der Hotelgäste Rücksicht genommen. Der Security-Mann hatte offenbar den Auftrag, Besucher wegzuweisen. Obwohl ich ihm versicherte, dass wir künftige Gäste sein könnten und deshalb gerne eines der Zimmer besichtigen wollten, verweigerte er uns den Zutritt. Hotelbesichtigungen gäbe es nur morgens um 10 Uhr, zudem würden die Zimmer mehr als 6’000 Dirham kosten. Der abschätzende Blick auf unser Outfit machte klar, dass er uns die umgerechnet 660 Franken pro Nacht nicht zutraute. Meine Frau wollte den Versuch, das Mamounia kennenzulernen, schon abbrechen. “Pit Bulls” Verhalten - so unser Übernahme für den Gästeschreck vor der Türe - bestätigte das Klischee arroganter Fünf-Stern-Mitarbeiter. Erst nach meiner Frage, ob er ernsthaft potenziellen Kunden den Zugang zur Rezeption verweigern wolle, wurden wir zögernd eingelassen. Die charmante Dame an der Rezeption machte glücklicherweise den ersten Eindruck vor dem Hoteleingang

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wieder wett, rettete den Ruf der Mitarbeiter von Luxushotels und möbelte mein Kunden-Ego wieder auf. Denn auf meine Frage, ob ich ein Zimmer besichtigen dürfte, antwortete sie charmant und verkaufsorientiert: “Nein, Ihnen zeige ich selbstverständlich gerne eine Suite!” Als Kunde wissen wir, dass der erste Eindruck ausschlaggebend dafür ist, ob ein Hotel Kunden gewinnt oder eben nicht. Umso erstaunlicher ist es doch, dass dieser entscheidende erste Kundenkontakt in vielen Hotels weltweit schlecht geschulten Türstehern und “Pit Bulls” überlassen wird. Die Erlebnisse in Marrakesch zeigen, dass gute Gastgeber Herz und nicht Zähne brauchen. So sollten - wie in der Hundewelt - auch in der Hotellerie die “Pit Bulls” an der Gastfront endlich verboten werden. (Hotelier 01-02/13)

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9.5 Mehr als ein Lächeln

Nur eine Schachtel Zigarren? Ich schlendere durch die Bahnhofstrasse von Zürich und habe noch eine gute Stunde Zeit bis zum nächsten Kundentermin. “Die Wartezeit an diesem warmen Sonnentag könnte ich ja mit einer Nachmittagszigarre angenehm überbrücken”, geht es mir durch den Kopf, als ich am Rennweg vor der Auslage eines Zigarrenladens mit der Aufschrift DAVIDOFF stehe. Beim Eintreten ins Geschäft schauen mich zwei Verkäuferinnen kurz an und grüssen knapp. Ich bin der einzige Kunde im Laden. Nachdem ich kurz entschlossen eine Schachtel “Momentos” geordert habe, dreht sich die eine der Verkäuferinnen wortlos um und geht in den Humidor. “Nur eine Schachtel?” ruft sie laut aus dem Klimaraum. “Ja, nur eine”, rufe ich zurück und bin erstaunt über die plumpe Frage. Offenbar ist man sich hier grössere Bestellungen gewohnt! Wortlos tippt sie einen Betrag in die Kasse und verlangt von mir 35 Franken. “Die haben schon wieder aufgeschlagen”, geht es mir durch den Kopf und bezahle die gewünschte Summe. Auf meine Frage nach Streichhölzern reicht sie mir wortlos eine kleine Schachtel mit DAVIDOFF-Logo. Der emotionslose Verkaufsprozess hat nur kurze Zeit gedauert, und ich verlasse das Geschäft. Mehr aus Zufall drehe ich die Zigarrenschachtel und stelle mit Blick aufs Preisschild fest, dass die Verkäuferin mich nicht nur oberflächlich bedient, sondern auch einen zu hohen Preis einkassiert hat. Jetzt ist mein “Toleranz-Fass” voll und

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ich mache im Geschäft verärgert auf den Fehler aufmerksam: “Auf der Schachtel ist der Preis von CHF 32.50 aufgedruckt; Sie haben mir zu viel berechnet!” Auf den Gesichtern der beiden Verkaufsangestellten lässt sich ablesen, was sie von einem Kunden – in einem Luxus Zigarrengeschäft an der teuersten Strasse in der Schweiz halten, der wegen CHF 2.50 ins Geschäft zurückkommt und reklamiert. Nach einem tiefen Seufzer, bückt sich die eine Verkäuferin schliesslich wortlos und sucht im Papierkorb nach der zerknüllten Quittung. Nachdem sie mir wieder das Gesicht und nicht mehr ihr Hinterteil entgegenstreckt, streift sie langsam und sorgfältig mehrere Papierstreifen glatt und wird endlich fündig. Die Quittung belegt, dass ich zu Recht protestiere. Während der Suche werde ich als Kunde völlig ausgeblendet und muss zuhören, wie die beiden Frauen über die korrekte Stornobuchung diskutieren und unsicher einige Tasten auf der Kassenklaviatur drücken. Sie sehen mich erst wieder an, als ich leicht genervt die Herausgabe des Cash-Betrages fordere und darum bitte, die offensichtlichen Stornoprobleme ohne mich zu lösen. Kopfschüttelnd schauen sie mir nach, wie ich verärgert das Geschäft verlasse. Die Welt der Verkäuferinnen wäre doch so viel einfacher, wenn es keine Kunden gäbe. Dabei hatte mein Besuch im Zigarrengeschäft ja auch kundenorientiert ablaufen können!

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• Schön, wenn der Kunde nach der Bestellung in seiner Wahl bestätigt wird: “Danke, eine gute Wahl!” oder “Toll, dass Sie die Produkte von DAVIDOFF bereits kennen und schätzen ...” •

Wenn ein Kunde offensichtlich ein Zigarrenraucher ist, interessiert er sich möglicherweise auch für andere Produkte oder Neuheiten der gleichen Marke. Eine gute Chance für ein “Upselling” und die Gelegenheit, dem Kunden zu zeigen, dass er für die Firma wichtig ist und man ihn ernst nimmt.


• Wer am Nachmittag eine Schachtel Zigarren kauft und Streichhölzer verlangt, möchte offenbar auch eine Zigarre rauchen. Warum nicht einfach das fachgerechte Anschneiden der Petit Corona offerieren? • Vielleicht lässt sich der Kunde ja auch für den Kauf von Zigarren-Cutter, -schere oder -bohrer begeistern. Zeit für einen Zusatzverkauf hätten die beiden Damen ja reichlich - und wer Zigarren kauft, interessiert sich auch für das richtige Zubehör. • Wer Zigarren verkauft, sollte wissen, dass auch Klein zigarren mit kurzen Streichhölzern nicht fachgerecht angezündet werden können! Wenn schon Werbestreichhölzer zur Verfügung stehen, dem Aficionados lange Hölzer an bieten oder gar ein Zigarrenfeuerzeug verkaufen! • Wenn schon Fehler passieren, ist eine Entschuldigung die mindeste Reaktion, die ein Kunde erwartet. Aus Erfahrung weiss ich, dass jede Reklamation die Chance birgt, treue Kunden zu gewinnen. Die Schlussfolgerung dieses Kundenerlebnisses kann in alle Dienstleistungsbranchen übertragen werden: Wenn Menschen an der Kundenfront ohne Freude und Empathie agieren, wenn keine Motivation und keine Identifikation mit dem Produkt spürbar sind, kann der Kunde kaum für “Upselling” und “Zusatzverkäufe” begeistert werden. Er wird wohl auch nicht wieder kommen und möglicherweise die Marke wechseln ... Das Erlebnis bei DAVIDOFF zeigt auch, wie einfach es doch wäre - auch in einer einfachen Verkaufssituation - Kunden zu begeistern und an die Firma und Marke zu binden. Den wichtigen “Nebeneffekt” von Zusatzumsatz und Rendite nicht zu vergessen! (Hotelier 05/14)

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9.6 Mehr als ein Lächeln

Nicht der Preis, sondern die Stimmung

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“Besser die zweitbeste Lösung umsetzen, statt ewig an der besten Lösung herumbasteln und nichts realisieren.” Der Sinn dieser Aussage wurde mir im Februar - während einer Bike-Trekking-Tour in Süd-Thailand - bewusst. Mich hat beeindruckt, wie in diesem Land oft mit kleinstem Budget und einfachsten Hilfsmitteln schönste Stimmungen gezaubert werden. So war am Hat Paramong Beach der Insel Koh Lipe nahe der Grenze zu Malaysia - einmal nicht das dröhnende Bumbum aus den Subwoofern dominierend oder die ewig gleiche und monoton plätschernde Loungemusik, sondern stimmiger Blues in einer Lautstärke, die auch Gespräche zulässt. Die Tische am Strand waren aus heimischem Holz gezimmert und somit stabiler als die Monoblocs aus Plastik oder die wackligen Bistrotische unserer Terrassen. Sogar Kissen gab es in den bequemen Stühlen im Sand, die sowohl zum Sitzen wie auch zum Liegen einluden. Hier hat sich offenbar niemand über eine bewusste, “eingeschränkte Bequemlichkeit” Gedanken gemacht. Damit meine ich den fehlenden Sitzkomfort, der Gäste dazu bewegen soll, nach der Konsumation den Stuhl möglichst schnell wieder freizugeben, weil er für eine längere Verweildauer schlicht zu unbequem ist. In Hat Paramong schien es wichtiger zu sein, dass die Gäste sich wohlfühlen, wiederkommen, von ihren Erlebnissen weitererzählen und nicht, dass möglichst oft der Stuhl neu besetzt wird. Entsprechend wurde alles gemacht, damit sich die Touristen als Gäste wohlfühlen. Wohlbemerkt, es handelt sich hier um eine einfache Strandbar, die aus


Bambusmatten, -rohren und Holzlatten zusammengebastelt wurde. Umso mehr überraschen die Gastgeber mit einer grossen Sensibilität für Gemütlichkeit und Stimmungen. Auf der anderen Inselseite werden jeweils am Spätnachmittag die Liegestühle weggeräumt. Sie machen den Tischen und Stühlen fürs Nachtessen im Sand Platz. Ein Ort zum Essen wie im Ferienprospekt: die Füsse im Sand, der Blick auf das Meer und die tanzenden Wellen gerichtet. Neben würzigen Currygerichten werden auf Eis die frisch gefangenen Fische und Krustentiere angeboten. Ein grosser White Snapper für zwei Personen vom Grill kostet umgerechnet zehn Franken. Das einheimische Bier (1.50 Franken) wird wegen der hohen Temperaturen mit Eiswürfeln serviert. Die Drinks werden aus den lokalen Früchten vor dem Gast zubereitet und mit Blumen und Kräutern dekoriert. Auf dem Tisch stehen Windlichter der Marke Eigenbau: eine abgeschnittene PET-Flasche, halb mit Sand aufgeschüttet, damit die Kerze sicher steht und der Wind die Flamme nicht auslöschen kann. Sobald sich die ersten stechfreudigen Mücken zeigen, werden unaufgefordert Räucherstäbchen in einer leeren Flasche unter dem Tisch angezündet. Nach dem Essen laden Bambusmatten mit Kissen auf dem Sandstrand zum Good-Night-Cup, Dösen, Rauchen und diskutieren ein. Das Licht der Fackeln und Kerzen wirft spielerische Schatten auf die Ringe, die zur Verzierung um die Lichtspender in den Sand gezogen wurden. Zwischen den Palmen liegen in Hängematten die besonders romantisch Veranlagten und beobachten die Szenerie und den FireDancer am Strand. Es ist nicht der tiefe Preis, der mir schlussendlich in Erinnerung bleibt. Sondern es ist die Szenerie, die Stimmung, die sich wie ein Bild einprägt und haften bleibt. Es sind die Freundlichkeit und das Gastgeber-Flair, die mich und die anderen Touristen im Land des Lächelns so positiv überraschten. Verständlich, dass der eine oder andere begeisterte Thailandbesucher zu Hause Vergleiche anstellt. Dass bei uns das Bier oder der Fisch teurer ist - teurer sein muss! - ist sicher jedem klar.

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Dass ihn in der Schweiz bei dem mehrfach höheren Preis nicht eine ähnliche Kundenorientierung sowie eine aufmerksame und freundliche Atmosphäre erwarten, womöglich nicht. Offenbar ist es doch kein Zufall, dass bei uns viele hippe und stimmige Konzepte von Branchenquereinsteigern realisiert werden. Menschen, die ohne umfangreiche Konzeptstudien umsetzen, was den Gästen und ihnen selber Spass macht. Stimmung und Gastorientierung ist offenbar nicht primär eine Frage des Geldes - sondern der Sensibilität für Bedürfnisse, der Kreativität sowie der spontanen und konsequenten Umsetzung. (Hotelier 03/12)

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Meine To-Do-Liste:

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Kapitel Kapitel10 1

Erkenntnisse

Aus der Vogelperspektive



10.1 Erkenntnisse

Mäzenentum in der Hotellerie – Fluch oder Segen?

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In der “Sonntagszeitung” berichtet Karl Wild regelmässig über die besten und schönsten Hotels in den Ferienregionen und Städten der Schweiz. Auch die Wirtschaftszeitschrift “Bilanz” veröffentlicht jedes Jahr eine Hit-Liste der besten Hotels. Zusätzlich werden jeweils der Hotelier, der Barmann und der Concierge des Jahres geehrt. Neuerding erhält nun auch der Mäzen im Hintergrund diese Ehre. Voraussetzung für den Titel “Investor des Jahres” sind mutige und namhafte Investitionen in die Hotellerie. Ich freue mich über diese Anerkennung, denn dank diesen couragierten Unternehmern kann unser Land mit beispielhaften Hotelbetrieben glänzen. Wie viel ärmer würde sich die Gastro- und Hotelszene präsentieren, wenn es den Mäzen in unserer Branche nicht geben würde! Ohne diese oft branchenfremden Geldgeber geht es offensichtlich in der Hotellerie nicht. Denn die Top-Plätze der erwähnten Hotel-Ratings gehören fast ausschliesslich vermögenden Investoren, die sich das Abenteuer Hotel leisten wollen und können. Die Liste ist lang und illuster: vom Dolder Grand in Zürich über das Les Trois Reis in Basel, den Lenkerhof in Lenk, das Giardino und das Eden Roc in Ascona, das Guarda Val in SporzLenzerheide bis zu den Hotels Quellenhof und Hof in Bad Ragaz. Diese Auflistung ist unvollständig und liesse sich problemlos weiterführen. Unter den “Who is who” finden


sich fast ausschliesslich Betriebe, die es ohne Mäzen in dieser Form nicht (mehr) geben würde. Entsprechend ist die Anerkennung gerechtfertigt. Gleichzeitig habe ich Verständnis für all die unternehmergeführten Hotelbetriebe, die jeden investierten Franken vor Banken und Aktionären erkämpfen und - oft kopfschüttelnd - die ungleiche Marktsituation akzeptieren müssen. Denn die enormen Investitionen, die sich ein Mäzen leicht leisten kann, sind für den klassischen Hotelunternehmer und -betreiber schlicht nicht finanzierbar. Dennoch müssen sich beide Produkte dem gleichen Wettbewerb stellen - auch wenn sie mit ungleichen finanziellen Möglichkeiten erstellt wurden und betrieben werden. Ist Geld in unserer Branche der alleinige Treiber für Erfolg und hat der unternehmergeführte Hotelbetrieb die schlechteren Chancen im Markt? Pia Schmid - Enfant terrible unter den Hotelarchitekten hat es auf den Punkt gebracht: Es sind sechs Elemente, die den Erfolg eines Hotels ausmachen. Bevor das Geld für die Umsetzung ausgegeben wird, braucht es eine klare Vision, die das Unternehmen über Jahre prägen soll. Sicher hat der Betrieb des Mäzens hier den Vorteil, dass die Kreativität bei der Projektentwicklung und -umsetzung nicht durch ein fixiertes Budget von Beginn an eingeengt wird. Das “Outof-the-box-Denken” birgt die Chance, etwas Neues und Spezielles zu kreieren. Zudem sind die meisten Mäzene Vielreisende, die von unzähligen Hotelaufenthalten konkrete Serviceideen oder Ansprüche an Komfort oder Schönheit mitbringen. Diese Freiheit bei der Planung hat der klassische Hotelunternehmer nicht, weil das Budget stark von seinen eigenen finanziellen Möglichkeiten und so vom engen Korsett der Businesspläne und restriktiven Bankkonditionen abhängt.

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Der dritte Faktor auf der Erfolgsliste von Pia Schmid Gastgeber - geht jedoch klar zugunsten des individuellen Hotelunternehmers. Da der Mäzen sein Hotel nicht selber ­ führen will, ist er auf Gastgeber angewiesen, die dies in seinem Sinn und Geist tun. Nur wenige haben das Glück und Feeling, hier Menschen zu finden, die über Jahre Sachkenntnis, Herzblut und Leidenschaft einsetzen und den Betrieb wie ihren eigenen führen. Allen bekannt sind die Mäzenen Hotels auf den Top-Plätzen, bei denen die Direktoren wie Unterwäsche gewechselt werden. Entsprechend kann der Hotelunternehmer auch beim vierten und fünften Erfolgsfaktor punkten: Mitarbeiter und Gast. Dank seiner persönlichen und langjährigen Präsenz kann er Stammgäste und treue Mitarbeiter besser an sich binden als der Betrieb mit den häufig wechselnden Direktoren. Beim sechsten Erfolgsfaktor, dem Kleid - also der Architektur und dem Erscheinungsbild - hat der Mäzen dank seinen finanziellen Möglichkeiten die besseren Karten. Dass die Architektur alleine jedoch kein Garant für den Erfolg ist, zeigen Betriebe wie das The Omnia in Zermatt oder das Dolder Grand in Zürich.

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Somit steht die Rechnung mit den Erfolgsfaktoren fiftyfifty. Der Mäzen darf in der Hotelbranche ebenso wenig fehlen, wie der operativ engagierte Hotelbesitzer. Der eine trägt mit seinem Betrieb den guten Ruf der Schweizer Hotellerie nach aussen und der andere sorgt dank seines grossen persönlichen Einsatzes für gelebte Gastfreundschaft und ein individuelles Hotelangebot. Beide haben also gute Chancen im Markt und können, wenn sie wollen, gegenseitig voneinander profitieren Wer nicht unter den Top-Hotels in den jährlichen Ratings aufgeführt ist, sollte nicht mit Neid auf die Erstplatzierten schauen, sondern seine Chancen nutzen, sich in den Herzen seiner Gäste eine Top-Platzierung zu erarbeiten. (Hotelier 07-08/11)


10.2 Erkenntnisse

Was Sex, Sport und Kunst gemeinsam haben … Jede bedeutende Tageszeitung - sogar konservative Titel bieten dem Leser ein Feuilleton für Kunst und Kultur, einen Sportteil sowie seitenfüllend Anzeigen für das Geschäft mit Lust und Sex. Offensichtlich stossen diese drei Themenbereiche auf ein grosses Leserinteresse, sonst würden die Medien wohl kaum so viele Seiten dafür opfern. Alle Hoteliers werden mit mir einer Meinung sein: diese Nachfrage sollte im Kommunikationsmix des jeweiligen Hotels besser und aktiver genutzt werden. Das klingt tatsächlich einfacher, als es ist, denn gerade das Thema Sex lässt sich nur bedingt als Kommunikationsschiene für das klassische Schweizer Hotel nutzen. “Erotisch verpackt” kann das Thema hingegen - je nach Betriebskonzept und Gästesegment - für eine positive und zusätzliche Aufmerksamkeit sorgen. So bieten über 100 Hotels auf www.loveroom.ch für frisch Verliebte oder Paare, die dank stimmigem Ambiente wieder Pepp in die Beziehung bringen wollen, stimulierende Angebote in einem erotischen Umfeld. Aufgrund der Tatsache, dass jede zweite Ehe geschieden wird, ein attraktiver Markt. Die Nacht im Erotikzimmer ist sicher günstiger als die Sitzung beim Scheidungsanwalt. Hotels wie das Art Deco Montana in Luzern streuen im “Romantik Programm” Rosenblätter auf die Betten, lassen auf Wunsch das Schaumbad ein und beschriften den Spiegel mit Liebesbotschaften in

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rotem Lippenstift. Im Hotel Del Lago in Melide erhalten die Paare beim Check-in - im Rahmen des Erotikangebotes ein Love-Kit, in dem vom Massage-Öl, über die wattierten Handschellen bis zum batteriebetriebenen Dildo allerlei Nützliches für den erotischen Aufenthalt zu finden ist. Doch all diese Gadgets bringen nichts, wenn nicht auch das Hotel, sein Ambiente und das Team “sexy” wirken. Lippenstift und Love-Kit alleine prägen keine erotische Stimmung! Auch die Kommunikationsschiene Sport erfordert ein pragmatisches Auseinandersetzen mit dem Thema. Einige Hotels schaffen es jedoch erfolgreich, den Sport als Kommunikationsweg zu nutzen. So verbinden viele das Albergo Giardino in Ascona immer noch mit der deutschen Fussball Nationalmannschaft, die während der Europameisterschaft 2008 das ­ Fünfsternehotel exklusiv buchte. In jährlicher Regel­ mässigkeit berichten die Medien über das Panorama Resort & Spa, immer dann, wenn dort als VIP Gäste die Kicker der Schweizer Nationalmannschaft in Feusisberg wohnen. Auch das Ascot in Zürich wird als erstes FIFA Hotel von der zusätzlichen Aufmerksamkeit der Fussballfans und Besucher des FIFA Museums profitieren.

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Die besten Kommunikationschancen der drei Themenbereiche bietet die Kunst. Selbstverständlich gibt es hier viele verschiedene Geschmäcker und Ansichten. “Gut gemeint” oder “gut gemacht” trennen hier sehr schnell die Spreu vom Weizen. Hobby-Aquarelle oder Sonnenblumenbilder sorgen höchstens für ein mitleidiges Lächeln bei kunstinteressierten Gästen. Kunst im Hotel ist dann gelungen, wenn sie aus dem Rahmen fällt, vom Gast während dem Aufenthalt positiv wahrgenommen wird und nach der Abreise Gesprächsthema bleibt. Gelungen ist dies vor Jahren dem Hotel Saratz in Pontresina mit der Bar in der Pitschna Scena. Die Söhne des gewichtigen Schweizer Eisenplastikers Bernhard Lugin­


bühl - Basil und Ivan - haben aus dem alten Eisen aus dem Hotelumbau eine attraktive Bar geschweisst. Auch die Bar von Pipilotti Rist im Castell in Zuoz macht auf das Flair im Umgang mit Kunst im Hotel aufmerksam. Inhaber Ruedi Bechtler stellt dem Hotel seine private Sammlung zur Verfügung und regt so seine Gäste an, sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen. Dass sich Kunst nicht nur auf die Bilder in den Zimmern beschränkt, beweist auch das Resort Bad Ragaz mit der jährlichen Skulpturen-Ausstellung Triennale, die sogar international Beachtung findet. Dass sich auch Hotels mit einem kleineren Budget Kunst leisten können, bewies vor Jahren das Hotel Misani in Celerina, das - statt mit einem Innenarchitekten - die Hotelzimmer mit dem regionalen Künstler Marco Zuffellato in Themenwelten umbaute. Der Hotelier, der den Billig-Offsetdruck im PlastikWechselrahmen oder den wandverschraubten Stich im Goldrahmen in seinem Gästezimmer gegen zeitgenössische Kunst austauschen will, hat verschiedene Möglichkeiten: Er meldet sich bei Künstlern, die gerne die Chance einer temporären Ausstellung wahrnehmen und auch am Verkauf ihrer Werke interessiert sind. Oder er sucht sich professionelle Unter­ stützung bei einer Firma für Ausleihkunst. So oder so bieten Vernissagen gute Kommunikationsmöglichkeiten und machen Menschen auf das Hotel aufmerksam, die mehr als nur “Essen, Trinken und Schlafen” suchen. Bilder und Skulpturen, die Gäste im Hotel kaufen, profitieren über Jahre vom “Souvenir-Effekt”. Die Kunstobjekte sind mit einem schönen Ferienerlebnis verknüpft und erzählen auch viele Jahre später auf sympathische Art vom schon lange zurückliegenden Aufenthalt. (Hotelier 09/11)

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10.3 Erkenntnisse

Austauschbar Die Hardware der meisten Seminar und Businesswelten ist austauschbar und entsprechend langweilig. Wenn StandardKlapptische, stapelbare Stühle sowie Beamer, Pinnwand & Co. überall gleich sind, entscheidet der Preis - oder aber eine überdurchschnittliche “Software”. Hier einige persönlich erlebte Beispiele, wie auch Standard-Seminar-Welten einzigartig gemacht werden können. Erlebnisse, die dem Veranstalter und den Teilnehmern in positiver Erinnerung bleiben - und zum Weitererzählen und Wiederkommen motivieren:

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Vor dem Seminar: • Der Trainer oder Seminarverantwortliche schätzt die persönliche Kontaktaufnahme ein bis zwei Tage vor der Durchführung. Wenn Teilnehmerzahl, Pausenzeiten und spezielle Wünsche in Bezug auf Einrichtung, Ablauf und Technik im Vorfeld besprochen werden, wird am Tag der Durchführung wertvolle Zeit gespart. • “Reisen Sie mit dem Auto an? Dann reserviere ich Ihnen gerne einen Parkplatz!” Es sind oft die kleinen Gesten, die auch nach dem Event in Erinnerung bleiben! • “Darf der Fitness-Coach des Hotels Sie und Ihre Teil nehmer nach dem Mittagessen mit einem Time-out über raschen?” Ein attraktiver Zusatznutzen für jeden Ver anstalter. • “Welchen Titel und welches Logo wünschen Sie auf der Infotafel und bei der Raumbeschriftung?” Rückfragen dieser Art schätzt jeder Referent. Begrüssung: • Die Mitarbeiter am Empfangsdesk sind auf den Referenten vorbereitet, weisen persönlich den Weg und helfen bei sperrigem Seminarmaterial.


• • •

Der persönliche Empfang des Trainers - zum Beispiel mit Kaffee, einem frisch gepressten Saft und Gebäck - wirkt nachhaltig. Die “Notfall-Nummer” des Hausmechanikers verkürzt die Reaktionszeit bei technischen Problemen. Toll, wenn diese Person sogar mehrsprachig und technisch versiert ist. “Dürfen wir für Sie und die Seminarteilnehmer nach der Mittagspause eine Hotelführung organisieren?” Leider werden nur selten die Chancen für ein aktives Cross Selling genutzt. Auch Business-Gäste schätzen den Blick “hinter die Kulissen”, erfahren gerne mehr über Wellnesswelten und Gedanken zu Architektur oder Kunstkonzept. Postkarten mit den Sujets aus den Restaurants im Seminarraum auflegen! Sie laden zu einem Besuch nach der Veranstaltung ein!

Während des Seminars: • Mit einem frisch zubereiteten Gemüse- oder Fruchtshot eine sympathische Überraschung in den Seminarraum bringen. An heissen Tagen mit einem kalten Fruchtsorbet die Teilnehmer erfrischen. • Nach der Pause den Brillenträgern ein Reinigungstuch auf den Tisch legen. Die charmante Aufmerksamkeit wird geschätzt! • Gummibärchen, Schokolade und andere Süssigkeiten er höhen den Blutzucker und so die Aufmerksamkeit. • Die vorgegebenen Lunchzeiten unbedingt einhalten. Ein “Löffeldessert” gleichzeitig mit dem Kaffee serviert, spart Zeit und schont die Linie. Kaffeepause: • Diabetiker oder Allergiker werden es schätzen, wenn auch für sie etwas Tolles auf dem Buffet steht. • Die klassischen Kaffees können mit einem - vor den Gästen zubereiteten - Espuma aufgepeppt werden. Eine Chance für den Küchenchef, ein paar Worte mit seinen Gästen zu wechseln.

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• Bei kalter Witterung eine Suppe oder Punch servieren und an heissen Tagen die Pause mit “Eis am Stiel” be reichern. • Der frisch gepresste Apfelsaft oder Sauser aus der Region schmeckt besser als der ewig gleiche O-Saft aus dem Beutel. Verabschiedung: • Beim persönlichen Verabschieden des Trainers offene Fragen bezüglich Infrastruktur und Dienstleistung stellen. “Was hat Ihnen besonders gut gefallen? Was haben Sie vermisst?” • Tischordnung und Einrichtung per Foto festhalten, damit beim nächsten Seminar der Trainer den gleichen Set-up vorfindet und nicht wieder alles erklären muss. • Referenten mit langer Heimreise schätzen einen Snack zum Mitnehmen. Für den Autofahrer bitte als Fingerfood und ohne tropfende Sauce. • Eine Schale mit Obst und gekühlte Getränke in Plastikflaschen zum Abschied werden auch von den Teilnehmern gerne mitgenommen. Ein “Abschiedsgruss” ist günstiger als irgendwelche Werbung auf “Inserate-Friedhöfen”. Er kann mit dem Hinweis auf eine Bewertung auf HolidayCheck oder bei Top-Seminarhotels kombiniert werden.

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Austauschbare Seminarwelt? Sie haben es in der Hand! (Hotelier 12/13)


10.4 Erkenntnisse

Von Raupen und Schmetterlingen Ich stand als Individualgast am Check-in-Counter des Gruppenhotels, das ich für einen potenziellen Käufer auf Herz und Nieren prüfen durfte. Meine Analyse sollte aufzeigen, ob sich Kauf sowie Investition lohnen und wie sich der Betrieb künftig erfolgreich positionieren liess. Vor dem Rundgang mit Pächter und Architekt, wollte ich im Hotel als Gast die ersten persönlichen Eindrücke sammeln. Entsprechend hatte ich ein Zimmer für eine Nacht gebucht. “Wer Schmetterlinge liebt, muss auch Raupen mögen.” Mit anderen Worten: Ich liebe Hotels und bin mir bewusst, dass nicht jedes ein farbiger, lebensfroher “Schmetterling” sein kann. So erlebte ich auch schon Hotels, zu denen eher das Prädikat “Nachtfalter” passte - aber ein Hotel, das den Charme einer “Raupe” ausstrahlte - das war für mich eine neue Erfahrung. Die Hotelchefin schmunzelte, als sie mein Gesicht sah: “Sehen sie, deshalb vermieten wir nur an Gruppen. Individualgäste haben andere Erwartungen und würden mir den Zimmerschlüssel wohl entsetzt über die Theke werfen ...” Ich erfuhr, dass die Zimmer ausschliesslich an Billiggruppen aus Russland und Asien verschachert wurden. Dass bei einem Zimmerpreis von 80 Franken – unabhängig der Bettenzahl - kein Komfort geboten werden konnte, war aus Betreibersicht zwar verständlich. Dass im Tourismusland Schweiz – im Zentrum einer der wichtigsten Stadtdestinationen - solche Absteigen der Kategorie “Raupe” noch aktiv waren und Touristen abfertigten, schockierte mich. Das Geschäftsmotto “die sind eh nur einmal in der Schweiz

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und kommen nicht wieder” ist kurzsichtig und gefährdet das Image des Ferienlandes Schweiz. Nach dem Frust mit der “Raupe” brauchte ich ein Gegenmittel: Bewusst erinnere ich mich an persönliche Erlebnisse mit den “Schmetterlingen” der vergangenen Sommermonate. Hier das Ergebnis des 15-Minuten-Brainstormings: • Hotel in Poschiavo: Der Hotelier Claudio Zanolari lädt Restaurantgäste nach dem Hauptgang spontan zu einer Hotelführung in seinem historischen Betrieb ein. Gäste, die sich bis jetzt nicht kannten, erleben eine Reise durch die Geschichte des Albrici. • Empfang auf dem Parkplatz Punt Muragl in St.Moritz/ Samedan: Kaum hieve ich den Koffer aus dem Auto, kommt mir ein Mitarbeiter der Muottas-Muragl-Bahn entgegen, nimmt mir das Gepäck ab und gibt mir freundlich Tipps für den idealen Parkplatz. • Im Stadthotel Ascot in Zürich entdecke ich nach dem Checkout eine Grusskarte auf der Autoscheibe. Der Nachtportier hat mir die Frontscheibe geputzt und wünscht mir eine gute Heimfahrt.

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• Im Seminarraum des Ramada in Feusisberg verführt ein ehemaliger Flugzeug-Trolley mit Süssigkeiten. In dieser Auswahl und Grosszügigkeit überzeugt diese Geste alle Seminarteilnehmer, hebt Stimmung und Blutzucker. • Im Grotto Baldoria wird der Coretto Grappa auf Gastgeberart serviert: Der Espresso – kräftig und aromatisch, wie er in Ascona erwartet wird - begleitet von einer Flasche Grappa! Der Gast definiert selber das Mischverhältnis und schätzt das entgegengebrachte Vertrauen des Beizers und den unverschämt tiefen Preis.


• Im Guardaval in Sporz-Lenzerheide wird jedem Gast als Abschiedsgruss eine Papiertüte in die Hand gedrückt: Der Apfel, die Trockenfrüchte, das Sporzer-Würstli und das Wasser sind der ideale Snack auf der Heimfahrt und erinnern an einen schönen Aufenthalt. • Im Schweizerhof in Bern werde ich vor der Anreise per E-Mail begrüsst. Meine besonderen Wünsche sind dem Team offenbar wichtig: Ich wähle die Lage des Zimmers, den süssen oder salzigen Snacks zur Begrüssung, den Valet-Service fürs Auto oder den Gepäckservice ab Perron im Hauptbahnhof. Dieser Liste könnten noch viele Beispiele angefügt werden. Es gibt tatsächlich unzählige “Schmetterlinge” in der Schweizer Hotellerie und ich freue mich, wenn diese Erlebnisse Sie zum Nachahmen motivierten. Ich hoffe, dass die “Raupen” endlich vom Markt verschwinden. Entweder weil sie ein mutiger Unternehmer dank Kreativität und Kapital zum “Schmetterling” wandelt, oder weil sie den Tod sterben, den sie verdienen. Toll, wenn Banken, Behörden und Politiker das ihrige dazu beitragen, dass Schweiz-­ Touristen nach ihren Ferien zu Hause von “Schmetterlingen” schwärmen und keine ekligen Geschichten über “Raupen” erzählen. (Hotelier 11/12)

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10.5 Erkenntnisse

Der Berater als “ Totengräber”

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Immer wieder landen interessante Projektdossiers von Gastrooder Hotelbetrieben zur Analyse auf meinem Schreibtisch. Sie lassen sich nach der ersten Durchsicht in zwei Kategorien aufteilen: Die einen sind die “Hoffnungsträger”. Das sind Betriebe, die aufgrund ihres Standortes, der Nachfrage oder des Volumens ein grosses Chancenpotenzial aufweisen. Die anderen landen auf dem Stapel der “poor dogs”. So werden in der Marketing-Portfolio-Matrix die Betriebe bezeichnet, die weder das Zeug zum “Nachwuchs”, noch die Voraussetzungen für einen künftigen “Star” der Branche haben. Die Betriebe, die den “Poor-dog-Status” erreichen, sind oft Klein(st)betriebe, die nur dank enormem Engagement und der Leidenschaft der Betreiber die letzten Jahre oder Jahrzehnte überlebten. Die Betriebe weisen viele Parallelen auf: Die ersten Jahre ging’s meistens mit viel Elan und Engagement ans Werk. Die positiven Gasterlebnisse und – Komplimente liessen 16- oder 18-Stundentage vergessen. Die Umsatzschwelle wurde dank dem persönlichen Einsatz schnell erreicht und konnte aufgrund der begrenzten Infrastruktur nur noch bedingt gesteigert werden. Mit dem Ertrag liess sich zwar leben, der Lohn für das Betreiberpaar war jedoch nicht höher als das Gehalt vergleichbarer Kaderpositionen in der Branche - mit dem Unterschied, dass trotz des finanziellen Risikos es bei den Chefs für die Einzahlungen in die Pensionskasse nicht mehr reichte.


Im Tessin gibt es immer noch viele Kleinhotels, welche die CHF 500’000 Jahres-Umsatz-Schwelle nicht erreichen. Sehr oft wird in diesen Betrieben bewusst die “einfache Gesellschaft” als Rechtsform gewählt. Das vereinfacht die Buchführung und so die Versuchung nicht alle Einnahmen zu verbuchen. Unternehmerlohn ist, was nach dem Bezahlen der Rechnungen übrig bleibt. Der tiefe Lohn wird mit dem neuen Auto auf Leasing kompensiert. Die Bezüge reduzieren somit die Möglichkeit über die Jahre in Mobiliar, Inventar und Gebäude zu investieren. Beim Pächter senkt der Liegenschaftsinhaber im besten Fall die Miete, damit die sympathischen Betreiber weiter bestehen können. Was bleibt, ist zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Die reduzierte Miete hat einen negativen Einfluss auf die Investition ins Gebäude. Die Folge ist, dass sich die Renno­ vations- und Investitionsbedürfnisse anhäufen. Dank der Unterstützung von Lieferanten können notwendigste Anpassungen bei den Kühlanlagen gemacht werden, auch die Kaffeemaschine wird gratis zur Verfügung gestellt. Die Folge sind Lieferverpflichtungen und erhöhte Warenbezugskosten. Die restliche Infrastruktur kommt in die Jahre und veraltet. Einige treue Gäste kommen noch aus Sympathie, viele andere bleiben weg. Der Umsatz schrumpft und schrumpft. Ein Sanierungsplan und neue Ideen sollen jetzt den Betrieb auffangen und neu positionieren. Jetzt werden also rettende Ideen gesucht. Verständlich, dass auch ZusatzAngebote mithelfen sollen, die Umsatzsituation zu verbessern: ein bisschen Seminar im Bankettraum, ein wenig Wellness im Kellerraum. Mischkonzepte also, die jedoch eine bestimmte Betriebsgrösse voraussetzen und die betriebliche Problematik eines Kleinbetriebes nicht lösen. Im Gegenteil: “Ein bisschen von allem” lässt sich schlecht kommunizieren und wird vom Kunden nicht als klare Posi­ tionierung wahrgenommen. Statt sich auf die Kernkompetenz zu konzentrieren und sich Fragen zur Effizienz und Produktivität zu stellen wird der Kostenaufwand des “Gemischtwarenladens” noch höher.

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Wie kann diese Abwärtsspirale verlassen oder gar vermieden werden? Mein Vater – erfolgreicher selbstständiger Unternehmer eines Gastro-Kleinbetriebs - hat es auf den Punkt gebracht: “Du musst ausrechnen, wie viel Geld Du am Abend auf das Nachttischlein legen musst, damit Du am Morgen die Türe Deines Geschäftes aufsperren darfst.” Entsprechend müssen sich die Betreiber vor einer Pachtübernahme konkrete Gedanken zur Umsatz- und Kostenstruktur machen. Sie müssen sich bewusst sein, wie hoch die täglichen Fixkosten sind und welche Produktivität von ihnen und dem Team gefordert wird. Auch sind die Wahl der passenden Gesellschaftsform und der frühzeitige Entscheid zur Sicherung der Altersvorsorge elementar. Ebenso sollten die Strategien alle drei bis fünf Jahre aufgrund der wechselnden Standortsituation und Gästebedürfnisse hinterfragt werden. Dazu gehört das Überarbeiten der Mitarbeiter-, Angebots- und Marketingpolitik ebenso dazu, wie das Aktualisieren der Finanzstruktur auf neue Rahmenbedingungen. Zum Glück gibt es die “Hoffnungsträger” der Branche mit kreativen und mutigen Unternehmer-Persönlichkeiten, die dies alles nicht dem Zufall überlassen. Sie sorgen für Farbe und Kreativität in der Hotel- und Gastrowelt.

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Tragisch sind die “poor dogs”, die ohne diese Basisarbeit über Jahre viel Geld, Energie und Engagement investiert haben und heute eine unsichere Zukunft vor sich haben. Und das meist nur, weil vor Jahren die Unternehmerfreude stärker war, als ein kritisch formulierter Businessplan mit Ausstiegsszenario. Um den Fall dieser Betriebe aufzuhalten, hilft nur noch ein Sanierungskonzept oder der massive Geldzuschuss eines Mäzens. Ansonsten kann auch der beste Berater hier nur noch die Funktion des “Totengräbers” übernehmen ... (Hotelier 05/11)


Fazit:

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Über den Autor …

Adrian Stalder

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Adrian Stalder verfügt über 25 Jahre Führungserfahrung, davon zehn Jahre als Hoteldirektor in 4- und 5-SterneHotels. 2000 wurde Stalder von Ernst&Young als «Entrepreneur of the Year» ausgezeichnet und 2002 war er ESPRIX PriceWinner - dem Swiss Award for Excellence. Seit 10 Jahren ist Adrian Stalder als selbstständiger Berater, Coach und Workshop-Trainer in kleinen und mittelgrossen Unternehmen für das mittlere und obere Management sowie als Verwaltungsrat im Einsatz. Adrian Stalder, 6653 Verscio – Terre di Pedemonte www.stalderprojcts.ch


Statements zu Stalders Kolumnen · Du bringst das Thema wirklich auf den Punkt! · Toll, wie Sie der Branche die Augen öffnen. · Selbst wenn Du für die Hotelbranche schreibst, kann ich doch einiges in die Büropraxis übernehmen. · Danke für die Tipps. Teils sind die Anregungen umge- setzt, aber einiges werde ich noch verbessern können. · Die Themen begeistern immer wieder ... · Wenn nur mehr Hoteliers sich diese Anregungen zu Herzen nehmen würden. Das wäre echt wünschenswert! · Absolut zeitgemäss und interessant geschrieben. · Ich freue mich auf noch viele weitere Deiner Kolumnen. · Adrian, Du sprichst mir aus dem Herzen! Danke für diese tolle, oh so wahre Kolumne. · Musste gleich mal Schmunzeln; Sie bestätigen mir auch meine Beobachtungen. · Ich habe mich beim Lesen herrlich amüsiert! · Deine Gedanken sind ein Treffer ins Schwarze; ich könnte jede Aussage unterscheiben. · Sie haben mir aus dem Herzen geschrieben und Ihr Erfolg entspringt eben dieser positiven Denkweise. · Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen und schreiben mir aus der Seele. · Vorzügliche und ganz brisante Themen der Hotlelerie; einige Hoteliers werden davon träumen – oder gar schlaflose Nächte haben! · Es ist immer schön zu lesen, wie eine so elementar wichtige Sache mit ein paar Sätzen auf den Punkt gebracht wird. · Zum Schluss also nochmal: bitte noch möglichst lange, weiter so! · Ich hoffe, dass dies die “richtigen” Leute auch lesen. · Was muss in dieser Branche noch geschehen, damit An gestellte und Chefs einsehen, dass wir Gäste doch nur Geld ausgeben möchten? · Ihre Kolumnen machen mich so lesesüchtig, wegen dem Mix zwischen Aktualität und dem immer-noch-und-beinahe Ewiggültigen.

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Impressum Herausgeber: stalderprojects Idee, Konzept, Texte: Adrian Stalder Redaktion: Hans Amrein Design & Layout: Dario Cantoni Illustrationen: Andrea Caprez Layout, Produktion: Spot Werbung, St.Moritz Druck: Alpina Druck Alle Rechte vorbehalten. Die Inhalte dieses Buches dürfen ohne schriftliche Einwilligung des Herausgebers für eine kommerzielle Nutzung weder kopiert noch in anderer Form weiterverbreitet oder verwendet werden. Für und den Die

Schulungszwecke und betriebsinterne Weiterbildung, dürfen sollen die Inhalte des Buches – danke für den Verweis auf Autor - verwendet, kopiert und weiterverbreitet werden. Gäste wird’s freuen.

Weitere Informationen: www.stalderprojects.ch



In den hier zusammengetragenen 50 Kolumnen hält Autor Adrian Stalder der Hotelbranche den Spiegel vor; mal mit Augenzwinkern, mal mit erhobenem Zeigefinger. Immer aber konstruktiv und aus der Optik des Gastes - dem wichtigsten Schauspieler auf der Bühne Hotellerie und Gastronomie. So ist das Buch nicht nur für Hoteliers, Gastronomen, Mitarbeiter, Auszubildende und Lieferanten lesenswert sondern auch für Gäste und Branchenfremde. Sie erkennen sich in den Geschichten wieder und fühlen sich in ihren Bedürfnissen ernst genommen. Der Leser wird feststellen, dass die Kernaussagen auch für andere Unternehmen Gültigkeit haben und die beschriebenen Erfolgsrezepte sich im People Business von Machern erfolgreich umsetzen lassen. Die Geschichten basieren auf selbst erlebten Begebenheiten – auch in anverwandten Dienstleistungsbranchen. So sind die beschriebenen Gasterlebnisse konkret und der Zusammenhang mit existierenden Unternehmen ist gewollt und nicht zufällig. Im Buch werden bewusst auch Tabuthemen wie die Absenz der Chefs an der Gastfront, die oft fehlende Stellvertretungsregelung, das Trinkgeld oder die Qualität von Mitarbeiterzimmern angesprochen. Auch werden aktuelle Einflüsse auf die Branche thematisiert, wie die Investitionskraft der Mäzene, der Trend zu Online-Buchungen, die hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern oder der Kostendruck durch die Euro Parität. Auch für Investoren und Menschen, die sich den Traum vom eigenen Hotel oder Restaurant erfüllen möchten, bietet das Buch Checklisten und wertvolle Kennzahlen für eine erste Einschätzung. So dass das investierte Geld auf fruchtbaren Boden fällt und der Berater nicht zum Totengräber wird. Für Risiken und Nebenwirkungen kontaktieren Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker – sondern direkt den Autor: adrian@stalderprojects.ch


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